Der Ausbruch der Finanzkrise 2007 hat gezeigt, dass es im Finanzsystem außerhalb des Bankensektors Akteure gibt, von denen ein hohes systemisches Risiko ausgeht. Diese wurden bis dahin nur unzureichend reguliert. So entstand bei der Aufarbeitung dieser Krise der Begriff der Schattenbanken für gewisse Marktteilnehmer, worunter auch bestimmte Geschäftsbereiche und Produkte von Versicherungsgesellschaften gezählt werden. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben mittlerweile eine Reihe von Infor-mationen über diese unbekannten und wenig regulierten Bereiche des Finanzsystems gesammelt. Allerdings ist dieses ein fortlaufender Prozess der Informationsgewinnung. Man muss neue Entwicklungen verfolgen, um Regulierungsmaßnahmen ableiten zu können und so künftigen, von diesen Teilnehmern ausgehenden Gefahren, entgegen-zutreten.
Diese Arbeit legt ihren Fokus auf Versicherungen als Teil des Schattenbanksystems und deren Regulierung in Europa. Das Ziel ist es zu zeigen, inwieweit Versicherungen zum Schattenbanksystem zählen, welche regulatorischen Anforderungen auf Versicherungen zukommen und welche Auswirkungen sich daraus für die einzelnen Geschäftsbereiche ergeben.
Für eine Eingrenzung der Schattenbankthematik auf Versicherungsgesellschaften spricht insbesondere deren lang anhaltende hohe Bedeutung für das Finanzsystem. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie sich die Versicherungen ändernden Markt-bedingungen anpassen. Aufsichtsbehörden tragen durch entsprechende Gesetze und regulatorische Maßnahmen dafür Sorge, Privatanleger zu schützen und keine System-risiken entstehen zu lassen.
Zunächst wird ein kurzer Überblick über das Schattenbanksystem gegeben, gefolgt von einer Darstellung der zugehörigen Versicherungsbereiche. Darauf aufbauend werden die künftigen regulatorischen Maßnahmen durch die bald eintretende Solvency-II-Richtlinie erläutert und deren Wirkung auf das Schattenbankgeschäft von Versicherungen diskutiert. Abschließend werden Empfehlungen für weitere regulatorische Maßnahmen gegeben.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Entdeckung neuer Risiken für das Finanzsystem
2 Einordnung des Versicherungswesens in das Schattenbanksystem
2.1 Definition von Schattenbanken sowie deren Risiken für das Finanzsystem
2.2 Versicherungsgesellschaften als Teil des Schattenbanksystems
2.2.1 Die Entwicklung des Versicherungsgeschäfts
2.2.2 Betroffene Produkte und Geschäftsbereiche
3 Regulierung des Versicherungswesens nach Solvency II
3.1 Maßnahmen der Aufsichtsbehörden als Folge der Finanzkrise 2007
3.2 Aufbau und Auswirkungen der Solvency-II-Richtlinie
3.2.1 Das Drei-Säulen-Konzept
3.2.2 Konsequenzen für das Schattenbankgeschäft
3.3 Beurteilung weiterer Regulierungsvorschläge
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Entdeckung neuer Risiken für das Finanzsystem
Der Ausbruch der Finanzkrise 2007 hat gezeigt, dass es im Finanzsystem außerhalb des Bankensektors Akteure gibt, von denen ein hohes systemisches Risiko ausgeht.[1] Diese wurden bis dahin nur unzureichend reguliert. So entstand bei der Aufarbeitung dieser Krise der Begriff der Schattenbanken für gewisse Marktteilnehmer, worunter auch bestimmte Geschäftsbereiche und Produkte von Versicherungsgesellschaften gezählt werden. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben mittlerweile eine Reihe von Infor-mationen über diese unbekannten und wenig regulierten Bereiche des Finanzsystems gesammelt.[2] Allerdings ist dieses ein fortlaufender Prozess der Informationsgewinnung. Man muss neue Entwicklungen verfolgen, um Regulierungsmaßnahmen ableiten zu können und so künftigen, von diesen Teilnehmern ausgehenden Gefahren, entgegen-zutreten.
Diese Arbeit legt ihren Fokus auf Versicherungen als Teil des Schattenbanksystems und deren Regulierung in Europa. Das Ziel ist es zu zeigen, inwieweit Versicherungen zum Schattenbanksystem zählen, welche regulatorischen Anforderungen auf Versicherungen zukommen und welche Auswirkungen sich daraus für die einzelnen Geschäftsbereiche ergeben.
Für eine Eingrenzung der Schattenbankthematik auf Versicherungsgesellschaften spricht insbesondere deren lang anhaltende hohe Bedeutung für das Finanzsystem. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie sich die Versicherungen ändernden Markt-bedingungen anpassen. Aufsichtsbehörden tragen durch entsprechende Gesetze und regulatorische Maßnahmen dafür Sorge, Privatanleger zu schützen und keine System-risiken entstehen zu lassen.
Zunächst wird ein kurzer Überblick über das Schattenbanksystem gegeben, gefolgt von einer Darstellung der zugehörigen Versicherungsbereiche. Darauf aufbauend werden die künftigen regulatorischen Maßnahmen durch die bald eintretende Solvency-II-Richtlinie erläutert und deren Wirkung auf das Schattenbankgeschäft von Versicherungen diskutiert. Abschließend werden Empfehlungen für weitere regulatorische Maßnahmen gegeben.
2 Einordnung des Versicherungswesens in das Schattenbanksystem
2.1 Definition von Schattenbanken sowie deren Risiken für das Finanzsystem
Der Financial Stability Board (FSB) definiert Schattenbanken als ein System der „credit intermediation that involves entities and activities outside the regular banking system.”[3] Dieses System hat zunächst einmal eine Reihe von Vorteilen, da es u.a. für potenzielle Kunden eine zusätzliche Möglichkeit der Finanzierung gegenüber dem Bankkredit bietet und für Anleger eine weitere Option der Geldanlage darstellt.[4]
Aus der Definition ergibt sich, dass zum einen darunter Nicht-Banken zu verstehen sind, welche einlagenähnliche Geschäfte tätigen, Fristen- und/oder Liquiditätstrans-formation betreiben, Kreditrisiken transferieren und/oder Hebeleffekte nutzen. Zum anderen sind Tätigkeiten gemeint, die für Finanzunternehmen, die nicht zum Banken-sektor gehören, wichtige Finanzierungsmöglichkeiten bieten, wie Verbriefungen oder Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte.
Durch dieses nähere Verständnis ergeben sich Risiken, welche von diesem Sektor ausgehen. Aufgrund enger Verflechtungen zu Unternehmen des regulierten Finanz-sektors, mit gegenseitigen Abhängigkeiten, sind viele Schattenbanken systemrelevant, wegen hoher Ansteckungsgefahren für andere Teilnehmer des Finanzsystems.[5] Schattenbanken werden häufig von Akteuren des regulierten Finanzsektors errichtet um die Vorteile aus der Nicht-Regulierung dieser Märkte für ihr Geschäft zu ziehen (Regulierungsarbitrage). Das Tätigen von Fristen- und Liquiditätstransformation, den oftmaligen Aufbau hoher Schulden und dazu eine hohe Intransparenz lassen den Schattenbanksektor zu einem überaus gefährlichen Teil des Finanzsystems werden.[6] Außerdem unterliegen weite Teile dieses Systems einer unzureichenden Kontrolle seitens der Aufsichtsbehörden, wodurch meist ungenügende Sicherheiten für getätigte Geschäfte hinterlegt sind.
Trotz der nur schwer zu erhaltenen Informationen bezifferte der FSB das Volumen des Schattenbanksektors für 2012 annähernd auf 71,2 Billionen US-Dollar, was einem Anstieg im Vergleich zu 2011 von 6,9 % und einem Anteil von gut einem Viertel am gesamten Finanzsystem entspricht.[7]
Dieses verdeutlicht die hohe Bedeutung des Schattenbankwesens.
2.2 Versicherungsgesellschaften als Teil des Schattenbanksystems
2.2.1 Die Entwicklung des Versicherungsgeschäfts
Das originäre Versicherungskonzept kann als „Risikotransfer vom Versicherungs-nehmer auf den Versicherer gegen Prämienzahlung“[8] definiert werden. Als Beispiel nimmt man eine Haftpflichtversicherung, bei der, stark vereinfacht beschrieben, der Versicherungsnehmer dem Versicherungsgeber eine Prämie zahlt, wohingegen dieser bei einem entsprechenden Schaden durch den Versicherungsnehmer aufkommt. Die Leistung des Versicherungsgebers entsteht beim Schadensfall, aber auch schon zuvor durch die Übernahme des Risikos. Neben diesem Risikogeschäft ist das Spar- und Entspargeschäft ein weiterer Teil von Versicherungen wozu verschiedene Arten von Lebensversicherungen zählen.[9] Bei einer Form zahlt der Versicherungsnehmer eine Sparrate über Jahre hinweg beim Versicherer ein, wobei die jährliche Verzinsung des Kapitals meist vertraglich festgelegt wird. An einem festdatierten Termin zahlt der Versicherer dann das Geld entweder als Einmalbetrag oder durch eine monatliche Rente an den Versicherungsnehmer aus. Diese traditionellen Geschäftsbereiche beinhalten eine hohe Transparenz und einfach zu verstehende Produkte.[10] Zudem sind sie von Aufsichtsbehörden überwacht und reguliert, sodass diese kaum eine systemische Gefahr für das Finanzsystem darstellen.
Seit einigen Jahren kann man aber beobachten, dass Versicherungen, auf der Suche nach weiteren Einnahmequellen, sich in neue Geschäftsbereiche vortasten. In Zeiten niedriger Leitzinsen haben aktuell Lebensversicherer erhebliche Probleme, die oftmals hohen Zinsen alter Versicherungsverträge zu erfüllen, da es am Kapitalmarkt kaum noch rentable und gleichzeitig risikoarme Anlagemöglichkeiten gibt.[11] Andere Ver-sicherer leiden ebenfalls erheblich unter dem momentan niedrigen Zinsniveau. Auch aus diesem Grund schauen sich immer mehr Versicherungen nach alternativen Rendite-möglichkeiten, zusätzlich zum originären Geschäft, um. Im Zuge dessen ist eine zunehmende Bereitschaft seitens der Versicherer zu erkennen in das Geschäft der Kreditintermediation einzusteigen bzw. dies weiter auszubauen.[12] Daraus folgt gemäß der vom FSB getätigten Definition und dem darauf aufbauenden Bericht der Europäischen Kommission, dass Versicherungsgesellschaften zum Schattenbanksystem gehören, sofern sie Kreditprodukte vergeben oder garantieren.[13] Allerdings verfügen Versicherer in diesem Bereich noch nicht über das Wissen und die Erfahrung, wie sie es bei ihren Kerngeschäften über Jahrzehnte aufgebaut haben. Zudem sind diese Geschäftsfelder für Versicherungen noch weitestgehend nicht reguliert, woraus sich Risiken, wie eine geringe Transparenz, fehlende Rücklagenbildung, die Möglichkeit eines Schuldenhebels, die Ausübung riskanter Spekulationsgeschäfte und einer höheren Abhängigkeit von der Liquidität des Kapitalmarkts ergeben.[14] Versicherungs-unternehmen sind aber ein bedeutender Bestandteil des Finanzsystems, mit einer hohen wechselseitigen Verflechtung zum Bankensektor und demnach gelten größere Akteure als systemrelevant. Als Konsequenz daraus entstehen systemische Risiken für das gesamte Finanzsystem, wenn ein vernetztes Versicherungsunternehmen als Folge dieser Aktivitäten in Liquiditätsprobleme gerät.[15] Deshalb ist es erforderlich die betroffenen Produkte und Geschäftsbereiche zu identifizieren, um regulatorische Maßnahmen ableiten zu können.
2.2.2 Betroffene Produkte und Geschäftsbereiche
Es gibt zwei Arten von Produkten und Geschäftsbereichen seitens der Versicherungen in Bezug auf das Schattenbankwesen auf die im Folgenden ein Fokus gesetzt wird. Das Kriterium hierfür ist die in der Vergangenheit hohe oder aktuell steigende Relevanz für das Finanzsystem. Das ist zum einen der Bereich der verbrieften Kreditversicherungen, welcher vor allem während der zurückliegenden Finanzkrise eine wesentliche Rolle spielte. Zum anderen ist es der Bereich der Direktkreditvermittlung, der sich einer wachsenden Beliebtheit bei Versicherungsgesellschaften erfreut.
Verbriefte Kreditversicherungen, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), traten erstmals für die Öffentlichkeit während der Subprime-Krise 2007 in Erscheinung, im Zuge der beinahe Pleite des damals weltgrößten Kreditversicherers American International Group (AIG) und der darauf folgenden Rettung durch den amerikanischen Staat.[16]
Der Ablauf zur Entstehung einer CDS stark vereinfacht dargestellt: Eine Bank hat in ihrem Portfolio eine größere Menge an Kreditforderungen. Diese verkauft sie an eine eigens dafür eingerichtete Zweckgesellschaft, eine sogenannte Special Purpose Vehicle (SPV).[17] Deren einzige Aufgabe ist es diese Kreditforderungen zu bündeln und als verzinste Wertpapiere (Asset Backed Securities, ABS) an andere Finanzmarktakteure, meist Banken oder Versicherungen, zu verkaufen. Die Sicherheit der sich daraus ergebenen Forderung der Finanzmarktakteure gegenüber der SPV kann durch eine Art Garantie, im Gegenzug zu einer regelmäßigen Zahlung, erhöht werden.[18] Durch diese verbrieften Kreditversicherungen, den CDS, erhält der Finanzmarktakteur die Sicher-heit, dass eine dritte Partei die zu zahlenden Raten übernimmt, falls der Schuldner ausfallen sollte.
Der Sicherheitsgeber muss allerdings keine gesetzlichen Rücklagen für diese Produkte bilden, was Risiken beinhaltet.[19] Weitere Gefahren ergeben sich daraus, dass die Netz-werkverbindungen zwischen den Marktakteuren unübersichtlich sind, die Produkte nur über eine geringe Transparenz verfügen und das Geschäftsvolumen extreme Höhen erreichen kann.[20] Deshalb sind diese Produkte von den Aufsichtsbehörden genauestens zu beobachten und zu regulieren, da sich daraus systemische Risiken ergeben.
Die zweite zentrale Art ist die Direktkreditvermittlung, welche gerade in der jüngeren Vergangenheit verstärkt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt ist.[21] Hier werden, ohne die Zwischenschaltung einer Bank als Intermediär, Kredite direkt an Kreditnehmer vergeben. Der Bankensektor beanspruchte über Jahrzehnte hinweg diesen Geschäftsbereich für sich, sieht sich aber durch Basel III einem Wandel entgegen. Durch eine höhere Eigenkapitalquote und einer Erschwerung der Fristentransformation, also die Nutzung kurzfristiger Einlagen zur Vergabe langfristiger Kredite, geht die Attraktivität für langfristige Darlehen mit hohem Volumen verloren.[22] Dieser Rückzug wird von Versicherungen ausgenutzt, da sie keiner derartigen Regulierung unterliegen.
Das Problem dieser Kreditgeschäfte ist die Informationsasymmetrie zwischen Ver-sicherer und Kreditnehmer.[23] Da Versicherer besonders in Europa, aufgrund des für sie noch recht jungen Geschäfts, keinen Pool von Daten über potentielle Kreditnehmer zur Verfügung haben, ist eine Beurteilung der Kreditwürdigkeit oftmals nur schwer mög-lich. Auch haben sie oft nicht das nötige Gerüst in Form von Kreditspezialisten und elektronischen Datenverarbeitungssystemen, um eine professionelle Kreditvergabe zu gewährleisten. Deshalb machen sich viele Versicherer z. Zt. das Wissen der Banken zunutze, indem diese gegen Bezahlung seitens der Versicherer potenzielle Kredit-nehmer prüfen, die Kredite erstellen und diese dann an die Versicherer weiterleiten.
Besonders große Versicherungsunternehmen wie Allianz und AXA sind mittlerweile in größerem Umfang ins Direktkreditgeschäft eingestiegen und haben vor ihre Aktivitäten noch auszuweiten, wobei die Zielkundschaft primär Unternehmen, Immobilien und Infrastrukturprojekte sind. Auch hier ist eine stärkere Regulierung nötig, da besonders die privaten Sparer von Lebensversicherungen im schlimmsten Fall bei einer Insolvenz ihres Lebensversicherers durch ausgefallene Kredite ihr angespartes Vermögen ver-lieren würden. Dieses hat den Grund, weil Versicherungsgesellschaften keiner Ein-lagensicherung unterliegen.[24]
3 Regulierung des Versicherungswesens nach Solvency II
3.1 Maßnahmen der Aufsichtsbehörden als Folge der Finanzkrise 2007
Die Krise wies schmerzhaft die Schwächen vorhandener Behörden und bisheriger Regulierungsanforderungen an die Marktteilnehmer auf, sodass man als Konsequenz viele neue Aufsichtsstellen gründete. In vielen Fällen ersetzten diese bisherige Institute. Bezüglich der Schattenbanken und den Versicherungsgesellschaften wurden zwei neue Institute gegründet. Zum einen entstand durch die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) der FSB im Jahr 2009 als Nachfolger des Forums für Finanzstabilität.[25] Man stattete ihn mit mehr Aufgaben und Rechten aus, um so besser das gesamte Finanzsystem zu überwachen, Risiken schneller zu erkennen und Empfehlungen zur Regulierung zu erstellen. Somit wurde die Reaktionsfähigkeit der Aufsichtsbehörden erhöht. Für den Versicherungssektor in Europa entstand 2011 die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA), welche das bisherige Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS) ablöste. Durch den Wechsel von einem eher beratenden Komitee hin zu einer Behörde mit entsprechenden Rechten und Pflichten, zeigte sich auch hier der Wille der EU aktiv zu handeln und Maßnahmen zu ergreifen. Die EIOPA beschloss zwar daraufhin keine direkt in Kraft tretenden Maßnahmen für Versicherungsgesellschaften als Konsequenz der Finanzkrise, allerdings trieb sie das neue Regulierungspaket Solvency II weiter voran, welches von der EU ins Leben gerufen wurde und zum 01.01.2016 eingeführt werden soll. Das Ziel von Solvency II ist die jederzeitige ausreichende Ausstattung mit Eigenmitteln auch in Krisenzeiten zu garantieren, um so das Finanzsystem zu stabilisieren.[26] Es soll den Schutz von Versicherungsnehmern verbessern und zu einem effizienteren Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Auf-sichtsbehörden führen. Hinsichtlich der Rolle von Versicherungen als Schattenbanken ist festzustellen, dass Solvency II den wahren Risiken eines Versicherers besser Rechnung trägt und somit die betroffenen Bereiche vermehrt berücksichtigt.[27]
3.2 Aufbau und Auswirkungen der Solvency-II-Richtlinie
3.2.1 Das Drei-Säulen-Konzept
Die Solvency-II-Richtlinie ist auf einem Drei-Säulen-Konzept aufgebaut in Anlehnung an die drei Säulen des Regulierungsrahmens Basel II für den Bankensektor. Dieses Konzept legt somit neben den quantitativen und qualitativen Anforderungen, die Veröffentlichungspflichten, die Kapitalausstattung und Aufsicht von Versicherungs-gesellschaften fest.
Säule 1 beschreibt die Kapitalvoraussetzungen, die das Versicherungsunternehmen erfüllen muss. Dabei geht es um die auf dem Risiko beruhende Anforderung an die Eigenmittelausstattung, wodurch man alle bedeutsamen Risiken, wie Versicherungs-risiken, Anlagerisiken, welche wiederum die Markt- und Kreditrisiken beinhalten und operationale Risiken abdeckt.[28] Versicherer müssen also stets genügend Eigenkapital für Kapitalanlagen entsprechend des jeweiligen Risikos hinterlegen. Zur Ermittlung werden zwei Kennzahlen für jedes Unternehmen ermittelt, welche es zu erfüllen hat. Das ist zum einen die Solvenzkapitalanforderung (Solvency Capital Requirement, SCR), welche alle quantitativ bestimmbaren Risiken der Versicherungsgesellschaft beinhaltet.[29] Man stellt mit ihr sicher, dass alle aktuellen und für das nächste Jahr zu erwartenden Verpflichtungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5 % bedient werden können.[30] Zur Berechnung des zu hinterlegenden Eigenkapitals kann man wählen zwischen einem von der EU ausgegebenen Standardmodell oder einem selbst ent-wickelten internen Modell, welches allerdings vorher genehmigt werden muss.[31] Zum anderen gibt es eine Mindestkapitalanforderung (Minimum Capital Requirement, MCR), welche die Eigenkapitalhöhe beschreibt, die ein Versicherer mindestens zu erfüllen hat. Bei Unterschreitung einer dieser Eigenkapitalanforderungen, muss der Ver-sicherer Wege aufweisen, wie er zeitnah wieder über diese Mindestvoraussetzungen kommt. Außerdem drohen Sanktionen von der Aufsichtsbehörde.
Säule 2 beinhaltet die qualitativen Mindestanforderungen an das Risikomanagement. Im Mittelpunkt stehen hier Regeln zum Ablauf der Prozesse, stimmige Verfahren zur Bewertung von Rückstellungen, eine Risikoprüfung durch die Aufsichtsbehörde, sowie ein gut aufgebautes, auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Risikomanagement mit ausge-reiften internen Kontrollen.[32] Außerdem erfordert die zweite Säule eine transparente Organisationstruktur, sowie erhöhte Qualitätsanforderungen an das Management.
Säule 3 behandelt umfassendere Publizitäts- und Offenlegungspflichten für Versiche-rungsunternehmen.[33] Öffentlichkeit und Aufsichtsbehörden gelangen leichter und öfter an die Daten des Versicherers, was zu einer steigenden Transparenz führt. Durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit erhöht sich der Druck auf die Versicherer, die Vor-gaben der Aufsichtsbehörden einzuhalten, da sonst mit einem Reputationsverlust zu rechnen ist (Marktdisziplin).
3.2.2 Konsequenzen für das Schattenbankgeschäft
Der Ansatz einer risikobasierten Kapitalanlage von Solvency II, bei der Versicherer unterschiedlich hohe Rücklagen für verschiedene Anlageklassen bilden müssen, berück-sichtigt angemessen die durch Schattenbanktätigkeiten entstehenden Risiken.[34] So müssen bei verbrieften Produkten wie CDS Versicherer eine Eigenkapitalrücklage bilden, die das Risiko dieser Anlage widerspiegelt.[35] Außerdem dürfen Versicherer nur solche ABS durch CDS absichern, welche den Vorschriften an die Transparenz und eine ausreichende Verlustbeteiligung gemäß der Solvency-II-Richtlinie entsprechen.[36] Durch diese Maßnahmen stellt die EU sicher, dass europäische Versicherungsgesellschaften nicht in Bedrängnis geraten können, wie es beim amerikanischen Versicherer AIG der Fall war. Dieser hatte damals im großen Stil ABS mit CDS abgesichert, ohne allerdings irgendwelche Rücklagen zu bilden, da diese gesetzlich nicht vorgeschrieben waren.[37] Außerdem vertraute AIG zu sehr den Einschätzungen der Rating-Agenturen ohne sich selber die abzusichernden Produkte genauer anzuschauen. Erfüllen die ABS nicht die Anforderungen von Solvency II, wird ein Investment in diesen Anlagen kaum machbar sein, aufgrund des sehr hohen zurückzulegenden Eigenkapitals.[38]
Auch im Geschäft der Direktkreditvermittlung müssen Versicherungsgesellschaften unter Solvency II neue Regeln berücksichtigen. So sieht die neue Richtlinie vor, dass Versicherer, gemäß der ersten Säule von Solvency II, auch Eigenkapitalrücklagen für Kreditrisiken bilden müssen.[39] Wie hoch diese Rücklagen jeweils sein müssen, ergibt sich aus der Risikoklasse der jeweiligen Anlage. Ein Kriterium dabei ist u.a. die Volatilität einer Kapitalanlage, also die Schwankung um ihren Mittelwert. Dieses Kriterium bevorzugt Immobilien im besonderen Maße als Kapitalanlage, da sie eine sehr geringe Volatilität aufweisen und deshalb ein niedrigeres Marktpreisrisiko als andere Kapitalanlagen haben. Diese Bevorzugung von Immobilien wird vermutlich dazu führen, dass Versicherungsgesellschaften das Geschäft mit Hypothekendarlehen noch weiter ausbauen und somit auf mittlere Frist, durch den gleichzeitigen Rückzug der Banken aus diesem Bereich, zumindest in gewissen Gebieten zum Marktführer aufsteigen werden.[40]
Neben diesen beiden Geschäftsbereichen reguliert Solvency II weitere, auch für die Schattenbanktätigkeiten wichtige, Bereiche verstärkt. So dürfen Versicherungsgesell-schaften in Zukunft Zweckgesellschaften nur noch errichten, wenn sie von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden.[41] Damit will die EU erreichen, dass die Möglich-keit der Regulierungsarbitrage verringert wird, um so die Risiken, welche sich daraus ergeben, zu begrenzen. Außerdem wird es unter Solvency II eine Gruppenaufsicht für Unternehmen geben, sodass ein Bilanzansatz für die gesamte Versicherungsgruppe erstellt werden muss, gleichgültig in welchen Ländern die einzelnen Tochtergesellschaften ihren Standort haben. Dadurch werden die Aufsichtsbehörden der Länder, in denen der Hauptsitz des jeweiligen Konzerns liegt, gestärkt.[42] Die Aufsicht kann sich so ein Bild von der Risikolage der Versicherungsgruppe machen, was besonders wichtig aufgrund der immer stärkeren Vernetzung des Finanzsystems ist. Dadurch können frühzeitig mögliche systemische Risiken entdeckt und behandelt werden.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass mit Einführung der Solvency-II-Richtlinie es nicht nötig ist, dass Versicherer ihre Schattenbanktätigkeiten aufgeben, solange sie gewillt sind, die wesentlich höheren Regulierungsanforderungen zu erfüllen.
[...]
[1] Vgl. hier und folgend Deutsche Bundesbank (2010), S. 127.
[2] Vgl. hier und folgend Europäische Kommission (2012), S. 7.
[3] Financial Stability Board (2011), S. 1.
[4] Vgl. hier und im Folgenden Europäische Kommission (2012), S. 4f.
[5] Vgl. hier und im Folgenden Hauck et al. (2014), S. 8.
[6] Vgl. hier und folgend Utzig (2012), S. 18ff.
[7] Vgl. Financial Stability Board (2013b), S. 3f.
[8] Farny (2011), S. 9.
[9] Vgl. hier und folgend ebenda (2011), S. 53f.
[10] Vgl. hier und folgend IAIS (2011), S. 32f.
[11] Vgl. hier und im Folgenden Schwarzbach et al. (2014), S. 48; Vgl. dazu auch Heuer/Schwalba (2013), S. 915.
[12] Vgl. Rudolph (2012), S. 860f.
[13] Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 4.
[14] Vgl. IAIS (2013), S. 16.
[15] Vgl. Rudolph (2012), S. 852.
[16] Vgl. Elschen/Lieven (2009), S. 231.
[17] Vgl. hier und folgend Hartmann-Wendels et al. (2010), S. 207ff.
[18] Vgl. hier und folgend Hull (2014), S. 403ff.
[19] Vgl. Elschen/Lieven (2009), S. 82.
[20] Vgl. Bosch/Ertogrul (2013), S. 190.
[21] Vgl. Die Welt (2013); Vgl. dazu auch Handelsblatt (2012); Vgl. dazu auch Der Spiegel (2012).
[22] Vgl. hier und folgend Trampe (2011); Vgl. dazu auch Demary/Schuster (2013), S.30f.
[23] Vgl. hier und im Folgenden Financial Stability Board (2013a), S. 41ff.
[24] Vgl. Schrooten (2012), S. 214.
[25] Vgl. hier und folgend Financial Stability Forum (2009).
[26] Vgl. hier und folgend Europäische Kommission (2011), S. 14.
[27] Vgl. Happe (2011), S. 704.
[28] Vgl. Hull (2014), S. 323f.
[29] Vgl. Vogelgesang (2011), S. 234f.
[30] Vgl. BaFin (2013a).
[31] Vgl. hier und im Folgenden Nguyen (2008), S. 392ff.
[32] Vgl. hier und folgend BaFin (2013b); Vgl. dazu auch Nguyen (2008), S. 394f.
[33] Vgl. hier und im Folgenden BaFin (2013c); Vgl. dazu auch Vogelgesang (2011), S. 235.
[34] Vgl. Happe (2011), S. 704; Vgl. dazu auch Europäische Kommission (2013), S. 6.
[35] Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 9f.
[36] Vgl. Happe (2011), S. 706.
[37] Vgl. hier und folgend Elschen/Lieven (2009), S. 82.
[38] Vgl. Happe (2011), S. 706.
[39] Vgl. Europäische Kommission (2013), S. 6.
[40] Vgl. Happe (2011), S. 706.
[41] Vgl. hier und im Folgenden Europäische Kommission (2013), S. 6.
[42] Vgl. Lüttringhaus (2011), S. 824.