Mit der Ablösung der tagesgleichen Pflegesätze durch ein „Pauschalierendes Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen“ (PEPP), stehen diese Einrichtungen vor einem radikalen Umbruch, nicht ausschließlich im Bereich der Abrechnung mit den Leistungsträgern, sondern darüber hinaus auch in ihren bisherigen Kernprozessen und Strukturen.
Obwohl sich das neue Entgeltsystem schon seit einem Jahr im (freiwilligen) Einsatz befindet, ist die Ablehnung und Unsicherheit gegenüber PEPP noch immer groß und erst wenige Einrichtungen haben sich zum Optieren entschieden. Nur 3 % leitender Ärzte beurteilen den PEPP-Katalog als insgesamt positiv, 87 % bewerten ihn negativ. Es bestehen nach wie vor einige Problemfelder (zum Beispiel hinsichtlich einer befürchteten Verschlechterung der Versorgungsqualität durch Verweildauerverkürzungen oder Personalabbau); dem ist aber entgegenzuhalten, dass das PEPP als „lernendes System“ ausgelegt ist und sich stetig weiterentwickeln und verbessern wird. Aus politischen oder solidarischen Gründen sich dem PEPP zu verschließen und an dem alten Auslaufmodell festzuhalten, wäre falsch. Die Entscheidung ist getroffen und es gilt jetzt vielmehr für die Einrichtungen in die Zukunft zu schauen und sich zu fragen, wie man sich dem neuen System annehmen kann und welcher positive Nutzen daraus zu ziehen ist.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Zeitlicher Rahmen der Einführungsphase
2 Rahmenbedingungen während der Optionsphase
3 Aktueller Stand der Umsetzung
3.1 Aktueller Stand zur Anwendung des Optionsmodells
3.2 Gründe für und gegen den vorzeitigen Umstieg
3.3 Realisierung positiver Effekte durch das Optieren
3.4 Eindämmung negativer Effekte durch das Optieren
4. Kritische Auseinandersetzung
5. Auswirkung des neuen Entgeltsystems auf die Einrichtungen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Phasen der Einführung
Abb. 2 Erstmalige Anwendung in % (Studie 2012)
Abb. 3 Erstmalige Anwendung in % (Studie 2013)
Abb. 4 Gründe für das Optionsmodell in %
Abb. 5 Gründe gegen das Optionsmodell in %
1 Zeitlicher Rahmen der Einführungsphase
Mit der Ablösung der tagesgleichen Pflegesätze durch ein „Pauschalierendes Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen“ (PEPP), stehen diese Einrichtungen vor einem radikalen Umbruch, nicht ausschließlich im Bereich der Abrechnung mit den Leistungsträgern, sondern darüber hinaus auch in ihren bisherigen Kernprozessen und Strukturen. Der (Tages-)Erlös pro Fall ermittelt sich dann - vereinfacht ausgedrückt - aus einem Basisentgeltwert multipliziert mit einer patienten- und diagnosespezifischen Bewertungsrelation, die durch einen Grouper ermittelt wird (§ 1 Absatz 2 PEPPV 2013).
Abb. 1: Phasen der Einführung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Seit dem 1. Januar 2013 wird das PEPP über einen Zeitraum von neun Jahren eingeführt. Der Zeitraum von 2013 bis 2016 ist dabei budgetneutral gestaltet (§ 17d Absatz 4 Satz 4 KHG). Die ersten beiden Jahre der budgetneutralen Phase sind Optionsjahre, d. h. für diese Jahre können die Einrichtungen die Leis- tungsabrechnung nach dem neuen System auf freiwilliger Basis vornehmen (§ 17d Absatz 4 Satz 5 KHG, § 3 Absatz 1 Satz 3 f. BPflV). Ab dem Jahr 2015 ist die Einführung für alle Einrichtungen verbindlich (§ 17d Absatz 4 Satz 7 KHG). Der budgetneutralen Phase schließt sich ab 2017 eine fünfjährige Konvergenzphase an, in der die einrichtungsindividuellen Basisentgeltwerte schrittweise, bis zum 31.12.2021, an den jeweiligen Landesbasisentgeltwert angeglichen werden (§ 17d Absatz 4 Satz 8 f. KHG, § 4 Absatz 5 Satz 1 BPflV). Am Ende der Konvergenzphase steht - voraussichtlich zum 01.01.2022 - ein für alle Einrichtungen eines Bundeslandes einheitlicher Landesbasisentgeltwert.
2 Rahmenbedingungen während der Optionsphase
Jede Einrichtung hat in den Optionsjahren die Möglichkeit, freiwillig auf das neue System umzusteigen. Die Einrichtung hat dafür zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Verhandlung durch die Leistungsträger diesen Wunsch schriftlich den Leis- tungsträgern mitzuteilen. Für die Leistungsträger ist die Annahme verpflichtend. Der Gesetzgeber hat während der Optionsphase Anreize für die Einrichtungen geschaffen. Die Hauptanreize finden sich in verbesserten Bedingungen beim Er- lösausgleich wieder. Es handelt sich dabei um einen Ausgleichsmechanismus zur Absicherung der Leistungsträger und der Einrichtungen. Das prospektiv ver- handelte Budget wird mit den Ist-Erlösen des Jahres verglichen. Die Konsequenz bei Unterschreitung des Budgets sind Nachzahlungen durch die Leistungsträger an die Einrichtungen (Mindererlösausgleich), bei Überschreitung des Budgets fal- len Rückzahlungen von den Einrichtungen an die Leistungsträger an (Mehrerlös- ausgleich).
Verbesserte Mindererlösausgleiche
„Mindererlöse werden für die Jahre 2013 und 2014 zu 95 Prozent und ab dem Jahr 2015 zu 20 Prozent ausgeglichen“ (§ 3 Absatz 5 Satz 1 BPflV).
In der Praxis bedeutet das für den Fall einer Unterschreitung des verhandelten Budgets, dass die Einrichtungen nur 5 Prozent des Differenzbetrags nicht von den Leistungsträgern erstattet bekommen. Das ist ein überschaubarer Anteil, im Vergleich zu 80 Prozent, die den Einrichtungen nach der Optionsphase bei Budgetunterschreitung fehlen würden.
Verbesserte Mehrerlösausgleiche
„Sonstige Mehrerlöse werden für die Jahre 2013 und 2014 zu 65 Prozent aus- geglichen, ab dem Jahr 2015 werden sonstige Mehrerlöse bis zur Höhe von 5 Prozent des veränderten Gesamtbetrags nach Absatz 2 Satz 5 zu 85 Prozent und darüber hinaus zu 90 Prozent ausgeglichen.“ (§ 3 Absatz 5 Satz 1 BPflV).
Hier bedeutet das für den Fall einer Überschreitung des Budgets, dass die Einrichtungen 35 Prozent des Differenzbetrags einbehalten dürfen. Nach der Optionsphase sind es nur noch 10 bzw. 15 Prozent. Der Restbetrag ist den Leistungsträgern zurückzuerstatten.
Nachverhandlung Psych-PV Personalstellen
Ursprünglich sah der Regierungsentwurf vor, dass nur Optionshäuser die Möglichkeit zur Nachverhandlung von unbesetzten Psych-PV Personalstellen erhalten sollen. Dies sollte als weiterer Anreiz zum Optieren dienen. Diese Nachverhandlungsmöglichkeit wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder auf alle Krankenhäuser ausgeweitet1, wodurch dieser Anreiz obsolet ist.
Entwicklungen
Aus dem Lager der psychiatrischen Fachverbände wird aktuell die Forderung nach einer Verlängerung der Optionsphase um weitere zwei Jahre laut. In der Stellungnahme: „Gemeinsamer Standpunkt zum neuen Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik“ befürchtet man, dass die zum 01.01.2015 erwartete Systemreife nicht gegeben sein wird und zeigt sich darüber besorgt, dass die psychiatrische Versorgung aufgrund eines noch unausgereiften Systems dauerhaft negativ beeinträchtigt wird. Weitere zwei Jahre seien notwendig, um das neue Vergütungssystem in Ruhe zu entwickeln.2
3 Aktueller Stand der Umsetzung
3.1 Aktueller Stand zur Anwendung des Optionsmodells
Der von den psychiatrischen Fachverbänden veröffentlichte „Gemeinsame Standpunkt zum neuen Entgeltsystem der Psychiatrie und Psychosomatik“ ist nur ein Beispiel unter vielen, das zeigt, dass noch immer ein massiver Widerstand gegen das neue Vergütungssystem herrscht.3
Abb. 2: Erstmalige Anwendung in % (Studie 2012)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vgl. DKI (Psychiatrie Barometer, 2012) S. 5, modifiziert
Das DKI hat in seinem Informations- und Analysetool PSYCHiatrie Barometer 2012 die psychiatrische Versorgung in Deutschland untersucht. Es handelt sich um eine jährliche Repräsentativbefragung psychiatrischer und psychosomati- scher Einrichtungen. Die Befragung wurde im September bis November 2012 durchgeführt. Beteiligt haben sich 126 Einrichtungen. In der Studie sollten die Einrichtungen angeben, wann sie zum Stand Herbst 2012 das neue Entgeltsys- tem erstmalig anwenden würden. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse, differenziert nach „Psychiatrischen Fachkrankenhäusern“ und „Allgemeinkrankenhäusern“. 39,7 % der Allgemeinkrankenhäuser und 37,5 % der psychiatrischen Fachkran- kenhäuser gaben an, vor der verbindlichen Einführung zu optieren.
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1 Vgl. Mörsch, Michael; Rümmelin, Bernadette; Weid, Sabrina: Das Psych-Entgeltgesetz: Was bringt es für die Krankenhäuser?, in: das Krankenhaus 7/2012, S. 676
2 Vgl. Initiative der Verbände zum neuen Entgeltsystem (Hrsg.): Gemeinsamer Standpunkt zum neuen Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik, o. O. und o. J. in: http://www.dgppn.de/en/publikationen/stellungnahmen/detailansicht/article/141/gemeinsamer- 1.html, Abruf: 30.11.2013
3 Vgl. Initiative der Verbände zum neuen Entgeltsystem (Hrsg.): Gemeinsamer Standpunkt zum neuen Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik, o. O. und o. J. in: http://www.dgppn.de/en/publikationen/stellungnahmen/detailansicht/article/141/gemeinsamer- 1.html, Abruf: 30.11.2013