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Hausarbeit, 2011
16 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Propagandaarbeit
2.1 Propagandaarbeit der Nationalsozialisten
3. Schiller im Nationalsozialismus
3.1 Schiller: Propaganda und Medien
3.2 Schiller als Vorzeige-Literat
3.3 Wilhelm Tell als Nationaldrama des Dritten Reiches
3.4 Das Verbot des Wilhelm Tell
3.4.1. Tyrannenmord
3.4.2. Attentäter
3.4.3. Außenpolitische Lage
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Schriftsteller und Dichter wie Wieland, Herder, Goethe und Schiller gehören heute zu den bekanntesten Vertretern der klassischen deutschen Literatur.1 Vor allem Schiller und später dann auch Goethe wurden im 19. Jahrhundert identitätsstiftend zu Nationaldichtern erhoben und in den folgenden Jahrzehnten verstärkt mit dem deutschen Staat in Verbindung gebracht. Zu ihrer Ehre wurden zahlreiche Denkmäler geschaffen, Straßen, Plätze und Schulen nach Ihnen benannt, sowie Museumsausstellungen organisiert. Ihre Werke werden in Schulen gelehrt und in zahlreichen literaturwissenschaftlichen Beiträgen und Büchern über die Jahrzehnte diskutiert.
Im Laufe der Zeit wurde seitens verschiedener Politiker versucht, die Werke der Klassiker der deutschen Literatur für die Propaganda eigener politischer Zwecke zu benutzen. Besonders oft wurden Versuche unternommen, die Begründung eines gemeinsamen kulturellen Nationalbewusstseins der Deutschen zu untermauern. Deshalb wurde in der klassischen Literatur gezielt nach bestimmten Zitaten gesucht, die als Belege für die kulturelle Einheit der Deutschen dienen und damit die geistige Grundlage für den modernen deutschen Nationalstaat schaffen könnten. Nach der Gründung des modernen deutschen Nationalstaats als Kaiserreich im Jahre 1871 begannen die Literaturwissenschaftler sich verstärkt mit der Erforschung von Leben und Werken auseinander zu setzen, sowie die Pflege der Erinnerung an bestimmten Schriftsteller und Dichter als nationale Aufgaben zu betrachten.2
Dabei wurden die zentralen Ideen der Klassiker (wie Humanisierung, Liberalisierung, Demokratisierung und Weltoffenheit) immer weiter vernachlässigt und allmählich in den Hintergrund gedrängt. Besonders in der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Versuche unternommen, die Literatur um zu etikettieren und zu den propagandistischen Zwecken zu benutzen.3 In der Zeit von 1933-1945 hatte die Klassische Literatur einen besonderen Stellenwert. Sie wurde nicht nur als Kulturgut der Vergangenheit angesehen, sondern für die politischen Zwecke, der Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankengutes, des NS-Regimes missbraucht. Dieses Schicksal erlitt auch Friedrich Schiller, welcher zu den herausragenden Dichtern der deutschen Literaturgeschichte gehört.
In dieser Seminararbeit soll dargestellt werden, wie der "Kriegseinsatz der Literaturwissenschaft" für die Nationalsozialisten ablief und auf welche Weise sich die Nationalsozialisten Schiller zum politischen Machtinstrument machten.
Besondere Aufmerksamkeit soll Schillers Werk "Wilhelm Tell" geschenkt werden. Das Interesse an diesem Thema entstand in Bezug auf das Blockseminares „Literaturwissenschaft im Nationalsozialismus". Zu Beginn dieser Seminararbeit werde ich einen einleitenden Überblick über die allgemeine und literaturwissenschaftliche Propagandaarbeit des Dritten Reiches geben, damit sich der Leser ein Bild von der systematischen Beeinflussung des Volkes machen kann. Anschließend beschäftige ich mich speziell mit dem Fall Schiller, angefangen beim neu geschaffenen Bild des Vorzeigeliteraten bis hin zum Verbot seines Werkes „Wilhelm Tell“, worauf der Schwerpunkt der Betrachtungen liegen soll.
Der Begriff Propaganda stammt vom lateinischen propagare ab, was wörtlich übersetzt ausbreiten, ausdehnen oder Schößlinge pflanzen bedeutet.4 Ursprünglich stammt die Bezeichnung Propaganda aus dem 17 Jahrhundert und geht auf Papst Georg den XV zurück, der 1622 die Verbreitung es katholischen Glaubens durch "Sacra Congretario de Propaganda Fide" vorantrieb.5 Die Katholische Kirche nutzte die geistliche Propaganda um ihren Glauben weiter zu verbreiten und um Reformationen entgegenzuwirken. Mitte des 18 Jahrhunderts erfuhr das Wort Propaganda einen Bedeutungswandel und die geistliche Propaganda wurde durch Ereignisse wie die franz. Revolution zur weltlichen, politischen Propaganda. Somit stand nun der Akt der Verbreitung von politischen Ideen und Anschauungen anstatt kirchlicher Interessen im Mittelpunkt der Propaganda.
Im Nationalsozialismus kam der Propaganda ein besonderer Stellenwert zu und ihre Aufgabe wurde von Hitler in seinem Werk Mein Kampf folgendermaßen beschrieben: "Die Propaganda war im Kriege ein Mittel zum Zweck"6 Weiter wird beschrieben, dass jede Form der Propaganda volkstümlich zu sein hat und ihr geistiges Niveau der Aufnahmefähigkeit der Masse anzupassen hat, denn sie richtet sich an die Masse des Volkes und nicht an Gelehrte oder Wissenschaftler.7 Die Kunst der Propaganda liege darin, dass sie in psychologisch richtiger Form den Weg zur Aufmerksamkeit und zu den Herzen der breiten Masse findet.
Mit der Errichtung des Reichministeriums für Propaganda und Volksaufklärung im Jahr 1933 wurde der Grundstein für eine einheitliche, systematische und nationalsozialistische Beeinflussung des Volkes gelegt.8 Die Hauptaufgabe dieser staatlichen Institution, die dem studierten Germanisten und Reichspropagandaminister Josef Goebbels unterstellt war, bestand darin die geistigen Entwicklungen der Literatur, Presse, Kunst und Medien vollständig zu kontrollieren, zu lenken und zu überwachen, da im Nationalsozialismus keine Meinungsfreiheit gefragt war.9
Reichsminister Goebbels stellte vor allem die Sprache ins Blickfeld politischer Strategien der Massenbeeinflussung, denn darüber wurde die Verbreitung des ideologischen Gedankengutes in der Gesellschaft ausgebreitet.10
Die Instrumentalisierung und Funktionalisierung von Sprache durch ein vielgliedriges Propaganda- und Pressesystem dient der wissenschaftlichen Literatur gleichermaßen zur Erklärung der Stabilität des NS-Regimes wie seiner politischen Mobilisierungsfähigkeit.11
Beispiele hierfür sind die Hervorhebungen der Worte "Volk" und "Blut", welche zu Hochwertwörtern stilisiert wurden.12 Die NS Sprache ist ein Abbild seines politischen Geistes. Die Vermittlung von Politik ist ein unvermeidbarer sprachlicher Vorgang, denn Politik ist ohne Sprache nicht denkbar. Wird Politik im allgemeinen Sinn als Versuch verstanden bestehende soziale Verhältnisse zu stabilisieren kann Sprache ein Mittel dazu sein, die vorhandene oder gewünschte Ordnung mit Begriffen zu beschreiben. Wenn Sprache jedoch nicht als neutrales Medium der Verständigung angesehen wird, können sich Publizistik, Wissenschaft und Künste nicht frei und uneingeschränkt aufgrund schöpferischer Initiative entwickeln, da die Entwicklungsfortschritte entscheidend durch die Bemühungen des Regimes alle Formen des gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses für seine Zwecke zu benutzen beeinträchtigt wird.
Schiller wurde als "einer der Urahnen der deutschen Revolution"13 des Jahres 1933 von den Nationalsozialisten gefeiert und verehrt, sodass staatliche und parteiamtliche Stellen ein großes Interesse an der Verbreitung der nationalsozialistischen Schillerdeutung in Wissenschaft, Bildung, Kultur und Tagespolitik hegten. An dieser Stelle der Seminararbeit soll gezeigt werden, wie Schiller für die politischen Ziele des Nationalsozialismus gleichgeschaltet wurde.
Die Nationalsozialisten versuchten permanent ihre Ideologie in Einklang mit den Werken von Schiller (und den anderen Klassikern) zu bringen und diese politisch zu Propagandazwecken zu nutzen. Am 10. November 1934 jährte sich Schillers Geburtstag zum 175. Mal. Zu Ehren Schillers wurden im gesamten Reich Feierlichkeiten und Massenveranstaltungen abgehalten. Die Presse veröffentlichte Sonderbeilagen in den Zeitungen und auch der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, hielt anlässlich der Feierlichkeiten des 175. Geburtstages von Friedrich Schiller eine Rede, welche im Rundfunk übertragen wurde:
„Hätte Schiller in dieser Zeit gelebt, er wäre zweifellos der große dichterische Vorkämpfer unserer Revolution geworden. Er hatte den Charakter, der dazu gehört, um sich ihr mit ganzer Kraft hinzugeben.[…] Er war einer der Unseren, Blut von unserem Blut und Fleisch von unserem Fleische. Solange der große Atem revolutionärer Umwälzungen die Menschheit durchwehen wird, solange wird sein Name mit Ehrfurcht und Dankbarkeit genannt werden“14.
Ähnliche Reden mit dem gleichen Inhalt wurden auch von anderen Nationalsozialisten während verschiedenen Veranstaltungen regelmäßig gehalten. Dabei handelte es sich meist um sehr freie Interpretationen der Werke von Schiller. In der Regel wurden die passenden Inhalte oder gar nur einzelne Wörter ohne jegliche inhaltliche Zusammenhänge aus den Werken entnommen und bei den propagandistischen Veranstaltungen, als auch in der entsprechenden pseudowissenschaftlichen Literatur zitiert.
Besonders große Aufmerksamkeit wurde im Nationalsozialismus der Erziehung der Kinder und Jugendlichen geschenkt. Auch zu diesem Zweck wurde auf die Kernstücke der Werke Schillers im Bildungswesen und Schulbereich zurückgegriffen15. Nicht nur das Bildungswesen sondern auch die Freizeitgestaltung der damaligen Zeit unterlag der nationalsozialistischen Gleichschaltung, neben den bereits angesprochenen Printmedien wurden auch Radio, Theater und Film vom Propagandaministerium kontrolliert.
Schiller avancierte durch die propagandistische Darstellung der Nationalsozialisten zu einem Vorzeigeliteraten des Dritten Reiches, wodurch er in das Blickfeld vieler Literaturwissenschaftler rückte.
Ein Beispiel hierfür ist die Schillerdeutung von Herbert Cysarz. "Wer Schiller fassen will muß ein Jahrtausend umfassen. In mancher deutschen Dichtung liegt ein reicheres, in keiner ein größeres Deutschland enthalten".16 Cysarz sieht Schiller als dichterischer Führer, welcher dem politischen Führer Hitler vorangegangen ist. Im Jahr 1934 veröffentlicht Cysarz seine Schiller Monographie.17
In seinem 1934 verfassten Aufsatz "Schiller und Kleist als politische Dichter" thematisiert der Göttinger Literaturwissenschaftler Gerhard Fricke, welcher die Brandrede zur Bücherverbrennung an der Universität Göttingen hielt, seine Vorstellung von literaturwissenschaftlicher Lehre im Nationalsozialismus und präsentiert seine Lesart Schillers. Fricke folgte bei seinen literaturwissenschaftlichen Auslegungen und Interpretationen der geistesgeschichtlichen Methode, gemäß seiner Ausbildung bei dem Göttinger Literaturwissenschaftler Rudolf Unger. Seine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Literatur Schillers verfolgte die Absicht, aus der Dichtung die Gedanken und Ideen Schillers herauszulesen und nachzuspüren.
Ein weitaus radikaleres Schillerbild präsentierte Hans Fabricius in seinem Werk "Schiller als Kampfgenosse Hitlers". Er schreibt: "Schiller als Nationalist! Mit Stolz dürfen wir ihn als solchen grüßen."18 Fabricius, der in dieser Zeit nicht nur der Geschäftsführer der NSDAP-Reichstagsfraktion, sondern auch das wichtigste Mitglied in einer der einflussreichsten nationalsozialistischen Kulturvereinigung, dem Kampfbund für deutsche Kultur war, durchforstete schablonenartig und ohne weitere Zusammenhänge Schillers Werke nach Anknüpfungspunkten an die nationalsozialistische Ideologie. Dieses methodische Verfahren der Umdeutung galt unter Literaturwissenschaftlern als äußerst umstritten.
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1 Vgl. Albert, Claudia: Deutsche Klassiker im Nationalsozialismus. Schiller, Kleist. Hölderlin. Stuttgart. 1994. S. 48.
2 Vgl. Haufe, Rüdiger: Nationalsozialistische Instrumentalisierung. 2009. S. 7.
3 Vgl. Zeller, Bernhard: Klassiker in finsteren Zeiten. 1933-1945. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar. Band 1. 1983. S. 165.
4 Vgl. Schieder, Wolfgang / Dipper, Christof: Propaganda. In: Brunner, Otto /
Conze, Werner / Koselleck, Reinhart (Hgg). Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. 1.Aufl. Band 5.1984. S.69.
5 Vgl. a. a. O. S. 69f.
6 Vgl. Hitler, Adolf: Mein Kampf. 286-290 Auflage. 1938. S. 196.
7 Vgl. a. a. O. S. 197.
8 Vgl. Reimers, Karl Friedrich: Propaganda. In: Staatslexikon IV. 1988. S. 596f.
9 Vgl. Marek, Michael: Wer deutsch spricht, wird nicht verstanden. Der wissenschaftliche Diskurs über das Verhältnis von Sprache und Politik im Nationalsozialismus. Ein Forschungsbericht. In: Archiv für Sozialgeschichte 30. 1990. S.455f.
10 Vgl. a. a. O. S.488f.
11 Vgl. ebd. S. 459.
12 Vgl. Nill, Ulrich: Die geniale Vereinfachung. Anti-Intellektualismus in Ideologie und Sprachgebrauch bei Joseph Goebbels. 1990. S. 298f.
13 Vgl. Ruppelt, Georg: Schiller im nationalistischen Deutschland: Der Versuch einer Gleichschaltung. 1979. S. 10.
14 Vgl. a. a. O. S. 154.
15 Vgl. Haufe, Rüdiger: Nationalsozialistische Instrumentalisierung. 2009. S. 12.
16 Vgl. Kaiser, Gerhard: Grenzverwirrungen. Literaturwissenschaft im Nationalsozialismus. Berlin. 2008. S. 285.
17 Vgl. Ruppelt, Georg: Schiller im nationalistischen Deutschland: Der Versuch einer Gleichschaltung. 1979. S. 59.
18 Vgl. Fabricius, Hans: Schiller als Kampfgenosse Hitlers. Nationalismus in Schillers Dramen. 1932. S. 119f.