In dieser Seminararbeit soll das Thema der Euthanasieverbrechen im Nationalsozialismus und das Beispiel Pirna-Sonnenstein eine grundlegende Rolle spielen, um auf die menschenrechtlichen Diskussionen um Sterbehilfe und andererseits noch immer fragwürdigen Debatten von heute zu stoßen. Wie gehen wir heutzutage mit behinderten Menschen um? Wir haben bessere Möglichkeiten Kindern mit geistigen und schweren körperlichen Behinderungen zu helfen. Unser wissenschaftlicher und technischer Fortschritt ermöglicht ihnen die Integration in unserer Gesellschaft. Doch gerade weil wir wissen, dass dieser Standpunkt nicht immer in der Geschichte vertreten war, müssen wir ein Resümee für unsere Gegenwart ziehen und uns immer wieder mit der Frage befassen: Ist Euthanasie nur ein Thema der Vergangenheit?
Was bedeutete Sterbehilfe damals und was meint sie heute?
- Wie gestaltete sich Euthanasie zur Zeit des Nationalsozialismus?
- Wie sehen die aktuellen Diskussionsansätze und rechtlichen Grundlagen um das Problem der Euthanasie aus?
Wie gehen wir heutzutage mit Behinderung in unserer Gesellschaft um?
- In wie weit kann die Heilpädagogik zu einer besseren Integration Behinderter beitragen?
- Was ist eigentlich Bioethik? Zeigt sich hier eine moderne Form der Rassenhygiene?
Auf diese Fragen möchte ich, mit einem ständigen Blick auf Kinder und Jugendliche, in den nachfolgenden Abschnitten Antwort geben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Euthanasie- Damals
2.1. Definition und Historisches
2.2. Euthanasie im Nationalsozialismus
2.2.1. Behinderung- Ein Ticket in den Tod
2.2.2. Der Mord an Kindern und Jugendlichen
3. Das Beispiel: Pirna-Sonnenstein
3.1. Unser erster Eindruck der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
3.2. Zur Geschichte der Gedenkstätte
3.3. In Gedenken an die Opfer der Euthanasie-Verbrechen
4. Euthanasie- Heute
4.1. Ansätze zur aktuellen Diskussion um Euthanasie und Sterbehilfe
4.2. Rechtliche Grundlagen in Deutschland
5. Der Umgang mit Behinderung im modernen Zeitalter
5.1. Die Heilpädagogik
5.2. Bioethik
5.2.1. Was bedeutet Bioethik?
5.2.2. Pränatale Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik
5.2.3. Euthanasie
5.2.4. Scharfe Kritik gegen die Bioethik
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
„ Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont. “
(Konrad Adenauer, dt. Bundeskanzler 1876-1967)
Soweit wir zurück auf die Geschichte der Menschen blicken können, stellen wir immer wieder fest, wie verschieden die Lebewesen untereinander sind. Mit den Jahren kam unsere Erkenntnis und wir wissen, dass wir uns in einem größeren Ausmaße unterscheiden, als wie wir es noch vor Jahren annahmen. Philosophen, Wissenschaftler oder Künstler haben sich in allen Generationen mit diesem Phänomen beschäftigt. Jean-Jaques Rousseau beschrieb Mitte des 18. Jh. die für ihn entscheidenden „Ungleichheitsfaktoren“; Geschick, Fleiß und Stärke in seinem „Diskurs über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“. Ohne Zweifel bleibt jedoch die Tatsache, dass es Starke und Schwache, Große und Kleine, Alte und Junge, Gesunde und Kranke, Intelligente und geistig Behinderte gibt. Uns Menschen gibt es in allen Variationen. Doch bei all dieser Differenziertheit sollten wir nie das biologische Toleranzprinzip vergessen, das uns dazu anhalten soll uns gegenseitig zu akzeptieren und uns untereinander in keine Sonderklassen zu unterteilen. Doch dieses Prinzip galt nicht immer. Nie gab es einen größeren Bruch dieser Auffassung als in der Zeit des Nationalsozialismus. Was die Menschen im 18. und 19. Jh. erbauten, um den Schwächeren in ihrer Gesellschaft, den körperlich und geistig Behinderten zu helfen, zerstörten die von ihrer Ideologie getriebenen Nazis und legalisierten seit dem Ermächtigungsschreiben im Oktober 1939 die Ermordung und Ausrottung von den Menschen, die ihren Normen nicht entsprachen. Unserer aller Zukunft liegt bei den neuen Generationen. Das Leben beginnt als junger Mensch und daher setzten die Nazis ihre Selektionen und planmäßigen Morde am Ursprung an; bei den Kindern. Im Rahmen der Kindereuthanasie fielen mindestens 5000 Kinder und Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr der Vernichtungsaktion von „lebensunwerten Leben“ von 1939 bis 1945 zum Opfer.
In dieser Seminararbeit soll das Thema der Euthanasieverbrechen im Nationalsozialismus und das Beispiel Pirna-Sonnenstein eine grundlegende Rolle spielen, um auf die menschenrechtlichen Diskussionen um Sterbehilfe und andererseits noch immer fragwürdigen Debatten von heute zu stoßen. Wie gehen wir heutzutage mit behinderten Menschen um? Wir haben bessere Möglichkeiten Kindern mit geistigen und schweren körperlichen Behinderungen zu helfen. Unser wissenschaftlicher und technischer Fortschritt ermöglicht ihnen die Integration in unserer Gesellschaft. Doch gerade weil wir wissen, dass dieser Standpunkt nicht immer in der Geschichte vertreten war, müssen wir ein Resümee für unsere Gegenwart ziehen und uns immer wieder mit der Frage befassen: Ist Euthanasie nur ein Thema der Vergangenheit?
Was bedeutete Sterbehilfe damals und was meint sie heute?
- Wie gestaltete sich Euthanasie zur Zeit des Nationalsozialismus?
- Wie sehen die aktuellen Diskussionsansätze und rechtlichen Grundlagen um das Problem der Euthanasie aus?
Wie gehen wir heutzutage mit Behinderung in unserer Gesellschaft um?
- In wie weit kann die Heilpädagogik zu einer besseren Integration Behinderter beitragen?
- Was ist eigentlich Bioethik? Zeigt sich hier eine moderne Form der Rassenhygiene?
Auf diese Fragen möchte ich, mit einem ständigen Blick auf Kinder und Jugendliche, in den nachfolgenden Abschnitten Antwort geben.
2. Euthanasie- Damals
2.1. Definition und Historisches
Der Begriff Euthanasie (ευθανασία, euthanasía ) findet seine ursprüngliche Bedeutung in der altgriechischen Übersetzung „schöne/sanfte Tod“. Insgesamt meint diese Bezeichnung die Beihilfe zu einem möglichst schmerzlosen und friedvollen Tod. Sie bezieht sich auf bestimmte Handlungen die darauf abzielen, unheilbar Kranken, Schwerverletzten und unerträglich Leidenden einen langen Todeskampf oder extreme Schmerzen zu ersparen und wird als Sterbehilfe bezeichnet.1
Der Begriff Euthanasie tauchte bereits in der Antike auf, der griechische Dichter Kratinos (um 500-420 v.chr.) verwendete ihn in seiner Komödie. Seitdem durchlief der ursprüngliche Euthanasiebegriff einen fortlaufenden Bedeutungswandel. Wurde zunächst unter Euthanasie eine allgemeine Art des Sterbens und die Haltung zum Tod verstanden, so stellten sich doch bald darauf auch medizinische Bezüge her. Somit bekam der Begriff zunehmend dieBedeutung einer passiven Hilfe durch andere Personen im und zum Sterben. Während der Jahre vom 19. zum 20. Jh. änderte sich der Wortsinn bedeutend und man verstand darunter nun vorwiegend eine aktive nicht mehr freiwillige Sterbehilfe.2 Noch vor dem Jahr 1933 kam es zu einer berechneten Verflechtung von Euthanasie, Eugenik und Rassenhygiene, was dem Begriff einen durchaus menschenfeindlichen Wortsinn zusprach. Während der Zeit des Nationalsozialismus verstand sich Euthanasie nun als „Gnadentod“ und die Bezeichnung wurde zum Deckmantel für die Ermordung von „lebensunwertem Leben“.
Heute nähert sich der Begriff wieder seinem früheren Sinn, nämlich der Herbeiführung des Todes einer unheilbar kranken oder schwer behinderten Person durch bestimmte Therapien. Dabei wird im Regelfall von einem schriftlichen oder sogar mündlichen Einverständnis der betroffenen Person ausgegangen.3 Es werden verschiedene Formen der Sterbehilfe unterschieden. Dazu zählt die aktive Sterbehilfe, also die beabsichtigte Tötung eines Patienten (z. Bsp. durch die Verabreichung giftiger Substanzen) entweder auf dessen ausdrücklichen oder mutmaßlichen Wunsch, bzw. der Entscheidung naher Verwandter, des behandelnden Arztes oder ohne Zustimmung des Patienten. Diese Art von Euthanasie, die eine Herbeiführung des Todes beinhaltet, gilt weithin als moralisch verwerflich und ist nahezu weltweit gesetzlich verboten.4 Die passive Sterbehilfe meint hingegen den Verzicht oder den Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen, entweder aus medizinischen sowie ethischen Gründen oder weil eine Fortführung vom Patienten abgelehnt wurde. Die passive Sterbehilfe wird durchaus häufig praktiziert. Hierbei lässt man den natürlichen Sterbeprozess geschehen, ohne die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen gegen ihn anzukämpfen. Bei dieser Form der Sterbehilfe wird der Wille des Patienten, meist in Form einer Patientenverfügung berücksichtigt. Fehlt eine Solche und ist der Patient aktuell nicht mehr einwilligungsfähig entscheidet der Vorsorgebevollmächtigte (bzw. bei dessen Nichtbenennung der gerichtlich bestellte Betreuer). Weiterhin gibt es auch den assistierten Suizid, also die Beihilfe einer anderen Person zur Selbsttötung des Patienten sowie die oft mit aktiver Sterbehilfe verwechselte indirekte Sterbehilfe . Die letztere Form von Euthanasie meint die Verabreichung von gefährlichen Substanzen (z.bsp. Schmerzmittel), welche zur Linderung der Schmerzen des Patienten oft notwendig sind, dennoch das Leben verkürzen oder den keine beabsichtigte Folge der üblichen medizinischen Behandlungen. Bei der indirekten Sterbehilfe wird der Beschleunigungsprozess des Todes, beispielsweise durch Medikamente, nicht als ein Mittel zum Zweck verstanden. Darum ist diese Form der Sterbehilfe erlaubt.5 Zusätzlich gibt es noch eine weitere Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Sterbehilfe. Hierbei muss strikt unterschieden werden, ob der herbeigeführte oder der geschehen gelassene Tod mit oder gegen den Willen des Patienten veranlasst wurde. Die nichtfreiwillige Sterbehilfe gilt als Mord und ist unter allen Umständen verboten. Ein extremes Beispiel der unfreiwilligen Euthanasie ist demnach die Vorgehensweise der Nationalsozialisten gegen Behinderte und Kranke.
2.2. Euthanasie im Nationalsozialismus
2.2.1. Behinderung- Ein Ticket in den Tod
Im Oktober 1939 unterzeichnete Adolf Hitler ein formloses Schreiben auf privatem Briefpapier, wobei er anwies, die Ermordung der „unheilbar Kranken“ zu organisieren. Darin hieß es: „ Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ä rzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbarer Kranken bei kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gew ä hrt werden kann. ” 6 Diese geheime Ermächtigung war rückdatiert auf den 1. September 1939. Somit markiert dieses Datum damit nicht nur den Beginn des 1. Weltkrieges (1939-1945), sondern auch den Anfang eines Krieges gegen psychisch kranke und behinderte Menschen.7 Während der Diktatur im Nationalsozialismus wurden 350.000-400.000 Frauen und Männer sowie Kinder und Jugendliche als erbkrank eingestuft und unfruchtbar gemacht. Mehr als 200.000 überwiegend geistig Behinderte wurden durch Giftgas, Medikamente oder Nahrungsentzug ermordet.8 Diese Opfer wurden als „lebensunwert“ eingestuft, da sie der Norm eines gesunden und leistungsstarken deutschen Volksgenossen wiedersprachen. Seit Kriegsbeginn wurde die Zwangssterilisation allmählich reduziert und die zweite Phase,Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ begann. Unter strengster Geheimhaltung wurden in die dieser Phase zwei Programme konzipiert und umgesetzt.
1. Die „Aktion T4“, wobei Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten erfasst wurden um begutachtet, selektieren und letztlich getötet zu werden.
2. Die „Kindereuthanasie“ mit dem Ziel, lebendige Kinder aus privaten Haushalten zu erfassen, zu selektieren und ebenfalls zu töten.9
Im Rahmen der Mordaktion T410 kamen 70.273 Patienten, denen das Lebensrecht abgesprochen wurde, mit Sammeltransporten meist über sogenannte Zwischenanstalten11, in die Tötungsanstalten Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hartheim bei Linz, Hadamar oder Sonnenstein bei Pirna.12 Dort wurden sie vergast und kurz darauf verbrannt. Trotz der strengen Geheimhaltung kam es zu Protesten, vor allem aus der katholischen Kirche. Diese Umstände veranlassten den vorübergehenden offiziellen Abbruch der Vernichtungsaktionen. Arbeitsunfähige Häftlinge und Juden wurden jedoch weiterhin ermordet. Die hierbei erprobten Techniken und das bewährte Personal der Aktion T4 wurde in den Vernichtungslagern Treblinka und Sobibor eingesetzt. In den deutschen Heil- und Pflegeanstalten gingen derweilen die Morde an Kranken weiter. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurden mehrere Tausende Psychiatriepatienten durch Gas, Medikamente und Nahrungsentzug getötet.
2.2.2. Der Mord an Kindern und Jugendlichen
Parallel aber unabhängig zur Aktion T4 wurde die Ermordung behinderter Kinder von der Kanzlei des Führers, dem „Rechtsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“, kurz „Reichsausschuss“ genannt, organisiert.13 Im August 1939 erging ein streng vertraulicher Runderlass des Reichsinnenministers, der die Einführung der Meldepflicht für geistig und körperlich behinderter Neugeborener festlegte. Hiermit begann die systematische Erfassung von Kindern bis zu drei Jahren mit folgenden Krankheiten:
1. Idiotie
2. Mongolismus
3. Mikrocephalie (Kleinkopf)
4. Hydrocephalus (Wasserkopf)
5. Missbildungen aller Art
6. Lähmungen, einschließlich spastischer Lähmung
Ab August 1941 wurde die Meldepflicht auch auf ältere Kinder ausgedehnt, mit dem Ziel der Erfassung von „unnützen Essern.“14 Die mit den Namen von behinderten Kindern und Jugendlichen ausgefüllten Meldebögen wurden unverzüglich an den zuständigen Amtsarzt bzw. an den Leiter des Gesundheitsamtes verschickt. Von dort aus erfolgte die Weiterleitung an die Tarnorganisation, dem Reichsausschuss15. Hier fand die Beurteilung der Patienten aufgrund der vorliegenden Meldebögen durch Gutachter statt. Diese Ärzte entschieden über Leben und Tod der Kinder, indem sie ein „+“ oder ein „-“ vermerkten. Das Zeichen „+“ stand für den Tod.16 Danach erfolgt der Abtransport der ausgesonderten Kinder in die sogenannten Kinderfachabteilungen. Dieser Transport erfolgte meist mithilfe der „grauen Busse“17 der Organisation „Gemeinnützige Krankentransport GmbH.“ Ohne Einwilligung der Eltern und ohne gesetzliche Grundlage wurden die Kinder in den 25 bis 30 verschiedenen Kinderfachabteilungen nach einer kurzen Beobachtungszeit mittels Medikamente oder Nahrungsentzug um ihr Leben gebracht. Für Forschungszwecke wurden die Gehirne der Euthanasieopfer teilweise gesammelt und dem Gehirnforscher des Reichsausschusses zugeliefert. In Deutschland fielen bis Kriegsende mindestens 5000 Kinder der Kindereuthanasie zum Opfer. In Sachsen gab es seit 1940 Kinderfachabteilungen an der Universitätsklinik Leipzig und an der Landesanstalt Leipzig-Dösen. Nach dem Bombenangriff auf die Stadt Leipzig wurde die Kinderfachabteilung Dösen nach Großschweidnitz verlegt.18
3.1. Unser erster Eindruck der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Eine schriftliche Zusammenfassung der Besichtigung der Gedenkst ä tte auf dem Sonnenstein Pirna vom 05.05.2010 von Nadine Baumg ä rtel und Tina Kaiser
Am 05. Mai 2010 fuhren wir nach Pirna, um dort den Ort der Euthanasie-Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus zu besichtigen. Bereits beim Betreten der Innenstadt durchfuhr uns ein seltsames Gefühl. Das Stadtzentrum Pirnas ist geprägt durch alte Gebäude, die an frühere Zeiten erinnern. Man fühlt sich in die Vergangenheit zurückversetzt.
Als wir durch die Altstadt liefen, viel unser Blick auf ein Schloss, welches sich über die Altstadt erhob. Uns beiden war sofort klar, dass es sich hierbei um das Schloss Sonnenstein handeln muss, welches ganz in der Nähe der Gedenkstätte steht. Wir versuchten uns vorzustellen wie es wohl war, in dieser Stadt zu wohnen und zu sehen, wie in der Nähe des Schlosses schwarze Rauchschwaden aufstiegen. Konnte man dies überhaupt übersehen haben, wie es einige Zeugen berichten? Wenn man diese Stadt besucht, kann man diesem Ereignis nicht entgehen. Dafür wurde gesorgt, indem ein Denkmal für die Opfer des Faschismus aufgestellt wurde, mit der Aufschrift „Die Toten Mahnen.“ Weiterhin sind Tafeln in der gesamten Stadt verteilt, die die Besucher mit prägnanten Stichworten, wie beispielsweise „Heil- und Pflegeanstalt“, „Gnadentod“, „Krematorium“, „Trostbrief“ empfangen. Insgesamt wurden 16 Tafeln aufgestellt, die die Besucher zu der Gedenkstätte führen sollen. Durch das Lesen der Aufschriften auf den Tafeln werden die Menschen mit dem Thema konfrontiert. Weiterhin wurde eine Gedenkspur entwickelt, welche die Besucher und Anwohner auf dem Boden entdecken können. Diese Gedenkspur besteht aus bunten Kreuzen. Doch wo fängt sie an und wo hört sie auf?
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Abbildung 1
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Abbildung 2
Dieser Frage sind wir nachgegangen. Auf dem Weg zur Gedenkstätte haben wir die Spur immer im Auge behalten. Als wir den Sonnenstein fast erreicht hatten wurde die Situation immer angespannter, weil wir
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Abbildung 3 wussten, dass wir nun bald das Gebiet der nationalsozialistischen Verbrechen betreten würden. Dann führte uns der Weg durch eine steinerne Mauer. Wir waren da. Das Gelände war mit neu aussehenden Häusern bebaut, welche in einem freundlichen orange gestrichen waren. Wir entdeckten zum wiederholten Male eine Tafel, die an die Bedeutung der Kreuze auf dem Boden hinwies und tatsächlich, die Gedenkspur war auch hier oben zu finden. An einer Hauswand entdeckten wir den Schriftzug „Gegenwart ist Vergangenheit“, welchen wir zwei als sehr passend empfanden. Wir begannen uns weiter umzusehen und entdeckten eine Behindertenwerkstatt, die direkt an das erste Gebäude angebaut war. Von der Existenz dieser Behindertenwerkstatt wussten wir bereits durch eine Dokumentation über Pirna Sonnenstein. Dennoch konnten wir uns nicht entscheiden was wir davon halten sollen. Kann an einem Ort wo Tausende von Menschen getötet wurden, eine Einrichtung für Behinderte errichtet werden, welche sich in ein und demselben Gebäudekomplex befindet? Die Ausstellung in der Gedenkstätte besteht aus einer Dauer- und einer Sonderausstellung. In der Dauerausstellung wird die Geschichte der ursprünglichen Pflegeanstalt bis heute dokumentiert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Nutzung durch die Nationalsozialisten. Es ist eine interessante Ausstellung, die viele Hintergründe vermittelt. Als ein Beispiel für die Kindereuthanasie wurde Ursula Heidrich aufgeführt. Obwohl die Ausstellung sehr informativ war, waren wir etwas enttäuscht, weil sie doch sehr klein war. Die Wanderausstellung befasste sich mit dem Thema: Die nationalsozialistische „Euthanasie“ im Reichsgau Sudetenland und im Protektorat Böhmen und Mähren 1939-1945. Dort wurden viele Inhalte aus der Dauerausstellung noch einmal unter einem gesonderten Gesichtspunkt betrachtet. Nach dem Besichtigen der beiden Ausstellungen gingen wir in den Keller, wo sich die Gaskammer sowie das Krematorium befanden. Als wir die Tür zum Keller öffneten, sahen wir ein paar Stufen, die in die Tiefe gingen. Wir stiegen sie herab, begleitet von den Kreuzen. Es war ein unheimliches Gefühl, den Boden zu betreten, über den viele Tausend Menschen nackt gegangen waren, um in den Tod geschickt zu werden. Es war unvorstellbar, dass die Anhänger des Nationalsozialismus die Menschen in diese Kammer schickten, die Tür schlossen und dann dabei zusahen und darauf warteten, wie das „lebensunwerte Leben“ qualvoll zu ersticken
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Abbildung 4
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Abbildung 5
[...]
1 Vgl. Council of Europe Publishing: Euthanasie. Nationale und Europäische Perspektiven. S. 177 2 bald darauf auch medizinische Bezüge her. Somit bekam der Begriff zunehmend die
2 Vgl.Zülicke:Sterbehilfe in der Diskussion. Eine vergleichende Analyse der Debatten in den USA und Deutschland.S. 46
3 Vgl.Bundesgerichtshof:Pressemitteilung Nr.129/10 (Internet)
4 Vgl. Schramme: Bioethik. S. 110 früheren Tod suggerieren. Der Sterbeprozess wird hierbei beschleunigt, dennoch ist der Tod
5 Vgl. ebd. S. 111
6 Klee: Euthanasie im NS-Staat- Die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“. S. 100
7 Vgl. Böhm: Von einer Heilanstalt zu einem Ort Nationalsozialistischer Tötungsverbrechen. S. 59
8 Vgl. Zimmermann: Quellen zur Geschichte Thüringens. Überweisung in den Tod. Nationalsozialistische Kindereuthanasie in Thüringen. S. 21
9 Vgl. ebd. S. 23
10 Benannt nach dem Hauptsitz der zuständigen Behörde an der Tiergartenstraße 4.
11 Die Zwischenanstalten hatten zwei wesentliche Aufgaben; erstens die VernichtungsKapazitäten der sechs Tötungsanstalten zu steuern und zweitens den Verbleib der Opfer vor deren Verwandten zu vertuschen
12 Vgl. ebd. S.24
13 Vgl. Orth: Die Transportkinder aus Bonn. „Kindereuthanasie“. S. 28
14 Vgl. ebd. S. 29
15 Der Hauptsitz dieser Organisation befand sich in Berlin, im Hauptamt (Abteilung II b) der Kanzlei des Führers
16 Vgl. ebd.
17 Seit dem 24.06.2010 steht das Denkmal der „grauen Busse“ in der Grohmannstraße in Pirna
18 Vgl. Böhm: Von einer Heilanstalt zu einem Ort Nationalsozialistischer Tötungsverbrechen. S. 118