Am 1. März 2012 wurde vom Bundesministerium die Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" veröffentlicht. Die zentrale Fragestellung dieser Studie lautete: “Welche Kriterien lassen sich empirisch begründen, um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können?”
Sie zeigte u.a., „dass sich alle in Deutschland lebenden Generationen von Muslimen mehrheitlich deutlich vom islamistischen Terrorismus distanzieren. Allerdings erleben sie eine Pauschalverurteilung der Muslime als Terroristen und eine zu vorschnelle Verknüpfung des Islams mit dem Terrorismus“. Zudem kommt die Studie zu der Erkenntnis, dass durch die gruppenbezogene Diskriminierung, Vorurteile der Muslime gegenüber dem Westen entstehen. Diese Diskriminierungen fördern auch den religiösen Fundamentalismus. Muslime werden hierzulande als stark homogene Gruppe und der Islam kaum differenziert auf seine religiöse Vielfalt betrachtet. Mittlerweile leben knapp 4 Millionen Migranten in der Bundesrepublik. Ein Großteil dieser Einwanderer haben türkische Wurzeln und wiederum viele Türken sind Muslime. Dadurch, dass sich viele dieser Muslime zu den unterschiedlichsten Glaubensrichtungen des Islam bekennen, kann eine Vielzahl an Vorurteilen gegenüber den Muslimen entstehen. [...]
Neben der Unwissenheit über die unterschiedlichen Facetten des Islams, die religiösen Einstellungen von Muslimen und die kulturellen Hintergründe, ist es möglich, dass die einseitige mediale Berichterstattung zu diesem Thema, welche zum größten Teil von Terror und Extremismus bestimmt wird, zu diesem vorherrschenden Islambild führt.
Vorurteile, Angst und Misstrauen gegenüber unseren muslimischen Mitbürgern, sind das Resultat, welches unter dem Begriff Islam-Feindlichkeit zusammengefasst werden kann. In der vorliegenden Arbeit soll erörtert werden, was Islam-Feindlichkeit überhaupt bedeutet, wo ihre Ursprünge liegen, ob die Medien für die Islam-Feindlichkeit in Deutschland eine Rolle spielen und, wenn ja, wie es überhaupt zu einer verstärkt negativen Berichterstattung hinsichtlich des Islams kommt. Zunächst soll jedoch der Begriff Islam-Feindlichkeit und dessen Ursprünge genauer erläutert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Islam Feindlichkeit
2.1 Definition und Herkunft des Begriffs
3. Der Einfluss der Medien
3.1 Nachrichtenwert Theorie
3.2 Medienanalysen
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
"Deutschland achtet die Herkunft und kulturelle Identität seiner Zuwanderer. Aber wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös- fanatischer Ansichten. Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben - dies klarzumachen, ist die Aufgabe eines jeden"1. So kommentiert Bundesinnenminister Dr. Hans- Peter Friedrich die Ergebnisse der aktuellen Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland", welche am 01. März 2012 vom Bundesministerium des Inneren veröffentlicht wurde. Die zentrale Fragestellung dieser Studie lautete: “Welche Kriterien lassen sich empirisch begründen, um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können?”2. Durch diese Mehrgenerationsstudie wird deutlich, „[…] dass sich alle in Deutschland lebenden Generationen von Muslimen mehrheitlich deutlich vom islamistischen Terrorismus distanzieren. Allerdings erleben sie eine Pauschalverurteilung der Muslime als Terroristen und eine zu vorschnelle Verknüpfung des Islams mit dem Terrorismus“3. Diese Studie zeigt auf, dass eine kleine Gruppe von in Deutschland lebenden Muslimen noch immer „[…] streng religiöse und tendenziell gewaltakzeptierende Einstellungen“4 vertritt. Zudem kommt die Studie zu der Erkenntnis, dass durch die gruppenbezogene Diskriminierung, Vorurteile der Muslime gegenüber dem Westen entstehen. Diese Diskriminierungen fördern auch den religiösen Fundamentalismus5. Muslime werden hierzulande als stark homogene Gruppe und der Islam kaum differenziert auf seine religiöse Vielfalt betrachtet6. Mittlerweile leben knapp 4 Millionen Migranten in der Bundesrepublik. Ein Großteil dieser Einwanderer haben türkische Wurzeln und wiederum viele Türken sind Muslime7. Dadurch, dass sich viele dieser Muslime zu den unterschiedlichsten Glaubensrichtungen des Islam bekennen, kann eine Vielzahl an Vorurteilen gegenüber den Muslimen entstehen, die die unterschiedlichsten Ursachen haben können8. Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, spricht unter anderem von Integrationsproblemen in Schule, Nachbarschaft und Beruf, von Besorgnissen gegenüber Kopftuchträgerinnen sowie Moscheebaukonflikten, die sich in der deutschen Gesellschaft verschärfen9. Zudem werden Muslime und der Islam nach den Anschlägen des 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York, verstärkt mit Terror und Gewalt in Verbindung gebracht10.
Neben der Unwissenheit über die unterschiedlichen Facetten des Islams, die religiösen Einstellungen von Muslimen und die kulturellen Hintergründe, ist es möglich, dass die einseitige mediale Berichterstattung zu diesem Thema, welche zum größten Teil von Terror und Extremismus bestimmt wird11, zu diesem vorherrschenden Islambild führt.
Auch die gemeinsame Untersuchung des SVR- Forschungsbereichs mit der Stiftung Mercator fand heraus, dass die Medien bei der Islamisierung der Integrationsdebatte als Verstärker wirken. „Es gibt eine große Kluft zwischen dem als sehr negativ wahrgenommenen Medienbild von muslimischen Zuwanderern und der positiven Alltagserfahrung in der Einwanderungsgesellschaft“, erklärt Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Vorsitz der Geschäftsführung der Stiftung Mercator12. Außerdem weißt er darauf hin, dass ein anhaltend negatives Medienbild Vorurteile verstärken kann. „Umso wichtiger ist eine ausgewogene Medienberichterstattung, die auf Stereotype verzichtet“13.
Vorurteile, Angst und Misstrauen gegenüber unseren muslimischen Mitbürgern, sind das Resultat, welches unter dem Begriff Islam- Feindlichkeit zusammengefasst werden kann. In der vorliegenden Arbeit soll erörtert werden, was Islam- Feindlichkeit überhaupt bedeutet, wo ihre Ursprünge liegen, ob die Medien für die Islam- Feindlichkeit in Deutschland eine Rolle spielen und, wenn ja, wie es überhaupt zu einer verstärkt negativen Berichterstattung hinsichtlich des Islams kommt. Zunächst soll jedoch der Begriff Islam- Feindlichkeit und dessen Ursprünge genauer erläutert werden.
2. Die Islam- Feindlichkeit
Die Islam- Feindlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren als neuer Begriff in der Forschung hinsichtlich Vorurteilen gegenüber Muslimen etabliert14. Verursacht wurde dies auch „[…] durch öffentliche Auseinandersetzungen zum Beispiel um Wahrnehmbarkeit und Etablierung islamischer Religiosität in Form von Kopftüchern, Religionsunterricht und Minaretten [...]“15 sowie „[…] durch gestiegene Aufmerksamkeit gegenüber international agierenden Extremisten islamischer Prägung [..]“16. Der Begriff Islam- Feindlichkeit scheint sich immer mehr hinter dem Begriff Islamophobie zu verstecken, welcher oft als Synonym für die Islam- Feindlichkeit genutzt wird. Dieser steht jedoch bei verschiedenen Wissenschaftlern in der Kritik. Wieso dies der Fall ist soll im folgenden Abschnitt erläutert werden.
2.1 Definition und Herkunft des Begriffs
Bielefeldt kritisiert, dass es sich nicht um eine generelle Angst vor dem Islam handelt, sondern vielmehr um eine „[…] negativ- stereotype Haltung gegenüber dem Islam und seinen tatsächlichen oder mutmaßlichen Angehörigen“17. Nach Bielefeldt kann sich eine islamophobe Einstellung „[…] unter anderem in verbalen Herabsetzungen und Verunglimpfungen, strukturellen Diskriminierungen oder auch tätlichen Angriffen gegenüber Menschen mit muslimischen Hintergrund ausdrücken“18. Trotz der Kritik an der Bezeichnung Islamophobie, setzt sie sich mittlerweile im deutschen Sprachraum durch und wird auch in der Forschung vermehrt genutzt. Dieser Begriff wurde erstmalig von Etienne Dinet und Slima Ben Ibrahim erwähnt. In „L´Orient vu de l´Occident“ sprechen die Autoren von einem „[…] accès de délire islamophobe […]“19, was so viel bedeutet wie „Anfall eines islamophoben Fieberwahns“. Auch Edward W. Said beschäftigte sich mit dem Phänomen der Ablehnenden Haltung gegenüber des Islams, nutzte für die Beschreibung jedoch den Begriff Orientalismus und löste mit seinem 1978 veröffentlichten Buch „Orientalism“, eine der wichtigsten Debatten über das Verhältnis zwischen „dem Westen“ und „dem Orient“, genauer gesagt über die „Orientbilder“ des Westens aus20. Mit Hilfe von Ansätzen aus der französischen Diskurstheorie, insbesondere von Michel Foucault und britischen und französischen WissenschaftlerInnen und SchriftstellerInnen über „den Orient“, stellte er die These auf, dass es sich beim Orientalismus um eine kolonialistische Konstruktion des Anderen, eben des Orient handle, die über Jahrhunderte hinweg in gewissen Konstanten verlaufen wäre. Für Said handelt es sich dabei um ein klar hierarchisches Verhältnis zwischen Orient und Okzident. Sein Einleitungssatz von „Orientalism“ lautet:
“The relationship between Occident and Orient is a relationship of power, of domination, ob varying degrees of a complex hegemony”21.
Dem Orientalismus liegt damit auch bei Said ein Fremdbild zugrunde. Nach Said hat westliches Denken, als Denken in Gegensätzen, den Orient zum Gegenbild des Westens gemacht und über diese Konstruktion des Anderen das europäische Selbst erst konstruiert. Der „Orient“ wurde demnach vom Westen konstruiert. Der Orient wird also, durch das selbst konstruierte Gegenbild, zum Ort der Exotik und der Bedrohung während der Westen sich als Träger von Zivilisation zeigt. Somit beschrieb Edward W. Said schon in ersten Ansätzen das Phänomen der Islam- Feindlichkeit. Bekannt wurde das Wort „Islamophobie“ jedoch erst ein paar Jahre später, durch die Organisation „Runnymede Trust“, welche sich für die Gleichberechtigung der Rassen in Großbritannien einsetzt22. Hier wurde der englische Begriff islamophobia in Anlehnung an den Begriff xenophobia, englischer Begriff für Fremdenfeindlichkeit, 1997 genutzt um Ängste, Vorurteile und Hass gegenüber Muslimen, also gegenüber anti- islamischen Verhaltensweisen und Einstellungen zu bezeichnen23. Nach dem Model des Runnymede Trusts besteht das Konstrukt Islamophobie aus vier überlappenden Aspekten.
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1 BMI 2012
2 BMI 2012
3 Frindte et al. 2012: 65
4 BMI 201
5 Frindte et al. 2012: 317
6 Spielhaus 2005: 210
7 Leibold 2009: 145
8 Bielefeldt 2009: 168
9 Bielefeldt 2009: 168
10 Frindte et al. 2012: 65
11 Hafez/Richter 2007
12 Vodafone Stiftung Deutschland 2013
13 Vodafone Stiftung Deutschland 2013
14 Bielefeldt 2009: 182
15 Leibold 2009: 145
16 Leibold 2009: 145
17 Bielefeldt 2009: 182
18 Bielefeldt 2009: 182
19 Dinet/Ibrahim 1925, zitiert nach Allen 2010: 5
20 http://homepage.univie.ac.at/thomas.schmidinger/php/lehre/orientalismus_okzidentalismus.pdf
21 Said, 1994: 5
22 The Runnymede Trust 2012
23 Leibold/Kühnel 2003: 101