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Essay, 2014
18 Seiten
1. Vorbemerkungen
2. Einleitung
3. Zur Begriffsbestimmung
4. Abgrenzung von anderen philosophischen Ansätzen
4.1. Der Ansatz von Goldmann
4.2. Der Ansatz von Nagel
4.3. Der Ansatz von Solomon
5. Das unitarische Modell
6. Der utilitaristische Ansatz
7. Emanzipation und Masturbation
7.1. Der Ansatz von Stoltenberg
7.2. Die Ansätze von Finnis, Scruton und Calhoun
8. Die Frage der Schuld
9. Zur Bewertung
10. Schluss
Literaturverzeichnis
Wenn es nur so einfach wäre, den Hunger durch Reiben des Bauches wegzufegen, wie es bei der Masturbation geschieht. (Diogenes von Sinope)
Masturbation unterliegt als philosophisches Thema auch nach der sexuellen Aufklärung einem negativen Image, das mit Angst und Strafandrohung verbunden ist. Es scheint kaum möglich zu sein, Masturbation ohne Vorurteile und negative Konnotationen zu betrachten.
„But if the horrors of the nineteenth-century medicalization oft masturbation have been overcome by enlightened views of its innocuousness, if not its usefulness, staunchly antisexual conservative philosophy is, in the late twentieth century, still very alive, and continues its tradition of condemning masturbation.”[1]
Im Gegensatz zu solchen Horrorvorstellungen über Masturbation findet sich in den klinisch-diagnostischen Leitlinien der WHO, im ICD 10, F98.8 nur eine kurze Bemerkung:
„sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Dazugehörige Begriffe:
- (exzessive) Masturbation“[2]
Als krankhaft wird nur eine exzessive Masturbation angesehen, als solche kommt sie als Krankheitssymptom gar nicht in Betracht. Eine philosophische Betrachtung der Masturbation hat quasi eine psychoedukative Funktion, indem logisch stringent dieses Phänomen abgehandelt wird und die im 19. Jahrhundert entstandenen Vorstellungen erläutert und revidiert werden. Vor allem kann eine philosophische Betrachtung die Masturbation in den öffentlichen Diskurs bringen, denn „It remains, however, the most solid taboo of our western sexual morality.“[3]
Da sich Alan Soble in seinem Aufsatz über die Masturbation vor allem an der Begriffsbestimmung abarbeitet, soll hier in kurzen Schritten eine kleine Geschichte der Masturbation nachgezeichnet werden, da auf diesem Hintergrund verständlicher wird, warum Alan Soble in seiner Begriffsbestimmung so diffizil vorgeht.
Die massive Negativbewertung der Masturbation ist nach den Studien bspw. von Philippe Brenot ein relativ neues Phänomen. Und die sexuelle Aufklärung im 20. Jahrhundert ist eng mit der „Entkriminaliserung“ der Masturbation verbunden. So schreibt Shere Hite in ihrem berühmten Bericht über das sexuelle Erleben der Frau: „Masturbation ist, in einem sehr realen Sinn eines der wichtigsten Themen, die in diesem Buch erörtert werden,…“[4]
Im Jahre 1758 veröffentlichte der Mediziner Samuel Tissot das Buch „Testamen de Morbis ex Manustupratione“. Damit begann eine Art von Inquisition und sexueller Unterdrückung,[5] die sich bis ins 20. Jahrhundert fortsetzte. Brenot interpretiert diese vehemente Ablehnung der Masturbation als Reaktion auf einen traumatischen Schock: „In reality, Tissot was only the amplifying echo of a traumatic shock – the discovery of spermatozoa…“[6] 1677 hatte Leeuwenhoek die Spermatozoen entdeckt und diese Entdeckung überforderte die Wissenschaftler und Philosophen, weil sie diese Tatsache bei der moralischen Bewertung der Sexualität mitbedenken mussten.[7]
Vor Tissots Publikation wurde die Masturbation weder von der Kirche noch von der Gesellschaft verdammt. Masturbation kam im Sprachgebrauch gar nicht vor. So erwähnt das erste „Sex-Manual“Mysteries of Conjugal Love Reveal’d von Nicolas Venette aus dem Jahre 1675 Masturbation gar nicht.[8] Und Michel Eyquem Montaigne kommt in seinen Essays Apology for Raymond Sebon aus dem Jahr 1576 im letzten Kapitel auf das öffentliche Masturbieren des Diogenes von Sinope lediglich als Hinweis auf die Relativität der moralischen Tugenden zu sprechen.[9] Das Wort Masturbation scheint von Montaigne als erster benutzt worden zu sein.[10]
Tissot wurde dann von Rousseau rezipiert, der Masturbation ablehnt, da die Menschen füreinander geschaffen seien. Rousseau sieht in Tissot den Doktor der Seele.[11]
Ein weiterer Aspekt für die negative Bewertung der Masturbation kann darin gesehen werden, dass es zu einem Missverständnis kam. Der mit Masturbation oft synonym gebrauchte Begriff der Onanie geht zurück auf Gen 38,9. In diesem Text wird jedoch nicht die Selbstbefriedigung beschrieben, sondern der coitus interruptus. Onan wurde für sein Verhalten von Gott bestraft. Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff Masturbation dann mit Onanie gleichgesetzt und moralisch negativ belegt.[12]
Die negative Bewertung der Masturbation findet sich auch noch bei Krafft-Ebing, der eine Psychopathologie der Sexualität schrieb, die 1886 erschien. Für Krafft-Ebing war Masturbation eine Störung. Erst Henry Havelock Ellis (Studies in the Psychology of Sex, 1897) sah in der Masturbation einen natürlichen Akt ohne pathologische Konsequenzen.[13]
Schließlich war es dann Sigmund Freud, der bei der Analyse der infantilen Sexualität drei Phasen der infantilen Masturbation unterscheidet. Nicht die Masturbation wird damit als Auslöser etwa für neurotische Entwicklungen beschrieben, sondern Störungen in den einzelnen Entwicklungsphasen.[14] Die Studien von Masters and Johnson in den 50ziger und 60ziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben eine tatsächliche Realität der menschlichen Sexualität aufgedeckt und vor allem aufgezeigt, dass Frauen einen Orgasmus oft durch Masturbation erreichen.[15] Trotz dieser Entwicklungen im 20. Jahrhundert lastet der Masturbation immer noch ein negatives Image an. „Masturbation, still taboo in 1996.“[16]
Im Gegensatz zu dem, was gemeinhin über Sexualität gedacht wird, dass sie nämlich intim und persönlich ist, muss mit Alain de Botton festgestellt werden:
„Obwohl die Sexualität zum Kern unserer Privatsphäre gehört, ist sie dennoch einer Reihe von Vorstellungen unterworfen, die mit starker sozialer Verbindlichkeit festlegen, was normale Menschen darüber zu denken und wie sie damit umzugehen haben.“[17]
Dies gilt auch für die persönlichst zu nennende Form der Sexualität, die Masturbation. So offensichtlich klar zu sein scheint, was mit Masturbation gemeint sein könnte, als so schwierig erweist sich eine klare Begriffsbestimmung. Alan Soble, der laut Fehige der Experte in Sachen Masturbation ist[18], zeigt auf, wie schwierig allein schon eine klare Begriffsbestimmung ist und wie widersprüchlich allgemein angenommene Vorstellungen sind. „Die Masturbation fügt sich nicht so gut in den etablierten sexualphilosophischen Begriffsrahmen ein.“[19]
Masturbation ist Sexualität, die nicht auf einen Partner bezogen ist und die ausschließlich der eigenen Lust dient.[20] Mag die sexuelle Revolution zu einer Liberalisierung geführt haben, zu einer Akzeptanz des außerehelichen Geschlechtsverkehrs und zur Toleranz von Homosexualität, „Masturbation is the black sheep oft the family of sex, (…).“[21] Alan Soble versucht, unabhängig von geschichtlichen Bezügen, die z. B. eine Ablehnung der Masturbation durch eine christliche Theologie und Verkündigung aufzeigen, Masturbation grundsätzlich zu beschreiben, sodass er feststellt: „Masturbation, […], is hated by all sides, regardless of political or metaphysical leaning, and so needs to be defended yet again, but this time against the whole field.“[22] Die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit der Masturbation wird von Soble nicht in Frage gestellt. Sein philosophisches Bemühen ist es, den Sachverhalt der Masturbation möglichst exakt zu fassen und die Ergebnisse dann als allgemeine Aussagen über die menschliche Sexualität zu definieren.
Soble grenzt den Begriff der Masturbation zunächst auf das ein, was im Deutschen Selbstbefriedigung (Ipsation) genannt wird, und gibt den Begriff der gegenseitigen Masturbation auf, um eine begriffliche Klarheit zu schaffen. Dafür setzt Soble bisherigen Vorstellungen von Masturbation folgende Gesichtspunkte entgegen: 1. Masturbation kann auch öffentlich sein. 2. Sie muss nicht zwangsläufig durch die Hand herbeigeführt werden. 3. Masturbation muss nicht auf den Orgasmus ausgerichtet sein. 4. Sie ist nicht rein genital fixiert. 5. Der Masturbierende ist der Masturbierte, Masturbation ist selbstreflexiv, (allerdings kann gegenseitige Masturbation ebenso selbstreflexiv sein).[23] Aus dem letzten Punkt ergibt sich die Schwierigkeit, genau zwischen Masturbation alleine und gegenseitiger Masturbation zu unterscheiden. Lässt eine Person sich von einer anderen Person masturbieren, kann dieser Akt rein selbstbezüglich sein und die Tätigkeit oder Anwesenheit der anderen Person ist für den Akt unwesentlich. Es lässt sich nicht exakt unterscheiden, welche Bedeutung der anderen Person bei einer gegenseitigen Masturbation zukommt. Um begrifflich klar zu bleiben, ist es daher sinnvoll, Masturbation als einen solitären Akt zu definieren.
Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob die Einführung des Glieds notwendiger Bestandteil sexueller Akte ist. Die Einführung des Glieds in die Vagina ist kein tragendes Unterscheidungskriterium, denn es gibt sowohl einzeln als auch mit anderen weitere Formen der Lustbefriedigung und Ersatzmöglichkeiten (z. B. Dildo). Zudem erweist sich eine solche Unterscheidung als phallozentrisch und typisch männliche Sicht. Ferner wäre ein solcher Ansatz allein auf Fortpflanzung fokussiert und widerspräche durch die unterschiedlichen Praktiken der These, dass Masturbation ein einsames Tun ist.
[...]
[1] Soble, 92
[2] WHO, 323
[3] Brenot, 73, zur gleichen Einschätzung kommt auch Soble, s. Soble, 60
[4] Hite, 40
[5] s. Brenot, 10
[6] aaO., 11
[7] s. aaO., 12
[8] s. ebd., 12
[9] s. dazu aaO.,13
[10] s, aaO., 14
[11] s. dazu aaO., 21.22
[12] s. dazu aaO., 26
[13] s. dazu, Brenot, 46
[14] s. Freud, 87-95
[15] s. dazu Brenot, 75
[16] Soble, 60
[17] Botton, 9
[18] s. Fehige, 133
[19] aaO., 135
[20] s. Soble, 60
[21] ebd.
[22] aaO., X
[23] s. aaO., 61.62
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