Der Eintritt in die Schule stellt für Kinder und ihre Eltern einen wichtigen Schritt dar. Die Vorstellung aber, dass die Schulanfänger beim Schulstart „eine homogene Altersgruppe mit gleichen Startbedingungen bilden“ ist längst keine Realität mehr. Heterogenität, differenzierter Unterricht, aber auch Inklusion - dies alles sind Begriffe, an denen kein Lehrer vorbeikommt. Aus schulpädagogischer Sicht ist es von immenser Bedeutung, sich mit diesem Thema zu befassen. Die Klassengemeinschaft kann sich zusammensetzen aus Jungen und Mädchen deutscher und nichtdeutscher Herkunft, Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, aber auch mit besonderen Begabungen. Die Kinder können aus verschiedenen gesellschaftlichen Milieus kommen und bringen unterschiedliche familiäre Lebensbedingungen mit. Eine Schulklasse wird demnach von Heterogenität geprägt. Ziel muss sein, allen Schülerinnen und Schülern mit ihren Besonderheiten und Bedürfnissen gerecht zu werden und sie bestmöglich zu begleiten und zu fördern.
Um sich auf die individuellen Lernausgangslagen der Schulanfänger einzustellen, gibt es immer mehr Verfahren und Tests, die versprechen darüber Aufschluss zu geben. Mit einem dieser Verfahren, der „StartBox“, werde ich mich in dieser Hausarbeit kritisch auseinandersetzen. Diese soll laut Kartonaufschrift, eine „Diagnostik zur Lernausgangslage von der Anmeldung bis zum Schulbeginn“ ermöglichen. Ziel wird sein, das Verfahren und die Ergebnisse der „StartBox“ zu untersuchen und die Informationen und Ergebnisse des Verfahrens daraufhin zu überprüfen, ob sie für eine anknüpfende Förderung genutzt werden können. Die Hauptfragestellung lautet demnach: Welche Möglichkeiten zur begründeten Förderplanung bietet die Anwendung des diagnostischen Verfahrens „StartBox“?
Zur differenzierten Einordnung der Begriffe soll es im zweiten Kapitel um die Diagnostik am Schulanfang gehen: es wird ein kurzer historischer Abriss der Begriffe „Schulreife“ und „Schulfähigkeit“ gegeben, aber auch die Begriffe Schuleingangsdiagnostik, pädagogische Diagnostik und Förderung sollen bestimmt und erläutert werden. Zudem soll geklärt werden, was mit der Erhebung der Lernausgangslagen von Schulanfängern gemeint ist. Im dritten Kapitel wird dann die „StartBox“ mit ihrer Konzeption und Zielsetzung vorgestellt. Danach soll untersucht werden, wie geeignet die „StartBox“ im Hinblick auf die derzeitige Diagnosesituation ist.
Inhaltsverzeichnis
1.) Einleitung
2.) Diagnostik am Schulanfang
3.) Die „StartBox“
4.) Analysen zur Anwendung der „StartBox“
5.) Fazit
Literatur-/ Quellenverzeichnis
1.) Einleitung
Der Eintritt in die Schule stellt für Kinder und ihre Eltern einen wichtigen Schritt dar. Endlich sind die Kinder „reif“ für die Schule und kommen, im Großen und Ganzen, mit den Anforderungen des Unterrichts und des Schulalltags zurecht – so oder ähnlich können Gedanken und Vorstellungen von Schulanfängern und ihren Eltern aussehen. Die Vorstellung aber, dass die Schulanfänger beim Schulstart „eine homogene Altersgruppe mit gleichen Startbedingungen bilden“ (Knörzer 2000, S. 154) ist längst keine Realität mehr. Heterogenität, differenzierter Unterricht, aber auch Inklusion - dies alles sind Begriffe, an denen kein Lehrer und keine Lehrerin vorbeikommt. Aus schulpädagogischer Sicht ist es von immenser Bedeutung sich mit diesem Thema zu befassen. Die Klassengemeinschaft kann sich zusammensetzen aus Jungen und Mädchen deutscher und nichtdeutscher Herkunft, Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, aber auch mit besonderen Begabungen. Die Kinder können aus verschiedenen gesellschaftlichen Milieus kommen und bringen unterschiedliche familiäre Lebensbedingungen mit. Kurz: die Kinder machen „in ihrer vor- und außerschulischen Lebenszeit kaum vergleichbare, sondern unterschiedliche Lebenserfahrungen“ (Knörzer 2000, S. 154) – „bereits zu Schulbeginn bestehen gravierende Unterschiede zwischen den Kindern“ (Christiani 2004, S. 14). Eine Schulklasse wird demnach von einer Heterogenität geprägt. Ziel muss sein, allen Schülerinnen und Schülern mit ihren Besonderheiten und Bedürfnissen gerecht zu werden und sie bestmöglich zu begleiten und zu fördern.
Um sich auf die individuellen Lernausgangslagen der Schulanfänger einzustellen, gibt es immer mehr Verfahren und Tests, die versprechen darüber Aufschluss zu geben. Mit einem Verfahren, der „StartBox“, werde ich mich in dieser Hausarbeit kritisch auseinandersetzen. Diese soll laut Kartonaufschrift, eine „Diagnostik zur Lernausgangslage von der Anmeldung bis zum Schulbeginn“ (StartBox 2003) ermöglichen. Ziel der Hausarbeit wird sein, das Verfahren und die Ergebnisse der „StartBox“ zu untersuchen und die Informationen und Ergebnisse des Verfahrens daraufhin zu überprüfen, ob sie für eine anknüpfende Förderung genutzt werden können. Die Hauptfragestellung lautet demnach: Welche Möglichkeiten zur begründeten Förderplanung bietet die Anwendung des diagnostischen Verfahrens „StartBox“?
Zur differenzierten Einordnung der Begriffe soll es im zweiten Kapitel um die Diagnostik am Schulanfang gehen: es wird ein kurzer historischer Abriss der Begriffe „Schulreife“ und „Schulfähigkeit“ gegeben, aber auch die Begriffe Schuleingangsdiagnostik, pädagogische Diagnostik und Förderung sollen bestimmt und erläutert werden. Zudem soll geklärt werden, was mit der Erhebung der Lernausgangslagen von Schulanfängern gemeint ist. Im dritten Kapitel wird dann die „StartBox“ mit ihrer Konzeption und Zielsetzung vorgestellt. Hierzu werden das Manual und die „StartBox“ selbst mit ihren Inhalten und Materialen als Grundlage dienen. Im nächsten Kapitel soll eine Verknüpfung der vorangegangenen Kapitel stattfinden: Wie geeignet ist die „StartBox“ im Hinblick auf die derzeitige Diagnosesituation? Abschließend soll die Ausgangsfragestellung und ihre Beantwortung besonders zum Tragen kommen: Welche Möglichkeiten zur begründeten Förderplanung bietet die Anwendung des diagnostischen Verfahrens „StartBox“? Zudem sollen mögliche offene Fragen geklärt werden und gegebenenfalls weiterführende Überlegungen erarbeitet werden.
2.) Diagnostik am Schulanfang
Fällt heute der Begriff „Diagnostik am Schulanfang“, so hat sicher jeder eine ganz bestimmte Vorstellung davon. Viele denken an die Untersuchung beim Schularzt, das Hüpfen auf einem Bein, das Zeichnen verschiedener geometrischer Figuren oder das Aufsagen der eigenen Adresse. Andere gehen vielleicht von einem bestimmten Alter aus, welches dazu berechtigt in die Schule zu gehen. So verschieden die Vorstellungen sind, so sehr hat sich auch der Begriff „Schuleingangsdiagnostik“ in der Vergangenheit verändert.
Eine wichtige Rolle spielte im Jahr 1951 der Schulrat Artur Kern. Er regte „die Diskussion um das richtige Einschulungsalter und die damit verbundene Frage der Feststellung der Schulreife“ (Knörzer 2000, S. 117) an. Das „Sitzenbleiben“ war Anlass für ihn über diese Thematik nachzudenken. Er kam zu der Erkenntnis, dass das „Sitzenbleiben“ die Konsequenz von fehlender Reife bei Schuleintritt war. Daraus resultierte der Rückschluss, dass ein Lernanfänger durch Reifungsprozesse zu seinem der Schule angemessenen Verhalten und zu seinen Fähigkeiten komme (Weigert 1997, S. 20f). Entscheidend waren für Kern zwei Faktoren: das Alter, das heißt, dass die Kinder bei Schuleintritt mindestens 6,0 Jahre alt sein sollten und die optische Gliederungsfähigkeit, „die für die Differenzierung von Buchstaben und Zahlen eine entscheidende Rolle spielt“ (Knörzer 2000, S. 118), demnach die differenzierte Formwahrnehmung und -wiedergabe. Als ein dritter Faktor kann zudem das Wachstum genannt werden, also ein körperlicher Gestaltwandel, ausgehend von der Überschreitung der „körperlichen Kleinkindform“ (Krenz 2003, S. 49). Dieser Faktor konnte mit der sogenannten „Philippinoprobe“ überprüft werden, „indem das Kind seinen rechten Arm mitten über den Kopf zum linken Ohr legen sollte“ (Krenz 2003, S. 50). Auch ein noch nicht vollständiges Milchgebiss ließ auf eine mangelnde Schulreife schließen (Knörzer 2000, S. 119). Für Kern gelang das Kind demnach passiv zur Schulreife, also aus sich selbst heraus, ohne dass Erzieher, Eltern oder Lehrer es dabei unterstützen könnten (Tervooren 2010, S. 261f). Aus den Überlegungen Kerns entwickelten sich die sogenannten „Schulreifetests“, wie z.B. der Göppinger Schuleignungstest oder der Kettwiger Schulreifetest.
In den 60er Jahren wurde der Begriff der „Schulreife“ von der „Schulfähigkeit“ abgelöst. Man distanzierte sich von dem eher reifungsorientierten Konzept und wendete sich einem lernorientierten Konzept zu (Barth 2012, S. 21). „Die Schulfähigkeit wurde somit als abhängig von frühkindlichen und vorschulischen Lernerfahrungen gesehen.“ (Barth 2012, S. 21). Zu der neuen Sichtweise von „Schulfähigkeit“ zählten kognitive, motivationale und soziale Voraussetzungen des Kindes. Da es sich um Erfahrungen aus dem vorschulischen und elementarpädagogischen Bereich handelte, war die Folge, „dass lange Zeit ein ausgesprochener Förderoptimismus bestand“ (Barth 2012, S. 21), dessen Erwartungen sich jedoch nicht erfüllten. So erlebte auch die „Schulfähigkeit“ einen Wandel – wo die traditionelle Sichtweise eher kindzentriert ausgerichtet war, das heißt das Kind über gewisse Eigenschaften und Fähigkeiten beim Schuleintritt verfügen sollte, so bedeutet „Schulfähigkeit“ aus heutiger Sicht das Ergebnis des schulischen Lernens (Barth 2012, S. 23). Zudem ist zu konstatieren, dass „Schulfähigkeit“ keine feststehende und objektive Größe ist, sondern von einigen anderen Faktoren beeinflusst wird. So versuchte Nickels 1990 die Einflussgrößen von Schulfähigkeit zusammenzufassen. Er zählte dazu (Barth 2012, S. 23):
- die Schule/ Schulorganisation
- die Schüler mit ihren individuellen Lernvoraussetzungen
- die Ökologie, das heißt die vorschulische/ häusliche/familiäre Lernumwelt
- den gesamtgesellschaftlichen Hintergrund.
Es geht heute nicht mehr nur noch um die Lernvoraussetzungen der Kinder. Nicht mehr nur das Kind muss „schulfähig“ werden, sondern die Schule muss „kindfähig“ werden und das Kind bei seinem derzeitigen Entwicklungsstand abholen und darauf aufbauen (Knörzer 2000, S. 125f). „Aktuelle Fragen der Schuleingangsdiagnostik sind, ob ein Kind einen zusätzlichen Förderbedarf hat […]“ (Kammermeyer 2006, S. 253). Die Schuleingangsdiagnostik „soll die Grundlage einer angepassten und individuellen Förderung bilden“ (Pieper-Schönrock 2003, S. 76). Aus heutiger Sicht bleibt festzuhalten: die Lehrkraft muss die Besonderheiten – Stärken, Schwächen und Probleme - ihrer Klasse kennen und durch Individualisierung und Differenzierung auf diese Faktoren Bezug nehmen (Krause-Hotopp 2003, S.5; S.29). „Die Erfassung und Förderung der Schulfähigkeit ist eine Aufgabe von Kindertagesstätte und Grundschule“ (Kammermeyer 2009, S. 216) und soll zur Teamaufgabe zwischen beiden Institutionen werden. Besonders hervorzuheben ist in der derzeitigen Schuleingangsdiagnostik die Sprachstanderfassung, auf welcher das größte Augenmerk liegt (Kammermeyer 2006, S.253). Zurückgeführt wird diese Tatsache auf das zunehmende Vorhandensein von mehrsprachig aufwachsenden Kindern in Deutschland (Kammermeyer 2006, S. 259f). Um die Wichtigkeit der derzeitigen Sprachstanderfassung zu unterstreichen, ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass auch vom Bundministerium für Bildung und Forschung im Jahre 2005 „Anforderungen an Verfahren der regelmäßigen Sprachstandfeststellung als Grundlage für die frühe und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2005, S.1) konzipiert und herausgegeben wurden.[1]
Was versteht man nun aber unter pädagogischer Diagnostik und darauf aufbauender Förderung? Zunächst muss festgehalten werden, dass die diagnostische Kompetenz „zu den Kernkompetenzen der Unterrichtenden“ (Christiani 2004, S.10) zählt und „eine wichtige Voraussetzung für die Planung individueller Förderpläne im Anfangsunterricht der Grundschule“ (Hellmich 2010, S.83) ist.
„Pädagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Fähigkeiten, durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu optimieren. Zur Pädagogischen Diagnostik gehören ferner die Tätigkeiten, die […] individuelle Förderungsprogramme ermöglichen […].“ ( Ingenkamp 2005, S. 13)
Das bedeutet demnach, dass durch eine genaue Ermittlung und Analyse des Entwicklungsstandes des Kindes, eine „individuelle, „maßgeschneiderte“ Förderung des Kindes“ (Heimann 2003, S. 12) möglich ist und dadurch individuelles Lernen optimiert werden kann (Weinert 1990, S.11). Es geht nicht um die Aussonderung der Kinder mit einem speziellen Förderbedarf, sondern um die Entwicklung eines dem kindlichen Lern- und Leistungspotenzials angemessenen Förderplans (Knörzer 2000, S. 314).
Was bedeutet nun aber Förderung?
„Fördern ist eine pädagogische Intervention, die darauf anzielt, geeignete Bedingungen für die optimalen Lernmöglichkeiten eines Kindes bereitzustellen. Dies bezieht sich nicht nur auf fachliches, sondern auch auf entwicklungsbezogenes Lernen.“ (Braun 2008, S. 30)
Ich fasse die bisherigen Ergebnisse zusammen: bei der derzeitigen Schuleingangsdiagnostik soll nicht selektiert werden. Es geht darum „systematische Informationen einzuholen, die für gezielte Förderangebote in Kindergarten und Anfangsunterricht hilfreich sind.“ (Christiani 2004, S. 60). Beide Institutionen – Kindergarten und Grundschule – sind bei der Diagnostik der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten gleichermaßen gefragt, um eine angemessene Förderung zu gewährleisten.
[...]
[1] Darauf kann an dieser Stelle jedoch nicht vertiefend eingegangen werden.