In dieser Arbeit geht es um das Thema Nachhaltigkeit und Ihre Bedeutung für die Erde sowie die Wirtschaft und Politik.
Momentan existieren zwei Sichtweisen über die Zukunft unserer Erde: Die pessimistische Sichtweise nach Meadows portraitiert ein düsteres Bild unserer Zukunft. Im Unterschied dazu sieht Simon in seiner optimistischen Sichtweise keinen Grund, warum sich unsere Erde nicht auch in Zukunft zu mehr Wohlstand entwickeln sollte, solange es den Menschen mit seinem großen Einfallsreichtum gibt. Aus beiden Ansätzen kann die Forderung nach einer nachhaltigen Entwicklung abgeleitet werden.
Aus theoretischer Sicht befasst sich die Nachhaltigkeit mit der gerechten Allokation der Ressourcen. Darüber hinaus existieren grundlegende Nachhaltigkeitsprinzipien, die allen Konzepten gemein sind. Wesentlich ist die Aufgliederung der Nachhaltigkeit in eine ökologische, soziale und ökonomische Dimension, wodurch alle relevanten Aspekte gleichmäßig berücksichtigt werden sollen.
Bereits früh wurde erkannt, dass es zur Erreichung des ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziels der Mithilfe aller Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bedarf. Besondere Bedeutung kommt der Realisierung von Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene zu. Mit Hilfe einer Lokalen Agenda 21 soll es den Gemeinden im Dialog mit Wirtschaft, Politik und Bürgern gelingen, in vier Phasen ein kommunales Nachhaltigkeitsleitbild zu erstellen und dieses auch umzusetzen.
Inhaltsverzeichnis
1 Pessimistische und optimistische Sichtweise der Zukunft
2 Begriffsgeschichte
3 Theorie zur Nachhaltigkeit
3.1 Nachhaltige Allokation von Ressourcen
3.2 Substituierbarkeit – Formen von Nachhaltigkeit
3.3 Prinzipien der Nachhaltigkeit
3.4 Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
4 Realisierung der Nachhaltigkeit
4.1 Maßnahmen auf Unternehmensebene
4.2 Maßnahmen auf Gesellschaftsebene
4.3 Maßnahmen auf politischer Ebene
4.4 Lokale Umsetzung von Nachhaltigkeit: Die Agenda
5 Zusammenfassung
6 Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
7.1 Bücher und Zeitschriften
7.2 Homepages und Online-Dokumente
1 Pessimistische und optimistische Sichtweise der Zukunft
Spekulationen über die Zukunft sind mit Unsicherheiten verbunden. Dennoch gibt es zwei Szenarien, welche versuchen, die künftige Entwicklung unseres Planeten vorwegzunehmen. Die pessimistische und die optimistische Sichtweise stellen zwei Extrempositionen der möglichen Entwicklung dar. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.[1]
Meadows et al. liefern in ihrer Arbeit „The Limits to Growth“ eine pessimistische Sichtweise der Zukunft. Ihren Überlegungen liegt die Tatsache zu Grunde, dass die Ressourcen der Erde, welche die Basis unseres modernen Wirtschaftssystems darstellen, nicht erneuerbar und somit begrenzt sind. Mit Hilfe eines auf exponentiellem Wachstum begründeten Computer-Modells, simulieren sie die Auswirkungen heutiger Verhaltensweisen und geben Prognosen für die zukünftigen Entwicklungen ab. Daraus ergeben sich folgende essentielle Erkenntnisse: Innerhalb der nächsten 100 Jahre werden, ohne rechtzeitiges Einlenken, die nichterneuerbaren Ressourcen aufgebraucht sein. Dies kommt einem totalen Zusammenbruch unserer modernen Zivilisation gleich, weil die Wirtschaft von diesen Ressourcen abhängig ist. Selbst wenn es keine Ressourcenbeschränkungen gäbe, würde unser System früher oder später, z.B. infolge extremer Umweltverschmutzung oder Nahrungsknappheit, an seine Grenzen stoßen. Nur durch rasches Handeln und einer freiwilligen Beschränkung des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums kann das Schlimmste verhindert werden. Egal wozu sich die Menschheit entscheidet, zur sofortigen Mäßigung des bisherigen Lebensstils oder zum abrupten Zusammenbruch später, das Wirtschaftswachstum kommt in der pessimistischen Sichtweise so oder so zum Erliegen.[2]
Unter dem Titel „The Ultimate Ressource“ publizierte Simon eine alternative, optimistische Zukunftssichtweise. Er sieht langfristig einen positiven Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Lebensstandards und dem Bevölkerungswachstum. Mit zunehmendem Einkommen und wachsender Bevölkerung gäbe es weniger ernstzunehmende Knappheiten, geringere Kosten und allgemein größere Verfügbarkeit von Ressourcen. Gleichzeitig bestehe kein ernsthafter Grund, weshalb sich die bisherigen Trends hin zu günstigeren Preisen und einem höheren Lebensstandard nicht auch in Zukunft unendlich fortsetzen sollten. Simons Vision beruht auf der Feststellung, dass es der Menschheit schon in der Vergangenheit erfolgreich gelungen ist, mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Es ist daher unwahrscheinlich, dass dies nicht auch in Zukunft gelingen sollte. Kurzfristig sind alle Ressourcen begrenzt, langfristig aber reagiert die Wirtschaft auf Knappheiten mit höheren Preisen, weshalb alternative Ressourcen gesucht und erschlossen werden. Ferner nimmt mit steigendem Einkommen der Menschen der Bedarf an sauberer Umwelt zu und auch die Bereitschaft, Geld dafür auszugeben, wächst. Da sowohl das Wirtschaftssystem als auch die Menschen angemessen auf ihr Umfeld reagieren, seien Meadows „Grenzen des Wachstums“ unrealistisch und reine Panikmache. Dort werde nämlich auf den Menschen als unbegrenzte „ultimative Ressource“ vergessen. Der Mensch sei aufgrund seines Wissens und seiner Kreativität der Garant für eine aussichtsreiche Zukunft.[3]
Ohne näher darauf eingehen zu wollen, welche Sichtweise der Zukunft realistischer ist, wird deutlich, dass beide Ansätze von den Menschen verlangen, aktiv zu werden. Bei Meadows, indem sich die Erdenbürger durch Selbstbeschränkung für die Zukunft genügend Ressourcen erhalten und bei Simon, indem die Menschen kraft ihres geistigen Potentials die Zukunft trotz knapper Ressourcen meistern. Ein Ansatz, der beiden Forderungen, Selbstbeschränkung und menschlichem Einfallsreichtum, gerecht wird, ist das Konzept der Nachhaltigkeit. So erachtet Meadows nachhaltiges Handeln im weiteren Verlauf seiner Arbeit als notwendig, um die bisherige zerstörerische Entwicklung zu stoppen und die materiellen Grundbedürfnisse des Menschen zu sichern. Es ist anzunehmen, dass auch Simon diesem Konzept positiv gegenübersteht, da es menschlichen Einfallsreichtum und Aktionismus braucht, um Nachhaltigkeit umzusetzen.[4]
2 Begriffsgeschichte
Der Begriff Nachhaltigkeit wurde zum ersten Mal im Jahre 1713 vom sächsischen Oberberghauptmann von Carlowitz in der Schrift „Sylvicultura Oeconomica“ verwendet. Darin liegt die Erkenntnis, dass die Ressourcen des Waldes nur dann fortdauernd bewirtschaftet werden können, wenn pro Jahr nicht mehr Bäume gefällt werden, wie in derselben Zeit nachwachsen. Es ist zielführend, von den „Früchten“ des Waldes zu leben und den Kapitalstock in seiner Substanz nicht zu gefährden. [5] Die kahlen Hügel der Mittelmeerländer bezeugen allerdings, dass dieses Prinzip nicht allerorts eingehalten worden ist. Dort fielen, ohne auf die Regenerationsfähigkeit der Natur Rücksicht zu nehmen, großräumige Waldflächen dem Haus- und Schiffsbau zum Opfer. Infolge der Erosion der Waldböden ist eine Wiederaufforstung dieser Gebiete heute so gut wie unmöglich. [6] Aber aus den Fehlern der Vergangenheit wurde nicht wirklich viel gelernt, denn überall auf der Welt sind die Menschen nach wie vor auf dem besten Wege, die Grundsätze einer nachhaltigen Bewirtschaftung zu missachten. Die besorgniserregende Zunahme des Energieverbrauchs, die steigenden Schadstoffemissionen und die wachsenden Müllberge bringen dies mehr als deutlich zum Ausdruck. [7]
1972 folgte mit Meadows „The Limits to Growth“ der Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Wie bereits angesprochen, wurden darin, anknüpfend an die bisherige Entwicklung der Erde, die möglichen Auswirkungen eines exponentiellen Wachstums der Bevölkerung, der Nahrungsmittelproduktion, der Industrie, der Umweltverschmutzung und des Rohstoffabbaus untersucht. Der Erkenntnis, dass ohne sofortiges Einlenken die Wachstumsgrenzen innerhalb der nächsten hundert Jahre erreicht sein werden, wurde in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit geschenkt. Dies besonders im Jahr 1973, wo die 1. Erdölkrise die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen mehr als verdeutlichte. [8]
Ebenfalls im Jahr 1972 fand in Stockholm die erste weltweite Umweltkonferenz statt. Sie markiert den Beginn der internationalen Umweltpolitik. Die daraus hervorgegangene Stockholmer Deklaration enthält 26 Prinzipien für Umwelt und Entwicklung. Weiters wurde das Erdbeobachtungssystem „Earthwatch“ ins Leben gerufen. Es hat die Aufgabe, globale Probleme frühzeitig zu erkennen und Warnungen auszusprechen. Bis heute ist der erste Tag der Stockholmer Konferenz, der 5. Juli, der internationale Tag der Umwelt. [9]
Doch erst als sich 1983 eine Arbeitsgruppe der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung mit der gerechten Verteilung der Rohstoffe der Erde und der Frage nach dem Erbe, welches künftigen Generationen hinterlassen werden soll, auseinanderzusetzen begann, gelang dem Nachhaltigkeitsbegriff der endgültige Durchbruch. Er wurde nun nicht nur in wissenschaftlichen Fachkreisen, sondern auch auf breiter politischer und gesellschaftlicher Ebene bekannt und diskutiert. Im abschließenden Bericht „Our Common Future“ oder auch „Brundtland-Bericht“ aus dem Jahr 1987 wird nachhaltige Entwicklung als Grundlage für eine gemeinsame Zukunft beschrieben. [10] Nachhaltigkeit ist dort wie folgt definiert: “Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.” [11] In der deutschen Übersetzung von Hauff heißt es entsprechend: “Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ [12]
Um die Forderungen und Empfehlungen des Brundtland-Berichts international bekannt zu machen, wurde 1992 der Umweltgipfel von Rio einberufen. In dieser Konferenz trafen etwa 10.000 Gesandte von 178 Ländern zusammen, um gemeinsam Lösungen für eine nachhaltige Zukunft zu finden. Es wurde besonders auf den globalen Kontext aufmerksam gemacht. Kein Land ist für sich selbst in der Lage etwas zu bewirken, es bedarf vielmehr der Zusammenarbeit aller Völker. So konnten trotz unterschiedlicher Interessenslagen der Länder die Deklaration von Rio über Umwelt und Entwicklung, die Klimaschutz-Konvention, die Artenschutz-Konvention, die Walddeklaration und die Agenda 21 (siehe 2.4.4) verabschiedet werden. Die Konferenz war somit mehr als erfolgreich. [13]
Seit dem Umweltgipfel in Rio gab es sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zahlreiche Bemühungen, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Es wurden Gremien gegründet, Konferenzen (z.B. Menschenrechtskonferenz 1992 in Wien, Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo, Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, Weltwüstenkonferenz 1997 in Rom, …) abgehalten und weitere Konventionen verabschiedet. Eine Sondergeneralversammlung der UNO fünf Jahre nach dem Rio-Gipfel kam zum ernüchternden Ergebnis, dass es der Erde schlechter geht, als je zu vor und es nur in wenigen Bereichen, beispielsweise bezüglich des Klimaschutzes Verbesserungen gegeben hat.[14]
Das jüngste Zusammentreffen der Staatengemeinschaft fand im Jahr 2002 beim Weltgipfel in Johannesburg statt. Auch dort lag das Hauptaugenmerk auf der nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen der Erde, in Zeiten von Bevölkerungswachstum mit erhöhter Nachfrage an Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung, Energie und wirtschaftlicher Sicherheit. Weiters wurden die Maßnahmen zur Umsetzung der lokalen Agenda 21 konkretisiert. Die Staaten verpflichteten sich, mehrere Vorgaben in den Bereichen Umweltschutz, Landwirtschaft, Armutsbekämpfung, Energieversorgung, Trinkwasserversorgung und Gesundheitswesen in einem festgelegten Zeitraum zu erreichen. Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit zwischen den Ländern intensiviert und zahlreiche neue Projekte ins Leben gerufen.
Ob sich die vielen Anstrengungen zur nachhaltigen Entwicklung unseres Planeten letztlich lohnen, hängt entscheidend davon ab, inwieweit die getroffenen Vereinbarungen von den Ländern eingehalten und entsprechende Maßnahmen dazu ergriffen werden. UNO-Generalsekretär Annan drückte dies am Ende der Johannesburg Konferenz so aus: „We have to go out and take action. This is not the end. It's the beginning."[15]
3 Theorie zur Nachhaltigkeit
3.1 Nachhaltige Allokation von Ressourcen
Das Konzept der Nachhaltigkeit ist noch relativ jung und einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen. Dies zeigt sich unter anderem an der Vielzahl von Definitionen zum Nachhaltigkeitsbegriff.[16] Das Begriffsverständnis des Brundtland-Berichts ist aufgrund seiner großen Verbreitung zurzeit wohl das Bekannteste. Demnach ist das Nachhaltigkeitskriterium erfüllt, wenn die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt werden, ohne die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen in Mitleidenschaft zu ziehen. Um dies zu erreichen, müssen die vorhandenen Ressourcen gleichmäßig zwischen den Generationen verteilt werden, so dass auch der Nachwelt alle Möglichkeiten offen stehen. Nachhaltigkeit thematisiert demnach ein intergeneratives Verteilungsproblem der Ressourcen, weshalb zur Lösung der Problematik eine effiziente, nachhaltige Allokation der vorhandenen Rohstoffe zwischen den Generationen notwendig ist.
Berücksichtigt man nur die Gegenwart und blendet den zeitlichen Aspekt aus, ist die Ressourcenallokation dann statisch effizient, wenn sich Angebot und Nachfrage die Waage halten. Dort entsprechen die Grenzkosten des Angebots dem Grenznutzen der Nachfrage. Der Ressourcenverbrauch ist minimal und das Ergebnis für alle Beteiligten im Sinne des Pareto-Kriteriums fair: Keiner der Beteiligten kann besser gestellt werden, ohne dass Andere schlechter abschneiden würden.[17]
Versucht man Allokationsentscheidungen allerdings unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit zu treffen, kommt die Zukunft als zeitliche Komponente mit ins Spiel. Die Problematik liegt darin, dass eine gegenwärtige, statisch effiziente Ressourcenverteilung in der Zukunft nicht von sich aus fair sein muss. Im Regelfall verbraucht die gegenwärtige Generation nämlich zu viel an Ressourcen und minimiert die Substanz des Kapitalstocks. Würde sie allerdings ein gewisses Maß an Nutzen aus der Ressourcenverwendung ansparen und der nachfolgenden Generation überlassen, könnte das Nachhaltigkeitskriterium eingehalten werden. Beide Generationen hätten dann gleich viele Rohstoffe zur Verfügung und somit dieselben Ausgangsvoraussetzungen.[18]
3.2 Substituierbarkeit – Formen von Nachhaltigkeit
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass eine nachhaltige Entwicklung unter bestimmten Voraussetzungen mit den Gesetzen der Ökonomie zu vereinbaren ist. Da die Präferenzen künftiger Generationen jedoch nicht bekannt sind, ist es ungewiss, ob den Ressourcen zukünftig der gleiche Wert beigemessen wird wie heute. In diesem Licht erscheint es nicht sinnvoll, gegenwärtig den Konsum einzelner Ressourcen einzuschränken, wenn diese später eventuell nicht mehr von Bedeutung sind.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma liefert die Hartwick-Regel. Für eine nachhaltige Allokation ist es demnach nicht relevant, wie viele Ressourcen heute verbraucht werden, so lange der Gesamtkapitalstock für die künftige Generation in seinem Wert konstant bleibt oder gar wächst. Der Gesamtkapitalstock entspricht der Summe aus natürlichem Kapital (von der Natur hervorgebracht, wie z.B. Tiere, Flüsse und Wälder) und physischem Kapital (vom Menschen erzeugt, beispielsweise Gebäude, Straßen und Geld). Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass die Erde den Menschen nur geliehen ist und weitervererbt wird. Aus diesem Grund sollte das überlassene Kapital schonend behandelt und nur von den Zinsen gelebt werden, damit auch den Erben alle Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung offen stehen.[19]
Dieser Nachhaltigkeits-Ansatz geht von einer Substituierbarkeit zwischen natürlichem und physischem Kapital aus.[20] Je nach Substitutionsausmaß können vier verschiedene Arten der Nachhaltigkeit unterschieden werden (Abb. 11):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Vier Formen der Nachhaltigkeit je nach Substitutionsausmaß[21]
Very Weak Sustainability: Bei der sehr schwachen Nachhaltigkeit besteht eine perfekte Subsituierbarkeit zwischen natürlichem und physischem Kapital. Eine Entwicklung ist nachhaltig, wenn der Gesamtkapitalstock im Zeitablauf konstant bleibt. Es ist demnach egal, ob beispielsweise eine unberührte Kupfermine oder das Geld vorliegt, welches durch deren Abbau eingenommen wurde. Diese Auffassung liegt der Hartwick-Regel zugrunde.
Weak Sustainability: Die schwache Nachhaltigkeit geht von eingeschränkten Substitutionsmöglichkeiten aus. So können die einzelnen Kapitalformen zwar prinzipiell ausgetauscht werden, allerdings sind der Substitution des natürlichen Kapitals bestimmte physikalische Grenzen gesetzt. Solche Grenzen sind beispielsweise das Ausmaß an Pflanzen zur Aufrechterhaltung der globalen Sauerstoffproduktion oder die Stärke der Ozonschicht zur Abhaltung gefährlicher Strahlung aus dem Weltall. Jene natürlichen Ressourcen, die zur Stabilität des Ökosystems notwendig sind, können nicht ersetzt werden. Bisweilen existieren jedoch keine verlässlichen Methoden zur Messung der biologischen Vielfalt und der Belastbarkeit des Ökosystems, weshalb die Praktikabilität der Weak Sustainability fraglich ist.
Strong Sustainability: Während bei den schwachen Nachhaltigkeitsformen die Qualität der Umwelt abnimmt, steht bei starker Nachhaltigkeit der Erhalt der natürlichen Ressourcen im Vordergrund. Eine vollständige Substituierbarkeit zwischen natürlichem und physischem Kapital wird verneint. Da ungewiss ist, welche und wie viele Ressourcen zur Aufrechterhaltung des Öko-Systems benötigt werden und die Gefahr besteht, natürliche Bestände unwiderruflich zu verlieren, soll so viel natürliches Kapital wie möglich erhalten bleiben. Die starke Nachhaltigkeit verlangt eine Entkopplung der Wirtschaft von der Umwelt und den alleinigen Einsatz jener natürlichen Ressourcen, deren Fehlen das Ökosystem am wenigsten in Gefahr bringen.
Very Strong Sustainability: Die sehr starke Nachhaltigkeit verneint jegliche Substitutionsfähigkeit von natürlichem mit physischem Kapital. Sie verlangt eine stationäre Wirtschaft ohne weiteres Bevölkerungswachstum. Die Menschen können sich nur innerhalb der konstant bleibenden Wirtschaft entfalten. Das Niveau des bisherigen Lebensstandards wird eingefroren, der Mensch lebt nur mehr von den Zinsen des natürlichen Kapitals.[22]
3.3 Prinzipien der Nachhaltigkeit
In der Literatur wurden verschiedene Nachhaltigkeitsansätze auf deren Gemeinsamkeiten untersucht. Folgende grundlegende Prinzipien der Nachhaltigkeit wurden dabei entdeckt:[23]
- Intergenerative Gerechtigkeit: Entsprechend der Forderung im Brundtlandbericht sollen nachfolgende Generationen keine schlechtere Welt als die Bürger heute vorfinden. Zukünftige Interessen sind ebenso wichtig und müssen gewahrt werden. Jeder soll dieselben Entfaltungsmöglichkeiten haben.
- Internationale/intragenerative Gerechtigkeit: Nachhaltigkeit zielt auf eine Angleichung der Lebensbedingungen der Entwicklungsländer auf das Niveau der Industriestaaten ab. Dazu müssen Ressourcen und Güter zwischen den Ländern gerecht verteilt werden.
- Erhaltung des Umweltkapitals: Die Menschen sollen von den Früchten des Umweltkapitals leben. Der natürliche Kapitalstock soll konstant bleiben und im Laufe der Zeit nicht abnehmen.
- Erhalt der Aufnahmekapazität der Umwelt: Um die Produktivität der Wirtschaft auch in Zukunft nicht zu gefährden, muss die Fähigkeit der Umwelt, Schadstoffe aufzunehmen, aufrechterhalten werden. Dazu ist es notwendig, die Emissionen von Luft- und Wasserschadstoffen auf ein umweltverträgliches Maß zu reduzieren.
- Erhaltung der Regenerationsfähigkeit erneuerbarer Ressourcen: Erneuerbare Ressourcen weisen eine bestimmte Regenerationsfähigkeit auf, die durch Raubbau nicht eingeschränkt werden darf. Nur wenn so viel entnommen wird, wie in der gleichen Zeit wieder nachwächst, ist ein dauerhafter Ressourcenfluss gewährleistet.
- Schonung nicht-erneuerbarer Ressourcen: Nicht-erneuerbare Ressourcen dürfen nicht verschwendet werden. Sie sollen unter Berücksichtigung ihrer Knappheit sinnvoll und gleichmäßig zum Einsatz kommen. Dies trifft besonders dann zu, wenn es keine Substitute für die betroffenen Ressourcen gibt.
- Artenschutz: Ohne zu wissen, welche Präferenzen künftige Generationen bestimmten Tier- und Pflanzenarten gegenüber haben, muss gegenwärtig mit Fauna und Flora verantwortungsbewusst umgegangen werden. Auf diese Weise wird die Artenvielfalt der Erde gewahrt.
3.4 Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
Der Begriff Nachhaltigkeit umfasst bei weitem mehr als nur eine ökologische Dimension, welche sich mit Begriffen wie „Umweltschutz“ oder „umweltfreundlich“ beschreiben lässt. Wie aus dem Bericht der Brundtland-Kommission hervorgeht, soll sich eine nachhaltige Entwicklung auch an ökonomischen und sozialen Gesichtpunkten orientieren.[24] Aus diesem Grund wird die Nachhaltigkeit häufig in drei gleichwertige Dimensionen Ökologie, Soziales und Ökonomie aufgegliedert. Diese sind zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung miteinander in Einklang zu bringen (Abb. 12).
[...]
[1] Vgl. Tietenberg, T.: (2003), S. 3
[2] Vgl. Meadows, D. et al.: (1972), S. 11-25, 141-154
[3] Vgl. Simon, J.: (1981), S. 3-11, 286f, 345-348
[4] Vgl. The Club of Rome: The Limits to Growth. http://www.clubofrome.org/docs/limits.rtf (2004)
[5] Vgl. Renn, O. et al.: (1999), S. 17ff
[6] Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit: Was ist eigentlich Nachhaltigkeit?
http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/1000/Veranlassung.htm (2004)
[7] Vgl. Renn, O. et al.: (1999), S. 17ff
[8] Vgl. The Club of Rome: The Limits to Growth. http://www.clubofrome.org/docs/limits.rtf (2004)
[9] Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit: Was ist eigentlich Nachhaltigkeit?
http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/1000/Veranlassung.htm (2004)
[10] Vgl. Renn, O. et al.: (1999), S. 19
[11] World Commission on Environment and Development: (1987), S. 54
[12] Hauff, V.: (1987), S. 46
[13] Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit: Was ist eigentlich Nachhaltigkeit?
http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/1000/Veranlassung.htm (2004)
[14] Vgl. ebd.
[15] Vgl. Johannesburg Summit: Sustainable Development Summit Concludes in Johannesburg. http://www.johannesburgsummit.org/html/whats_new/feature_story39.htm (2002)
[16] Vgl. Tietenberg, T.: (2003), S. 553
[17] Vgl. Tietenberg, T.: (2003), S. 26f
[18] Vgl. ebd., S. 94f
[19] Vgl. ebd., S. 95f
[20] Vgl. Turner, R.: (1993), S. 3
[21] eigene Darstellung
[22] Vgl. Turner, R.: (1993), S. 9-15
[23] Vgl. Feess, E.: (1997), S. 33f
[24] Vgl. Hauff, V.: (1987), S. 46-49