Ein mittelständisches Unternehmen plant die Erweiterung seiner Produktpalette. In diesem Zusammenhang hat die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft den Auftrag zur Anfertigung eines juristischen Konzepts für einen Börsengang erteilt. Im Rahmen des Konzeptpapiers wird umfassend auf die Wahl der Rechtsform eingegangen. Anschließend erfolgt die Darstellung der Umwandlung des Unternehmens in eine börsenfähige Gesellschaft. Detailliert erfolgt die Schilderung des Börsengangs. Des Weiteren werden die Chancen, Risiken und Möglichkeiten einer Börsennotierung beleuchtet.
Die Ingeborg AG entwickelt parallel zur laufenden Produktion den Prototypen eines geländegängigen Fahrzeugs. Das Fahrzeug soll optisch einem Sportwagen gleichen, welcher die Antriebstechnik von modernen Landmaschinen nutzt. Zehn Mitarbeiter der Ingeborg AG sind in die Entwicklung des Prototypen eingebunden.
Zur Stärkung der Eigenkapitalbasis und damit einer Verringerung der Fremdkapitalfinanzierung soll eine Ingeborg Rennwagen AG an die Börse gebracht werden. Der aus dem Börsengang erzielte Mittelzufluss könnte zur Akquisition, Entwicklung und Vermarktung des neuen Produkts genutzt werden.
Mit dem Börsengang erhofft sich die Ingeborg Rennwagen AG außerdem die Gewinnung neuer Eigenkapitalgeber. Gleichzeitig ist es erforderlich, dass der Börsengang – bei möglichst geringen Folgekosten – maximale Transparenz für alle Kapitalgeber bietet.
Der Auftrag ist die Entwicklung eines sehr ausführlichen Konzepts über die Wahl der passenden Rechtsform, die Umwandlung in eine börsennotierte Gesellschaft sowie den Ablauf des Börsengangs.
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
I. Allgemeines
1. Unternehmenskurzprofil
2. Ausgangslage
3. Ziele des Börsengangs
II. Wahl der Rechtsform
1. Aktiengesellschaft
2. Kommanditgesellschaft auf Aktien
3. GmbH & Co. KGaA
4. Societas Europea
5. Stiftung
6. Bewertung
6.1 Vorteile bei Aktiengesellschaft
6.2 Nachteile bei Aktiengesellschaft
6.3 Vorteile bei SE
6.4 Nachteile der SE
6.5 Vorteile bei KGaA
6.6 Nachteile bei KGaA
6.7 Vorteile bei GmbH & Co. KGaA
6.8 Nachteile bei GmbH & Co. KGaA
6.9 Vorteile bei Stiftung
6.10 Nachteile bei Stiftung
7. Unternehmensnachfolge
8. Handlungsempfehlung
III. Ablauf der Umwandlung
1. Spaltungsfähiger Rechtsträger
2. Spaltungsart
3. Spaltungsplan durch die Ingeborg AG
4. Kapitalaufbringung
5. Beherrschungsvertrag
5.1 Gegenstand eines Beherrschungsvertrags
5.2 Inhalt des Beherrschungsvertrags
5.3 Einflussmöglichkeit der Ingeborg AG
5.4 Zwingende Regelungen
6. Organbestellung und Entstehung einer Vorgesellschaft
7. Gründungsbericht
7.1 Allgemeine Angaben
7.2 Angaben zur Sachgründung
7.3 Besondere Angaben
8. Gründungsprüfung
9. Vorbereitung der Hauptversammlung
10. Spaltungsbeschlüsse
11. Registerverfahren
12. Auswirkungen der Spaltung
13. Sonstiges
IV. Börsengang
1. Prüfung Emissions- und Kapitalmarktreife
1.1 Beauty Contest und Due Diligence
1.2 Festlegung der Emissionsstruktur
1. Börsenträger und Handelssegment
2. Initial Public Offering
3. Erstellung des Wertpapierprospekts
3.1 Prospektgestaltung
3.2 Billigung des Prospekts
3.3 Hinterlegung und Veröffentlichung
4. Festlegung Börsenplatz
1. Marketing und Kommunikation
2. Zeichnung und Zuteilung der Anteile
3. Listing und Handel
V. Compliance und Insiderüberwachung
1. Compliance
2. Insiderüberwachung
VI. Vergütungsstruktur und ihr Einfluss auf das Eigen- und Fremdkapital
VII. Grober Zeitplan
VIII. Fazit
IX. Mustersatzung für das Unternehmen (in Auszügen)
Literatur
Abkürzungsverzeichnis
Ein mittelständisches Unternehmen plant die Erweiterung seiner Produktpalette. In diesem Zusammenhang hat die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft einer Beratungsgesellschaft den Auftrag erteilt ein juristisch tragfähiges Konzept für einen Börsengang zu entwickeln. Im Rahmen des Konzeptpapiers wird umfassend auf die Wahl der Rechtsform eingegangen. Anschließend erfolgt die Darstellung der Umwandlung des Unternehmens in eine börsenfähige Gesellschaft. Detailliert erfolgt die Schilderung des Börsengangs. Des Weiteren werden die Chancen, Risiken und Möglichkeiten einer Börsennotierung beleuchtet.
I. Allgemeines
1. Unternehmenskurzprofil
Die Ingeborg AG aus dem Teutoburger Land – mit Sitz in Bielefeld[1] - hat als Unternehmensgegenstand die Produktion von Landmaschinen. Das Unternehmen ist nicht börsennotiert. Ein Betriebsrat wurde nicht installiert.
Das Grundkapital der Ingeborg AG beträgt 1.000.000,00 Euro und ist in 1 Mio. Stückaktien aufgeteilt.
Der Vorstand besteht aus einer Person und wird von drei Aufsichtsräten kontrolliert.
Die Anteile am Grundkapital teilen sich wie folgt auf:
Aktionär Martin Joseph verfügt über 600.000 Aktien (60 % des Grundkapitals);
Aktionärin Birgit Joseph verfügt über 200.000 Aktien (20 % des Grundkapitals);
Aktionärin Stephanie Joseph verfügt über 160.000 Aktien (16 % des Grundkapitals);
20.000 Aktien befinden sich in Streubesitz (4 % des Grundkapitals).
2. Ausgangslage
Die Ingeborg AG entwickelt parallel zur laufenden Produktion den Prototypen eines geländegängigen Fahrzeugs. Das Fahrzeug soll optisch einem Sportwagen gleichen, welcher die Antriebstechnik von modernen Landmaschinen nutzt. Zehn Mitarbeiter der Ingeborg AG sind in die Entwicklung des Prototypen eingebunden.
3. Ziele des Börsengangs
Zur Stärkung der Eigenkapitalbasis und damit einer Verringerung der Fremdkapitalfinanzierung soll eine Ingeborg Rennwagen AG an die Börse gebracht werden. Der aus dem Börsengang erzielte Mittelzufluss könnte zur Akquisition, Entwicklung und Vermarktung des neuen Produkts genutzt werden.
Mit dem Börsengang erhofft sich die Ingeborg Rennwagen AG außerdem die Gewinnung neuer Eigenkapitalgeber. Gleichzeitig ist es erforderlich, dass der Börsengang – bei möglichst geringen Folgekosten – maximale Transparenz für alle Kapitalgeber bietet.
Der Auftrag ist die Entwicklung eines sehr ausführlichen Konzepts über die Wahl der passenden Rechtsform, die Umwandlung in eine börsennotierte Gesellschaft sowie den Ablauf des Börsengangs.
II. Wahl der Rechtsform
Gerade die Wahl der geeigneten Rechtsform ist entscheidend für eine stabile Basis des Börsengangs. Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist die Annahme, dass Sitz und Geschäftsleitung unverändert in Deutschland verbleiben.
Grundsätzlich kommen verschiedene Gesellschaftsformen in Betracht. Das deutsche Gesellschaftsrecht stellt eine Fülle von Rechtsformen zur Auswahl. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive ist die Grobeinteilung in Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften sinnvoll. Im Einzelnen sind dies bei den Kapitalgesellschaften vor allem die klassische Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die europäische Aktiengesellschaft Societas Europea und die GmbH & Co. KGaA.
Die Wahl der geeigneten Rechtsform hängt von der gewünschten Unternehmensstruktur ab, wobei auch die steuerrechtlichen Konsequenzen zu berücksichtigen sind. Steuerlich lassen sich drei „Rechtsformen“ identifizieren: die Körperschaft, die Personengesellschaft bzw. nach deutscher steuerlicher Terminologie die Mitunternehmerschaft und die Betriebsstätte nach § 12 AO.
Der Übersichtlichkeit halber werden die einzelnen Rechtsformen separat mit ihrer Gestaltung und ihren Vor- und Nachteilen dargestellt.
1. Aktiengesellschaft
Die Aktiengesellschaft ist nach §§ 1 ff. AktG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit.[2] Im Konkreten bedeutet dies, dass sie ein von ihren Aktionären zu unterscheidendes Zuordnungssubjekt für Rechte und Pflichten hat.[3]
Unter Anbetracht dessen, dass die Ingeborg AG bereits als Aktiengesellschaft firmiert, kann auf eine allgemeine Darstellung der Struktur einer Aktiengesellschaft verzichtet werden.
Insofern wird erläutert, in welcher Rechtsform die Aktiengesellschaft börsentauglich ist und welche Konsequenzen rechtlicher Natur der Börsengang für eine Aktiengesellschaft bedeutet.
Durch § 3 Abs. 2 AktG und das Deregulierungsgesetz[4] wurde die kapitalmarktrechtliche Trennungslinie[5] zwischen nicht börsennotierten Aktiengesellschaften – auch kleine Aktiengesellschaft genannt – und den börsennotierten Aktiengesellschaften gezogen. Eine Gesellschaft gilt unter der Prämisse als börsennotiert, dass sie zu einem Markt zugelassen ist, der durch staatlich anerkannte Stellen geregelt und überwacht wird. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass im amtlichen Handel nach §§ 30 ff. BörsG oder im geregelten Markt nach §§ 49 ff. BörsG notierte Gesellschaften als börsenfähig gelten.[6] Ungeachtet dessen, an welchem Markt die Ingeborg AG die neue Aktiengesellschaft zulassen will, ist sie auf jeden Fall börsenfähig. Anderes würde gelten, wenn die Aktien nur im Freiverkehr nach § 57 BörsG gehandelt werden sollen. Das ist aber vorliegend nicht gewünscht.
Wie alle juristischen Personen handelt die Aktiengesellschaft durch ihre Organe. Für die Aktiengesellschaft kennzeichnend ist die Aufteilung der Funktionen zwischen dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung.
Bei der Aktiengesellschaft besteht nach § 23 Abs. 5 AktG der Grundsatz der Satzungsstrenge.[7] Als Konsequenz derer sind zwingend die Normen zum Zuständigkeitsbereich der Organe[8], ihre Zusammensetzung und ihre innere Organisation[9] und weitere – an dieser Stelle nicht zu thematisierende – Normen zu beachten.[10] Unter strengen Grenzen können bestimmte Voraussetzungen zur Auswahl und Qualifikation der Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder in die Satzung aufgenommen werden.[11]
Um den Aktionären – ohne Möglichkeit zur Abstimmung – die Teilnahme an der Hauptversammlung zu erleichtern, müssen mittlerweile bei börsennotierten Aktiengesellschaften moderne IT-Mittel eingesetzt werden.[12] Im Konkreten können dies beispielsweise Webcams in Hauptversammlungen oder die Einrichtung von Live-Tickern sein.
2. Kommanditgesellschaft auf Aktien
Möglicherweise ist die Kommanditgesellschaft auf Aktien (im Folgenden KGaA genannt) eine Alternative zur klassischen Aktiengesellschaft. Die KGaA verkörpert eine sog. hybride Rechtsform. Die KGaA stellt in ihrer rechtlichen Ausgestaltung eine Mischform aus Kommanditgesellschaftsrecht und Aktienrecht dar.[13] In Hinblick auf die innere Organisation und Führungsstruktur weicht die KGaA allerdings stark von der Aktiengesellschaft ab. Ein zentraler Unterschied zur Aktiengesellschaft liegt darin, dass für die innere Organisation der Gesellschaft die Gestaltungsfreiheit des Personengesellschaftsrechts die Satzungsstrenge verdrängt, welche bei einer Aktiengesellschaft essentiell ist. Grob gesagt verbindet die KGaA personenrechtliche und aktienrechtliche Elemente. Es ist somit eine Trennung von Unternehmern und Finanziers möglich.
Nach Maßgabe des § 278 Abs. 1 AktG hat die KGaA zwingend zwei Typen von Gesellschaftern. Zum einen sind das mindestens ein Komplementär und zum anderen eine nicht eingegrenzte Anzahl von Kommanditaktionären. Der im Personengesellschaftsrecht herrschende Grundsatz einer Einheitlichkeit der Mitgliedschaft, wonach der Komplementär nicht zugleich Kommanditist sein kann, ist bei einer KGaA nicht einschlägig.[14] Ausgeschlossen ist allerdings, dass der Komplementär mehrere Komplementäranteile hält.[15]
Mindestens ein Gesellschafter haftet den Gesellschaftsgläubigern nach § 278 Abs. 1 AktG unbeschränkt.
Die KGaA hat unabdingbar folgende Organe:
Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan: Komplementär;
Hauptversammlung: Vertretungsorgan der Kommanditaktionäre, § 285 AktG;
Aufsichtsrat, § 287 AktG als Kontroll- und Ausführungsorgan.
Es gibt keinen Vorstand. Ferner hat die KGaA eine kommanditrechtliche
Gestaltungsfreiheit, d.h. es können per Satzung weitere Organe installiert werden.[16]
An dieser Stelle kann man an einen Beirat, einen Aktionärsausschuss, einen Gesellschafterausschuss oder an einen Verwaltungsrat denken. Gleichzeitig ist es auch maßgeblich, welche steuerlichen Vorteile eine KGaA anbietet. Nachdem die KGaA eine Mischform zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft ist, unterliegt sie einer gespaltenen Besteuerung. Im Konkreten werden die Komplementäre als Personengesellschafter nach § 8 b KStG besteuert. Die Aktionäre der KGaA und die KGaA selbst werden steuerlich als Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter beurteilt[17] und sie ist somit unbeschränkt körperschaftspflichtig.[18]
3. GmbH & Co. KGaA
Auch eine GmbH kann als juristische Person als alleinige Komplementärin einer KGaA eingesetzt werden.[19] Die GmbH & Co. KGaA ist die zulässige Form einer KGaA und kann zu Recht als kapitalistische KGaA bezeichnet werden.[20] Auf eine detailliertere Darstellung der Struktur der GmbH & Co. KGaA kann an dieser Stelle verzichtet werden. Es sei auf die Zusammenfassung der Vor- und Nachteile einer GmbH & Co. KGaA als Rechtsform für ein börsennotiertes Unternehmen unter Pkt. 6.7 und 6.8 verwiesen.
4. Societas Europea
Wiederum könnte die europäische Aktiengesellschaft Societas Europea (im Folgenden SE genannt) eine Option für eine börsennotierte Gesellschaft sein. Die SE ist im Gegensatz zur Aktiengesellschaft keine rein deutsche Gesellschaft. Von daher sind die europäischen Verordnungen und Richtlinien einschlägig.[21] Grundsätzlich kann eine SE auch durch Umwandlung, respektive Ausgründung errichtet werden.[22]
Von Relevanz ist, ob die SE im Fall der Börsennotierung den für die deutsche Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften unterliegt. Nach Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO liegt zunächst keine Regelungslücke vor, weshalb vorrangig die europäischen Regelungen gelten. [23]
Das kann in Hinblick auf die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen von ausschlaggebender Wirkung sein.
Allerdings kann sich die SE wie die Aktiengesellschaft der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG unterwerfen.
Geklärt werden muss, ob für eine SE andere kapitalmarktrechtliche Vorschriften gelten, als es bei der deutschen Aktiengesellschaft oder der KGaA der Fall wäre. Hierzu wäre es unumgänglich, dass die SE-VO kapitalmarktrechtliche Regelungen enthält. Das ist nicht der Fall. Demzufolge sind die nationalen Gesetze des EU-Staates zu beachten, in dem die Aktien der SE notiert werden sollen.[24] Da die Aktien der zu gründenden Gesellschaft an einer deutschen Börse gehandelt werden sollen, sind die Regelungen des Börsengesetzes, der Börsenzulassungsverordnung und der Börsenordnung der ausgewählten Börse zu beachten.[25] Nach Art. 2 Abs. 1, 17 ff. SE-VO in Verbindung mit §§ 5 ff. SEAG kann eine SE auch im Wege der Verschmelzung, wie beispielsweise einer Neugründung, gegründet werden.[26] Die Rechtswirkungen sind denen einer deutschen Verschmelzung vergleichbar.[27]
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die SE überhaupt börsenfähig ist. Angesichts dessen, dass die SE nach Art. 2 SE-VO nur von Gesellschaften und Körperschaften gegründet werden darf, kann die die Börsenfähigkeit als selbstverständlich unterstellt werden.[28] Nach § 3 Abs. 1 BörsZulV muss die SE mindestens drei Jahre als Unternehmen bestanden und ihre Jahresabschlüsse vorgelegt haben, damit sie börsenfähig ist. Es ist nicht schädlich, dass die SE erst nach einer Umwandlung der Rechtsform an die deutsche Börse gehen würde.
Von daher stehen die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften einem Börsengang der SE an eine deutsche Börse nicht entgegen.
5. Stiftung
Als Unternehmensträgerin kommt auch die steuerbefreite, gemeinnützige Stiftung in Frage. Die Steuerbefreiung wird durch die Zwischenschaltung einer Holding-Kapitalgesellschaft durchgeführt.[29] Es ist allerdings eine Optimierung der Struktur durch die Aufnahme einer weiteren Stiftung erforderlich. Diese kann dagegen nicht gemeinnützig sein.
Die Position der Stiftung kann sich darauf beschränken, vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementärin in einer KG zu sein. Die Gesellschaft könnte dann als Stiftung & Co. KGaA firmieren. Auf diese Weise wird eine unternehmerische Mitbestimmung vermieden, da die Stiftung nicht in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannt wird, auf welchen § 4 Abs. 1 S. 1 MitbestG verweist.[30] Die steuerliche Behandlung steht der einer GmbH & Co. KGaA gleich.
6. Bewertung
6.1 Vorteile bei Aktiengesellschaft
Die Aktiengesellschaft ist für den Großteil der Bevölkerung die Rechtsform, welche mit einer Börsennotierung gleichgesetzt wird. Ungeachtet dessen, dass dies nicht per se der Fall ist, schafft die Aktiengesellschaft als Rechtsform bei potentiellen Aktionären und Investoren ein Vertrauensgefühl.
6.2 Nachteile bei Aktiengesellschaft
Wegen ihrer hohen Regelungsdichte im Aktiengesetz stehen den Vorständen und Gesellschaftern der Aktiengesellschaft begrenzte Gestaltungsspielräume zu.[31]
6.3 Vorteile bei SE
In der Rechtsform einer SE ist eine identitätswahrende und rechtssichere Verlegung des satzungsgemäß vereinbarten Sitzes des Unternehmens innerhalb der EU bzw. des EWR möglich. In diesem Fall wäre allerdings auch ein Wechsel des anwendbaren Rechts notwendig. Dies ist nicht im Interesse der Ingeborg AG. Insofern spielt diese gestalterische Freiheit keine Rolle bei der Wahl der Rechtsform zugunsten der SE.
Des Weiteren könnte bei einer SE der Aufsichtsrat nach den Wünschen der Gesellschaft verkleinert werden. Die Ingeborg AG hat hierzu allerdings keine Wünsche geäußert, was auch damit zusammenhängt, dass in dem Unternehmen kein Betriebsrat existiert und auch nicht installiert werden soll. Von daher ist diese Gestaltungsmöglichkeit auch nicht von Belang.
Zum Teil wird noch die Auffassung vertreten, dass die SE im Gegensatz zur klassischen deutschen Aktiengesellschaft eine größere Möglichkeit zur Schaffung einer europäischen Corporate Identity bietet.[32] An dieser Stelle kommt hinzu, dass die SE bei einer entsprechenden Ausgestaltung eine Ausweitung innerhalb der EU erleichtern kann.
6.4 Nachteile der SE
Der SE mangelt es an einer klar erkennbaren eigenen gesetzlichen Regelung. Zu viele Normen schließen sich an das AktG an. Der große Gestaltungsspielraum verwässert somit die Strukturierung der SE. Es ist keine einheitliche europaweite Kapitalgesellschaftsform geschaffen worden.[33]
An dieser Stelle muss auch kurz auf die steuerlichen Folgen einer SE eingegangen werden. Angesichts dessen, dass die SE-VO keine eigenen Regelungen zur Besteuerung der SE enthält, muss geprüft werden, welchem Steuerrecht die SE zugeordnet wird.
Die SE gilt nach Art. 3 Abs. 1 SE-VO als deutsche Aktiengesellschaft, wenn sie ihren Sitz in Deutschland hat, was geplant ist. Demzufolge ist sie ein Körperschaftssteuersubjekt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.[34] Aus diesem Grunde ist sie auch als Kapitalgesellschaft abkommensberechtigt und kann sich auf den Gebrauch der Doppelbesteuerungsabkommen berufen.[35] Es ist allerdings nicht bekannt, ob die neu zu gründende Gesellschaft auch im Ausland produzieren will und so unter Umständen eine Betriebsstättenproblematik entstehen kann. Insofern ist die Frage der Doppelbesteuerungsabkommen nicht von Bedeutung.
Die neu zu gründende Gesellschaft ist zunächst bis auf weiteres ein kleines mittelständisches Unternehmen, dessen einzige Produktionsstätte in Deutschland sein wird. Eine Expansion ins Ausland ist bislang noch nicht geplant. Und selbst dann, wären die gesellschaftsrechtlichen Normen einer SE noch zu kompliziert und würden zu viel Ablenkung vom Tagesgeschäft bedeuten. Im Ergebnis ist es anzuraten, dass die neue Gesellschaft (noch) nicht als SE firmiert.
6.5 Vorteile bei KGaA
Die KGaA ist für mittelständische Unternehmen wie die Ingeborg AG geeignet. Die gesetzlich verankerte starke Komplementärsstellung bleibt auch dann erhalten, wenn die Gesellschaft an die Börse geht und dort Kapital aufnimmt.[36] Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft bietet die KGaA bei der Satzung einen großen Gestaltungsspielraum.
Die KGaA bietet auch verschiedene steuerliche Vorteile. Die Gewinnanteile des Komplementärs sind ertragssteuerlich als gewerbliche Einkünfte iSd § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu behandeln.[37] Unabhängig davon, ob die Einkünfte ausgeschüttet oder thesauriert werden, sprich nach § 34 a EStG in der Gesellschaft verbleiben, erfolgt die Zurechnung an den Komplementär und müssen von ihm versteuert werden.[38] Abhängig vom Einkommensteuersatz und dem Gewerbesteuer-Hebesatz kann die Thesaurierung empfehlenswert sein.[39] Mehr als allgemeingültige Aussagen können vorliegend diesbezüglich nicht gemacht werden und sind nicht zielführend. Auch die Vorteile bezüglich der Erbschafts- und Schenkungssteuer sind zu beachten, sofern die KGaA durch eine Vermögenseinlage der Komplementäre finanziert wird.[40] Denn die Vermögenseinlage wird nicht nach dem Börsenwert oder dem Stuttgarter Verfahren bewertet, maßgeblich ist der regelmässig niedrigere anteilige Einheitswert.[41] Schwierigkeiten bereitet z.T. die Feststellung der Gewerbeertragssteuer in Hinblick auf die Vermögenseinlage des persönlich haftenden Gesellschafters. Nach § 8 Nr. 4 GewStG werden die Gewinnanteile wieder dem Gewinn hinzugerechnet. Grundsätzlich ist diese Regelung der körperschaftlichen Besteuerung und § 9 Abs. 1 KStG vergleichbar.[42] Allerdings besteht hier zwischen dem BFH und der herrschenden Meinung keine komplette Übereinstimmung, weshalb die steuerliche Gewinnermittlung Probleme bereitet. In dem Gesellschaftsvertrag kann allerdings eine gesonderte Gewinnermittlung ausgeschlossen werden.
6.6 Nachteile bei KGaA
Teilweise existiert die Befürchtung, dass die KGaA an der Börse nicht ausreichend akzeptiert wird und dies zu Kursabschlägen führt. Unabhängig davon, dass dies nicht bewiesen ist und folglich als subjektive Einschätzung gewertet werden muss, gibt es genügend Gegenbeispiele. Hoffmann-Becking nennt hier zu Recht SAP, bei welchem nur stimmrechtslose Vorzugsaktien gehandelt werden. Nichtsdestotrotz ist SAP an der Börse eines der am meisten wertgeschätzten DAX-Unternehmen. Vergleichbares gilt für die Merck KGaA. Hinzu kommt, dass sich bei der zu gründenden Gesellschaft anfangs mit 4 % der Stückaktien nur ein geringer Anteil der Aktien in Streubesitz befinden wird. Der Aufsichtsrat ist zwar notwendiges Organ der KGaA, allerdings beschränkt sich seine Funktion im Wesentlichen nach § 278 Abs. 2 iVm § 111 Abs. 1 bis 3 AktG auf die Überwachung der persönlich haftenden Gesellschafter. Zur Bestellung und Abberufung von Komplementären ist der Aufsichtsrat nicht befugt.[43] Der Einfluss der Ingeborg AG würde bei einer KGaA zu gering werden. Die steuerliche Gewinnermittlung ist bei einer KGaA auch nicht transparent genug.
6.7 Vorteile bei GmbH & Co. KGaA
Ergänzend zur klassischen KGaA bietet die GmbH & Co. KGaA als wichtigsten Vorteil die Haftungsbeschränkung für den ansonsten persönlich unbeschränkt haftenden Komplementär. Durch die Installierung einer GmbH & Co. KGaA kann im Sinne des § 13 Abs. 2 GmbHG mit der hieraus folgenden Haftungsbeschränkung ein entscheidender Nachteil der KGaA behoben werden.[44]
6.8 Nachteile bei GmbH & Co. KGaA
Die Nachteile der GmbH & Co. KGaA sind de facto mit denen der reinen KGaA identisch.
6.9 Vorteile bei Stiftung
Die Nachfolgeplanung kann bei einer Stiftung besser gestaltet werden als dies bei anderen Rechtsformen der Fall ist. Dies gilt vor allem bei inhabergeführten Unternehmen. Das spielt in diesem Fall jedoch nicht die entscheidende Rolle.
6.10 Nachteile bei Stiftung
In der Regel verfügen Stiftungen über einen größeren Handlungsspielraum im Management. Sobald sie jedoch als Aktiengesellschaft organisiert sind ist dies, auch wegen der Publizitätspflicht, nicht mehr der Fall.
7. Unternehmensnachfolge
Kurz angerissen werden muss auch das Thema, inwiefern erbrechtliche Überlegungen bei der Rechtsformwahl ein Kriterium darstellen.
Die Vererbung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und Personengesellschafen sind – von satzungsgemäßen Einziehungsrechten nach dem Erbfall zur Steuerung von Erbberechtigung abgesehen – frei vererbbar. Um Schwierigkeiten weitestgehend zu vermeiden, müssen Gesellschaftsverträge und letztwillige Verfügungen aufeinander abgestimmt werden.[45] Eine Testamentsvollstreckung am Anteil des persönlich haftenden Gesellschafters ist kompliziert, während hingegen selbige an Kapitalgesellschafts- und Kommanditanteilen grundsätzlich möglich und unproblematisch ist.[46] Vererbung und Testamentsvollstreckung, ggf. ergänzt durch Vollmachten, sind beherrschbar.[47] Von daher sind die erbrechtlichen Überlegungen nicht das entscheidende Kriterium bei der Wahl der Rechtsform, müssen allerdings bei der Vertragsgestaltung unbedingt berücksichtigt werden.
8. Handlungsempfehlung
Die Ingeborg AG firmiert bislang als kleine Aktiengesellschaft. Der Schritt zur börsennotierten Aktiengesellschaft ist daher weniger gewöhnungsbedürftig als es bei einer Umwandlung zu den anderen Rechtsformen der Fall wäre.[48] Die Gesellschaft ist insoweit mit der Rechtsform an sich bereits vertraut.
Darüber hinaus hat das Unternehmen nicht den Wunsch, mit ihrem Börsengang extern eine internationale Ausrichtung des Unternehmens zu demonstrieren. Es ist zum jetzigen Stand von wesentlich größerer Bedeutung, dass der Börsengang realisiert wird. Sollte in der Zukunft ein Wechsel der Rechtsform in eine SE gewünscht sein, lässt sich dies relativ problemlos gestalten.
Im Moment ist aufgrund der hohen Rechtssicherheit die Wahl der klassischen deutschen Aktiengesellschaft als Rechtsform beim Börsengang anzuraten.
[...]
[1] Bielefeld wird als Sitz des Unternehmens angenommen, damit dies an einigen Stellen des vorgelegten Konzepts konkret verwendet werden kann.
[2] Hüffer/Hüffer, § 1 Rdnr. 4 AktG; MüKo-AktG/Heider, § 1 Rdnr. 27 ff. AktG; Heidel/Ammon, § 1 Rdnr. 37 AktG; Langenbucher, § 1 Rdnr. 2.
[3] Heidel/Ammon, § 1 Rdnr. 10 AktG.
[4] BGBl. I S. 1961 (02.08.1994)
[5] Heidel/Ammon, § 3 Rdnr. 5 AktG; Hüffer, § 3 Rdnr. 5 AktG.
[6] Groß in Marsch-Barner, § 9 Rdnr. 5 ff.
[7] Langenbucher, § 2 Rdnr. 10.
[8] Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 23 Rdnr. 55 AktG; Hüffer/Hüffer, § 23 Rdnr. 36 AktG; Heidel/Braunfels, § 23 Rdnr. 40 AktG.
[9] Hüffer/Hüffer, § 23 Rdnr. 36 AktG; Kölner-Komm-AktG/Arnold, § 23 Rdnr. 148 AktG.
[10] Hüffer/Hüffer, § 23 Rdnr. 36 AktG.
[11] Kölner-Komm-AktG/Arnold, § 23 Rdnr. 151 AktG; MüKo-AktG/Pentz, § 23 Rdnr. 161 AktG; Hüffer/Hüffer, § 23 Rdnr. 38 AktG.
[12] Drinhausen/Keinath in BB 2008, S. 1238; Schäfer in NJW 2008, S. 2538.
[13] Schmidt, GesR, S. 974 ff.; Hoffmann-Becking in FS-Sigle, S. 276.
[14] Heidel/Wichert, § 278 Rdnr. 20 AktG.
[15] Schmidt/Lutter, § 278 Rdnr. 12 AktG; Heidel/Wichert, § 278 Rdnr. 20 AktG.
[16] Assmann/Sethe, § 287 Rdnr. 91 ff. AktG; MüKo-AktG/Perlitt, § 287 Rdnr. 87 ff. AktG; Heidel/Wichert, § 278 Rdnr. 22 AktG.
[17] Hoffmann-Becking in FS-Sigle, S. 280; Schaumburg in DStZ 1998, S. 525 (533 ff.).
[18] Fischer in DStR 1997, S. 1515.
[19] Urteil des BGH vom 24.02.1997, Az. II ZB 11/96.
[20] Hesselmann in BB 1989, S.2344 ff; Haase in GmbHR 1997, S. 917.
[21] Kowalski in DB 2007, S. 2243 ff.
[22] Kowalski in DB 2007, S. 2243 ff.
[23] MüKo-AktG/Schäfer, Art. 9 Rdnr. 13 SE-VO; Marsch-Barner in Marsch-Barner/Schäfer, § 3 Rdnr. 8.
[24] Marsch-Barner in Marsch-Barner/Schäfer, § 3 Rdnr. 14; MüKo-AktG/Schäfer, Art. 9 Rdnr. 7 SE-VO; Kölner-Komm-SE-VO/Veil, Art. 9 Rdnr. 41 SE-VO.
[25] Marsch-Barner in Marsch-Barner/Schäfer, § 3 Rdnr. 14.
[26] Blasche in JURA 2013, S. 270.
[27] Blasche in JURA 2013, S. 271.
[28] Marsch-Barner in Marsch-Barner/Schäfer, § 3 Rdnr. 3.
[29] C. Rödl in FS-B. Rödl, S. 87.
[30] C. Rödl in FS-B. Rödl, S. 87.
[31] Göckeler in Müller/Rödder, § 21 Rdnr. 14.
[32] Lutter in Lutter/Hommelhoff, Einl. SE-VO Rdnr. 33; Marsch-Barner in Marsch-Barner, § 3 Rdnr. 59.
[33] Monti in WM 1997, S. 607; Heidel/Schmitz, Kap. 7 Rdnr. 46.
[34] Tipke/Lang/Hey, § 11 Rdnr. 23; Streck/Streck, § 1 Rdnr. 30 KStG.
[35] Hommelhoff in AG 2001, S. 279 (281); Heidel/Schmitz, Kap. 7 Rdnr. 36.
[36] Heidel/Wichert, § 278 Rdnr. 14 AktG.
[37] Schmidt/Wacker, § 15 Rdnr. 890 EStG mwN.
[38] Schmidt/Wacker, § 15 Rdnr. 891 EStG.
[39] Schmidt/Wacker, § 34 a Rdnr. 6 EStG (mit Schaubild).
[40] Heidel/Wichert, § 278 Rdnr. 15 AktG.
[41] Heidel/Wichert, § 278 Rdnr. 15 AktG.
[42] Fischer in DStR 1997, S. 1520.
[43] Raiser/Veil, § 23 Rdnr. 33.
[44] Haase in GmbHR 1997, S. 921; Hennerkes/Lorz in DB 1997, S. 1388 f.
[45] C. Rödl in FS-B. Rödl, S. 71.
[46] C. Rödl in FS-B. Rödl, S. 71.
[47] C. Rödl in FS-B. Rödl, S. 71.
[48] Schäfer in NJW 2008, S. 2539; Bayer in Gutachten E zum 67. DJT, E 81 ff.