In Zeiten von Qualitätsgleichheit und austauschbaren Produkten entscheiden vor allem emotionale Zusatznutzen über Markenstärke und Erfolg. In der Hoffnung, starke Beziehungen zu den Konsumenten aufzubauen und diese zukünftig als loyale Kunden zu gewinnen, entwickelte sich das Relationship Marketing samt einer persönlichkeitsorientierten Markenführung in den letzten Jahren zu einer zentralen Aufgabe in der Unternehmenspraxis. Unternehmen erhoffen sich, in diesem Zusammenhang insbesondere das absatzsteigernde Weiterempfehlungsverhalten von Kunden zu stimulieren und folglich den Gewinn zu maximieren.
Während heutzutage oft von einer „Gesellschaft der Egoisten“ gesprochen wird, steht demgegenüber eine „neue“ Form von (pro-)sozialem Verhalten im Fokus – Hilfeleistungen von Konsumenten für Organisationen und Marken. Die dieser Arbeit zugrundeliegende zentrale Fragestellung lautet demnach daran anknüpfend: Beeinflussen (starke) Marken das Hilfeverhalten von Konsumenten? Oder anders gefragt: Do Strong Brands affect Prosocial Behavior?
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Prosocial Behavior
2.1.1. Definition
2.1.2. Motivationale Auslöser prosozialen Verhaltens
2.1.3. Weitere Einflussfaktoren prosozialen Verhaltens
2.2. Strong Brands
2.2.1. Markendefinition
2.2.2. Messung der Stärke einer Marke
2.2.3. Eigenschaften und Vorteile einer starken Marke aus Kundenperspektive
2.2.4. Eigenschaften und Vorteile einer starken Marke aus Anbieterperspektive
2.2.5. Der Weg zu starken Marke – Persönlichkeitsorientierte Markenführung
3. Marken- Konsumenten- Beziehungen und Relationship Marketing
3.1. Der Kundenbeziehungslebenszyklus
3.2. Beziehungsrelevante Einflussfaktoren im Relationship Marketing
3.3. Persönlichkeitskongruenz und Identifikation als Erfolgsfaktoren des Relationship Marketings
4. Prosoziales Verhalten im Markenkontext
4.1. Active Engagement als Ausprägung prosozialen Verhaltens
4.2. Empathie als notwendige Bedingung prosozialen Verhaltens
4.3. Egoistische Motivation
4.4. Reziprozität und Reziproker Altruismus
4.5. Altruistische Motivation
4.6. Kollektivismus und das Aufrechthalten moralischer Prinzipien
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Wirkungskette des Relationship Marketings
Abbildung 2: Der Kundenbeziehungslebenszyklus
Abbildung 3: Weiterempfehlungsverhalten im Kundenbeziehungslebenszyklus
Abbildung 4: Von der Empathie zur prosozialen Handlung
1. Einleitung
„Eine starke Marke haben oder eine starke Marke sein, das ist der entscheidende Unterschied“, erklärte Norbert Ganz auf der ersten Pionierkonferenz der Markenführung 2009.[1] Die Relevanz dieser Aussage wird bei der Betrachtung des folgenden Beispiels deutlich. In einem Blindtest[2] probierten unabhängige Testpersonen jeweils Diät- Cola von Pepsi und Coca- Cola: 51% empfanden Pepsi der „Diet Coke“ von Coca- Cola (44%) geschmacklich überlegen.[3] Daraufhin wurde ein weiterer Test durchgeführt, allerdings mit sichtbaren Markenlabeln. Erstaunlicherweise bevorzugten nun 61% der Testpersonen das Produkt von Coca- Cola, wohingegen lediglich 21% „Diet Pepsi“ favorisierten.[4] Wie lassen sich diese paradoxen Ergebnisse begründen? Die Antwort ist simpel - starke Marken. „Das Produkt Coca- Cola hat den Geschmackstest nicht gewonnen. Das Programm von Microsoft ist nicht das beste Betriebssystem. Es sind die Marken, die gewinnen“, argumentiert Robert Pittman von AOL treffend.[5] Marken stellen sich, wie dieses Beispiel verdeutlicht, als die „wahren Giganten der modernen Konsumgesellschaft“ heraus.[6] Sie bedingen nicht nur Millionen von Kaufentscheidungen und unzählige Unternehmensentscheidungen; sie beeinflussen genauso unsere Wahrnehmung und unser Verhalten.[7] Unterdessen gewinnen die Konsumenten zunehmend an Einfluss.[8] In Zeiten von Qualitätsgleichheit und austauschbaren Produkten entscheiden vor allem emotionale Zusatznutzen über Markenstärke und Erfolg.[9] In der Hoffnung, starke Beziehungen zu den Konsumenten aufzubauen und diese zukünftig als loyale Kunden zu gewinnen, entwickelte sich das Relationship Marketing samt einer persönlichkeitsorientierten Markenführung in den letzten Jahren zu einer zentralen Aufgabe in der Unternehmenspraxis.[10] Unternehmen erhoffen sich, in diesem Zusammenhang insbesondere das absatzsteigernde Weiterempfehlungsverhalten von Kunden zu stimulieren und folglich den Gewinn zu maximieren.[11]
Während heutzutage oft von einer „Gesellschaft der Egoisten“ gesprochen wird,[12] steht demgegenüber eine „neue“ Form von (pro- )sozialem Verhalten im Fokus – Hilfeleistungen von Konsumenten für Organisationen und Marken. Die dieser Arbeit zugrundeliegende zentrale Fragestellung lautet demnach daran anknüpfend: Beeinflussen (starke) Marken das Hilfeverhalten von Konsumenten? Oder anders gefragt: Do Strong Brands affect Prosocial Behavior?
Vor diesem Hintergrund werden zunächst die beiden theoretischen Grundlagen dieser Arbeit – „Prosocial Behavior“ (2.1) und „Strong Brands“ (2.2) betrachtet. Dazu werden im ersten Schritt prosoziales Verhalten definiert (2.1.1) und motivationale Ausprägungen (2.1.2) sowie weitere Einflussfaktoren prosozialen Verhaltens (2.1.3) vorgestellt. Ähnlich wird im Kapitel zu starken Marken verfahren. Nach einer kurzen Begriffsabgrenzung des Wortes „Marke“ (2.2.1) werden Ansätze zur Messung der Stärke einer Marke (2.2.2) und Eigenschaften sowie Vorteile einer starken Marke aus Kunden- (2.2.3) und Anbieterperspektive (2.2.4) aufgezeigt. Daraufhin wird die Bedeutsamkeit der persönlichkeitsorientierten Markenführung für die Bildung einer starken Marke diskutiert (2.2.5). Zudem baut auf dem Ansatz einer starken Markenpersönlichkeit der folgende Teil zu Marken- Konsumenten- Beziehungen und Relationship Marketing auf. Dabei wird das Konzept des Kundenbeziehungslebenszyklus (3.1) für das Verständnis der einzelnen Phasen einer Beziehung zwischen Marke und Konsumente vorgestellt, um daraus die beziehungsrelevanten Einflussfaktoren im Relationship Marketing (3.2) abzuleiten. Den Grundstein für prosoziales Verhalten im Markenkontext bilden die beiden Erfolgsfaktoren des Beziehungsmarketings - Persönlichkeitskongruenz und Identifikation mit der Marke (3.3). Der Hauptteil beinhaltet die Betrachtung von „active engagement“ als Ausprägung (4.1) und Empathie als notwendige Bedingung von prosozialem Verhalten (4.2). Die verschiedenen prosozialen Motivationen Egoismus (4.3), Altruismus (4.5) sowie Kollektivismus und das Aufrechthalten moralischer Prinzipien (4.6) werden auf den Markenkontext übertragen und stellen somit die Zusammenführung der theoretischen Grundlagen „Prosocial Behavior“ und „Strong Brands“ dar. Ferner wird die Reziprozität (4.4) als Zwischenform von Altruismus und Egoismus in diesen Zusammenhang eingeordnet. Den Abschluss dieser Arbeit (5.) bilden eine kritische Betrachtung der Ergebnisse, das daraus resultierende Fazit und ein kurzer Forschungsausblick.
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Prosocial Behavior
Das nachfolgende Kapitel „Prosocial Behavior“ beantwortet die Frage, wie sich die Intention des prosozialen Helfens begründet. Dazu werden Ausprägungen und Einflussfaktoren prosozialen Verhaltens vorgestellt. Dieses Kapitel ist von wesentlicher Bedeutung, um im weiteren Verlauf der Arbeit die Grundlagen des prosozialen Handelns im Bezug auf Marken zu verstehen.
2.1.1. Definition
Der Hilfeforschung, aus der die Bezeichnung prosoziales Verhalten entstammt, liegen eine ganze Reihe von verschiedensten Untersuchungen und Ergebnissen (insbesondere im Feld der (Sozial- ) Psychologie) zu Grunde. Diese Forschungsbemühungen brachten jedoch keine eindeutige und allgemeingültige Theorie[13] des „Konstrukts Prosocial Behavior“ hervor.[14] Zu unterschiedlich sind die vielfältigen Ausprägungen von Hilfe- und Unterstützungsleistungen, abhängig von verschiedenen Anlässen und Umständen sowie von den Personen und Organisationen, die in einer Helfer- Hilfeempfänger- Beziehungsstruktur interagieren.[15]
In der Fachliteratur wird Prosocial Behavior überwiegend als Verhalten definiert, welches freiwillig und bewusst mit dem Ziel, einem anderen etwas Gutes zu tun, ausgeführt wird.[16] Unerlässlich ist dabei die Tatsache, dass es sich bei diesem hilfreichen Verhalten um ein intentionales handelt. Der Helfer muss dem Hilfeempfänger ausdrücklich helfen wollen.[17] Im Umkehrschluss sind von diesem Begriffsverständnis somit Handlungen ausgeschlossen, welche unbeabsichtigt positive Auswirkungen für einen anderen haben.[18] Darüber hinaus sollte die Hilfeleistung explizit zum Wohle anderer beitragen[19] und darf nicht durch äußere Bekräftigungsanreize motiviert sein.[20] Trommersdorff (2005) spricht in diesem Zusammenhang von der motivationstheoretischen Definition prosozialen Verhaltens.[21]
Friedlmeier (1993) differenziert indes drei große, übergeordnete Gruppen prosozialer Handlungen: das Helfen, das Teilen und das Kooperieren.[22] Diese drei Hauptbereiche und weitere existierende Formen von Prosocial Behavior –beispielsweise Unterstützung und Lob[23] sowie Höflichkeit und Sensibilität gegenüber anderen – stehen antonym zu antisozialem und von negativer Intention geprägtem Verhalten, wie zum Beispiel Aggression und Gewalt.[24] Vor dem Hintergrund dieser potentiellen Bedeutungsvielfalt von hilfreichem Verhalten wird, in Anlehnung an Eisenberg & Mussen (1989), in dieser Arbeit prosoziales Verhalten im weiteren (motivationstheoretischen) Sinne verstanden - als Oberbegriff für alle freiwilligen und intentionalen Formen hilfreichen Verhaltens. Im Folgenden werden daran anknüpfend die motivationalen Erklärungsansätze[25] vorgestellt, die dem prosozialen Verhalten zu Grunde liegen.
2.1.2. Motivationale Auslöser prosozialen Handelns
Prinzipiell folgen helfende Menschen immer einer bestimmten Maxime[26] – entweder ihre eigene Situation (egoistische Motivation) oder die einer anderen Person (altruistische Motivation) zu verbessern. Allerdings basiert prosoziales Verhalten in vielen praktischen Beispielen auch auf einem Mix aus egoistischer und altruistischer Motivation (z.B. Reziprozität, siehe 4.4).[27]
Dabei gilt immer zu berücksichtigen, dass prosoziales Verhalten gegebenenfalls (hohe) Kosten, z.B. Zeitaufwand, für den Helfer verursachen kann.[28] Ist dieser aber ein rationaler Entscheidungsträger (homo oeconomicus[29] ) wird er immer das Verhältnis von Kosten und Nutzen abwägen. Zu hohe antizipierte Kosten einer prosozialen Handlung können somit eine Hilfeleistung verhindern. Indem nicht jede Form der Hilfe in ihrer Intention alleine auf dem Gedanken der Prosozialität oder Uneigennützigkeit basiert, dient der vom Helfer intendierte Nutzen der prosozialen Handlung für den Hilfeempfänger als zentrales Kriterium der Hilfeleistung.[30]
Abgesehen von dieser egoistischen Motivation (siehe 4.3) existiert allerdings ein relativ weites Spektrum von Begriffen, die zum Teil synonym zu prosozialem Verhalten und Hilfe verwendet werden und nur das Ziel haben, das Wohlbefinden eines anderen zu steigern. Darunter fallen auch die Verhaltensweisen Altruismus und Empathie. Prosocial Behavior darf gleichwohl keineswegs mit altruistischem oder empathischem Verhalten gleichgesetzt werden - eher charakterisieren Altruismus und Empathie einer prosozialen Handlung zugrunde liegende psychische Motivationsprozesse.[31] Altruismus (siehe 4.5) repräsentiert Eisenberg & Miller (1987) zufolge eine spezifische Variante von prosozialem Verhalten, welche durch Freiwilligkeit und eine uneigennützige Motivation - andere besserzustellen - bestimmt ist und darüber hinaus ohne Erwartung an eine Gegenleistung erfolgt.[32] Als Unterformen des Altruismus gelten auch die beiden prosozialen Motive Kollektivismus und das Aufrechthalten moralischer Prinzipien (siehe 4.6). Empathie (siehe 4.2) hingegen ist definiert als die emotionale bzw. affektive Reaktion auf den Zustand bzw. die Persönlichkeit eines anderen, welche(r) dem eigenen emotionalen Zustand bzw. dem eigenen Charakter ähnelt oder sogar gleicht.[33] Vereinfacht bezeichnet Empathie folglich die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gedanken, Emotionen, Intentionen und Persönlichkeitsmerkmale nachzuempfinden.[34] Ferner kann die Erregung von empathischen Gefühlen zu einer altruistisch geprägten prosozialen Hilfeleistung führen (siehe 4.5).[35]
2.1.3. Weitere Einflussfaktoren prosozialen Verhaltens
Neben all diesen motivationstheoretischen Charakteristika hängt prosoziales Verhalten zudem von sozialen Determinanten im Umfeld des Helfers und Hilfeempfängers ab.[36] Zu den vielzähligen Einflussfaktoren einer Hilfssituation zählen vor allem personenbezogene (z.B. Geschlecht, Alter), situationsbedingte (Stimmung, Tageszeit, Ort) sowie emotionale Aspekte (Sympathie, Freundschaft). Prosocial Behavior bedingt demzufolge mehrere kognitive Prozesse: das Wahrnehmen sowie das Beurteilen der Situation und die Entscheidung, ob eine Hilfeleistung erfolgt oder nicht.[37]
2.2. Strong Brands – das Geheimnis der starken Marke
Im Folgenden wird erörtert, was starke Marken auszeichnet und welche Eigenschaften und Vorteile sie für ein Unternehmen haben. Abgerundet wird dieser Abschnitt mit einer kurzen Analyse der Möglichkeit, dank einer ausgeprägten Markenpersönlichkeit eine starke Marke zu werden und vor allem auch zu bleiben. Dieser persönlichkeitsorientierte Markenansatz bildet gleichzeitig den Übergang zur Entstehung der Marken- Kunden- Beziehung und bildet die Basis für das Verständnis der zentralen Rolle, die der „Stärke“ der Marke im Zusammenhang mit prosozialem Verhalten zukommt.
2.2.1. Markendefinition
Um das Erfolgsgeheimnis der starken Marke zu veranschaulichen, muss im ersten Schritt eine Auseinandersetzung mit den Worten „stark“ und „Marke“ bzw. „strong“ und „brand“ erfolgen. Ein Blick in die Literatur des letzen Jahrhunderts zeigt, dass der Markenbegriff im Zeitverlauf eine rasante Entwicklung durchlaufen hat. Nach dem klassischen Markenverständnis stellte eine Marke anfangs „lediglich ein physisches Kennzeichen für die Herkunft eines Markenartikels“ dar.[38] Die Markierung diente ausschließlich dazu, dem potenziellen Käufer den Hersteller bzw. Anbieter eines Produktes oder einer Dienstleistung offenzulegen.[39] Das aktuelle Markengesetz[40] hingegen besagt, dass Marken mittlerweile eine Identifizierungs- und Differenzierungsfunktion besitzen und somit Präferenzen und Begehrlichkeiten bei sonst austauschbaren und sich gleichenden Produkten und Dienstleistungen schaffen.[41] „Stärke“ impliziert in diesem Zusammenhang das Erzeugen von ausgeprägten Markenpräferenzen bei potenziellen Käufern - die Markierung (branding) einer strong brand soll das Produkt erstrebenswert machen, „so dass es gegenüber herkömmlichen Produkten vorgezogen wird.“[42] Auf der anderen Seite meint „stark“ aber auch eine tiefe Verankerung der Marke in den Gedanken der Konsumenten. Eine Marke wird dann dominant, wenn jeder in der Zielgruppe sowie potenzielle Kunden sie als bekannt verinnerlicht haben.[43]
Neben dieser „merkmalsbezogenen“ Interpretation der Marke existiert aber auch eine so genannte „wirkungsbezogene“ Sichtweise – demnach kennzeichnen (starke) Marken ein positives, relevantes und unverwechselbare Image im Gedächtnis des Konsumenten.[44] Sie erzeugen emotionale Mehrwerte[45] und kanalisieren die Wahrnehmung der Konsumenten insofern, als dass sie Namen repräsentieren, welche mit Erfahrungen und Erlebnissen verknüpft werden. Folglich sind Marken gleichermaßen logische Strukturen, deren Stärke besonders von den subjektiven Eindrücken und Vorstellungen in den Köpfen der Konsumenten abhängt.[46]
2.2.2. Messung der Stärke einer Marke
Wichtig bei der Messung von Markenstärke und - wert ist immer eine angemessene und ganzheitliche Betrachtung der Marke. Dazu zählen Markenbekanntheit, Markenbewusstsein, Markenwiedererkennung, Marktanteile sowie Gewinnmargen.[47] Als Markenwert wird dabei der zusätzliche Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung bezeichnet, welcher durch die klare Verknüpfung mit der Marke erzielt wird, verglichen mit der Situation, in der dasselbe Produkt ohne Marke beworben würde.[48] Markenbekanntheit (brand awareness) allein kann nie als Grundlage für die Bewertung der Stärke einer Marke herangezogen werden. Letztendlich sagt der Bekanntheitsgrad einer Marke nur sehr wenig über die Kaufpräferenzen der Konsumenten aus - so kann eine Marke auf der einen Seite sehr bekannt sein, auf der anderen Seite aber trotzdem nur einen geringen Markenwert aufweisen.[49] Denn gerade starke Kaufpräferenzen der Konsumenten sind es, die den Umsatz und damit auch den Markenerfolg und Markenwert beeinflussen. Somit lässt sich die Stärke der Marke auch vom Erfolg der Marke (Umsätze, Gewinne, Profitmargen) ableiten.[50]
2.2.3. Eigenschaften und Vorteile einer starken Marke aus Kundenperspektive
In erster Linie kreieren Marken starke Impressionen und Gefühle.[51] Den Namen Gillette verbinden männliche Konsumenten beispielsweise unmittelbar mit dem „Erlebnis“ morgendliche Rasur, ein jeder denkt an Sportstars wie Roger Federer, Tiger Woods oder David Beckham und Assoziationen mit Erfolg und Selbstvertrauen werden hervorgerufen. Strong brands schaffen einprägende und nachhaltige Kundenerlebnisse und –erfahrungen und folgen einer Logik: Marken bündeln die Wahrnehmungen sowie Empfindungen der Konsumenten[52] und sind „im hohem Maße gefühlsmäßig bei den Kunden verankert.“[53] Auf diese Weise bilden sie eine Art sozialen Wert für Verbraucher, dessen finanzieller Nutzen nur äußerst schwer zu erfassen ist.[54] Gemäß Eschs (2010) provokanter Feststellung, dass „das Vertrauen in starke Marken oft größer als das in die Kirche“[55] sei, resultiert daraus einer der wirksamsten und effizientesten Vorteile von starken Marken - ihre natürliche Vertrautheit beim Kunden und der enorme zugehörige Einfluss von Vertrauen auf die Kaufentscheidung.[56] Besonders deutlich wird dies bei der Betrachtung von Situationen, in denen potenzielle Käufer mit Unentschlossenheit konfrontiert sind, der Konsument sehr jung oder neu in einer Produktkategorie ist.[57] Hier helfen starke Marken mit ihrer Vertrautheit und Bekanntheit vor allem bei der Orientierung und vereinfachen die Kaufentscheidung.
Indes bestimmen drei wesentliche Faktoren den Mehrwert der Marke in der Wahrnehmung des Verbrauchers. Zum einen sind Marken Informationsträger, sparen somit Zeit, indem sie Informationen effizient bündeln – ein „branding“ verrät die Herkunft eines Produktes, schafft Wiedererkennungswert und hilft somit bei der Orientierung in der Kaufsituation. Daneben schaffen Marken Vertrauen und Sicherheit beim Kunden und minimieren daher das (antizipierte) Risiko eines Fehlkaufs. Darüber hinaus erzählen Marken auch immer etwas über den Konsumenten, repräsentieren oftmals die Identität des Käufers (Identifikationsfunktion) und helfen ihm, diese nach außen zu kommunizieren.[58] Für Unternehmen gilt es, diese Faktoren zu berücksichtigen. Es bedarf einer vertrauenswürdigen Marke, die einen gewissen garantierten Qualitätsstandard sichert und die Ideologie und Einstellung der Zielgruppe repräsentiert. Eine starke Marke braucht unterdessen meist nur ein bis zwei herausragende rationale (Produkt- )Vorteile, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. In den restlichen Attributen muss sie nicht zwingend besser sein, sollte aber aus der Sicht der Zielgruppe auch keine signifikanten Schwächen aufweisen.[59] Studien offenbarten sogar die Empfindung einer scheinbar höheren Produktqualität bei Produkten einer starken Marke (sogenannte Halo- Effekte).[60]
Der Markenwert eines Unternehmens leitet sich ergo ebenfalls aus der Wertschätzung der Verbraucher für eine Marke ab. Im Endeffekt entscheiden die Konsumenten mit ihren Kaufentscheidungen, welche Marke stark ist und welche nicht.[61] Unternehmen, die es schaffen, eine starke Bindung zum Käufer aufzubauen und einen von der Konkurrenz nicht übertreffbaren Grad an Kundentreue zu erzielen, sind die wahren Markengewinner. Starke Marken brauchen Käufer und vor allem loyale Kunden.[62]
2.2.4. Eigenschaften und Vorteile einer starken Marke aus Anbieterperspektive
Abgesehen von der starken psychischen und emotionalen Wirkungskraft, generieren starke Marken auch immer positive konkrete, materielle Werte. In erster Linie bewirken sie überdurchschnittliche Absätze und Profite[63], denn sie verstehen es, Kunden mit ihrer Strahlkraft loyal und weniger preissensibel zu machen.[64] Strong brands kreieren Präferenzen beim Konsumenten, stechen somit aus der Masse der Marken hervor und werden zu begehrenswerten Objekten.
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor starker Marken besteht darin, dass sie die Performance ihres Unternehmens auf den Aktienmarkt verbessern, wie eine Studie von McKinsey aus 2007 zeigt. Ein Portfolio aus 40 Wertpapieren von starken Marken, alle hochrangig gelistet im jährlichen „Best Global Brand“- Ranking[65] aus der „Business Week“, übertraf die Werte der herkömmlichen Benchmarks wie dem MSCI World oder dem S&P 500[66] Index deutlich in sieben von acht untersuchten Perioden.[67] Dies unterstreicht auch eine Befragung aus dem Hause „Gruner und Jahr“, der zufolge „ein starkes Markenbild von Unternehmen die Aktienkaufbereitschaft für diese Unternehmen positiv beeinflusst.“[68] Darüber hinaus genieren Unternehmen mit einem starken Markenbild einen deutlich höheren „Return to Shareholder“[69] (ca. 2% mehr) als der Industriedurchschnitt. Schwache Marken hingegen liegen sogar bis zu 3,1% unter diesem Vergleichswert.[70] Markenstärke scheint somit auch ein geeigneter Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu sein. Dies erklärt, neben der gesteigerten Nachfrage, warum Anbieter dem Aufbau einer starken Marke eine so hohe Priorität zuweisen.
Die Mehrwerte einer Marke für ein Unternehmen werden in der Betrachtung der Marktvorteile, die durch den Besitz einer starken Marke entstehen, besonders deutlich. Dazu zählen eine höhere Kundentreue und –loyalität, welche konstant hohe Umsätze sicherstellen und somit größere Gewinnspannen ermöglichen. Unterdessen reduzieren sie die Anfälligkeit gegenüber Krisen und Marketingaktionen von Konkurrenten und stärken dadurch die eigene Wettbewerbsposition. Gleichermaßen bieten starke Marken zusätzliche Möglichkeiten für Produkt- bzw. Markenerweiterungen, Lizensierungen und bei der Erschließung neuer Märkte und Zielgruppen. Ein weiterer Vorteil besteht in der erhöhten Wirksamkeit bei der Durchführung von Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen.[71] Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss starker Marken auf die Reaktion von Konsumenten auf Preisänderungen. Diese zeigen sich in ihrer Nachfrage sehr elastisch im Bezug auf Preissenkungen, hingegen unelastisch bezüglich Preissteigerungen.[72]
[...]
[1] Nach Norbert Ganz (GMS Markenagentur), dokumentiert auf der 1.Pionierkonferenz der Markenführung am 31. März 2009 in München.
[2] In einem Blindtest wird den Testpersonen der Markenname vorenthalten.
[3] Vgl. De Chernatony, McDonald (2003), S.14f.
[4] Vgl. Ebnda, S.15.
[5] Zitiert nach Biel (2001), S.66.
[6] Vgl. Riesenbeck, Perrey (2007), S.1.
[7] Vgl. Esch (2010), S.4- 9.
[8] Vgl. Keller (2009), S.141.
[9] Vgl. Esch (2010), S.41.
[10] Vgl. Dimitriadis, Papista (2010), S.385.
[11] Vgl. Kuenzel, Halliday (2010), S.170.
[12] Vgl. Ostermann (2000), S.1.
[13] Vgl. Halisch (1988), S.79.
[14] Vgl. Radke- Yarrow et al. (1983), S.478.
[15] Vgl. Bierhoff (2002), S.11.
[16] Vgl. Eisenberg, Miller (1987), S.92: “Prosocial behavior generally has been defined as voluntary, intentional behavior that results in benefits for another.”
[17] Vgl. Kienbaum (1993), S.11.
[18] Vgl. Ostermann (2000), S.3.
[19] Vgl. Kienbaum (1993), S.11.
[20] Vgl. Halisch (1988), S.80.
[21] Vgl. Trommersdorff (2005), S.81 und S.82 ff. für eine evolutionstheoretische, soziobiologische, lerntheoretische und neuopsychologische Perspektive prosozialen Verhaltens.
[22] Vgl. Friedlmeier (1993), S.40.
[23] Im weiteren Verlauf dieser Arbeit stehen vornehmlich das Lob und die Unterstützung als Ausprägung prosozialen Handelns besonders im Fokus (siehe 4.1).
[24] Vgl. Hay (1994), S.30 und Trommersdorff (2005), S.81f.
[25] Vgl. Batson et al. (2008), S.135- 149.
[26] Vgl. Penner et al. (2005), S.368.
[27] Vgl. Bierhoff (2002), S.10.
[28] Vgl. Ostermann (2000), S.2.
[29] Der homo oeconomicus ist ein rationaler Entscheidungsträger, welcher stets seinen Nutzen maximieren will und somit ein ausgeprägtes Kosten/Nutzen- Kalkül aufweist - für eine ausführliche Betrachtung des homo oeconomicus vgl. z.B. Franz (2004).
[30] Vgl. Batson, Coke (1981), S.173.
[31] Vgl. Batson (1998), S.182,183.
[32] Vgl. Eisenberg, Miller (1987), S.92.
[33] Vgl. Miller et al. (1996), S.210.
[34] Vgl. Faktum Lexikoninstitut (1995), S.82.
[35] Vgl. Aronfreed (1970), S.104.
[36] Vgl. Ostermann (2000), S.3.
[37] Vgl. Eisenberg, Mussen (1989) für eine ausführliche Betrachtung kognitiver Prozesse in Hilfssuationen.
[38] Mellerowicz (1963), S.39.
[39] Vgl. Domizlaff (1939), S.37.
[40] §3 Abs. 1 MarkenG.: Als Marken werden „alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionalen Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstiger Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammensetzungen geschützt, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“
[41] Vgl. Esch (2010), S.10.
[42] Esch (2010), S.2.
[43] Vgl. Riesenbeck, Perrey (2007), S.13.
[44] Vgl. Weinberg (1995), Sp.2681.
[45] Vgl. Esch (2010), S.10.
[46] Vgl. Ebenda, S.1.
[47] Vgl. Riesenbeck, Perrey (2007), S.14.
[48] Vgl. Keller (2009), S.140.
[49] Beispielsweise war dies der Fall bei der Marke Karstadt. In der Insolvenzphase erlangte die Marke eine flächendeckende Bekanntheit, hatte aber gleichzeitig einen sehr geringen Markenwert, da die Zahl der loyalen Kunden für einen Unternehmensgewinn zu klein war.
[50] Vgl. Kay (2006), S.745.
[51] Vgl. Riesenbeck, H., Perrey, J. (2007), S.8.
[52] Vgl. Kay (2006), S.755- 756.
[53] Esch(2010), S.22.
[54] Vgl. Kay (2006), S.749.
[55] Vgl. Esch (2010), S.8.
[56] Vgl. Hoeffler, Keller (2003), S.425.
[57] Vgl. Ebenda, S.426.
[58] Vgl. Riesenbeck, Perrey (2007), S.9- 10.
[59] Vgl. Ebenda, S.39.
[60] Vgl. Kroeber- Riel et al. (2009) für eine detailliertere Darstellung von Halo- Effekten im Bezug auf Marken.
[61] Vgl. Hoeffler, Keller (2003), S.421.
[62] Vgl. Riesenbeck, Perrey (2007), S.14.
[63] Vgl. Ebenda, S.39.
[64] Vgl. Kay (2006), S.745.
[65] Vgl. http://www.interbrand.com/de/best- global- brands/best- global- brands- 2008/best- global- brands- 2010.aspx# für die Rangliste aus dem Jahr 2010.
[66] Der MSCI World Index und der S&P 500 Index sind beides Aktienindexe, die die Performance von (z.T. bestimmten) weltweiten Aktien messen und somit Vergleichswerte liefern.
[67] Vgl. Riesenbeck, Perrey (2007), S.8.
[68] Gruner + Jahr (1998), S.292- 294.
[69] Der „Return to shareholder“ entspricht der Aktienrendite und misst, wie sich der Wert einer Anlage über einen bestimmten Zeitraum entwickelt.
[70] Vgl. Court et al. (1999), S.101.
[71] Vgl. Esch (2010), S.24; Keller (2009), S. 140.
[72] Vgl. Hoeffler, Keller (2003), S.430.