In der vorliegenden Arbeit wird die Theorie von Michail Bachtin kurz dargestellt. Michail Bachtin war ein „russischer Literaturwissenschaftler, Semiologe und Kulturtheoretiker, der sich in Auseinandersetzung mit der russischen und deutschen Ästhetik und dem Sprachbegriff nach Saussure eine eigene semiotische Literaturtheorie entwickelt“ hat.
Zuerst werde ich auf die Problematik der Übersetzung eingehen, weil das Buch von Bachtin in der russischen Sprache verfasst wurde und wir mit einer bzw. mehreren Überset-zungen in der heutigen Zeit arbeiten können.
Danach wird die Theorie kurz zusammengefasst und auf die Grundzüge der Lachkultur (des Karnevals) und die groteske Gestalt des Leibes näher eingegangen. In der Theorie von Bachtin geht es auch um die Karnevalisierung der Literatur. Ich werde diese an einem Beispiel aus dem Buch „Gargantua und Pantagruel“ von Rabelais zeigen.
Am Ende der Arbeit wird deutlich sein, dass M. Bachtin einen sehr starken Einfluss auf die Literaturwissenschaft und seine Theorie eine große Bedeutung hat.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Die Problematik der Übersetzung
3. Zusammenfassung der Theorie von Michail Bachtin
4. Die Karnevalisierung der Literatur an einem Beispiel aus dem Buch „Gargantua und Pantagruel“ von Rabelais
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit wird die Theorie von Michail Bachtin kurz dargestellt. Michail Bachtin war ein „russischer Literaturwissenschaftler, Semiologe und Kulturtheoretiker, der sich in Auseinandersetzung mit der russischen und deutschen Ästhetik und dem Sprachbegriff nach Saussure eine eigene semiotische Literaturtheorie entwickelt“[1] hat.
Zuerst werde ich auf die Problematik der Übersetzung eingehen, weil das Buch von Bachtin in der russischen Sprache verfasst wurde und wir mit einer bzw. mehreren Übersetzungen in der heutigen Zeit arbeiten können.
Danach wird die Theorie kurz zusammengefasst und auf die Grundzüge der Lachkultur (des Karnevals) und die groteske Gestalt des Leibes näher eingegangen. In der Theorie von Bachtin geht es auch um die Karnevalisierung der Literatur. Ich werde diese an einem Beispiel aus dem Buch „Gargantua und Pantagruel“ von Rabelais zeigen.
Am Ende der Arbeit wird deutlich sein, dass M. Bachtin einen sehr starken Einfluss auf die Literaturwissenschaft und seine Theorie eine große Bedeutung hat.
2. Die Problematik der Übersetzung
Das Buch „Tvorčestvo Fransua Rabele i narodnaja kultura srednevekov’ja i renessansa“ („Rabelais und seine Welt. Volkskultur und Gegenkultur“) von Michail Bachtin wurde 1965 in Moskau veröffentlicht. Bachtin schrieb seine Theorie auf Russisch. Dieses Buch hat über 500 Seiten. Dabei bezog er sich sehr stark auf das Buch von Rabelais „Gargantua und Pantagruel“. Im deutschsprachigen Raum wurde seine Theorie erst 1987 von Gabriele Leupold übersetzt. Dieses Buch ist eine äquivalente Übersetzung der Originalausgabe und hat auch über 500 Seiten.
1990 wurde die Theorie von Michail Bachtin auch von Alexander Kaempfe übersetzt. Dies ist keine wortwörtliche Übersetzung, sondern eine Zusammenfassung von zwei Büchern Bachtins. Alexander Kaempfe hat diese Bücher mit einem Nachwort und Namenregister auf nur 150 Seiten zusammengefasst. In dieser Arbeit werde ich mich auf diese Zusammenfassung beziehen.
Die Problematik besteht darin, dass wir im deutschsprachigen Raum nur mit Übersetzungen arbeiten können, die es, wie schon oben beschrieben, in mehreren verschiedenen Ausgaben gibt. Wenn man mit der Theorie über das Groteske bzw. die Karnevalisierung der Literatur arbeiten möchte, muss man sich dabei immer bewusst sein, dass diese Theorie in der Sowjet Union geschrieben wurde, wo alle Bücher erst durch die Zensur gehen mussten.
Wenn wir heute die Beispiele aus Rabelais Buch nehmen, sehe ich das nächste Problem darin, dass diese wieder nur eine Übersetzung in die heutige deutsche Sprache sind.
3. Zusammenfassung der Theorie von Michail Bachtin
Die Theorie von M. Bachtin bezieht sich auf die Zeit der Renaissance. In dieser Zeit wurden zwei Sprachen gesprochen: die Volkssprache und das Lateinische[2]. Diese zwei Sprachen waren „zugleich zwei Weltanschauungen“[3]. Lateinisch war die „offizielle Sprache des Mittelalters“[4]. Anders war es mit der Volkssprache: „Die Sprache des Lebens, der körperlichen Arbeit, des Alltags, die Sprache der „niederen“ Gattungen, die zumeist Lachgattungen waren“[5]. So entstanden im Mittelalter zwei Gegenkulturen: die offizielle und nicht offizielle Welt[6]. Die nicht offizielle Welt bezeichnet Bachtin als Lachkultur bzw. Karneval. „Das Lachen baut sich gleichsam seine Gegenwelt gegen die Offizielle Welt, seine Gegenkirche gegen die offizielle Kirche, seinen Gegenstaat gegen den offiziellen Staat“[7]. Dieses „mittelalterliche Lachen war […] nicht offiziell, es war jedoch legalisiert“[8]. Diese Zeit „hing mit den Feiertagen zusammen und beschränkte sich meistens auf sie“[9]. Die Freiheit vermischte sich in eine festliche Atmosphäre, dabei wurde die offizielle Welt ,abgesetztʻ. In der Zeit des Karnevals war alles erlaubt (Essen, Trinken, körperliche Liebe usw.), dabei wurden unterschiedliche Themen (das Leben nach dem Tod, Brüderlichkeit usw.) angesprochen. In dieser Zeit gab es keinen Unterschied zwischen dem Alter oder dem Geschlecht:
„Der Feiertag setzte gleichsam das ganze offizielle System mit allen seinen Verboten und hierarchischen Schranken zeitweilig außer Kraft. Für kurze Zeit trat das Leben aus seiner üblichen, gesetzlich festgelegten und geheiligten Bahn und betrat den Bereich der utopischen Freiheit. […] Die Atmosphäre der ephemeren Freiheit herrschte wie auf dem öffentlichen Platz so auch beim häuslichen Festschmaus. Die antike Tradition des freien, häufig „unanständigen“ und dabei philosophischen Tischgesprächs. […] Analog sind die Traditionen der bacchantischen Tischlieder, in denen sich obligater Universalismus (die Frage nach Leben und Tod) mit dem Materiell-Leiblichen (Wein, Speise, körperliche Liebe), mit einem elementaren Zeitgefühl (Jugend, Alter, Kurzlebigkeit, Tücke des Schicksals) sowie mit einem eigentümlichen Utopismus verbindet (Brüderlichkeit der Zechkumpanen wie auch der ganzen Menschheit, Triumph des Überflusses, Sieg der Vernunft)[10].
Die Karnevalszeit war ein kleiner Sieg über das offizielle Leben:
„[…] schließt das festtägliche Lachen des Volkes nicht nur das Moment des Sieges über die Furcht vor den Schrecken des Jenseits, vor dem Geheiligten, vor dem Tod in sich ein, sondern auch das Moment des Sieges über jede Gewalt, über die irdischen Herrscher, über die Mächtigen der Erde, über alles was knechtet und begrenzt“[11].
In der Zeit wurde den Menschen bewusst und sie begriffen, „daß das Lachen keine Scheiterhaufen aufrichtet, daß Heuchelei und Betrug niemals lachen, sondern eine ernsthafte Maske anlegen, daß das Lachen keine Dogmen erzeugt und keine Autorität aufrichtet, daß das Lachen nicht von Furcht, sondern vom Bewusstsein der Kraft zeugt, daß das Lachen mit Zeugungsakt, Geburt, Erneuerung, Fruchtbarkeit, Überfluß, Essen und Trinken, mit der irdischen Unsterblichkeit des Volkes, endlich mit der Zukunft und dem Neuen zusammenhängt, daß es ihnen den Weg bahnt“[12].
Bachtin beschreibt die karnevalistische groteske Gestalt so: „[…] die Darstellungen von Chimären (seltsamen Verquickungen menschlicher, tierischer und pflanzlicher Formen), komische Teufeln, Gauklern mit ihren akrobatischen Tricks, maskierte Figuren und parodistischen Szenen“[13]. In Bachtins Theorie des Grotesken spielt die Gestalt des Leibes eine ganz besondere Rolle. Dabei ist jeder Teil und jede Stelle, „wo der Leib über sich hinauswächst, wo er seine Grenzen überschreitet“[14], wichtig. Bachtin nennt die wichtigsten Körperteile: die Nase, den Mund, den Bauch und das Geschlechtsorgan[15]. Zu dem grotesken Leib gehört jedoch noch viel mehr, als diese Vier:
„Die wesentlichen Ereignisse im Leben des grotesken Leibes, sozusagen die Akte des Körper-Dramas, Essen, Trinken, Ausscheidungen (Kot, Urin, Schweiß, Nasenschleim, Mundschleim), Begattung, Schwangerschaft, Niederkunft, Körperwuchs, Alter, Krankheiten, Tod, Zerfetzung, Zerteilung, Verschlingung durch einen anderen Leib – alles das vollzieht sich an den Grenzen von Leib und Welt, an der Grenzen des alten und neuen Leibes“[16].
In der Theorie von Bachtin geht es um „nicht nur den äußeren, sondern auch den inneren Anblick des Leibes […]: das Blut, das Gedärm, das Herz und die anderen inneren Organe“[17].
In der Zeit des Mittelalters hat „sich der neue Leibes-Kanon“[18] ausgezeichnet. Die Rede war „von einem völlig fertigen, abgeschlossenen, streng abgegrenzten, von außen betrachteten, unvermischten, individuell-ausdrucksvollen Leib“[19]. Diesen Kanon kann man zu der offiziellen Welt dazu zählen, der dem grotesken Leib gegenüber steht, weil „der groteske Leib ein werdender Leib“[20] ist, der „niemals fertig, niemals abgeschlossen“[21] ist.
[...]
[1] Bachtin 1987, Umschlag: Hermann Michels.
[2] Vgl. Bachtin 1990, S. 7.
[3] Bachtin 1990, S. 7.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Bachtin 1990, S. 42.
[7] Bachtin 1990, S. 32.
[8] Bachtin 1990, S. 33.
[9] Ebd.
[10] Bachtin 1990, S. 33ff.
[11] Bachtin 1990, S. 37.
[12] Bachtin 1990, S. 41.
[13] Ebd.
[14] Bachtin 1990, S. 16f.
[15] Vgl. Bachtin 1990, S. 16-17.
[16] Bachtin 1990, S. 17.
[17] Bachtin 1990, S. 18.
[18] Bachtin 1990, S. 20.
[19] Ebd.
[20] Bachtin 1990, S. 16.
[21] Ebd.
- Arbeit zitieren
- Bachelor of Education Viktoria Popsuy-Johannsen (Autor:in), 2011, Michail Bachtins Theorie "Literatur und Karneval", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/288505