Einleitung
Der Sinn dieser Untersuchung liegt über die Absicht zum Entwurf eines
textanalytischen Modells hinaus darin, dass die zwei herangezogenen Akteure der Wiener Jahrhundertwende seinerzeit eine Wissens- oder Praxisform durchsetzen konnten, die sie berühmt machte, und vor allem darin, dass ihre Berühmtheit bis in unseren Tage hinein wirkt, dem „Raum des Möglichen“ (Bourdieu), dem, was heute in der Politik und, wenn auch nur bedingt, in der Kunst sagbar und machbar ist,
angehört.
Beide Karrieren, die Luegers wie die Hofmannsthals, lassen sich anhand zweier von Bourdieu übernommener Begriffe (Häresie und Orthodoxie) auf zwei Phasen aufteilen. Auf zwei Phasen, die jeweils eine bestimmte Position und damit eine bestimmte Praxisform, ein Programm oder Stil implizieren. Die Bedeutung einer zum Beispiel in einem Text bezogenen Stellungnahme hängt der Feldtheorie zufolge
mit der Position des Autors zusammen, die er im Feld seiner Praxis einnimmt.
Kennen wir den Raum des Werkes (Stil, Positionierung der in einem Kunstwerk wirkenden Figuren usw.), die Struktur des Feldes, sowie Position und Positionierungen des Autors, öffnet sich die Möglichkeit zur Re-konstruktion des „Habitus“. Dabei handelt es sich um ein „einheitsstiftendes System“ (ders.), das die
unterschiedlichsten Handlungen einer Person miteinander verbindet.
Die Arbeit mit diesem Begriff könnte dazu beitragen, dass die Spaltung zwischen dem, was eine sog. werkimmante Methode über ein gesellschaftliches Phänomen wie ein politisches Programm oder einen Roman hervorbringt und dem, was die andere ihr entgegengesetzte Methode, die die Aussagen des Werks eins zu eins mit bestimmten Eigenschaften des Autors verbindet, einer allgemeinen
gesellschaftlichen Kontext unterordnet, überwunden wird.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Teil: DER HABITUS DES KARL LUEGER
- Auf der Suche nach Anerkennung und dem adäquaten Ton
- Positionierung, anfängliche Manifestation und sukzessive Entstehung des Habitus
- Lueger in der Position des Häretikers in der Zeit zwischen 1889-1897
- Die Stellung der Partei im Feld der Macht
- Im Feld der Politik zwischen 1889-1897
- Das Veto des Kaisers
- Freiheit und Qual der Orthodoxia (1897-1910)
- Dispositionen und Habitus
- 2.Teil: DISPOSITIONEN DES HUGO VON HOFMANNSTHAL
- Einleitung
- Das literarische Feld und sein Umfeld
- Die Konkurrenz im Subfeld
- Die häretische Phase
- Realismus versus Mystizismus
- Geniessen oder Reflektieren?
- Zwischen „Überwindung\" und Orthodoxia
- Sehnsucht nach dem Ganzen
- Zwischen Heteronomie und Autonomie, die orthodoxe Phase
- Kunstmarkt oder reines Genie
- Hofmannsthal Symbol der Heteronomie?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Untersuchung zielt darauf ab, ein textanalytisches Modell zu entwickeln und gleichzeitig zu untersuchen, wie die beiden Akteure der Wiener Jahrhundertwende, Karl Lueger und Hugo von Hofmannsthal, eine bestimmte Wissens- oder Praxisform durchsetzen konnten, die sie berühmt machte. Besonders hervorzuheben ist, dass ihre Berühmtheit bis heute nachwirkt und den „Raum des Möglichen“ (Bourdieu) prägt, den Bereich dessen, was in der heutigen Politik und, wenn auch nur bedingt, in der Kunst sagbar und machbar ist.
- Der Einfluss von Habitus und Dispositionen auf die Karriereentwicklung
- Die Bedeutung von Häresie und Orthodoxie in politischen und künstlerischen Karrieren
- Die Rolle des Feldes und der Positionierung im Feld für die Praxisform von Akteuren
- Die Überwindung der Spaltung zwischen werkimmanenter und biographischer Interpretationsmethode
- Die Demonstration eines Untersuchungsmodells anhand der Karrieren von Karl Lueger und Hugo von Hofmannsthal
Zusammenfassung der Kapitel
1. Teil: DER HABITUS DES KARL LUEGER
Dieser Teil der Untersuchung fokussiert auf die Karriere des Politikers Karl Lueger und untersucht die Entwicklung seines Habitus anhand der Konzepte der Häresie und Orthodoxie. Es werden die verschiedenen Phasen seiner Karriere beleuchtet, von seinen frühen politischen Anfängen als Anhänger liberaler Ideen bis hin zu seiner Position als Bürgermeister Wiens. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Rolle des „Raumes des Möglichen“ (Bourdieu) und der spezifischen Feldstrukturen gelegt, die Lueger in seiner Karriere beeinflusst haben.
2. Teil: DISPOSITIONEN DES HUGO VON HOFMANNSTHAL
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich dem österreichischen Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal. Hier wird die Entwicklung seiner künstlerischen Praxis anhand der Konzepte der Häresie und Orthodoxie analysiert. Die Untersuchung beleuchtet die verschiedenen Phasen in Hofmannsthals Schaffen, von seinen frühen literarischen Anfängen bis hin zu seinen späteren Werken. Es werden auch die Herausforderungen und Konflikte thematisiert, denen Hofmannsthal in seiner Karriere begegnet ist, sowie die Bedeutung von Heteronomie und Autonomie in seinem künstlerischen Ausdruck.
Schlüsselwörter
Die Untersuchung widmet sich den zentralen Themen der Habitus- und Feldtheorie nach Pierre Bourdieu, Häresie und Orthodoxie als Karrierephasen, dem Einfluss von kulturellem und ökonomischem Kapital auf die Karriereentwicklung, der Positionierung von Akteuren in Feldern und der Analyse von Texten im Kontext ihrer jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Bedingungen. Die Untersuchung bietet einen detaillierten Einblick in die Karrieren von Karl Lueger und Hugo von Hofmannsthal als exemplarische Fälle für die Anwendung des entwickelten Modells.
- Arbeit zitieren
- Mag. Zoltan Peter (Autor:in), 2000, Zwei Habitus der Wiener Moderne: Karl Lueger und Hugo von Hofmannsthal Modell einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/293