Um zu verstehen, weshalb Weiterbildungsmaßnahmen, welche sich speziell an der Zielgruppe der älteren Arbeitnehmer orientieren, von aktuell hoher und in Zukunft wahrscheinlich noch steigender Bedeutung sind, soll zuerst eine Betrachtung der Arbeitsmarktsituation erfolgen, welche sowohl eine Zustandsdarstellung, wie auch eine Prognose enthalten soll. Aus dieser Darstellung lässt sich im Anschluss eine Antwort auf die vorangegangene Frage ableiten.
Inhaltsverzeichnis
1. Ausganssituation
2. Der ältere Arbeitnehmer
3. Kognitive Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer
4. Das Lernverhalten Älterer
5. Literaturverzeichnis
1. Ausganssituation
Um zu verstehen, weshalb Weiterbildungsmaßnahmen, welche sich speziell an der Zielgruppe der älteren Arbeitnehmer orientieren, von aktuell hoher und in Zukunft wahrscheinlich noch steigender Bedeutung sind, soll zuerst eine Betrachtung der Arbeitsmarktsituation erfolgen, welche sowohl eine Zustandsdarstellung, wie auch eine Prognose enthalten soll. Aus dieser Darstellung lässt sich im Anschluss eine Antwort auf die vorangegangene Frage ableiten.
Die Alterszusammensetzung des deutschen Arbeitsmarktes hat sich im Bereich der Erwerbstätigkeit Älterer seit Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmend stark verändert. Im Vergleich mit anderen europäischen Staaten wuchs der Anteil der 55- bis 64-Jährigen von einem leicht unterdurchschnittlichen zu einem deutlich über dem Durchschnitt liegenden Wert. Brussig (2009) führt drei Ursachen für diese Entwicklung an: demographische Konstellation, Zunahme der Frauenerwerbsquote und wirtschaftliche und politische Umgestaltung des Arbeitsmarktes.[1]
Betrachtet man die Geburtenzahlen in Deutschland stellt man fest, dass der in der Vergangenheit niedrigste Wert für das Jahr 1945 angegeben wird. Seit diesem Zeitpunkt wuchsen die Geburtenzahlen bis circa Mitte der 1960er Jahre kontinuierlich an. Die Folge daraus ist ein Anstieg Älterer im Vergleich zur Gesamtbevölkerung seit etwa elf Jahren. Allein dadurch erhöht sich die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer in Relation zu anderen Altersgruppen erheblich. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Anteil der erwerbstätigen Frauen, durch gesteigerte Bildungsbeteiligung junger Frauen in der Mitte des 20. Jahrhunderts, stetig angestiegen ist. In der ehemaligen DDR war die Frauenerwerbsbeteiligung bereits seit ihrer Gründung bedeutend höher als in der Bundesrepublik, was sich bis heute in einer vergleichsweise höheren Frauenerwerbsquote wiederspiegelt. Weiterhin führen Reformen des Arbeitsmarktes sowie der Rentenpolitik zu einem erhöhten Anteil Älterer am Erwerbsleben. Das Paradigma der Frühverrentung als Ansatz zur Senkung der Arbeitslosigkeit wurde zugunsten einer Dynamisierung und Ausweitung der Arbeitsnachfrage aufgegeben, was sich beispielsweise durch Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt, Außerkraftsetzung der staatlich geförderten Altersteilzeit und die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre zeigt.[2]
Die Chance auf eine Erwerbstätigkeit generiert sich auf dem Arbeitsmarkt wie auch auf jedem anderen Markt durch das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wie oben aufgezeigt erhöht sich also das Angebot an älteren Arbeitnehmern und es lässt sich vorerst nicht mit einer Beendigung dieses Trends rechnen. Gleichzeitig führt der Demographische Wandel zu einer Verknappung an jüngeren Arbeitnehmern, was relativ gesehen die Nachfrage nach älteren Arbeitnehmern steigen lässt.
Clemens (2008) geht davon aus, dass ab Mitte des derzeitigen Jahrzehnts ein erheblicher Rückgang des deutschen Erwerbspersonenpotentials zu erwarten ist. Um dies zu kompensieren muss die Erwerbsdauer verlängert und die Erwerbsquote gesteigert werden. Es geht also im Grunde darum, ältere Arbeitnehmer länger und erfolgreich am Arbeitsleben teilnehmen zu lassen.[3] Aktuell lässt sich feststellen, dass die Erwerbsquote der Arbeitnehmer ab 55 Jahren zwar relativ zur Gesamterwerbsquote stärker steigt, der tatsächliche Anteil dieser Altersgruppe bleibt jedoch hinter der Gesamterwerbsquote zurück. Für die Gruppe der über 60-Jährigen lässt sich zudem eine erhebliche Differenz zur Erwerbsbeteiligung der anderen Altersgruppen feststellen. Dies zeigt sich auch am faktischen Renteneintrittsalter, welches mit 63,2 Jahren deutlich hinter den politisch geplanten 67 Jahren zurückbleibt.[4]
Betrachtet man zudem noch die altersspezifische Verteilung der Bildungsabschlüsse stellt man fest, dass die nachfolgenden Alterskohorten im Durchschnitt über höhere Qualifikationen verfügen, was demnach auch zu einer Niveauerhöhung beruflicher Qualifizierungsstandards auf dem Arbeitsmarkt zur Folge haben wird.[5] Zusammen mit der technischen Entwicklung, sowie des gesamtgesellschaftlichen Wandels zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft lässt sich daraus die Forderung nach lebenslangem Lernen ableiten, um mit den Anforderungen der Arbeitswelt mitzuhalten.
Schlussfolgernd lässt sich also feststellen, dass der Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren durch strukturellen und quantitativen Änderungen charakterisiert ist, welche eine Förderung der Erwerbsfähigkeit Älterer erfordert. Dies beinhaltet zum einen Maßnahmen zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser in das Erwerbsleben und zum anderen die Erhaltung der betrieblichen Leistungsfähigkeit der älteren Arbeitnehmer. Bedingt durch den raschen technologischen Fortschritt und die damit verbundene, kürzere Halbwertszeit fachlichen Wissen, sowie durch die Konkurrenz höherer Bildungsabschlüsse der jüngeren Altersgruppen, wird die Anpassung und Weiterentwicklung berufsbezogener Wissensbestände für die Partizipation am Erwerbsleben und die berufliche Leistungsfähigkeit zur essentiellen Grundvoraussetzung. Als Schlussfolgerung daraus kann man die Forderung nach Weiterbildung stellen, wobei dies hierbei die Frage aufwirft, inwiefern Weiterbildung altersspezifisch ist, bzw. vom Lebensalter eines Menschen abhängt. Anders gefragt: Lernen Ältere anders? Welche Unterschiede im Lernverhalten gibt es zwischen den Altersgruppen und welche Auswirkungen hat dies auf die berufliche Weiterbildung? Auf diese Fragen soll nun im Folgenden weiterführend eingegangen werden.
2. Der ältere Arbeitnehmer
Bevor anschließend darauf eingegangen werden kann, ob sich ältere Arbeitnehmer im Lernverhalten von ihren jüngeren Kollegen unterscheiden und wenn ja, auf welche physiologischen und psychologischen Ursachen diese Unterschiede zurückzuführen sind, muss zuerst einmal definiert werden, ab wann eine Person ein Älterer ist. Zu dieser Frage haben die Politik, die Gesellschaft, sowie einzelne Wissenschaftsdisziplinen teilweise sehr unterschiedliche Ansichten. Daher soll hier zunächst versucht werden, eine begriffliche Festlegung für den älteren Mitarbeiter zu treffen.
In der Literatur findet man verschiedenste Altersgrenzen für den Übergang vom jungen zum älteren Arbeitnehmer. Die Spanne beginnt, nach Einstellungshöchstalter für Werbeagenturen und Unternehmensberatungen, bei 30 – 35 Jahren, erstreckt sich über ein breites Mittelfeld zwischen 40 – 50 Jahren, beispielsweise vertreten durch Arbeitswissenschaftler, Arbeitsmediziner und die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), und endet bei einem Lebensalter von 50 – 65 Jahre, wofür die Bundesagentur für Arbeit, sowie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung einstehen.[6]
Die Unterschiede in den Einteilungen der Arbeitnehmer auf die einzelnen Altersgruppen erklärt sich zum Teil aus der Branche und der Aufteilung in Arbeiter, also hauptsächlich körperlich Arbeitende, sowie Angestellte, welche in der Hauptsache geistig tätig sind.[7] Zudem werden Unterscheidungen auf der Grundlage des körperlichen Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit durchgeführt, meist in Kombination mit der Einteilung des Erwerbslebens in regelmäßige Phasen.[8] Die Bewertung eines Arbeitnehmers als ‚alt‘ oder ‚jung‘ erfolgt jedoch immer zu einem großen Teil auf Basis sozioökonomischer Faktoren. Hinzu kommen die Faktoren des Geschlechts, der Kultur und der regionalen Zuordnung.[9]
Zusammenfassend kann man also feststellen, dass es keine einheitliche Definition für den älteren Arbeitnehmer gibt. Eine allumfassende Zuordnung scheint schon allein aufgrund der Vielzahl der biologischen Einflussfaktoren schwierig, wird jedoch bei Hinzunahme der sozioökonomischen Umstände schlicht unmöglich. Für den weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung soll, in Anlehnung an die Bemessungsgrundlage der Bundesagentur für Arbeit, sowie die Einschätzung der OECD, eine Altersgrenze von 45 – 50 Jahren festgelegt werden, da hierbei biologische Aspekte, der Eintritt in die zweite Hälfte des Erwerbslebens, sowie das derzeitige, durchschnittliche Renteneintrittsalter von 63,5 Jahren.[10]
3. Kognitive Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer
In der Vergangenheit ging man zumeist von der allgemeinen Annahme aus, dass ein Mensch mit zunehmendem Lebensalter grundsätzlich auch weniger leistungsfähig ist. Nach dem sogenannten Defizitmodell betraf dies sowohl die physische, wie auch die psychische Leistungsfähigkeit.[11] Zu diesem Ergebnis kamen zu dieser Zeit auch die meisten wissenschaftlichen Studien, wobei diese auf dem Vergleich von Kriterien beruhten, welche Jüngere in hohem Maße bevorzugten.[12] Obwohl neuere wissenschaftliche Erkenntnisse das Gegenteil beweisen, hält sich das Vorurteil des defizitären Älteren hartnäckig. Daher soll im Folgenden eine genauere Betrachtung der kognitiven Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer erfolgen, um im nächsten Abschnitt auf deren Lernfähigkeit eingehen zu können.
Im Vergleich zur physischen Leistungsfähigkeit, welche grundsätzlich immer individuellen, altersbedingten Einschränkungen der Leistungs- und Widerstandsfähigkeit unterliegt, muss für den Bereich der psychischen Kapazitäten eine differenziertere Sichtweise zur Beurteilung herangezogen werden. In der gerontologischen Intelligenzforschung hat sich mittlerweile die Zwei-Faktoren-Theorie weitestgehend durchgesetzt, nach welcher sich die Intelligenz eines Menschen aus der fluiden und der kristallinen Intelligenz zusammensetzt.[13] Diese beiden Faktoren charakterisieren sich wie folgt:
Fluide Intelligenz umfasst inhaltsübergreifende Denkfunktionen, wie beispielsweise die Aufnahme und Reaktion auf neue Informationen, Transferleistungen und das Anwenden bereits vorhandenen Wissens auf neue Umgebungsparameter. Fluide Intelligenzleistung beeinflusst vor allem die Fähigkeiten des Problemlösens und der Informationsverarbeitung.[14]
Kristalline Intelligenz umfasst das sogenannte Faktenwissen, aber auch das im Verlauf des Lebens erworbene Erfahrungswissen. Hierzu zählen auch Wissensaspekte der Kultur und der Sprache. Ebenfalls rechnet man soziales Wissen, und damit emotionale Intelligenz, zur kristallinen Intelligenz.[15]
Geht man nun davon aus, dass sich die kognitive Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer an der Gesamtintelligenz messen lässt, so muss man den Einfluss des Alterungsprozesses jeweils getrennt für beide Teilbereiche der Intelligenz betrachten. Für den Faktor der fluiden Intelligenz lässt sich dabei tatsächlich ein Leistungsabfall feststellen, welcher durch geringere Geschwindigkeit bei der Informationsverarbeitung, Defizite bei der Aufmerksamkeitssteuerung sowie eine geringere Kapazität des Arbeitsgedächtnisses. Dies hat zur Folge, dass komplexe, neuartige Situationen und Probleme langsamer oder gar nicht mehr bewältigt werden. Im Gegensatz dazu bleibt die kristalline Intelligenz im Alter relativ stabil, bzw. nimmt teilweise sogar zu.[16] Dabei ist die Steigerung der kristallinen Intelligenzleistung stark bildungsabhängig und bedarf stetiger Wiederholung, bzw. Training. Durch diese kontinuierliche Weiterentwicklung bestehenden Wissens können zudem Zusammenhänge eher und besser hergestellt, und neues Wissen, wenn auch langsamer aufgenommen und verarbeitet, in bereits bestehende Informationsbestände integriert werden.[17]
[...]
[1] Vgl. Brussig (2009), S.281.
[2] ebd. S.581f.
[3] Vgl. Clemens (2008), S.108.
[4] Vgl. Dietz (2008), S.255.
[5] Vgl. Clemens (2008), S.255.
[6] Vgl. Brandenburg & Domschke (2007), S.63f.; Prezewowsky (2009), S.69 & Bundesagentur für Arbeit (2010), S.53.
[7] Vgl. Brandenburg & Domschke (2007); S.63.
[8] Vgl. Prezewowsky (2009), S.69.
[9] Vgl. Brandenburg & Domschke (2007), S.64f.
[10] Deutsche Rentenversicherung (2011), S.1.
[11] Vgl. Brandenburg & Domschke (2007), S.81.
[12] Vgl. Bauer & Reiners (2009), S.55.
[13] Vgl. Prezewowsky (2009), S.70.
[14] Vgl. Brandenburg & Domschke (2007), S.84.
[15] Ebd. S. 85.
[16] Vgl. Prezewowsky (2009), S.70f.
[17] Vgl. Brandenburg & Domschke (2007), S.84f.