In der heutigen, durch Interkulturalität geprägten Zeit ist es besonders wichtig, sich mit anderen Kulturen und deren Religionen auseinanderzusetzen. Insbesondere seit dem dänischen Karikaturenstreit um Mohammed im Jahre 2006 wird ein Mal mehr deutlich, wie notwendig diese Auseinandersetzung und der Dialog mit den Anhängern anderer Glaubensgemeinschaften ist. Dieser Dialog wird jedoch auf Grund mangelnder Kenntnisse der Dialogpartner über die Religion des anderen erschwert. Oftmals werden die Andersartigkeit und bestehende Unterschiede zwischen Religionen hervorgehoben. Gemeinsamkeiten spielen in der Diskussion eine untergeordnete Rolle. Dabei sind es die Gemeinsamkeiten die Basis für einen gemeinsamen Dialog schaffen. Speziell in christlich geprägten Ländern besteht die Notwendigkeit wegen des oft vertretenen Ausschließlichkeitsanspruches, sich mit dem muslimischen Glauben auseinanderzusetzen.
Diese Arbeit liefert ein Beispiel, anhand dessen verdeutlicht werden soll, wie stark die Christologie des Korans und der Bibel vom Standpunkt ihres Betrachters und dessen Interpretation anhängen. Zunächst soll das Bild von Jesu im Koran aufgezeigt werden, da sich die christlichen und muslimischen Auffassungen hier stark unterscheiden. Christologie ergibt sich weder im Koran noch in der Bibel lediglich aus einzelnen Textpassagen, sondern ist erst in ihrer Ganzheitlichkeit zu verstehen. Da die gesamte Christologie des Korans recht komplex ist und den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, beschränkt sich diese Arbeit auf die Erzählung der Ankündigung der Geburt Jesu, wie sie neben den Texten im neuen Testament auch im Koran zu finden ist. Anhand dieses Beispiels lassen sich sowohl die bestehenden Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten zwischen der Interpretation des biblischen Jesus und Jesus im Koran anschaulich aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Jesus im Koran
2. Die Erzahlung der Ankundigung Jesu Geburt
2.1. Exegese
2.1.1 Neutestamentliche Texte
2.1.2 Koranische Texte
2.2. Zusammenfassung
3. Diskussion der Ergebnisse anhand der Theologie der Religionen
3.1. Exklusivistische Position
3.2. Inklusivistische Position
3.3. Pluralistische Position
Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
I. Ubersicht von Bibel- und Koranstellen
II. Abbildungsverzeichnis
Einleitung
In der heutigen, durch Interkulturalitat gepragten Zeit ist es besonders wichtig, sich mit anderen Kulturen und deren Religionen auseinanderzusetzen. Insbesondere seit dem danischen Karikaturenstreit um Mohammed im Jahre 2006 wird ein Mal mehr deutlich, wie notwendig diese Auseinandersetzung und der Dialog mit den Anhangern anderer Glaubensgemeinschaften ist. Dieser Dialog wird jedoch auf Grund mangelnder Kenntnisse der Dialogpartner uber die Religion des anderen erschwert. Oftmals werden die Andersartigkeit und bestehende Unterschiede zwischen Religionen hervorgehoben. Gemeinsamkeiten spielen in der Diskussion eine untergeordnete Rolle. Dabei sind es die Gemeinsamkeiten die Basis fur einen gemeinsamen Dialog schaffen. Speziell in christlich gepragten Landern besteht die Notwendigkeit wegen des oft vertretenen AusschlieBlichkeitsanspruches, sich mit dem muslimischen Glauben auseinanderzusetzen.
Diese Arbeit liefert ein Beispiel, anhand dessen verdeutlicht werden soll, wie stark die Christologie des Korans und der Bibel vom Standpunkt ihres Betrachters und dessen Interpretation anhangen.
Zunachst soll das Bild von Jesu im Koran aufgezeigt werden, da sich die christlichen und muslimischen Auffassungen hier stark unterscheiden. Christologie ergibt sich weder im Koran noch in der Bibel lediglich aus einzelnen Textpassagen, sondern ist erst in ihrer Ganzheitlichkeit zu verstehen. Da die gesamte Christologie des Korans recht komplex ist und den Rahmen dieser Arbeit sprengen wurde, beschrankt sich diese Arbeit auf die Erzahlung der Ankundigung der Geburt Jesu, wie sie neben den Texten im neuen Testament auch im Koran zu finden ist. Anhand dieses Beispiels lassen sich sowohl die bestehenden Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten zwischen der Interpretation des biblischen Jesus und Jesus im Koran anschaulich aufzeigen.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Fokus auf bestehende Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum zu lenken, da diese die Grundlage fur einen gemeinsamen Dialog schaffen.
1. Jesus im Koran
Wie in der Bibel, wird Jesus auch im heiligen Buch des Islam, dem Koran, erwahnt. In 15 Suren und rund 108 Versen wird dort von ihm berichtet oder auf ihn Bezug genommen.[1]
Weniger ausfuhrlich als in der Bibel und mit inhaltlichen Abweichungen findet sich im Koran die Darstellung des Lebensweges Jesu wieder, die sich in verschiedene thematische Einheiten gliedern lasst: Die Ankundigung der Geburt Jesu und die Geburt selbst, Jesus als Prophet und Gesandter, Jesus als Wundertater, die Anfeindung und Rettung Jesu, sowie die Wiederkunft Jesu. [2]
Besonders wichtig bei der Darstellung Jesu im Koran sind die Bezeichnungen und Namen, die fur Jesus genutzt werden, da diese die „innerkoranische Primardeutung der Person Jesu“ [3] darstellen. Bei der Betrachtung der Bezeichnungen, die im Koran fur Jesus gewahlt werden, fallt auf, dass dieser, wie in der Bibel, positiv eingeordnet wird. So zeigen die fur Jesus im Koran verwendeten Bezeichnungen, dass „der Koran ihm eine auBerordentliche Bedeutung zuerkennt".[4]
Neben seinem arabischen Eigennamen cIsa wird Jesus im Koran u.a. al masih genannt. Eine Bezeichnung, die mit Messias ubersetzt werden kann. Auch ruh (Geist) und kalimah (Wort), sind Ausdrucke, die im Koran fur Jesu gewahlt werden. Diese Namen stimmen weitestgehend mit dem christlichen Verstandnis von Jesus Christus uberein. Dennoch bestehen im Christentum und Islam Unterschiede in der Bedeutung dieser Namen fur Jesus.
Dem Begriff Messias kommt nach muslimischem Verstandnis eine andere Bedeutung zu als in der christlichen Tradition. Insbesondere die vier Deutungen des Begriffs als der Wandernde, der Salbende, der Gereinigte und der Gesegnete sind die von klassischen, islamischen Korankommentatoren am haufigsten gewahlten Auslegungen.[5] Sie alle weisen Parallelen zur Darstellung Jesu auf, wie sie auch in der Bibel zu finden ist. Anders als nach christlichem Verstandnis „impliziert die Bezeichnung ,der Messias‘ im Koran jedoch keinerlei wie auch immer verstandene gottliche Wurde Jesu (...)“.[6] So darf entgegen christlichem Verstandnis „ bei der Bezeichnung Jesu als ,der Messias‘ keine irgendwie christlich-soteriologische oder dogmatische Bedeutung (...) unterstellt oder hineingelesen werden (...)“ .[7]
Das fehlende Verstandnis des Islam von Jesus als Trager gottlicher Wurde lasst sich gut am Beispiel der im Koran am haufigsten genutzten Anrede fur Jesus verdeutlichen: ibn Mar-yam, Sohn der Maria, aus der sich neben der Rolle Jesu im Koran auch Unterschiede in der Stellung Marias und dem Gottesverstandnis des Islam ergeben. Dies soll am Beispiel der Auslegung der Geschichte der Ankundigung der Geburt Jesu, verdeutlicht werden.
2. Die Erzahlung der Ankundigung Jesu Geburt
Wie in den Evangelien Matthaus (Mt. 1,18-25) und Lukas (Lk. 1,26-38) im neuen Testament, ist auch im Koran (3,47 sowie 19,18-23) eine Erzahlung der Ankundigung der Geburt Jesu zu finden. Sie wird dort im Rahmen zweier[8] von drei Suren [9] erzahlt, innerhalb derer im Koran am ausfuhrlichsten von Jesus gesprochen wird. Inhaltlich lassen sich Parallelen zwischen den biblischen und den koranischen Texten erkennen. Allen Textpassagen ist gemeinsam, dass die Ankundigung durch den Engel des Herrn (Gabriel) erfolgt. Wahrend er im Matthausevangelium im Traum zu Josef spricht, erscheint er in den Texten des Lukasevangeliums und des Korans, in leibhaftiger Gestalt Maria selbst. Sowohl bei Lukas als auch in der Erzahlung des Korans in Sure 19 verhalt sich Maria der Gestalt des Engels gegenuber zunachst zuruckhaltend. Erst nach dessen Bekundung dass er vom Herrn geschickt sei, fasst sie Vertrauen und lasst ihn seine Botschaft verkunden.
Sowohl in den neutestamentlichen Erzahlungen, als auch in den koranischen Schilderungen der Ankundigung der Geburt Jesu ist neben der Gottesfurchtigkeit Marias das Motiv ihrer unbefleckten Empfangnis wiederzufinden. Da hierin trotz Gemeinsamkeiten Unterschiede zwischen christlichem und muslimischem Glauben deutlich werden, soll insbesondere hierauf in allen vier Texten Bezug genommen werden.
So heiBt es bei Lukas:
3l Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebaren, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. 32 Der wirdgrofi sein und Sohn des Hochsten genannt werden (...)- 34Da sprach
Maria zu dem Engel: Wie soil das zugehen, da ich doch von keinem Mann weifi? 35Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird uber dich kommen, und die Kraft des Hochsten wird dich uberschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden ‘ (Lk. 1,31-35).
Auch Matthaus betont die Jungfraulichkeit Marias.
„Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist‘ : (Mt. 1,18).
In Sure 3,47 steht geschrieben:
„Sie sagte: ,Herr! Wie sollte ich ein Kind bekommen, wo mich (noch) kein Mann (w. Mensch) beruhrt hat? ‘ Er (d.h. der Engel der Verkundigung oder Gott?) sagte: ,DS ist Gottes Art (zu handeln). Er schafft, was er will. Wenn er eine Sache beschlossen hat, sagt er zu ihr nur: sei!, dann ist sie. “
In Sure 19 des Korans lautet die betreffende Textstelle:
„19Er sagte: , (Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.) Ich bin doch der Gesandte deines Herrn. (Ich bin von ihm zu dir geschickt) um dir einen lauteren Jungen zu schenken. 20Sie sagte: , Wie sollte ich einen Jungen bekommen, wo mich kein Mann (w. Mensch) beruhrt hat und ich keine Hure bin? (oder: ... beruhrt hat? Ich bin (doch) keine ,Hure!) ‘ 2IEr sagte: ,So, (ist es, wie dir verkundet wurde). Dein Herr sagt: (oder: So hat dein Herr (es an)gesagt.)Es fallt mir leicht (dies zu bewerkstelligen). Und (wie schenken ihn dir) damit wir ihn zu einem Zeichen fur die Menschheit machen, und weil wir (den Menschen) Barmherzigkeit erweisen wollen (w. aus Barmherzigkeit von uns). Es ist eine beschlossene Sache. ‘ 22Da war sie nun schwanger mit ihm (d.h. dem Jesusknaben “ (Sure 19, 19-22).
Trotz augenscheinlicher Gemeinsamkeiten aller vier Erzahlungen, ergeben sich im Verstandnis Unterschiede zwischen muslimischem und christlichem Glauben, besonders in Bezug auf die Person Jesus und die Darstellung Gottes, auf die im Folgenden eigegangen werden soll.
2.1. Exegese
Der Unterschied, der sich zwischen christlichem und koranischem Jesusverstandnis ergibt, resultiert zwar nicht in der Wahl der Anrede Jesu als Sohn Marias, wohl aber in der Auslegung und der Bedeutung fur die Christologie des Korans. Um diese Unterschiede zu verdeutlichen, soll zunachst auf die Exegese der neutestamentlichen Schriften, anschlieBend auf die Exegese der Korantexte eingegangen werden.
2.1.1 Neutestamentliche Texte
Bei genauerem Lesen fallt auf, dass die biblischen Texte die Vaterschaft Gottes und damit einhergehend die Eigenschaft Jesu als Gottessohn betonen. Wahrend Matthaus von einer Schwangerschaft durch den Heiligen Geist spricht, kundigt Lukas die spateren Bezeichnungen Jesu als Sohn des Hochsten und Sohn Gottes an. Es wird also explizit auf die Vaterschaft Gottes verwiesen, jedoch kein Hinweis auf die Art der Zeugung gegeben. Die Frage, ob es sich bei der Vaterschaft Gottes um eine physische handelt, oder der Begriff im ubertragenen Sinne aufzufassen ist, bleibt offen. Nichts desto trotz kommt hier das christliche Verstandnis der Prasenz Gottes in Jesus deutlich zum Vorschein, die lt. Nicanokonstantinopolitanum fester Bestandteil der christlichen Glaubenslehre ist.
Zur genauen Klarung der Prasenz Gottes in Jesus gibt es „prinzipiell sowie historisch gesehen mehrere Alternativen“.[10] So kann die Gegenwart Gottes in Jesus anhand von funf Modellen begrundet werden. Zunachst ist die Vorstellung Justin des Martyrers vom Logos spermatikos zu nennen, nach der der Logos Gottes in einem jeden Menschen vorhanden ist. Auch in Jesus konnte demnach die Prasenz Gottes, unabhangig von dessen Vaterschaft, vorhanden gewesen sein. Diese Vorstellung ist „dem Alten undNeuen Testament jedoch ganzfremd‘ [11]
Anders verhalt es sich mit den Vorstellungen des Adoptianismus nach dem Gott „in seinem [Jesus, L.S.] Geiste“[12] vorhanden war und des Doketismus, nach dem Gott in menschlicher Gestalt auf der Erde wandelte, da sich fur beide Theorien Belegstellen in der Bibel finden lassen. [13]
Auch die Ausfuhrungen der Inkarnation des Logos, nachdem das Wort in Jesus Mensch wurde, sowie die Inspiratorische Geistchristologie, derer zu folge Jesus „ein in einzigartiger und unverganglicher Weise geistbegabter, von Gott berufener Mensch Modell fur alles folgende Geistwirken“[14] war, stellen Versuche dar diese Frage zu klaren.
All diese Ansatze eint jedoch die Vorstellung des Gottlichen in Jesus, wie sie in christlichen Religionen verehrt wird. Das Christentum ist christozentrisch[15]
[...]
[1] Vgl. Bauschke, M. 2000, S.106
[2] Vgl. Renz, A/ Leimgruber, S. 2004, S.152-160
[3] Bauschke, M. 2001, S.9
[4] Gade, G. 2009, S.202
[5] Vgl. Bauschke, M. 2001, 10f
[6] Bauschke, M. 2000, S.108
[7] Bauschke, M. 2000, S.108
[8] Sure 3. cImran und Sure 19. Maryam
[9] Suren 3. cImran, 5. al-ma ‘idah und 19. Maryam
[10] Hailer, M./Ritschl, D. 2008 S.87
[11] Ebd.
[12] Ebd. S.86
[13] Vgl. ebd.
[14] Ebd.
[15] Vgl. Gade, G. 2009, S.206