Laut der Bestandserhebung 2011 des Deutschen Olympischen Sportbundes betrieben im Jahr 2010 ca. 9,5 Mio. von 41 Mio. in Deutschland lebenden Mädchen und Frauen Sport in deutschen Vereinen. In dieser Erhebung nicht enthalten sind Sportlerinnen, die außerhalb von Vereinen ihren Sport praktizieren. Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie (Spezial-Eurobarometer 334 - eine Soziodemographische Analyse) zeigt hierzu weiterhin auf, dass 63% der befragten Frauen aus gesundheitlichen Gründen Sport treiben. Außerdem treiben Frauen im Alter von 15-39 Jahren vermehrt Sport, um ihr körperliches Erscheinungsbild zu verbessern, bzw. um ihr Gewicht zu kontrollieren. Andererseits geben auch viele Frauen an, dass sie den Sport aufsuchen, um sich zu entspannen. Während der Anteil der sporttreibenden Frauen bis in die heutige Gegenwart stetig ansteigt, stellten sie nach dem zweiten Weltkrieg noch eine kleine Minderheit von ca. 10% der Sportaktiven dar. Eine Teilnahme an den ersten olympischen Spielen 1896 in Athen war den Frauen sogar untersagt und der einstige Initiator der olympischen Spiele der Neuzeit, Pierre de Coubertin, duldete das weibliche Geschlecht lediglich als Zuschauer und Bejubler der männlichen Leistungen. Nach ersten Einsprüchen des IOC gegenüber Coubertin, durften sich 1900 erstmals 11 Frauen im Tennis und Golf bei Olympia messen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Sachanalyse
2.1 Was unterscheidet Frau und Mann?
2.2 Konstitutionelle Unterschiede
2.3 Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Unterschiede auf die sportliche Leistungsfähigkeit der Frau:
2.3.1 Leistungsfähigkeit Kraft:
2.3.2 Leistungsfähigkeit Schnelligkeit:
2.3.3 Leistungsfähigkeit Ausdauer:
2.3.4 Leistungsfähigkeit Beweglichkeit und Gelenkigkeit
2.3.5 Leistungsfähigkeit Koordination
2.4 Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter:
2.4.1 Herz-Kreislaufsystem und Atmung
2.4.2 Grenzen der Thermoregulation und des Stoffwechsels
2.4.3 Dehnfähigkeit
2.4.4 Koordination
2.5 Menstruation und Schwangerschaft.
2.5.1 Menstruation
2.5.2 Einsetzen der ersten Regelblutung (Menarche)
2.5.3 Sport und Menstruation
2.5.4 Schwangerschaft
2.5.5 Sport nach der Geburt
2.5.6 Sport in der Menopause bzw. Klimakterium
2.7 Erkrankungen, Knochengesundheit und Osteoporose
3. Zusammenfassung
4. Literaturverzeichnis:
5. Abbildungsnachweise:
1. Einleitung
Laut der Bestandserhebung 2011 des Deutschen Olympischen Sportbundes betrieben im Jahr 2010 ca. 9,5 Mio. von 41 Mio. in Deutschland lebenden Mädchen und Frauen Sport in deutschen Vereinen (vgl. DOSB 2011, S.3). In dieser Erhebung nicht enthalten sind Sportlerinnen, die außerhalb von Vereinen ihren Sport praktizieren. Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie (Spezial-Eurobarometer 334 – eine Soziodemographische Analyse) zeigt hierzu weiterhin auf, dass 63% der befragten Frauen aus gesundheitlichen Gründen Sport treiben. Außerdem treiben Frauen im Alter von 15-39 Jahren vermehrt Sport, um ihr körperliches Erscheinungsbild zu verbessern, bzw. um ihr Gewicht zu kontrollieren. Andererseits geben auch viele Frauen an, dass sie den Sport aufsuchen, um sich zu entspannen (Eurobarometer 72.3, S.40).
Während der Anteil der sporttreibenden Frauen bis in die heutige Gegenwart stetig ansteigt, stellten sie nach dem zweiten Weltkrieg noch eine kleine Minderheit von ca. 10% der Sportaktiven dar (Pfister, 1999, S.16). Eine Teilnahme an den ersten olympischen Spielen 1896 in Athen war den Frauen sogar untersagt und der einstige Initiator der olympischen Spiele der Neuzeit, Pierre de Coubertin, duldete das weibliche Geschlecht lediglich als Zuschauer und Bejubler der männlichen Leistungen (Shakhlina, 2010, S.113). Nach ersten Einsprüchen des IOC gegenüber Coubertin, durften sich 1900 erstmals 11 Frauen im Tennis und Golf bei Olympia messen. Zwischen 1924 und 1936 durften Frauen nur in vier Sportarten (Schwimmen, Fechten, Leichtathletik und Gymnastik) antreten. Seit dem gibt es eine stetige Entwicklung der aufgenommenen Sportarten und Anzahl an Teilnehmerinnen (Shakhlina, 2010, S.113). Nicht nur zu guter letzt bedingt durch die Durchführung von olympischen Sommer- und Winterspielen. An den Sommerspielen in Moskau im Jahr 1980 waren von den 5259 Gesamtteilnehmern 21,4% (1123) weiblich (sports-reference/Olympia/1980). Im Gegensatz dazu waren 32 Jahre später bei den diesjährigen olympischen Sommerspielen 2012 in London 4662 Frauen unter den 10528 Athleten, welches immerhin einen Anteil von 44,3% entspricht (sports-reference/Olympia/2012). In nahezu allen olympischen Sportarten dürfen nun Frauen an den Start gehen. Auch das steigende Engagement von Frauen im Spitzensport hat das Interesse der Sportwissenschaft sowie der Sportmedizin geweckt. Sicherlich stand in den 20er Jahren dabei die Frage der Eignung und möglicher körperlichen Schäden bei der Ausübung von Hochleistungssport im Mittelpunkt (vgl. Pfister 1999, S.17). Erst in den jüngeren Jahren gab es in der Sportmedizin einen Perspektivwechsel, dass Frauen zunehmend nicht mehr an der Bezugsgröße Mann gemessen werden. Stattdessen beschäftigt man sich mehr mit Fragen nach Ursachen und Bedingungen von Leistungen und Leistungssteigerungen der Frauen in ihren Sportdisziplinen.
2. Sachanalyse
2.1 Was unterscheidet Frau und Mann?
Grundsätzlich unterscheiden sich Frauen und Männer nicht nur aufgrund von primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen, sondern unterliegen auch Differenzen im Bereich Anatomie, Physiologie und Psychologie.
2.2 Konstitutionelle Unterschiede
Schon bei der Geburt gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede, so sind Jungen im Durchschnitt bei der Geburt 1,4% größer und 3,8% schwerer als Mädchen. Jedoch im Entwicklungsprozess sind Mädchen bereits hier etwa 2 Wochen im Voraus und erreichen im Schnitt 2 Jahre früher die Pubertät (Wolf, 2010, S.240).
Betrachtet man die Abbildung 1 kann man eindeutige charakteristische Unterschiede im Körperbau von Frau und Mann erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Konstitutionelle Unterschiede von Mann und Frau (Weineck, 2002, S.458)
Nach den Forschungsergebnissen einer Studie zu internationalen anthropometrischen Daten von 1998 der menschlichen Spezies, kamen die Untersuchenden zu dem Ergebnis, dass europäische Frauen im Schnitt 10 cm kleiner als Männer (Jürgens/Mattdorff/Windberg, 1998, S.2) sind.
Neumann und Buhl ergänzen hierzu, dass Frauen nicht nur 10-15 cm kleiner, sondern auch im Schnitt dadurch 10-20 kg leichter als Männer sind (Neumann/Buhl, 1981, S.155). Aufgrund schnellerer Skelettreifung mit „leichteren“ Knochen (Weineck, 2002, S.457-458) besitzen Frauen zusätzlich eine geringere Muskelmasse und weisen einen höheren Anteil an Fettgewebe auf (Jürgens/Mattdorff/Windberg, 1998, S.2).
Neben der Skelettreifung gibt es auch Unterschiede im Skelettbau. Hier existieren Proportionsunterschiede von Frauen und Männer in Bezug auf Rumpf und Extremitäten (Jürgens/Mattdorff/Windberg, 1998, S.2). Weineck schreibt hierzu, dass der Körperbau der Frau rumpfbetonter ist, der des Mannes hingegen Extremitäten-betont, d.h. Frauen besitzen im Verhältnis zur Körpergröße kürzere Arm- bzw. Beinlängen als Männer (siehe Abb. 1). Prozentual zur Körperlänge gesehen beträgt die Rumpflänge der Frau 38%, die des Mannes entspricht 36%. Dadurch liegt der Körperschwerpunkt der Frau folglich tiefer, was sich bei Leistungen in den Lauf- und Sprungsportarten nachteilig zeigt.
Betrachtet man erneut die Abb. 1, so lässt sich erkennen, dass der weibliche Oberkörper im Gesamtbild schmäler wirkt, obwohl das Verhältnis zwischen Brustkorb und Schultern gleich ist. Der muskulär schwächer ausgebildete Schultergürtel und der kleinere Brustkorb lässt die Frauengestalt im Verhältnis zum Mann zierlicher erscheinen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Gestalltsunterschiede zwischen männlichen (a,b) und weiblichen (c,d) Becken (Weineck, 2002, S.459)
Bei der Betrachtung der Abbildung 2 ist außerdem gut zu erkennen, dass die fortpflanzungsbedingten Aufgaben (Schwangerschaft, Geburt) das Becken der Frau deutlich breiter (Jürgens/Mattdorff/Windberg, 1998, S.2) und niedriger (ASVÖ, 2006, S.32) formen lassen. Man spricht hier auch von einer gynoiden Beckenform. Die häufig vorkommende weibliche Beckenform hat breite ausladende Beckenschaufeln, einen größeren Winkel (125° zu 70°) zwischen den Schambeinästen und einen größeren Beckenquerdurchmesser (Wolf, 2010, S.240).
Bedingt durch den schmächtigeren Schultergürtel und der breiteren Hüfte ist die Differenz zwischen Schulter- und Hüftbreite im Schnitt 3 cm, bei den Männern indessen etwa 15 cm. Dadurch ist das Verhältnis von Schulter und Hüfte bei Frauen kleiner (vgl. Weineck, 2002, S. 458).
Weitere Unterscheidungsmerkmale finden sich auch in den Gelenk- und Knochenformen (Abb. 3). So ermöglicht das Ellbogengelenk bei der Frau eine x-förmige Winkelstellung des Oberarms zum Unterarm (Armwinkel bei völlig gestrecktem und supiniertem Unterarm: 154° (♀) zu 178° (♂)). Diese Überstreckbarkeit unterstützt zwar eine größere Beweglichkeit, was bei Ausdrucksportarten wie z.B. Gymnastik, Turnen und Tanz von Vorteil ist, beeinträchtigt jedoch das Leistungsvermögen bei Stütz-, Wurf- und Stoßdisziplinen.
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Abb. 3: Bei Mann und Frau auftretenden Extremwerte des Armwinkels bei völlige gestrecktem und supinierten Unterarm: 154° (♀) zu 178° (♂) (Weineck, 2002, S.459)
Betrachtet man nun Schulter- und Beckenbreite sowie die X-Stellung der Arme, so wird auch deutlich, dass Frauen besonders bei Stützübungen am Parallelbarren benachteiligt sind. Durch die Hüftbreite erforderliche Weitenstellung der Holme, die geringere Schulterbreite und die zusätzliche X-Stellung der Arme erschweren den Stütz und erfordern von der Frau größere Kraftanstrengungen. Wohl deshalb turnen die Frauen am Stufenbarren (vgl. Weineck, 2002, S.459).
Auch die Gestaltsunterschiede in der Beckenform können Auswirkungen auf die Körperhaltung haben. Die breiteren Beckenschaufeln sind niedriger und weniger steil gestellt als beim Mann und lassen das Becken der Frau nach vorne kippen. Dies bewirkt ein stärkeres Schrägstellen des Oberschenkelknochens, ein etwas nach innen gedrehter Oberschenkel und letztendlich ein nach innen knickender Fuß (Pronation). So kann dies kompensatorisch zur Ausbildung einer X-Beinstellung und zu einem Absenken des Körperschwerpunktes führen (vgl. ASVÖ, 2006, S.71-72). Nach Weineck bewirkt dies eine Benachteiligung in den Sprung- und Laufdisziplinen, welches auch in den bisher erbrachten Leistungen ersichtlich ist (vgl. Weineck, 2002, S.458).
Diese Überstreckung in den Gelenken erhöht aber auch das Risiko für Verletzungen und Überlastungsprobleme (vgl. ASVÖ, 2006, S.33, 71-75; Weineck, 2002, S.459-460). Auffällig ist nach Dickhuth der hohe Anteil an Knieverletzungen bei Frauen. Zum Beispiel geht aus einer amerikanischen Untersuchung in mehr als 20 Sportarten zur Verletzungshäufigkeit von Frauen und Männern hervor, dass Frauen gegenüber Männern eine zwischen 2- bis 5-fach erhöhte Rate an Sehnen- und Bandverletzungen zu erkranken aufweisen. Als Ursache sehen amerikanische Ärzte eine im Vergleich zu Männern unterschiedliche Bewegungsregulation und -ausführung (Dickhuth, 2007, S.596-597).
Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es auch im Anteil von Fettgewebe und Muskulatur sowie in der Verteilung und Speicherung des Fettgewebes.
Im Durchschnitt beträgt bei normalgewichtigen jungen Frauen der Anteil von Fettgewebe 20-35% des Körpergewichts, bei Männern hingegen sind es 8-22%. Somit besitzen Frauen im Durchschnitt 1,75-mal mehr Fettmasse als der Mann. Die Fettdepots der Frau sind vorwiegend im Unterhautfettgewebe und bei Frauen im Erwachsenenalter an hormonell angesteuerten Speicherorten wie Gesäß, Hüfte, Brust, Bauch, Oberschenkelaußen- und -unterseite (siehe Abb. 4; ASVÖ, S.34 (vgl. ASVÖ, 2006, S.33-34; Weineck, 2002, S.460; Wolf, 2010, S.241, Dickhuth, 2007, S.583-584)).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Physiologische Fettdepots die bei der Frau hormonell angesteuert werden; ASVÖ (2006), S.34.
Das folglich geringere spezifische Körpergewicht kann sich dennoch günstig für manche Sportarten auswirken. So vermutet man, dass es im Gegensatz zu anderen Sportarten zum Beispiel beim Schwimmen tendenziell zu einem besseren Abschneiden der Frauen kommt und die geringeren Leistungsunterschiede zu den Männern dadurch erklärt werden können (vgl. Weineck, 2002, S.460).
Im Verhältnis zur Körpermasse verfügt die Frau relativ und auch absolut über weniger Muskelmasse als der Mann (Weineck, 2002, S.460), während es in der Kindheit von Mädchen und Jungen keinen großartigen Unterschied gibt und im Schnitt 27% beträgt. Betrachtet man die nachfolgende Tabelle 1, so lässt sich erkennen, dass sich erst durch die vermehrte Produktion des männlichen Hormons Testosteron in der Pubertät das Verhältnis ändert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Veränderung des Testosteronspiegels (ng/100ml) im Kindes – und Jugendalter (Weineck, 2002, S.462)
Durch die vermehrte Testosteronproduktion steigt der Muskelanteil durch Hypertrophie und Vermehrung von Muskelfasern in der Pubertät in Relation zum Gesamtgewicht der Jungen deutlich an. Eine vermehrte Kraftentwicklung ist nun möglich. Dahingegen macht der Muskelanteil bei erwachsenen Frauen durch die geringere Testosteronproduktion 20-35% des Gesamtgewicht aus, während er beim Mann 40-50% beträgt (vgl. Weineck, 2002, S.460; ASVÖ, 2006, S.40,63-64; Wolf, 2010, S.241-242).
Jedoch findet man in der Verteilung der Muskelfasertypen (ST-Fasern, FT-Fasern), in der inter- und intramuskulären Koordination und sowie im Ansprechverhalten der Muskelfasern auf Reize keine geschlechtsspezifischen Unterschiede (vgl. Weineck, 2002, S.460; ASVÖ, 2006, S.40). Dies wird vielmehr wie beim Mann genspezifisch beeinflusst (vgl. Dickhuth, 2007, S.584).
2.3 Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Unterschiede auf die sportliche Leistungsfähigkeit der Frau:
Die Entwicklung des Frauensports ist anders verlaufen als die des Männersports (Dickhuth et al. 2007, S.581). Allerdings ist anzumerken, dass es wesentlich mehr Studien und Untersuchungen zur sportmotorischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen bzw. von Männern als von Frauen gibt. Das ist wohl vor allem dadurch bedingt, dass uns Gesundheit und Wohl unserer Kinder am Herzen liegen. Andererseits nehmen mehr Männer und schon länger an Wettkämpfen teil als Frauen. Außerdem konzentrierten sich die Untersuchungen zu Frauen im Sport zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allen Dingen auf die Schädigungen am weiblichen Körper durch die ausgeführten Sportarten sowie den Nutzen des generellen Sporttreibens, ohne dabei Gesundheitsrisiken in Kauf nehmen zu müssen (vgl. Pfister 1999, S.17, ASVÖ, 2006, S.22-23).
Auswirkungen auf die sportliche Leistungsfähigkeit der Frau sind geschlechtlich durch Unterschiede im Körperbau und Organfunktion bedingt (siehe oben) und beinhalten Beeinträchtigungen in den fünf Grundeigenschaften der Leistungsfähigkeit: Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit und koordinative Fähigkeiten.
2.3.1 Leistungsfähigkeit Kraft:
Nach der Definition dient die Kraft der Überwindung von Widerständen oder diese durch Muskelkraft entgegenzuwirken (Pauls, 2011, S.11). Die Muskelzelle, bzw. die Muskulatur an sich, ist die menschliche Kraftzelle und somit ein Faktor für die Kraftleistungsfähigkeit. Wie schon in Kapitel 2.2 erwähnt, gibt es generell keine strukturellen Unterschiede im Muskulaturaufbau. Weder die Verteilung der Muskelfasertypen (ST-Fasern, FT-Fasern), noch die inter- und intramuskuläre Koordination oder das Ansprechverhalten der Muskelfasern auf Reize unterscheiden sich (vgl. Weineck, 2002, S.460; ASVÖ, 2006, S.40). Auch gibt es keine eindeutigen Unterschiede, ob ein weiblicher Muskel anders als ein männlicher kontrahiert. Wird ein weiblicher Muskel elektrisch stimuliert, produziert er eine Kraft von 6kp/cm². Dies entspricht der gleichen Kraft pro cm² seines Querschnitts wie beim Muskel eines Mannes (vgl. ASVÖ 2006, S.23). Dennoch besitzen Frauen um etwa 1/3 weniger Maximalkraft als Männer, was wiederum an der geringeren Muskelmasse von 20-35% bezogen zum Körpergewicht liegt (Mann 40-50%).
Es existieren außerdem geschlechtsspezifische Kraftunterschiede im Bezug auf Körperregion von Mann und Frau. So gibt es zum Beispiel Kraftdifferenzen zwischen Oberkörper und Schultergürtel. Diese Körperregion ist tendenziell stärker beim Mann entwickelt. Auch die Kraft der Unterarmmuskulatur ist um 46% geringer als die des Mannes. Dahingegen ist die Kaumuskulatur nur um 22% reduziert (Wolf, 2010, S.241). Genauso sind die Unterschiede in der Kraftproduktion der Beine geringer (ASVÖ, 2006, S.42). Hier wird vermutet, dass für die „Alltagsmuskulatur“ und für das tägliche Leben stärker belasteter Muskelgruppen keine großartigen geschlechtsspezifischen Unterschiede vorliegen (vgl. Weineck, 2002, S.460-461). Auch der Muskelquerschnitt, ebenfalls ein Indikator für die Muskelkraft, kann beim Mann bis zu 20% größer sein.
Aufgrund dieser Unterschiede inklusive höherer Muskelquerschnitt, hohe Konzentrationen an Testosteron, besserer Trainings- und Belastungszustand der Muskulatur sowie geringerer Körperfettanteil bei Männern, ergeben sich für die Frau erhebliche Differenzen in der Kraftentwicklung und dadurch bedingt ungünstigere Last-Kraft-Relationen (Wolf, 2010, S.241).
Auf diese zuvor erwähnten Unterschiede sollten beim Training Rücksicht genommen werden, da auch hier Differenzen in der Trainierbarkeit vorliegen.
Vergleicht man den Zusammenhang von Geschlecht und Trainierbarkeit der Kraftfähigkeiten, so kann man feststellen, dass Frauen zwar gleich gut ihre Kraftfähigkeiten in Relation zu ihren Ausgangswerten trainieren können (ASVÖ, 2006, S.64). Betrachtet man hingegen die absoluten, so sind diese immer geringer! Männer sprechen aufgrund des Testosterons besser auf Krafttrainingsreize an als Frauen, obwohl sie das gleiche Krafttraining praktizieren. Bei gleichem Krafttraining ist der Kraftzuwachs bei Männern größer (vgl. ASVÖ 2006, S.23). Wolf sieht in der Wirkung des Testosterons die Ursache der zum Teil deutlichen Mann-Frau-Unterschiede (Wolf, 2010, S.242). Aus Untersuchungen von Fahey et al. und Sutton et al. geht zudem hervor, dass die Besttrainierten und Leistungsstärksten (weiblich und männlich) auch die höchsten Testosteronspiegel hatten und dass nach einem Leistungsanstieg auch ein Anstieg des Testosteronspiegels folgt. Durch Training kann man somit den endogenen Testosteronspiegel verändern und dies für einen positiven Trainingseffekt für die Kraftproduktion ansehen und größere Leistungen erzielen (Weineck, 2002, S.463).
2.3.2 Leistungsfähigkeit Schnelligkeit:
Unter der Schnelligkeit wird die Fähigkeit verstanden, zyklische und azyklische Bewegungen unter verschiedenen Bedingungen mit größtmöglicher Geschwindigkeit durchzuführen (Weineck, 2004, S.609). Frauen und Männer zeigen bei Schnelligkeitsanforderungen, die unabhängig von der Muskelkraft sind, vergleichbare Leistungen. So sind die Unterschiede in der Reaktionszeit und der Bewegungsfrequenz deutlich geringer, als in den Schnelligkeitsanforderungen, die von der Kraft beeinflusst werden. Eine Erklärung ist, dass die Nervenleitgeschwindigkeiten beider Geschlechter gleich sind (vgl. ASVÖ, 2006, S.64-65; Tomasits, 2011, S.171).
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