Seit dem 1. November 2012 hat die Bundesregierung mit dem „Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz“ und dem „Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes“ einen neuen Weg eingeschlagen. Sie möchte die Bürger/innen nun regelmäßig dazu auffordern, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und sich gegebenenfalls mit ihrer (schriftlich vorliegenden) Entscheidung bei der jeweiligen Krankenkasse registrieren zu lassen. Die Menschen sollen dann in geregelten zeitlichen Abständen wiederum zum Thema informiert und um Stellungnahme gebeten werden.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem nun in Deutschland in Bezug auf die Organspende vorherrschenden Konzept der Erklärungslösung und stellt dessen Vor- und Nachteile heraus. Im Anschluss daran soll die neue Regelung sowohl mit der bisher geltenden Zustimmungslösung als auch mit der, in anderen Ländern praktizierten, Widerspruchslösung verglichen werden. Zum Abschluss soll auf die post-mortem-Spende als Tugendpflicht eingegangen werden.
1. Einleitung
Im Rahmen des Seminars zu den Grundfragen der Medizinethik haben wir uns aus aktuellem Anlass mit dem Thema der Organspende befasst. Seit dem 01. November 2012 hat die Bundesregierung mit dem „Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz“ und dem „Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes“[1] einen neuen Weg eingeschlagen und möchte die Bundesbürger/innen nun regelmäßig dazu auffordern sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und sich gegebenenfalls mit ihrer (schriftlich vorliegenden) Entscheidung bei der jeweiligen Krankenkasse registrieren zu lassen. Die Menschen sollen dann in geregelten zeitlichen Abständen wiederum zum Thema informiert und um Stellungnahme gebeten werden.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem nun in Deutschland in Bezug auf die Organspende vorherrschenden Konzept der Erklärungslösung und stellt dessen Vor- und Nachteile heraus. Im Anschluss daran soll die neue Regelung sowohl mit der bisher geltenden Zustimmungslösung als auch mit der, in anderen Ländern praktizierten, Widerspruchslösung verglichen werden. Zum Abschluss soll auf die post-mortem-Spende als Tugendpflicht eingegangen werden.
2. Die „Erklärungslösung“
Die Erklärungslösung soll den Deutschen die Möglichkeit geben sich in zweijährigen Abständen mit der Organspende auseinanderzusetzen. Dadurch möchte man sicherstellen, dass mehr Menschen zu ihrer Spenderbereitschaft Stellung nehmen und sich wohlmöglich als Spender registrieren lassen. Bis 2013 sollen alle Bundesbürger/innen im Rahmen der Gesundheitskarte informiert worden sein. Es wird weiterhin niemand gezwungen sich zu entscheiden und getroffene Entscheidungen können jederzeit zurückgezogen oder geändert werden. Es gibt außerdem die Möglichkeit die Spenderbereitschaft nur für spezielle Organe auszusprechen.[2]
2.1 Vorteile
Als ein großer Vorteil der Erklärungslösung kann der Umstand genannt werden, dass das Thema Organspende nicht weiter totgeschwiegen und höchstens mal am Rande erwähnt wird, sondern es wird von nun an explizit darauf aufmerksam gemacht. Durch die Erklärungslösung können viele Menschen erreicht werden und die Aufforderung an die Menschen sich Gedanken zu machen kann ihrer Uninformiertheit aber auch einfach ihrer Trägheit entgegenwirken. Viele Menschen müssen erst mit der Nase auf ein Problem bzw. einen Umstand gestoßen werden um sich wirklich damit auseinanderzusetzen und damit einhergehend eine informierte Entscheidung treffen zu können.
Im Rahmen der Erklärungslösung wird der Bürger mit umfassenden Informationen zur Organspende ausgestattet. Die Bürger sollen sowohl über das Verfahren der Organspende als auch den Ort der Durchführung informiert werden. Außerdem wird über die medizinischen Richtlinien der Bundesärztekammer zum Hirntod informiert und man bekommt die Möglichkeit dieses Theoriegebäude der Organspende mit den eigenen Vorstellungen in Bezug zu setzen. Des weiteren soll darüber aufgeklärt werden, dass im Falle einer Entscheidungsenthaltung weiterhin die Angehörigen des Patienten zur Spenderbereitschaft befragt werden.[3]
Die Erklärungslösung kann auch einen Vorteil für die Angehörigen von Verstorbenen mit sich bringen. Wenn mehr Menschen dazu befähigt werden eine informierte Entscheidung bezüglich ihrer Spenderbereitschaft zu treffen müssen die Angehörigen nicht in einem Satz vom Tod eines geliebten Menschen und der Möglichkeit dessen Organe zu spenden informiert werden. Sie können sich dann ganz auf sich selbst konzentrieren und müssen nicht mehr darüber nachdenken, was der Verstorbene vielleicht gewollt hätte. Dessen Wunsch wäre dann eindeutig dokumentiert.[4] Ein weiterer Vorteil könnte darin liegen, dass durch die andauernde Information über das Thema auch das Gespräch innerhalb der Familien auf das Thema Organspende gelenkt werden könnte. Die Menschen könnten dazu angeregt werden sich mit ihrem Partner, ihren Kindern oder anderen Angehörigen über ihre Organspendebereitschaft zu unterhalten. Das könnte sowohl die eigene Entscheidung als auch die Entscheidung der Angehörigen auf den Weg bringen und Angehörige im Unglücksfall zu einer informierten Entscheidung im Sinne des Verstorbenen befähigen, in diesem Falle mit oder ohne Registrierung bei der Krankenkasse.
Freiwilligkeit bleibt bestehen. Es bleibt den Menschen weiterhin freigestellt, wie sie mit der Möglichkeit ihre Organe zu spenden umgehen möchten. Dies ist dahin gehend wichtig als das die Bürger sich in ihrer Entscheidung nicht unter Druck gesetzt fühlen sollen. Sie können für sich selbst entscheiden ob sie das zugesendete Material lediglich als Information oder als Anregung verstehen möchten. So wird im Rahmen dieser Lösung der Bürger so weit in die Pflicht genommen als das er/sie zumindest darüber nachdenkt, sich auf dieser Ebene am solidarisch orientierten Gesundheitssystem zu beteiligen. Er wird nicht gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Außerdem ist eine getroffene Entscheidung nicht unwiderruflich getroffen.[5]
2.2 Nachteile
Ein Nachteil der Erklärungslösung könnte in der Bürokratisierung der Spenderbereitschaft liegen. Viele Menschen hegen eine Abneigung gegen registrierte Stellungnahmen, die ihr persönliches Leben und ganz persönliche Entscheidungen betreffen. Sie haben Angst vor dem Missbrauch ihrer Daten und Angst davor, dass eine Entscheidung negative Konsequenzen für sie haben könnte. Sie möchten sich mit derartigen Informationen nicht „ins System“ begeben und könnten nunmehr stärker vor einer Spende zurückschrecken. Der altehrwürdig Organspendeausweis war viel eher privater Natur und konnte die persönliche Entscheidung besser tragen. Das andauernde Informieren des Bürgers durch den Staat könnte außerdem als störend empfunden werden, was die Entscheidung zur oder gegen die Organspende beeinflussen kann. Außerdem ist es fragwürdig, inwiefern diese Aufforderung zur (halb)öffentlichen Stellungnahme nicht manche Menschen zur Einwilligung in die Organspende „nötigt“, da es manchem schwerfallen könnte, sich in einem solchen Rahmen dagegen zu entscheiden einem andern Menschen, wie es so schön heißt, Hoffnung und Leben zu schenken. Obwohl nicht häufig genutzt, wird die Organspende doch weitläufig als noble, ehrenwerte und gar anzustrebende Tat eingestuft, was so manchen unter Zugzwang stellen könnte.[6]
[...]
[1] Vgl. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2012/03/2012-03-06-Organspende.html
[2] Vgl. Ebd.
[3] Vgl. Schleissing, Stephan. Die Entscheidungslösung als Ausdruck des Persönlichkeitsrechts S. 3 (des den Studierenden vorliegenden Materials: Organspende eine Bürgerpflicht!?)
[4] Vgl. Manzeschke, Arne. Eine Sozialpflichtigkeit der Organe darf es nicht geben“ S. 4 ( des den Studierenden vorliegenden Materials: Organspende eine Bürgerpflicht!?)
[5] Vgl. Schleissing, Stephan. Die Entscheidungslösung als Ausdruck des Persönlichkeitsrechts S. 2 (des den Studierenden vorliegenden Materials: Organspende eine Bürgerpflicht!?)
[6] Vgl. Manzeschke, Arne. Eine Sozialpflichtigkeit der Organe darf es nicht geben“ S. 4 ( des den Studierenden vorliegenden Materials: Organspende eine Bürgerpflicht!?)
- Arbeit zitieren
- Anika Kehl (Autor:in), 2013, Zur klinischen Ethik: Organspende, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/279041