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Prüfungsvorbereitung, 2010
4 Seiten
Thema I: Grammatikalisierung der Pluralmarker im Deutschen
These 1: Unter Grammatikalisierung wird im Allgemeinen die Entwicklung eines syntaktische selbständigen und semantische gehaltvollen Lexems zu einem gebundenen und semantische leeren, aber eine grammatische Funktion übernehmenden Element bzw. von einer grammatischen Einheit zu einer grammatischeren Einheit.
These 2: Dieses ursprüngliche Lexem (oder eine Lexemgruppe) durchläuft dabei mehrere Phasen, in denen dieses Lexem weitgehend an Autonomie (syntaktisch, morphologisch und semantisch) und Gewicht verliert, wobei der Schwund einer entstandenen grammatischen Einheit den höchsten Grad an Grammatikalisierung darstellt.
These 3: Den gängigen Annahmen entsprechend kann die Entstehung der fünf deutschen Pluralmarker nicht unter dem linguistischen Terminus „Grammatikalisierung“ subsumiert werden, da es sich bei keinem Flexions-Marker um die Veränderung eines freien Lexems zu einem grammatischen Element (hier Suffix oder Stammvokalalternation) handelt.
These 4: Da die Pluralmarker (bis auf den s -Plural) aus ehemaligen Stammbildungssuffixen von Flexionsklassen durch Reanalyse hervorgegangen sind, scheint diese Entwicklung eher ein Fall von Degrammatikalisierung oder semantischer Verstärkung zu sein, da die Kategorie „Flexionsklasse“ abstrakter (also semantisch leerer) als die konkrete Kategorie „Plural“ (d.h. Mehrzahl) ist.
These 5: Wenn man die Entwicklung der Pluralmarkierung des Deutschen weiter bis ins Germanische und Indo-Europäische verfolgt (bzw. rekonstruiert!), wird deutlich, dass die deutschen Pluralmarker auf ehemalige Ableitungssuffixe zurück gehen, die zu Wort- bzw. Genusklassenmakern und daraufhin als Stammbildungssuffixe reanalysiert wurden und bereits im Ahd. ihre Transparenz verloren hatten.
These 6: Somit kann die Entwicklung der gegenwärtigen Pluralmarker des Deutschen als Weiterführung eines Grammatikalisierungsprozesses betrachtet werden, der durch Umbrüche gekennzeichnet ist, in denen die Endphase der Grammatikalisierung - dem Schwund von bedeutungslosem grammatischem Material - durch Exaptation i.w.S. verhindert wurde und es zu einer neuen Nutzbarmachung von „junk“-Elementen geführt hatte.
Thema II: Adverbiale Spaltungskonstruktionen
These 1: Unter „adverbiale Spaltungskonstruktion“ wird die Trennung eines Präpositionaladverbs in Adverb und Präposition sowie Distanzstellung dieser Konstituenten in einem Satz verstanden. In der Regel wird dazu ebenfalls die Distanzverdoppelung hinzugerechnet, bei der das Element des „da“ oder „wo“ vor der Präposition erhalten bleibt (und damit verdoppelt wird).
These 2: Ein Grund für diese zusammenfassende Beschreibung ist die Tatsache, dass die Spaltung und die Verdoppelung nicht im gesamten Sprachgebiet parallel vorkommen, sondern dies areal komplementär verteilt ist (mit einem Übergangsgebiet).
These 3: Neben der unterschiedlichen arealen Verteilung zeigt sich außerdem eine Abhängigkeit vom Anlaut der Präposition, die entscheidend dafür ist, ob die Distanzverdoppelung oder die Spaltungskonstruktion (auch areal) bevorzugt wird.
These 4: Eine gemeinsame syntaktische Beschreibung beider Phänomene ist jedoch dahingehend problematisch, als das die Oberflächenstruktur keinen Aufschluss darüber gibt, ob die Spaltungskonstruktion grundlegend ist und für die Distanzverdoppelung ein zusätzliches Adverb hinzugefügt wird oder umgekehrt die Distanzverdoppelung grundlegend ist und bei der Spaltungskonstruktion ein doppeltes Adverb vor der Präposition getilgt werden muss.
These 5: In der diachronen Sichtweise wird jedoch deutlich, dass die Präpositionaladverbien aus einer Zusammenrückung aus zwei selbständigen Lexemen entstanden und daher ursprünglich bereits im Ahd. nur die Spaltungskonstruktion möglich war. Daher sollte eine getrennte Entwicklung der Präpositionaladverbien im Niederdeutschen und im Hochdeutschen angenommen werden und somit die Distanzverdoppelung und die Spaltungskonstruktion als voneinander unabhängige Phänomene betrachtet werden müssen.
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