Hartmann von Aue hat ca. 1190 mit seinem ‚Erec‘ den ersten deutschen Artusroman und damit auch eine der ersten idealen Frauenfiguren geschaffen. Enite ist vor allem eines: schön. Ob diese Schönheit der höfischen Norm entspricht, oder ob sie anderweltlich beziehungsweise feenhaft ist, wird in dieser Arbeit problematisiert.
Die Forschung hat sich nur am Rande mit der Schönheit arthurischer Frauenfiguren beschäftigt. Der Fokus liegt meist mehr auf den heldenhaften Rittern, ihrer aventiure und der damit verbundenen Figurenentwicklung.
In einigen Arbeiten gibt es Überlegungen zur höfischen Schönheit und ihrer Darstellung und Wirkung. Das sind zum Teil Untersuchungen der Körperlichkeit und Ästhetik, zum Teil aber auch Figurenanalysen oder Erzählstrukturbeobachtungen. Andere Ansätze betrachten die Figur der Fee als weibliche Schönheit aus einer anderen Welt im Artusroman näher, auch mit historischem Blick auf irische und keltische Mythologie. Stuft man die Fee als mögliche Partnerin einer Mahrtenehe ein, steht Forschungsliteratur zu dieser besonderen Partnerschaft zur Verfügung.
Die Arbeit stellt heraus, woran man Enites Schönheit festmachen kann, aber auch wie diese auf den restlichen Hof wirkt. Enites Genealogie und ihre Verbindung zu dem Wunderpferd aus Zwergenhand lassen eine anderweltliche Seite aufzeigen. Diese Seite bringt Enite mit der Figur der Fee in Verbindung, die eindeutig eine anderweltliche Figur darstellt. Enites Pferd und Satteldecke geben als Anspielung auf Dido und Lavinia weiteren Anlass, Enites Anderweltlichkeit zu prüfen.
Inhalt
1. Einleitung: Schönheit über alle Maßen
2. Die Schönheit der höfischen Dame
2.1 Enites Schönheit und die Einkleidung
2.2 Enite und ihre Pferde: In Schönheit vereint
3. Was bewirkt die Schönheit der höfischen Dame?
3.1 Wie wirkt Enites Schönheit im Besonderen?
3.2 Enites Schönheit als Indiz für ihre Feenhaftigkeit
4. Enites Pferd und Satteldecke als Anspielung auf Dido und Lavinia
5. Fazit: Enite als schöne Grenzfigur
6. Literaturverzeichnis
A Quellen
B Darstellungen
1. Einleitung: Schönheit über alle Maßen
Hartmann von Aue hat ca. 1190 mit seinem ‚Erec‘ den ersten deutschen Artusroman und damit auch eine der ersten idealen Frauenfiguren geschaffen. Enite ist vor allem eines: schön. Ob diese Schönheit der höfischen Norm entspricht, oder ob sie ander weltlich beziehungsweise feenhaft ist, wird in dieser Arbeit problematisiert.
Die Forschung hat sich nur am Rande mit der Schönheit arthurischer Frauenfiguren beschäftigt. Der Fokus liegt meist mehr auf den heldenhaften Rittern, ihrer aventiure und der damit verbundenen Figurenentwicklung.
In einigen Arbeiten gibt es Überlegungen zur höfischen Schönheit und ihrer Dar stellung und Wirkung. Das sind zum Teil Untersuchungen der Körperlichkeit und Ästhetik, zum Teil aber auch Figurenanalysen oder Erzählstrukturbeobachtungen. Andere Ansätze betrachten die Figur der Fee als weibliche Schönheit aus einer an deren Welt im Artusroman näher, auch mit historischem Blick auf irische und kel tische Mythologie. Stuft man die Fee als mögliche Partnerin einer Mahrtenehe ein, steht Forschungsliteratur zu dieser besonderen Partnerschaft zur Verfügung.
Zunächst wird die höfische Norm für die Schönheit einer Dame dargestellt.
2. Die Schönheit der höfischen Dame
Anna Köhn hat bereits 1930 ihre Dissertation dem Schönheitsideal in der ritterlichen Dichtung gewidmet, worauf im Folgenden Bezug genommen wird.1
ÅSie sind alle blond und helllugig, licht und rosig, alle von vollkommener Schönheit, denn jede stellt dasselbe Idealbild der höfischen Frau dar, und das Lob ihrer Schönheit ist eine Huldigung, die dem ganzen Geschlecht dargebracht wird.“2
Köhn fasst zu Beginn ihrer Dissertation treffend zusammen, was die Schönheit der höfischen Dame in der ritterlichen Dichtung ausmacht. Die höfische Frau entspricht einem Idealbild, das in der Literatur anhand der Beschreibung einzelner Körperteile wie den Augen, dem Mund und der Haut veranschaulicht wird.3 Oft werden nur einige Zeilen für die Andeutung der weiblichen Schönheit verwendet, um das Ideal bild beim Leser hervorzurufen.4 Die Farbe der Haut ist Ålilienweiß“ oder Åwie ein Schwan“5 ; der Mund ist År|ter als eine Rose“6. Neben Beschreibungen der Farbe gibt es auch Ausdrücke für die sch|ne Form wie Åwolgestalt“.7
Auch Corinna Laude hat sich mit den ästhetischen Normen in der höfischen Epik beschlftigt. Sie hllt die Ådescriptiones“ schöner Figuren für die Bemühung, die Schönheit als höfische Existenznorm zu etablieren.8 Sie geht allerdings über die körperliche Schönheit hinaus und stellt die Kopplung von Körperschönheit und ethischer Vollkommenheit fest. Wer also in der höfischen Epik äußerlich schön ist, ist moralisch gut und tugendhaft.9
Dieses Idealbild, das zuweilen als ÅWunschbild“ und ÅWunder“10 bezeichnet wird, stellt im höfischen Roman einerseits eine Norm dar; wirft andererseits jedoch die Frage auf, ob diese übernatürlich schönen Frauen nicht auch übernatürliche Wesen haben. Womit sie nicht mehr der höfischen Welt inhärent wären, sondern Grenz figuren.
2.1 Enites Schönheit und die Einkleidung
Köhn zieht unter anderem auch Hartmann von Aue mit seiner Beschreibung von Enite als Beispiel für die direkte und knappe Beschreibung weiblicher Schönheit heran.11 Somit ist Enite nach Köhn eine typische höfische Schönheit, die als frühes Beispiel der höfischen Epik Maßstäbe setzt. Doch Enites Schönheit ist nicht immer gleich, sondern verändert sich mit der Handlung.
Erec und der Leser begegnen Enite das erste Mal auf dem Gut ihres unverschuldet verarmten Vaters Koralus. Dort trägt sie verschmutzte, zerrissene Kleidung, unter der ihr schwanenweißer Körper hindurch schimmert: Ådar under was ir hemde sal/ und ouch zebrochen eteswâ:/ sô schein diu lîch dâ/ durch wîz alsam ein swan.“12
Köhn beschreibt Hartmanns Vorgehen hier als Åneue Art des Sehens“ und als Åeinen Eindruck, eins auf das andere bezogen und jedes durch seine Wirkung des anderen besonders hervorgehoben.“13 Die schlechte, unansehnliche Kleidung und die strah lend schöne Enite stehen in starkem Kontrast zueinander und bekräftigen deshalb gegenseitig ihre Schönheit beziehungsweise Hässlichkeit. Enites Körper wird hier als ideal erkannt, während ihre Kleidung noch nicht dem höfischen Ideal entspricht. Später am Artushof Karadigan kleidet die Königin Enite ihrer Schönheit und ihres Standes gebührend ein. Jetzt passt ihre Kleidung zu ihrem Körper und wird der höfischen Norm gerecht. Trotzdem ist ihre Haut noch immer glanzvoller als die kostbaren Stoffe, die sie nun kleiden: Ådoch überwant im sînen schîn/ diu maget vil begarwe/ mit ir liehten varwe.“14
Enites Schönheit wird mehrfach als unübertrefflich beschrieben. Zunächst wird sie beschrieben als das schönste Mädchen, von dem man je gehört hat15, das man je gesehen hat16 und sogar welches je an den Artushof gekommen ist17. Weiter wird sie beschrieben als die schönste Frau, die zu der Zeit lebt18 und als Inbegriff der Voll kommenheit.19
2.2 Enite und ihre Pferde: In Schönheit vereint
Die Forschung thematisiert hauptsächlich Enites Aufgabe des Pferdeknechts als fragwürdige Frauenrolle.20 Doch die lange Beschreibung der Vollkommenheit des Wunderpferdes aus Zwergenhand, die Enites Schönheit durch ihre Einheit mit dem Pferd perfektioniert, wird bisher vernachlässigt.
Das erste Pferd erhält Enite als Geschenk von einer Cousine, die bei Herzog Imain wohnt. Es wird in 30 Versen als schönes Pferd mit sanftem, für Damen geeignetem Passgang beschrieben.21 Die descriptio beginnt hier mit den Worten Åund wizzet wol daz vordes nie/ in der werlde dehein man/ schoener phert mê gewan.“22 Diese Verse sind Enites Beschreibung aus Sicht von König Guivreiz sehr ähnlich: Ådaz aller schoeniste wîp/ der ich ie künde gewan“.23 Hier wird durch die gemeinsame Schön heit und die Art der Beschreibung eine starke Verbindung des Pferds mit Enite erzeugt. Die Schönheit beider bekräftigt sich gegenseitig, was auch der These von
Irmgard Gephart entspricht, die besagt, dass sich auf den Pferden die Eigenschaften ihrer Besitzer abbilden.24
Noch stärker wirkt dieser Effekt beim zweiten Pferd, das Enite von Guivreiz´ Schwestern geschenkt bekommt. Hier heißt es auch über das Pferd: Ådaz doch nie dehein man/ dehein schoenerz gewan“.25 Mit diesen Worten beginnt die Beschrei bung des Wunderpferdes, das weder in Schönheit noch in Vollkommenheit von Sattel und Sattelzeug zu übertreffen ist. Dies wird in einer descriptio von gut 500 Versen - und damit des zehnfachen von Chrestien de Troyes Versen - samt Her kunft des Pferdes ausgeführt.26 Somit ist die einzige Beschreibung Hartmanns, die die von Enite in Ausführlichkeit übertrifft, ist die ihres Wunderpferdes. Schönheit und Vollkommenheit von Pferd und Reiterin übertreffen sich gegenseitig.
3. Was bewirkt die Schönheit der höfischen Dame?
Grundsätzlich versteht die frühmittelhochdeutsche Dichtung die Schönheit der Frau als Ålußere Entsprechung inneren Tugenden“27. Der Humanismus zeichnet dem ethisch reinen Menschen nach dem Vervollkommnungsgedanken einen schönen Körper.28
Die höfische Dame hat nur wenige Aufgaben. Als erstes muss sie ihrem Herrn Gehorsam zeigen und unterwürfig sein.29 Den Ehemann betreffend gehört hierzu auch das Gebären von Kindern30 und im Besonderen von Ånötigen mlnnlichen Nachkommen“.31
Als zweites soll sie den Hof erfreuen. Dazu gehört das Hervorbringen eines Thronfolgers, aber auch die Unterhaltung durch Ihre Schönheit. Dies geschieht auf Festen, wenn die Ritter Åzum Zeitvertreib frouwen schouwen“.32
[...]
1 Köhn: Das weibliche Schönheitsideal.
2 Ebd., S. 3.
3 Vgl. ebd., S.97-103.
4 Vgl. ebd., S. 32.
5 Ebd., S. 97.
6 Ebd., S. 101.
7 Ebd., S. 99.
8 Laude: Überlegungen zur Etablierung ästhetischer Normen, S. 81f.
9 Vgl. ebd. S. 80f.
10 Köhn: Das weibliche Schönheitsideal., S. 4.
11 Vgl. ebd., S.3; S.32f.
12 Hartmann von Aue: Erec, S.20.
13 Köhn: Das weibliche Schönheitsideal, S.33.
14 Hartmann von Aue: Erec, V. 1563-1565; V. 3620-3622; V. 4090f.
15 Vgl ebd. V. 310f ; V. 4333f.
16 Vgl ebd. V. 1256-1259; V. 6164f; V. 8071-8075.
17 Vgl. ebd. V. 1607-1610.
18 Vgl ebd. V.7764-7766.
19 Vgl. ebd. V.8935f.
20 Dies behandelt neben anderen Manuela Niesner in ihrer Arbeit Å‘Schiltkneht‘ Enite“.
21 Vgl. Hartmann von Aue: Erec, V. 1423-1453.
22 Ebd. V. 1423-1425.
23 Ebd. V. 4333f.
24 Vgl. Gephart: Enite und die Pferde, S. 367.
25 Hartmann von Aue: Erec, V. 7278f.
26 Vgl. Niesner: Schiltkneht Enite, S. 18.
27 Smits: Enite als christliche Ehefrau, S. 22f.
28 Vgl. Haage: Enite im Carnotensischen Kosmos, S. 42f.
29 Das betrifft zuerst den Vater, dann den Ehemann. Vgl. Smits: Enite als christliche Ehefrau, S.19 .
30 Vgl. ebd. , S.18.
31 Brunner: Die Rolle der Frau des Helden, S. 55.
32 Schnell: Gender und Gesellschaft, S. 325.