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Akademische Arbeit, 2004
36 Seiten, Note: gut
Einleitung
1. Grundlagen und Ziele
1.1. Sozialisationstheoretische Bezüge und Ziele
1.1.1. Handlungskompetenz – der Mehrfachauffällige als produktiver Realitätsverarbeiter
1.1.2. Prosoziales Verhalten
1.1.3. Weiterentwicklung des moralischen Bewusstseins
1.2. Sozialpädagogisch-psychologische Bezüge
1.2.1. Autoritativer Erziehungsstil (Induktion und Internalisierung)
1.2.2. Kognitionspsychologische Konfrontative Therapie nach Corsini
1.2.3. Provokative Therapie nach Farrelly
1.2.4. Der „Heiße Stuhl“ aus der Gestalttherapie Perls
1.2.5. Die kognitive Psychologie und die Rational-Emotive Therapie
1.2.6. Kriminalsoziologische Ansätze
1.3. Jugend- und Straffälligenhilfe und Konfrontative Pädagogik
1.3.1. Spannungsfeld doppeltes Mandat
1.3.2. Strafen UND behandeln UND begleiten
2. Methoden
2.1. „Grenzziehung mit Herz“
2.2. Erziehung und nicht Manipulation – „Die Einmassierung des Realitätsprinzips“
3. Konfrontation für jeden?
3.1. Was ist Konfrontation?
3.2. Hält jeder die Konfrontation aus?
3.3. Konfrontative Pädagogik als Allheilmittel?
Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
Sozialpädagogik zu Beginn des 21. Jahrhunderts könnte wahrscheinlich genauso gut auch Sozialpädagogik am Mitte/ Ende des 20. Jahrhunderts heißen. Es hat sich bei den meisten Sozialpädagogen nämlich fast gar nichts geändert. Immer noch beherrscht die, mit der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre ins Leben gerufene, Lebensweltorientierung (oder auch „das mütterliche Prinzip“) die Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (vgl. Tischner 2003). „Konstituierend für das Prinzip der Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit ist die Verabschiedung von der traditionellen Unterscheidung Norm und Abweichung, welche ihren Grund in der zunehmenden Auflösung von Normalitätsstandards in unserer heutigen Gesellschaft hat. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass sich das doppelte Mandat der Sozialen Arbeit von Hilfe und Kontrolle immer mehr in Richtung Hilfe bei gleichzeitigem Schwinden der Kontrolle verlagert“ (ebd.; vgl. Kleve 2003). Die kinder- und jugendrechtliche Entsprechung des Wandels kann man dann 1991 in der Ablösung des eingriffs- und ordnungsrechtlichen geprägten Jugendwohlfahrtsgesetzes durch das durch seinen Dienstleistungscharakter gekennzeichnete SGB VIII sehen (vgl. Tischner 2003). Lebensweltorientierung bedeutet hierbei „das Einlassen auf die eigensinnigen Erfahrungen der AdressatInnen Sozialer Arbeit; Lebensweltorientierung wirkt damit normalisierenden, disziplinierenden, stigmatisierenden und pathologisierenden Tendenzen der gesellschaftlichen Funktion Sozialer Arbeit entgegen“ (Kleve 2003).
Durch die Professionellen wird bei dem Ansatz versucht „nicht-stigmatisierend“ auf die Jugendlichen einzugehen und sie somit ernst zu nehmen, sie auszuhalten, zu teilen, den Alltag zu strukturieren, aufzuklären und die Lebenswelt der Betroffenen zu verbessern (vgl. Weidner 2001b: 14). Genau da aber macht eine gewisse „Jugendkriminalitäts-Elite“ (Weidner 2001b: 15) Probleme, indem sie dieses Verständnis pädagogischen Handelns strapaziert. Es handelt sich hierbei um eine kleine Gruppe von Mehrfachauffälligen, die Jugendhilfe und Polizei „alle mit Namen kennen“ (ebd.). Die Jugendlichen um die es hier geht bilden zwar einen verschwindenden Teil am Gesamtphänomen, wenn man aber betrachtet dass ca. 9% dieser abweichenden Jugendlichen für die Hälfte aller Straftaten verantwortlich sind, wird gerade hier ein großer Handlungsbedarf deutlich (vgl. ebd.). „Abwarten und gewährenlassen, das bedeutet in so einem Fall sich pseudotolerant zu verhalten, das heißt auch Opfer billigend in Kauf zu nehmen“ (ebd: 16). Es geht hier nicht mehr nur um die „Kuschelpädagogik“ mit ihren emotional warmen, authentischen und empathischen Beziehungen sowie das Vermeiden von Konflikten (Tischner 2003). Oder wie es Gall noch krasser formuliert: „Die entschuldigende Pädagogik gipfelte in der Formulierung ‚Gewalt ist geil’“ (Gall 2001b). Vielmehr muss man die Jugendlichen mit ihren Taten konfrontieren und sie für zukünftige Auseinandersetzungen trainieren, als auch ein Unrechtsbewusstsein in ihnen aktivieren. Es geht darum „Grenzen zu ziehen, streng zu sein und autoritativ zu agieren“ (Weidner 2003b: 16). Also um Konfrontative Pädagogik.
Die folgende Arbeit soll das Konzept der Konfrontativen Pädagogik und ihre Grundlagen und Ziele darstellen. Bevor allerdings eine Darstellung von Weidners Konzept einer Konfrontativen Pädagogik stattfindet, sollte noch einmal betont werden, dass Konfrontative Pädagogik nicht das Allheilmittel darstellt und auch nur einen Teil in der Pädagogik ausmacht. Weidner spricht auch von der konfrontativen Methode in der Pädagogik. Sie macht für ihn nur etwa 20% des Professionellen aus, der zu „80% einfühlsam, verständnisvoll, verzeihend und non-direktiv bleiben soll und bei dem Rest dafür umso mehr Biss, Konflikt- und Grenzziehungsbereitschaft besitzen soll“ (ebd.: 9).
Konfrontative Pädagogik ist also nicht eine Alternative zur (richtig verstandenen; s. a. o.) lebensweltorientierten Pädagogik sondern eine Ergänzung (vgl. Kilb, Weidner 2003). Weidner begreift sie als ‚ultima ratio’ im Umgang mit Mehrfachauffälligen, da mit diesen keine adäquaten Ansätze existent sind, und Abwarten und Gewährenlassen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen für ihn unprofessionelles Handeln darstellt (Weidner 1999).
Dabei geht es nicht um eine Wiederbelebung von autoritären Strukturen.
Vielmehr fördert sie das Prinzip: ‚Jugend erzieht Jugend’, wie es schon aus verschiedenen pädagogischen Konzepten bekannt ist: Makarenkos Kameradschaftsbericht, Redls Einmassierung des Realitätsprinzips oder Ferrainolas System in Glen Mills sind einige Beispiele dafür (vgl. Weidner 2001b). Dabei wird ein formeller und informeller Gleichklang forciert, der keine subkulturellen Milieus zulässt und die Mitarbeiter mit den Jugendlichen deckungsgleich leben lässt.
Hierbei gilt, dass Konfrontation erst nach einem Beziehungsaufbau UND der im Voraus gegebenen Interventionserlaubnis der Betroffenen stattfinden kann. Es steht auch jedem frei, ein Abbrechen der Konfrontation zu fordern. Die Freiwilligkeit ist dabei eines der obersten Prinzipien.
In den folgenden Ausführungen ist immer im Hinterkopf zu behalten, dass es bei der Konfrontativen (Methode in der) Pädagogik immer nur um den oben genannten autoritativen Habitus, also die 20% des Professionellen geht, der sich von 100% zu 80% Empathie verabschiedet (vgl. Weidner 2003).
Die Grundlagen einer Konfrontativen Pädagogik findet man in vielen Theorieansätzen wieder, die versuchen jugendliche Gewalt, Aggression und Aggressivität zu erklären. Dabei trifft man vom biologisch-genetischen über den physiologischen, den individualpsychologischen, den sozialpsychologischen, den mikrosoziologischen bis hin zum makrosoziologischen Ansatz (vgl. Albrecht 1993). Und sicher wären noch einige andere denkbar. Diese Phänomene sind nicht in einer Theorie abgehandelt, die sich als die ‚wahre’ oder ‚echte’ bezeichnen kann und somit ist die Auswahl der Theorien nur als eine Auswahl (vor allem durch Weidner) zu verstehen. Dabei können einzelne Ansätze „nur schlaglichtartig Hinweise für das Zustandekommen und die Entwicklung“ der Phänomene geben (Lamnek 2000). Auch wird bei diesen Theorien deutlich, dass sich die interdisziplinaren Grenzen zum Teil sehr weit auseinander bewegen und eine Zusammenarbeit von Juristen, Kriminologen, Soziologen, Pädagogen, Psychologen bis hin zu Politikern auch noch nach der Theoriebildung stattfinden muss.
Aus den sozialisationstheoretischen Konzepten versucht Weidner die ersten Sozialisationsziele für eine Konfrontative Pädagogik zu entwickeln. Er versucht dabei abweichendes Verhalten zu verstehen, aber auch gleichzeitig nicht damit zufrieden zu sein. Dies gilt bei ihm als richtungsweisendes Motto (vgl. Weidner, Kilb, Otto 2003: 19).
Hurrelmann bezeichnet den Mehrfachauffälligen als produktiven Realitätsverarbeiter, der Sozialisationsprozessen unterliegt (vgl. Hurrelmann 1995: 69ff.). Lerner/ Busch-Rossnagel sprechen von „Individuals as producers of their development“ (vgl. Lerner/ Busch-Rossnagel 1981). Nach Hurrelmann ist die Sozialisation demnach der Prozess, der durch „Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und dinglich materiellen Umwelt“ beschrieben wird (vgl. Hurrelmann 1995: 69ff.). Das heißt, dass „Ziel des Sozialisationsprozesses ist ein handlungsfähiges Subjekt“ (Weidner 2001b: 8). Dabei baut der Mehrfachauffällige ein reflektiertes Selbstbild auf (vgl. Hurrelmann 1995: 79f.). Nach Hurrelmann ist die Lebensphase Jugend einem tief greifenden Strukturwandel unterworfen. „Hierbei ist diese historische Ausdifferenzierung aber nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass in einigen Handlungsbereichen des Alltags Jugendliche und Erwachsene vor den gleichen Anforderungen stehen und sie die gleichen Handlung- und Verhaltensformen zeigen. Vielmehr muss in differenzierter Betrachtung gezeigt und davon ausgegangen werden, dass parallel zum Prozess der Ausdifferenzierung von Lebensphasen, der sich tendenziell weiter fortsetzt, auch ein Prozess der Ausdifferenzierung von sozialen Institutionen und Organisationen stattfindet“ (Hurrelmann et al. 1985: 57). Diese Ausdifferenzierung bringt die Jugendlichen dazu eigene Wege der individuellen Entfaltung und der sozialen Integration zu finden. Dabei gelingt es ihnen in vielen Bereichen eine erwachsenenähnliche oder erwachsenengleiche Bewältigung zu erreichen, aber in anderen Bereichen werden ihnen solche Entfaltungsspielräume verschlossen (vgl. ebd.: 57ff). „Da der einzelne aber weiter als ‚produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt’ betrachtet wird, ergeben sich Probleme im Individuations- und Integrationsprozess“ (Schanzenbächer 2003: 35). Diese entstehen als Resultat aus erworbenen, unangemessenen und unzureichenden Kompetenzen im spezifischen, personalen oder sozialen Handlungsbereich. Dabei können die „... von der sozialen Umwelt erwarteten und geforderten Fertigkeiten, Fähigkeiten, Motivationen und Dispositionen nicht erbracht werden. (...) Die Handlungs- und Leistungskompetenzen der Person oder die Persönlichkeit bzw. Persönlichkeitsentwicklung entsprechen in diesem Fall nach Profil und Struktur nicht den jeweils durch institutionelle oder Altersnormen festgelegten vorherrschenden Standards“ (vgl. ebd.). Weidner beschreibt die (delinquente) Störung des Jugendlichen dabei als „Resultat der Diskrepanz zwischen individuell-sozialer Kompetenz und realen Notwendigkeiten“ (Weidner 2001b: 8).
Die Jugendlichen können auf diese Problematik individuell unterschiedlich reagieren. Entweder gesellschaftlich konform oder eben nichtkonform (vgl. Schanzenbächer 2003: 35). Nichtkonform könnte dabei heißen durch: „politischen Extremismus, Ablehnung vorherrschender gesellschaftlicher Werte, Alkoholismus, Drogenkonsum“ (Hurrelmann et al. 1985: 111), „aber eben auch Kriminalität und Gewalttätigkeit“ (Schanzenbächer 2003: 35).
Hieraus formuliert Weidner auch das erste Sozialisationsziel Konfrontativer Pädagogik: die Entwicklung und Förderung von Handlungskompetenz. Er beschreibt den auffälligen interaktiven Kompetenzmangel von wiederholt aggressiv Agierenden. Diese können zwar durch ihre Körpersprache imposant bis einschüchternd auftreten, aber sie haben sonst keine weiteren Konfliktlösungsstrategien. Und dies reicht offensichtlich in einer Kommunikations- und Dienstleistungsgesellschaft nicht aus (vgl. Weidner 2001b: 8; vgl. a. Weidner, Kilb, Jehn 2003: 15). „Die Kompetenz zum Handeln und insbesondere auch zum interaktiven und kommunikativen Handeln ist Voraussetzung dafür, dass sich ein Mensch mit den Erfordernissen und Anforderungen der Umwelt arrangieren und dabei die eigenen Motive, Bedürfnisse und Interessen berücksichtigen und einbringen kann.“
Die Dimensionen der Handlungskompetenz sind hierbei zugespitzt formuliert: Empathie, Frustrationstoleranz, Ambiguitäts- und Ambivalenztoleranz sowie Rollendistanz (vgl. ebd.).
Diese verschiedenen Dimensionen sind dabei bei Mehrfachauffälligen nur marginal ausgeprägt. Empathie scheint in Bezug auf die Folgen von Delinquenz für die Opfer und die signifikanten Anderen (eigene Kinder, Eltern, Freunde) fast überhaupt nicht vorhanden und die Frustrationstoleranz scheint bei den meisten, die auch selber oft genug frustriert wurden, fast aufgebraucht. Der Ambivalenztoleranz und ihrer mehrdeutigen Rollenerwartung werden die meisten kaum gerecht, da sie nicht zwischen ihren Interaktionsriten und dem Szene-Slang in ihrer Subkultur sowie dem Verhalten in der ‚öffentlichen’ Gesellschaft unterscheiden können. Die Rollendistanz ist bei den meisten förderungswürdig. Dabei geht es darum, dass die meisten auf Abstand zu ihrer eigenen Rolle gehen und gemäß dem Motto ‚Wir spielen alle Theater’ ihre eigene delinquente Rolle humorvoll hinterfragen können. Die ’positionsbejahende Rollendistanz’ ist dabei mangelhaft ausgeprägt, was sich zum Beispiel durch die „gelegentliche Ironisierung und Verfremdung vermeintlich zwingender Rollenverpflichtungen, an der Fähigkeit zum Perspektiven- und Rollenwechsel (...) oder auch an einer pointierten Hervorhebung der Rollenhaftigkeit“ feststellen lässt (Biermann 1992: 47; vgl. a. Weidner 2001b: 9).
Neben dem Aufbau von Handlungskompetenz verfolgt die konfrontative Pädagogik außerdem die Förderung prosozialen Verhaltens. Dabei geht es um solidarische Zuwendung zu einer anderen Person oder Personengruppe, ohne dabei einen eigenen Vorteil anzustreben. Dies könnten unter anderem helfen, teilen, spenden oder unterstützen etc. sein. Dieses prosoziale, insbesondere ‚altruistische’ (Weidner 2001b: 9) Verhalten wird mit der vorher genannten Perspektivenübernahme verknüpft (vgl. ebd.).
Das dritte Sozialisationsziel ist schließlich die Weiterentwicklung moralischen Bewusstseins (Kohlberg; Althof 1996). Dies ist zugleich ein Idealziel und gleichzeitig eine „... wünschenswerte, aber doch schwer zu erreichende, Zukunftsperspektive.“ Die Gewalttäter bewegen sich zumeist auf der für sie typischen präkonventionellen Moral. Sie unterscheiden dabei zwischen Gut und Böse und Belohnung und Bestrafung. Weidner nennt dies die ‚eine Hand wäscht die andere Mentalität’ (Weidner 2001b: 9). Von dieser Stufe sollten sich die Mehrfachauffälligen im Idealfall hin zur postkonventionellen Moral bewegen und somit schließlich nach den Menschenrechten und Kants kategorischem Imperativ (‚Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte’) handeln lernen. Dies ist jedoch wie vorher gesagt nur ein Idealziel und wird auch nicht geleistet. Weidner spricht auch von einer „überzogenen Erwartungshaltung (...) die jede pädagogische Behandlungsbemühung überfordern dürfte“ (ebd.: 40). Die Mehrfachauffälligen befinden sich nach erfolgreicher Behandlung auf der konventionellen Moralstufe wieder. Da besitzen sie die Loyalität gegenüber gesellschaftlich anerkannten Normen und Gesetzen und können nach einer good-boy-girl-orientation handeln. Sie können somit ihre gesellschaftliche Pflicht und Verantwortung für ein ‚normales’, soziales Zusammenleben erfüllen (vgl. ebd.: 9).
Konfrontative Pädagogik fasst (sozial)pädagogische (u.a. Makarenko, Korczak, Redl) und psychologische (u. a. Corsini, Farrelly, Perls) Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts zusammen. Dabei grenzt sie sich von einem autoritär-patriarchalischen Erziehungsstil ab. Außerdem entfernt sie sich von rein permissiven Zuschreibungen, die Ursachen ausschließlich im gesellschaftlichen Kontext bzw. als Ausdruck von Labeling- Prozessen sehen (vgl. ebd.: 10).
Konfrontative Pädagogik orientiert sich am autoritativen Erziehungsstil. Bei diesem wird eine „klare Linie mit Herz“ (Weidner 1999: 101) verfolgt, welche weder stumpf-militärisch noch alles erlaubend ist. Es geht hierbei um „Wärme, Zuwendung, verständlich begründete, klare Strukturen und Grenzen [sowie] entwicklungsgerechte Aufgaben und Herausforderungen“ (Weidner 2001b: 10). Im Gegensatz zu einem rein autoritären oder permissiven Stil liegen die Vorteile dieser Vorgehensweise im „prosozialerem Verhalten der Probanden, größerer Aufgeschlossenheit und sozialerer Kompetenz, sowie einem angemessenen – durchsetzungsfähigen Alltagsverhalten“ (ebd.). Der letzte erscheint hierbei als besonders wichtiger Punkt, da besonders bei den aggressiven Wiederholungstätern das Ideal vom durchsetzungsstarken Typ vorherrscht und sie sich auch nach dem Resozialisierungsprozess nicht als Versager definieren möchten. Am Anfang lautet die Lebenshypothese der Gewalttäter: „Gewalt macht stark und unangreifbar und Friedfertigkeit ist Feigheit und Schwäche“ (vgl. Weidner 1994).
Der beachtliche Punkt bei dem autoritativen Erziehungsstil scheint nach Weidner zu sein, dass er dazu beiträgt die Kommunikations- und Aushandlungsbereitschaft erheblich zu steigern. Er bringt eine pädagogisch gelenkte Streitkultur mit sich, in der sich die Betroffenen im (sozial)pädagogischen Schonraum über Normen, Werte und abweichendes Verhalten miteinander auseinandersetzen können. Diese Methode kennt man ja auch schon aus Streitschlichtverfahren, Schulparlamenten, dem Täter-Opfer-Ausgleich oder auch Redls ‚life-space-interview’ (vgl. Redl 1987: 48ff). Wie der Sozialpädagoge Gall einst über das abweichende Verhalten formulierte: „Verstehen, aber nicht einverstanden sein“ (Gall 2001a).
Hierbei kommt den Begriffen der Internalisierung und der Induktion eine besondere Bedeutung zu.
Die Internalisierung beschreibt hierbei das normativ orientierte Verhalten und ist von aktueller, situationsspezifischer externer Kontrolle relativ unabhängig. Sie steht im Gegensatz zur Anpassung, die externe Kontrolle impliziert. Das Individuum handelt also ‚gesellschaftskonform’, ohne dass es noch kontrolliert werden muss. Es hat damit zentrale Normen verinnerlicht. Bei der Induktion zeigt man verständnisvoll die negativen Folgen auf unerwünschtes Verhalten für einen Selbst und Andere auf, um somit das Repertoire an Empathie und sozial-kognitiven Fähigkeiten bei den Mehrfachauffälligen zu erweitern. Das Individuum lernt also nicht durch Verbot, sondern durch Verstehen und Einfühlungsvermögen (vgl. Weidner 2001b: 10, 39).
Die Konfrontative Pädagogik ist geprägt durch die methodischen Erfahrungen in der kognitionspsychologisch orientierten Konfrontativen Therapie Corsinis. Sie „strebt einen schlagartigen, radikalen, schnellen Erkenntnisgewinn des Menschen an“ (Weidner 2001b: 12). Die Konfrontative Therapie vertritt die Auffassung, dass man bei Menschen unter bestimmten Bedingungen einen schnellen und andauernden Persönlichkeitswandel herbeirufen kann. Die Vorbereitung auf diese Therapie-Form kann zwar einige Zeit in Anspruch nehmen, aber sie selbst wirkt sehr schnell und kann bei dem Klienten sehr starke emotionale Regungen hervorrufen (vgl. Corsini 1994: 555; vgl. a. Schanzenbächer 2003: 52).
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