Hospiz – weil Sterben ein Teil des Lebens ist. Dieser Gedanke ist tief greifend und für viele Menschen nur schwer nachvollziehbar. Sterben ist durch den gesellschaftlichen Wandel in den letzten hundert Jahren noch schwerer geworden, als es durch die existenzielle Bedrohung, durch die Vielfalt der Krisen und die Veränderung der Gesellschaft schon war. Hauptursachen sind jedoch nicht nur die Auflösung des Familienverbandes sondern auch die fühlbare psychische und physische Überforderung vieler Angehöriger mit der Pflege eines Sterbenden.
Die Hospizarbeit umfasst den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit, wobei der sterbende Mensch und seine Angehörigen im Mittelpunkt stehen.
Aus dem Inhalt:
- Kennzeichen der Hospizarbeit
- soziale, körperliche und psychische Dimension
- Qualitätsmerkmale der Hospizarbeit
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2 Kennzeichen der Hospizarbeit
2.1 Bedeutung der sozialen Dimension
2.2 Struktur der körperlichen Dimension
2.2.1 Erschöpfung und Müdigkeit
2.2.2 Körperpflege
2.2.3 Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme
2.2.4 Schmerzen
2.3 Bedeutung der psychischen Dimension
2.4 Grundlagen der spirituellen Dimension
3. Qualitätsmerkmale der Hospizarbeit
3.1 Sterbende und ihr soziales Umfeld
3.2 Unterstützende Begleitung
3.3 Ehrenamtliche Helfer
3.4 Teamarbeit
3.5 Kontinuität der Begleitung
Quellen-/Toolverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
1. Einleitung
Hospiz – weil Sterben ein Teil des Lebens ist. Dieser Gedanke ist tief greifend und für viele Menschen nur schwer nachvollziehbar. Sterben ist durch den gesellschaftlichen Wandel in den letzten hundert Jahren noch schwerer geworden, als es durch die existenzielle Bedrohung, durch die Vielfalt der Krisen und die Veränderung der Gesellschaft schon war. Hauptursachen sind jedoch nicht nur die Auflösung des Familienverbandes sondern auch die fühlbare psychische und physische Überforderung vieler Angehöriger mit der Pflege eines Sterbenden.
Die geplanten Veränderungen im Gesundheitswesen haben Unruhe und Verunsicherung ausgelöst. Besonders alte und schwerstkranke Menschen fragen sich, wie viel medizinische und pflegerische Leistung sie erwarten können, und welche Wertschätzung ihnen am Ende ihres Lebens noch entgegengebracht wird. Die Begleitung Schwerstkranker und Sterbender ist ein brisantes öffentliches Thema und eine große Herausforderung für die Verantwortlichen der Gesundheits- und Sozialpolitik.
Unzählige Schlagzeilen in allen Medien handeln vom Sterben, Sterbehilfe, Hilfe beim Sterben und einem selbst bestimmten Lebensende. Menschen haben Angst vor diesem Sterben - haben Sorge, mit ihrem Leid, anderen ausgeliefert zu sein. Tod und Sterben gehören zum Leben und werden dennoch aus dem Leben ausgeblendet und verdrängt. Der medizinische Fortschritt und die Entwicklung immer effektiverer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten fördern den Glauben an die Allmacht der Medizin – selbst in aussichtslosen Fällen. In einer Gesellschaft, die die Attribute jung, gesund, erfolgreich und dynamisch als Ideale propagiert, ist für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Sterben und Tod wenig Platz.
In den letzten zwanzig Jahren hat die Hospizbewegung mit dazu beigetragen, dass sich ein nun spürbarer Wandel in der Einstellung vieler Menschen zu Sterben und Tod vollzieht. Fachleute und vor allem Laien engagieren sich zunehmend für eine menschenwürdige Sterbe- und Trauerbegleitung.
2 Kennzeichen der Hospizarbeit
Die Hospizarbeit umfasst den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit, wobei der sterbende Mensch und seine Angehörigen im Mittelpunkt stehen. Im Sinne der „hospizlichen“[1] Begleitung gibt der Betroffene den Weg vor und kontrolliert nach Möglichkeit seine Situation. Der Klient wird stets in allen vier Dimensionen seiner Existenz - der sozialen, physiologischen, psychologischen und spirituellen Dimension - wahrgenommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kennzeichen der Hospizarbeit
Quelle: vgl. Student, J.-C., Hospiz, in: Student, J.-C. (Hg.) u.a., Sterben, Tod und Trauer, Handbuch für Begleitende, Freiburg, 2004, S. 91 ff
Diese vier Kernpunkte der Wünsche sterbender Menschen werden in verschiedenen Stadien des Sterbens sichtbar, und treten der Erfahrung nach bei den meisten Sterbenden und deren Angehörigen auf.
2.1 Bedeutung der sozialen Dimension
Der Wunsch, nicht alleine gelassen zu werden, ist Ausdruck der Hoffnung, in vertrauter Umgebung und im Kreise von nahe stehenden Menschen, sterben zu dürfen. Die soziale Dimension betrifft den vordringlichsten Wunsch sterbender Menschen und wird lt. Umfragen von 80-90% aller Menschen geäußert. Es ist bekannt, dass ca. 50% der Sterbenden ihr Leben im Krankenhaus und ca. 30% in Pflegeheimen beenden. 90% aller Befragten möchten zu Hause sterben; diese Möglichkeit ist jedoch nur 10-20% aller Menschen gegeben.
Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass Anfang des 20. Jh. immerhin noch ca. 80% der Menschen zu Hause sterben durften. Die Verschiebungen des Sterbeortes können nicht nur mit der Aufrüstung der Intensivmedizin, sondern vor allem mit der Auflösung der Großfamilie, der Migration der Kinder, und den vielen Ein-Personen-Haushalten begründet werden.[2]
Es muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass ein Sterben zu Hause nicht für alle Menschen möglich sein kann, jedoch unter folgenden Voraussetzungen verwirklicht werden sollte:
- Der ausdrückliche Wunsch des Klienten, zu Hause sterben zu wollen.
- Das Wissen des Klienten um seine todbringende Krankheit und der damit verbundene Wunsch, keine Maßnahmen, die das Leiden unnötig verlängern, zu erhalten.
- Eine gesicherte häusliche Versorgung.
- Aufgeklärte Angehörige, die in der Lage sind, dem Sterbenden Ruhe und Kraft zu geben.[3]
Klaschik bemerkt, dass es aufgrund der strikten Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung nicht unproblematisch ist, Patienten nach einer notwendigen Krankenhausbehandlung frühzeitig nach Hause zu schicken. Er betont die Notwendigkeit einer guten Kooperation zwischen Krankenhaus auf der einen Seite und häuslicher Versorgung auf der anderen Seite.[4] Einige Krankenhäuser erkennen diese
Problematik, kooperieren eng mit Sozialstationen oder richten eigene Sozialstationen ein, um eine adäquate Überleitung nach Hause und somit eine nachfolgende Betreuung zu ermöglichen, die den Bedürfnissen des Klienten entspricht.
2.2 Struktur der körperlichen Dimension
Klienten wünschen sich, während ihrer Erkrankung weder geistig beeinträchtigt noch körperlich entstellt zu werden. Der Wunsch „ohne körperliche Schmerzen“ sterben zu dürfen, drückt verschiedenartige körperliche Bedürfnisse aus und bestimmt weitgehend die Befindlichkeit des Betroffenen.
2.2.1 Erschöpfung und Müdigkeit
Der sterbende Mensch braucht aufgrund seiner Müdigkeit meist viel Ruhe und Schlaf, da bereits geringe Anstrengungen zur körperlichen Ermattung führen können. Schwäche gilt als das häufigste Anfangssymptom einer schweren Erkrankung.[5] Tumorpatienten leiden zudem häufig unter der „Fatigue“, einem Erschöpfungszustand aufgrund der verschiedenen Therapieformen, der auch durch Schlaf nicht überwunden werden kann.[6]
2.2.2 Körperpflege
Die Körperpflege bei Sterbenden erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme, und ist abhängig vom aktuellen körperlichen und seelischen Wohlbefinden, sowie von der jeweiligen Bewusstseinslage des Betroffenen. Das körperliche Wohlbefinden kann bei einigen Betroffenen durch die Technik des „Snoezelens“, einer Anregung der Sinne mittels verschiedener Düfte, Musik oder Farben, gefördert werden.
2.2.3 Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme
In der Öffentlichkeit wird vielfach diskutiert, dass Sterbende verhungern oder verdursten können. Es ist zu beachten, dass das Hunger- bzw. Durstgefühl mit zunehmender Zustandsverschlechterung abnimmt, und Sterbende daher nur soviel an Nahrung und Flüssigkeit erhalten sollen, wie sie es selbst wünschen. Schwerstkranke haben meist kein Verlangen nach festem Essen und verweigern die Nahrungsaufnahme. Das Durstgefühl beim bewusstseinsklaren Sterbenden ist im Allgemeinen gering ausgeprägt, wenn seine Mundschleimhaut gut befeuchtet ist. Mundpflege mit heilenden und wohlschmeckenden Substanzen hilft, Infektionen vorzubeugen und nimmt das subjektive Durstgefühl. Es wird derzeit kontrovers diskutiert, ob eine Flüssigkeitssubstitution den Sterbeprozess verkürzt oder zu größeren Beschwerden führt. Da diese Diskussion auf ärztlicher Ebene erfolgt, kann sie hier nicht Gegenstand der Erörterung sein. Klaschik betont das Recht der Autonomie des Sterbenden, einer Behandlung zuzustimmen oder sie abzulehnen. Bei bewusstlosen Klienten plädiert er im Zweifelsfall für eine Flüssigkeitssubstitution, die jedoch in der Finalphase hinterfragt werden muss.[7]
[...]
[1] Dieser Begriff von Prof. Student hat sich in der Hospizbewegung eingebürgert
[2] vgl. Student, J.-C., Zu Hause sterben, in: Student, J.-C. (Hg.) u.a., 2004, a. a. O., S. 258
[3] ebenda
[4] vgl. Husebø, S., Psychosoziale Fragen, in: Husebø, S., u.a., a. a. O., S. 303
[5] vgl. Sabatowski, R. u.a., a. a. O., S. 50 f
[6] vgl. Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, Belastende Symptome: Fatigue – Chronische Müdigkeit, Online im Internet: http://www.krebsinformationsdienst.de/Belastende_Symptome/fatigue.html [2006-08-25]
[7] vgl. Klaschik, E., Schmerztherapie und Symptomkontrolle in der Palliativmedizin, in: Husebø, S. u.a., a.a.O., S. 270 ff