In den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts begann das Einreisen, der Zuzug von Migranten aus den Mittelmeeranrainerstaaten in die Bundesrepublik Deutschland. Jene Zeit war geprägt durch den ökonomischen Aufschwung, wiewohl gleichzeitiger Arbeitskräftenachfrage, resultierend aus dem Arbeitskräftemangel in den boomenden westeuropäischen Staaten. Ergo kam es zur Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte über die Staatsgrenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus, um jene prekäre Situation bewältigen zu können. Der Ausländer wurde zum Prügelknaben, sei es auf die Überfremdungsängste oder die steigende Arbeitslosigkeit bezogen. Seine autarke und freie Entfaltung wurde obstruiert, ihm jeglicher Verwirklichungsraum versagt und das kulturspezifische Erleben und Denken missachtet. Die Migrantinnen und Migranten wurden, blieben entfremdet.
Somit bildete sich bereits in den fünfziger Jahren ein literarisches und überdies deutschsprachiges Werken von Ausländern in Deutschland heraus. Im Laufe der Zeit erreichte diese Literatur gleichsam das autochthone Publikum. Die Migrationsliteratur, anfangs skeptisch beäugt und ihre literarische Qualität negiert, erwirkte und erwirkt ein immer fulminanteres Interesse.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Satire
2.1 Zur Theorie und Intention der Satire
2.2 Die Satire in der Migrations- und Minderheitenliteratur
3. Die Identität
3.1 Zum Begriff der Kultur
3.2 Die kulturelle Identität - Eine (in-)stabile Orientierung
3.3 Die Identität in der deutschsprachigen Migrationsliteratur
4. Revision der Identitätsproblematik anhand »Alles in Butter« ŞINASI DIKMENS
5. Konklusion
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts begann das Einreisen, der Zuzug von Migranten aus den Mittelmeeranrainerstaaten in die Bundesrepublik Deutschland. Jene Zeit war geprägt durch den ökonomischen Aufschwung, wiewohl gleichzeitiger Ar- beitskräftenachfrage, resultierend aus dem Arbeitskräftemangel in den boomenden west- europäischen Staaten. Ergo kam es zur Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte über die Staatsgrenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus, um jene prekäre Situation bewäl- tigen zu können.1 Die Präsenz dieser ausländischen Arbeitskräfte wurde dabei ausschließ- lich unter wirtschaftlichen Faktoren und Aspekten geplant und reflektiert. Die Annahme zurückweisend, dass es sich lediglich um einen zeitweiligen Aufenthalt im Sinne der Ar- beitsmigration mit künftiger Rückkehr in das Ursprungsland handeln würde, verblieben die Gastarbeiter fortwährend im Migrationsland. Das Motiv dieses Sesshaftwerdens im Migrationsland geht auf die Problematik der Heimkehr, besonders im Zusammenhang mit dem Aufwuchs, der Integration und Sozialisation der folgenden Generationen in der Bundesrepublik Deutschland, zurück. Allen Dementi der Regierung, gar Forderungen zur Rückkehr frondierend, wurde die Bundesrepublik Deutschland die neue Heimat. Der Ausländer wurde zum Prügelknaben, sei es auf die Überfremdungsängste oder die stei- gende Arbeitslosigkeit bezogen. Seine autarke und freie Entfaltung wurde obstruiert, ihm jeglicher Verwirklichungsraum versagt und das kulturspezifische Erleben und Denken missachtet. Die Migrantinnen und Migranten wurden, blieben entfremdet.2
Somit bildete sich bereits in den fünfziger Jahren ein literarisches und überdies deutschsprachiges Werken von Ausländern in Deutschland heraus. Im Laufe der Zeit er- reichte diese Literatur gleichsam das autochthone Publikum. Die Migrationsliteratur, an- fangs skeptisch beäugt und ihre literarische Qualität negiert, erwirkte und erwirkt ein im- mer fulminanteres Interesse.3 Seminare, Tagungen, Wettbewerbe, Lesungen und Förde- rungen rücken die Literatur ausländischer Autoren immer weiter in die Öffentlichkeit. Die Heterogenität der Autoren, ihre sozialen Status, Gestaltungsweisen, Bezüge und po- litischen Auslegungen erschweren gleichsam eine Systematisierung, gar Kategorisierung der Migrationsliteratur. Die Migranten erster Generation unterscheiden sich sonach sig- nifikant von der nachfolgenden, die in Deutschland ihre Sozialisation erfuhr, und abermals von ausländischen Studenten oder Exilierten. Die Spanne reicht von professionellen, bereits vor der Ausreise aktiven, bis zu weniger professionellen Schreibern, die erst durch die Migration zu ihrer literarischen Begabung fanden. Die nationalen, bi- und multinationalen Konzeptionen behandeln die Arbeitsmigration, können aber gleichsam andere thematische Bezüge herstellen. Das Spektrum umfasst die Kurz- und auch längere Prosa, die Lyrik, das Theater und das Kabarett, gar Hörspiele und den Film.4
In dieser Seminararbeit soll sich de facto auf die Form der Satire in der Migrati- onsliteratur konzentriert werden. Demgemäß wird der literarische Terminus der Satire im Folgenden zu definieren versucht. Gleichsam rückt die Identität als eines der zentralen Themen der deutschsprachigen Literatur der Migranten in den Mittelpunkt der Untersu- chung. Die Problematik einer (Re-)Konstruierung der Identität in der Fremde, sowohl jene der Allochthonen als auch der Autochthonen, spiegelt sich signifikant in der Migra- tionsliteratur wieder. Dem Terminus der Identität bedarf es gleichermaßen mittels einer Explikation Herr zu werden. Welchen Stellenwert mag die Identität in der Migrationsli- teratur allgemein und im Spezifischen, in der Satire einnehmen? Abschließend wird jene Identitätskonstruktion anhand der Satire »Alles in Butter«, erschienen in »Der andere Türke« ŞINASI DIKMENS, revidiert und expliziert werden.
2. Die Satire
Der Terminus »Satire« lässt sich ursprünglich auf den lateinischen Begriff satura zurück- führen. Hergeleitet wird diese Bezeichnung, die nach antiker Auffassung eine römische Erschaffung und gleichsam literarische Gattung ist, von lanx satura, der Schüssel mit vermischtem Inhalt.5 Die moderne Satire hingegen zeichnet sich, wie sich im Folgenden herausstellen wird, weitaus weniger als Gattung, sondern vielmehr als ästhetisches Werk, aggressive Intention aus. Gleichsam beschreibt jene ein literarisches Verfahren. Der fol- gende Passus wird einleitend eine gangbare Definition von Satire aufstellen.6 Welche Themenkomplexe werden aufgegriffen? Welche Ziele werden gesetzt und verfolgt? Mit welchen literarischen Mitteln werden jene zu erreichen gedacht?7 Sodann wird spezifi- scher auf die Satire in der Migrationsliteratur eingegangen werden.
2.1 Zur Theorie und Intention der Satire
FRIEDRICH SCHILLER beschreibt die Satire als Ausdrucksform, welche den Widerspruch, den Mangel und Makel der Wirklichkeit dem Ideal als Inbegriff der Realität kontrastiert. Die Wirklichkeit fungiert derweil als Objekt der Aversion. Diese Abneigung resultiert, offenbart sich gleichsam aus eben jenem kontrastiven Ideal. Das ethische Missfallen über die Welt bricht hervor, wenn jene in Repugnanz zu den eigenen Präferenzen und Überzeugungen steht.8 Genau dies verarbeitet dabei der Satiriker, ein Ägekränkter Idealist“9, wie ihn KURT TUCHOLSKY zu titulieren weiß.
Der Endzweck der Satire ist, dem Uebel, das sie zum Inhalt gewählt hat, zu steuern, es zu verbannen oder wenigstens sich dem weitern Einreißen desselben zu widersetzen, und die Menschen davon abzuschrecken.10
Die Satire geht folglich gegen das Widrige in der Welt vor.11 Grundsätzlich ist sie als ein Akt der Aggression zu verstehen. Sie bietet den negativen Allüren gleichermaßen ein Ventil. Die Satire ist dabei keinesfalls eine bloße Pläsanterie, sondern kritisiert die Wirk- lichkeit in ihren Grundfesten. Wie bereits erläutert, handelt es sich bei der Satire nicht gesondert um eine eigene Gattung mit all ihren Bindungen und Stigmata. Vielmehr stellt sie eine aggressive Intention dar, die sich hinter dem augenscheinlich harmlosen Text zu verbergen weiß.12 Dabei hat Ädie Satire nicht […] ihre eigene Form […]. Sie zeigt sich in Gestalt eines Gespräches, eines Briefes, einer Epopöe, eines Dramas, und sogar eines Liedes.“13 Das Satirische verwendet hierbei vielerlei ästhetische Mittel, um diese Abnei- gung, gar Aggression zu transferieren. Somit unterscheidet es sich signifikant von bloßer Beleidigung. Diese Aggression kann sich gleichermaßen gegen Personen und deren Ver- haltensweisen, gegen Institutionen und politische bzw. soziale Organisationsweisen, prin- zipiell gegen alles Anthropologische richten. Die Satire attackiert die Menschen, genauer ihren wirkenden Lebensbereich direkt, bisweilen verborgen, kaum zu entschleiern.14 Dabei destruiert sie nicht den Menschen selbst, sondern vielmehr seine Dummheit.15 Die Satire ist eine einzige Hyperbel, in ihrem Inneren ungerecht, und dennoch gezwungen, die Wahrheit aufzublähen, um sie zu explizieren.16 Sie ist eine Lupe, Ä[…] niemals eine für Uhrmacher […]“, die vergrößert und gleichermaßen verzerrt, Ä[…] um bis zum Kern der Wirklichkeit vorzudringen, […] das Unrecht bloßzustellen.“17
Dem Satirischen entgegen tritt das Persönlichkeitsrecht, die Verletzung des Ein- zelnen oder gar einer Gruppe. Der Satiriker beruft sich somit häufig auf ein edleres Motiv, die Reformation oder Tilgung der gesellschaftlichen Missstände, losgelöst von seiner per- sönlichen Aggression. Dies dient mehrheitlich keiner tugendhaften Einstellung, sondern vielmehr der Prävention eventueller juristischer Folgen.18 ÄDem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das ganze Land bedrückt […]“19, ist das Ziel und gleichsam die Krux des Satirikers, der wagen muss, um zu erreichen. Eine Maßnahme zur Entledigung po- tentieller Angriffsflächen, ausgelöst durch persönliche Aggressionen, bietet der satirische Sprecher, die satirische persona.20 Jene ist keineswegs mit dem Satiriker gleichzusetzen, ist sie doch dem Erzähler eines Erzähltextes durchaus ähnlich. Durch den Mund dieser persona transportiert der Satiriker sein Anliegen, gleichwie seine eigene Position. Satiren weisen häufig einen indirekten Sprechmodus auf. Sie konfrontieren den Rezipienten, des- sen Rolle es ist, zu entlarven, nicht direkt mit ihrem Anliegen, ihrem Thema. Gleichsam aktiviert die Satire ein Vorwissen, durch den Satiriker bedingt, und überlässt dem Rezi- pienten das eigentliche Dekryptieren. Da der indirekte Modus der Kommunikation kei- nesfalls unumstößlich das korrekte Verständnis einmahnen kann, bleibt nicht selten offen, was der Satiriker auszudrücken versucht.21 Erst durch einen interpretatorischen Beitrag seitens des Lesers, das Begreifen und Deuten der Übertreibung, wird es möglich, das Sa- tirische zu konstatieren.22 Das Lachen mag dabei jedoch nicht obligatorisch für die Satire sein, obgleich es doch den Rezipienten delektiert. Das Lachen erbaut eine Brücke, bildet eine Verbindung zwischen dem Satiriker und seinem Adressaten. Nur kurzzeitig vermag dabei das Komische über den eigentlichen Sinngehalt hinweg zu täuschen.23 Die Satire muss keinesfalls ein Lachen hervorrufen. Sie kann erschrecken, schockieren und bestürzen. Kommt es dennoch zum Lachen, dann handelt es sich um ein Verlachen dessen, was der Satiriker zu schelten gedenkt.24
Zusammenfassend ist die Satire sonach ein ästhetischer Ausdruck, gar Ausbruch der Aggression, motiviert durch unterschiedlichste Malaisen, transportiert in verschiede- nen Formen, die sie parasitär zu verwenden in der Lage ist, gar durchdrungen von dem Ideal, frei von Missständen. Die Satire ist somit weder formal noch inhaltlich bestimmt oder gebunden, stellt sie doch eher eine Schreibweise dar, die einen Rezipienten mittels Aktivierung seines Vorwissens auf einen Übelstand aufmerksam zu machen versucht.25 Die Satire insistiert also nicht nur den scharfen Verstand und das technische Vermögen, sondern beansprucht gleichsam eine gewisse Distanz zum dargestellten Objekt. Jene Dis- tanz ist aber niemals so exorbitant, dass sich der Satiriker der Objektivität verschrieben fühlt.26
2.2 Die Satire in der Migrations- und Minderheitenliteratur
Auf die Frage, warum ŞINASI DIKMEN nur Satiren in deutscher Sprache verfasse, gar die türkische abzulehnen scheine, liefert er folgende Begründung:
Ich lehne die türkische Sprache überhaupt nicht ab. Aber ich habe immer gesagt, daß ich in der türkischen Sprache keine Satiren schreiben kann. […] Ich schreibe über Dinge, die ich hier in Deutschland erlebt habe, es sind alles persönliche Erfahrungen. […] Die Deut- schen liefern mir die Themen nicht nur ins Haus, sondern direkt in die Schreibmaschine […]. Ich habe oft versucht, türkisch zu schreiben […]. Es ist mir nicht gelungen. […] In der türki- schen Sprache ist mir nie gesagt worden, daß ich ein türkisches Schwein sei. […] [Ich] hatte nicht nur von der deutschen Sprache eine Vorstellung, sondern auch von Deutschland, von den Deutschen. Ich habe sie geliebt. Aber als ich herkam, […] ist [die Enttäuschung] so groß geworden, daß ich durch Satire versuche, mich selbst zu therapieren, oder auch, mich selbst zu befriedigen.27
DIKMEN führt weiter aus, dass der Satiriker der Minderheit somit a priori, obgleich er unter den Zuständen, die er zu monieren gedenkt, leidet, über die soeben aufgeführte Dis- tanz zum behandelten Objekt verfügt, sei es beispielsweise durch die Migration oder die Sozialisation in der Minderheit dazu gekommen.28 Jener Satiriker erfährt täglich seine Grenzen, erreichend durch seine Beziehungen zu der Mehrheit. Gleichwohl trennen ihn soziale, politische, kulturelle, religiöse oder rechtliche Grenzen von jener ab. Ein Anhä- nger der Mehrheit revoltiert sich zum Ägekränkten Idealisten“29 hinauf. Der Minderhei- tensatiriker hingegen nennt eine urwüchsige Distanz sein Eigen.30 Problematisch ist dabei der Begriff des Satirikers im Zusammenhang mit der Mehrheit allemal, entspringt der Satiriker faktisch doch immer einer Position in der Minderheit.31 Da sich jener das Norm- verhalten der Mehrheit zum Feind gesetzt hat, ist er in einer äußerst diffizilen Situation. Sein Klagen richtet sich gegen jene konsistente Beschaffenheit, die in der Allgemeinheit allenthalben anerkannt ist. Der Satiriker resigniert jedoch nicht. Seine Satire zeigt auf, dass er nicht in die Knie gehen wird. Das grundlegende Faktum bildet dabei die Begeg- nung der Minderheit mit der Mehrheit.
Ergo ergeben sich drei Arbeitsfelder der Minderheiten- bzw. Migrationssatire: Das »repressive Umfeld« umfasst Satiren über Behörden, Beamte und Vorgesetzte im Migrations- und im Ursprungsland, sowie die Problematik der Wohnungssuche und -si- tuation. Satiren über die Hauseigentümer oder die Staatsgewalt finden häufig einen leich- teren Zugang zur Leserschaft. Das »freundliche Umfeld« umschließt Satiren über Nach- barn, Kollegen oder Freunde und bildet gleichsam den intimen Rahmen, in welchem der Satiriker seine grundlegenden Erkenntnisse gewinnt. Der kontroverse Habitus, die Kultur und Sprache des Fremden und des Bekannten werden von dem Satiriker unter Beschuss genommen. Die »Anpassungssatire« hingegen desavouiert jene Verhältnisse, die zur An- passung nötigen, sowie die Identitätszerwürfnisse und die eigene Ohnmacht. Der Min- derheitensatiriker verteidigt die mitgeführten kulturellen Werte und Vorstellungen, stellt sich somit gegen die potentiell drohende kulturelle Identitätslosigkeit und steht gleichsam für eine polykulturelle Gesellschaft ein.32 Die Migrationsliteratur rekurriert somit auf jene Konflikte, die innerhalb dieser polykulturellen Gesellschaft aufzufinden sind. Die Be- kümmerten äußern ihre Konsternation in Literatur, welcher sie sich mittels sprachlicher Fähigkeiten gleichsam als Waffe bedienen - die Satire.33 Dabei werden diverse Themen- bereiche, wie Heimat, Identität, Fremde, Sprache und Kultur(-schock), erfasst. Die Dichotomie, das Bekannte, das Eigene und das Unbekannte, das Fremde, verleiht jenen Gehör.34 Die Satire scheint von der Kontrastierung jener übertriebenen kulturellen Werte und Vorstellungen zu leben.35
Auf gewisse Art und Weise ist die Satire der ausländischen Autoren ihrem Zweck der Aufklärung keinesfalls untreu.36 Ziel ist es, dass Deutsche und Migranten friedlich zusammenleben. Die Satire vermag, wie vielleicht keine andere literarische Option, gar Perspektive, einen Informationsfluss zu generieren, der für das Zusammenleben obliga- torisch zu sein scheint.
Sie sind wie die Vitamine im Apfel. Jeder weiß, daß der Apfel Vitamine enthält, aber keiner sieht sie. In der Satire kann man diese Vitamine durch die unvermeidliche Übertreibung sichtbar machen. Wir müssen dem Leser keinen Spiegel anbieten, sondern ihn zwingen, sich in dem Vergrößerungsglas anzuschauen, zu betrachten.37
Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass die Satire in der Migrationsliteratur eine Zuspitzung einer realen Gegebenheit zu sein scheint, die indirekt in den Text integriert ist. Indirekt aufgrund der Tatsache, dass sich der Leser, vor allem aber der Deutsche eventualiter vor direkter Kritik zu verschließen weiß. Die Satire muss das zu kritisierende Objekt lächerlich machen, nicht komisch, sondern ad absurdum führen. Durch die Lächerlichkeit wird der Unsinn des Zustandes, des Übels entblößt. Der Satiriker nimmt dabei dem Objekt gegenüber eine Haltung der Aggression, des Angriffs ein.38 Er schließt sich gleichsam einem scharfsinnigen Protest an.39 Das primäre Ziel der Satire ist aber keinesfalls ein Gelächter, sondern der Zweck der Offenbarung dahinter:
Dem Satiriker kann ein Sinn für Humor eher hinderlich sein, da die Auffassung von einem ›unparteiischen‹ Gelächter - Lachen um seiner selbst willen, mehr als Zweck denn als Mittel - ganz deutlich die Voraussetzung leugnet, auf der seine zielbewusste Kunst basiert. Für den Satiriker ist der reine Humor eine Verschwendung von nützlichem Lachen.40
1 Vgl. weiterführend PARNREITER, CHRISTOF: Die Mär von den Lohndifferentialen. Migrationstheoretische Überlegungen am Beispiel Mexikos. In: IMIS-Beiträge. Heft 17. Hg. v. Vorstand des Instituts für Migrati- onsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS). Osnabrück 2001: Universitätsverlag Rasch Osnabrück. S. 57-59.
2 Vgl. REEG, ULRIKE: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Essen 1988: Klartext. S. 11f.
3 Vgl. CHIELLINO, CARMINE: Die Reise hält an. Ausländische Künstler in der Bundesrepublik. München 1988: C.H. Beck. S. 2.
4 Vgl. REEG, ULRIKE: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. S. 12f.
5 Vgl. Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 6. Hg. v. UEDING, GERT. Darmstadt 2007: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. S. 447.
6 Auf die historischen Varianzen wird en détail nicht eingegangen werden, um ein zu prekäres Abkommen von der eigentlichen Thematik, der Satire in der Migrationsliteratur zu verhindern.
7 Vgl. Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Begründet von Günther und Irmgard Schweikle. Hg. v. BURDORF, DIETER und FASBENDER, CHRISTOPH und MOENNINGHOFF, BURKHARD. Stuttgart, Weimar 2007: Metzler. S. 678.
8 Vgl. Friedrich Schiller: Sämtliche Werke in 5 Bänden. Erzählungen und theoretische Schriften. Bd. 5. 2., durchgesehene Auflage. Hg. v. RIEDEL, WOLFGANG. München 2008: Carl Hanser Verlag. S. 722.
9 TUCHOLSKY, KURT: Was darf Satire? In: Gesammelte Werke in 10 Bänden. Hg. v. GEROLD-TUCHOLSKY, MARY und RADDATZ, FRITZ JOACHIM. Bd. 2. Reinbek 1975: Rowohlt. S. 42ff.
10 SULZER, JOHANN GEORGE: Allgemeine Theorie der schönen Künste. 2., verb. Aufl. Leipzig 1787: Weidemann. S. 120.
11 Vgl. GRIFFIN, DUSTIN: Satire: A Critical Reintroduction. Lexington 1994: University Press of Kentucky. S. 35.
12 Vgl. KÄMMERER, HARALD / LINDEMANN, UWE: Satire: Text und Tendenz. Berlin 2004: Cornelsen. S. 10.
13 SULZER, JOHANN GEORGE: Allgemeine Theorie der schönen Künste. S. 119.
14 Vgl. KÄMMERER, HARALD / LINDEMANN, UWE: Satire: Text und Tendenz. S. 10.
15 Vgl. SCHAMI, RAFIK: Das Lachen der Außenseiter. Bemerkungen zu unserer Satire. In: Lachen aus dem Ghetto. Hg. v. Polynationaler Literatur- und Kunstverein. Katzenelnbogen 1985: mandala. S. 16.
16 Vgl. TUCHOLSKY, KURT: Was darf Satire? S. 42ff.
17 SCHAMI, RAFIK: Das Lachen der Außenseiter. Bemerkungen zu unserer Satire. S. 17.
18 Vgl. KÄMMERER, HARALD / LINDEMANN, UWE: Satire: Text und Tendenz. S. 10.
19 TUCHOLSKY, KURT: Was darf Satire? S. 43.
20 Vgl. SCHMIDT, JOHANN N.: Satire: Swift und Pope. Stuttgart 1977: Kohlhammer. S. 61.
21 Vgl. KÄMMERER, HARALD / LINDEMANN, UWE: Satire: Text und Tendenz. S. 10f.
22 Vgl. NEUHAUS, STEFAN: Grundriss der Literaturwissenschaft. 3., überarbeitete u. erweiterte Auflage. Stuttgart 2013: UTB GmbH. A. Francke. S. 41.
23 Vgl. FREUD, SIEGMUND: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. In: Gesammelte Schriften. Bd. 9. Hg. v. FREUD, ANNA. Wien 1925: Internationaler Psychoanalytischer Verlag. S. 9.
24 Vgl. SCHAMI, RAFIK: Das Lachen der Außenseiter. Bemerkungen zu unserer Satire. S. 13.
25 Vgl. HODGART, MATTHEW JOHN CALDWELL: Satire. Origins and Principles. Piscataway 1969: Transaction Publishers. S. 11f.
26 Vgl. SCHAMI, RAFIK: Das Lachen der Außenseiter. Bemerkungen zu unserer Satire. S. 15.
27 CHIELLINO, CARMINE: Die Reise hält an. Ausländische Künstler in der Bundesrepublik. S. 114ff.
28 Vgl. DIKMEN, ŞINASI: Gastarbeitersatire in Deutschland. In: Lachen aus dem Ghetto. Hg. v. Polynationaler Literatur- und Kunstverein. Katzenelnbogen 1985: mandala. S. 22.
29 TUCHOLSKY, KURT: Was darf Satire? S. 43.
30 Vgl. SCHAMI, RAFIK: Das Lachen der Außenseiter. Bemerkungen zu unserer Satire. S. 15f.
31 Vgl. TANTOW, LUTZ: Märchen und Satire in der aktuellen ÄGastarbeiter“-Literatur. Zusammenfassung der Arbeitsgruppe. In: Ausländer- oder Gastarbeiterliteratur. Geschichte und aktuelle Situation einer neuen Literatur in Deutschland. Tagungsprotokoll 26. Hg. v. Evangelische Akademie Iserlohn. Iserlohn 1985: Die Akademie. S. 72.
32 Vgl. SCHAMI, RAFIK: Das Lachen der Außenseiter. Bemerkungen zu unserer Satire. S. 15f.
33 Vgl. HAMM, HORST: Fremdgegangen - Fremdgeschrieben. Eine Einführung in die deutschsprachige Gastarbeiterliteratur. Würzburg 1988: Königshausen u. Neumann. S. 118.
34 Vgl. YEŞILADA, KARIN EMINE: Schreiben mit spitzer Feder. Die Satiren der türkisch-deutschen Migrationsliteratur. In: Spagat mit Kopftuch. Essays zur Deutsch-Türkischen Sommerakademie. Hg. v. REULECKE, JÜRGEN. Hamburg 1997: Körber-Stiftung. S. 531f.
35 Vgl. YEŞILADA, KARIN EMINE: Schreiben mit spitzer Feder. Die Satiren der türkisch-deutschen Migrationsliteratur. S. 542f.
36 Vgl. TERKESSIDIS, MARK: Kabarett und Satire deutsch-türkischer Autoren. In: Interkulturelle Literatur in Deutschland. Ein Handbuch. Hg. v. CHIELLINO, CARMINE. Stuttgart 2007: Metzler. S. 300.
37 DIKMEN, ŞINASI: Gastarbeitersatire in Deutschland. S. 23.
38 Vgl. DIKMEN, ŞINASI: Gastarbeitersatire in Deutschland. S. 21.
39 Vgl. TYNAN, KENNETH: Tynan Right and Left: Plays, Films, People, Places and Events. New York 1967: Atheneum. S. 129.
40 TYNAN, KENNETH, zitiert nach: NICHOLS, JAMES: Insinuation. The Tactics of English Satire. Den Haag 1971: Mouton De Gruyter. S. 130.