Das in Deutschland durchgeführte duale Ausbildungssystem hat gegenüber anderen Berufsbildungssystemen mehrere Vorteile. Als entscheidender Vorteil dieses Lernens in Schule und Betrieb wird immer wieder die Verknüpfung theoretischen Wissens mit praktischer Tätigkeit angeführt. Die Auszubildenden sollen „in der Theorie lernen, was sie in der Praxis anwenden“ und so optimal auf die Anforderungen im Beruf vorbereitet werden. Um dies zu gewährleisten müssen sich die Inhalte, die in der Berufsschule vermittelt werden, vor allem an den Prozessen beruflicher Tätigkeiten orientieren. Die Rahmenlehrpläne der KMK wurden deshalb im Jahr 2000 umstrukturiert. Der Aufbau richtet sich seitdem nach Lernfeldern, die anhand beruflichen Tätigkeitsfeldern entwickelt wurden und so die Anwendungsorientierung und Praxis-relevanz des Berufsschulunterrichts verstärken sollen.
Die Umsetzung dessen wird jedoch immer wieder heftig kritisiert. Umfragen haben ergeben, dass auch viele Betriebe gerade die „mangelnde Qualität und Relevanz des Berufsschulunterrichts“ beklagen.
Wie jedoch empfinden das die Auszubildenden selbst? Da es hierzu noch kaum Erhebungen gibt, wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, inwieweit die Auszubildenden die theoretischen Inhalte des Berufsschulunterrichts als ausreichend anwendungsorientiert für den betrieblichen Teil der Berufsausbildung empfinden. Dabei soll sich auf Auszubildende zum Industriekaufmann im zweiten oder dritten Lehrjahr bezogen werden. Die Inhalte der Berufsschule werden auf die ersten fünf Lernfelder beschränkt.
Zu Beginn der Studie wird zunächst der Begriff „anwendungsorientiert“ definiert sowie einige Studien zum Thema vorgestellt. Für die Erhebung wird ein halbstandardisiertes Interview verwendet, für das im nächsten Schritt ein Leitfaden entwickelt wird. Mit Hilfe dessen werden Industriekaufleute im zweiten oder dritten Lehrjahr an Schulen in Hessen und Rheinland Pfalz persönlich befragt. Die spätere qualitative Auswertung der gewonnenen Daten erfolgt durch eine Inhaltsanalyse.
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
3 Methode
3.1 Beschreibung der Stichprobe
3.2 Erhebungsmethode
3.3 Forschungsinstrument
3.3.1 Ablauf/Durchführung der Untersuchung
3.3.2 Datenauswertung
4 Ergebnisse
5 Diskussion/Kritik
Literaturverzeichnis
Anhang
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zufriedenheit der Auszubildenden mit den Inhalten der Berufsschule in Bezug auf die Anwendbarkeit im Betrieb insgesamt
Abbildung 2: Anwendbarkeit und Kenntnis der Inhalte der Lernfelder 1-5
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Besuchte Abteilungen der befragten Auszubildenden
1 Einleitung
Das in Deutschland durchgeführte duale Ausbildungssystem hat gegenüber anderen Berufsbildungssystemen mehrere Vorteile. Als entscheidender Vorteil dieses Lernens in Schule und Betrieb wird immer wieder die Verknüpfung theoretischen Wissens mit praktischer Tätigkeit angeführt (Grünewald & Moraal, 2001; Jungkunz, 2008). Die Auszubildenden sollen „in der Theorie lernen, was sie in der Praxis anwenden“ (Schwarze-Reiter, 2011, 1) und so optimal auf die Anforderungen im Beruf vorbereitet werden. Um dies zu gewährleisten müssen sich die Inhalte, die in der Berufsschule vermittelt werden, vor allem an den Prozessen beruflicher Tätigkeiten orientieren. Die Rahmenlehrpläne der KMK wurden deshalb im Jahr 2000 umstrukturiert. Der Aufbau richtet sich seitdem nach Lernfeldern, die anhand beruflichen Tätigkeitsfeldern entwickelt wurden und so die Anwendungsorientierung und Praxisrelevanz des Berufsschulunterrichts verstärken sollen (Sekretariat der KMK, 2010).
Die Umsetzung dessen wird jedoch immer wieder heftig kritisiert. Ralf Dubs stellte bereits 2006 in seiner Veröffentlichung „Entwicklung von Schlüsselqualifikationen in der Berufsschule“ die Forderung, den Unterricht an der Berufsschule grundsätzlich zu überdenken. Für ihn orientieren sich die Lehrpläne zu stark an traditionellen beruflichen Fertigkeiten, beinhalten zu viel additives Wissen und verleiten stark zu passivem Lernen (Dubs, 2006). Umfragen haben ergeben, dass auch viele Betriebe gerade die „mangelnde Qualität und Relevanz des Berufsschulunterrichts“ beklagen. 54% der Ausbildungsbetriebe geben an, für ihre Auszubildenden Nachhilfe im Betrieb organisieren zu müssen, damit diese mit den dortigen Anforderungen zurechtkommen (o.V., 2010).
Wie jedoch empfinden das die Auszubildenden selbst? Da es hierzu noch kaum Erhebungen gibt, wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, inwieweit die Auszubildenden die theoretischen Inhalte des Berufsschulunterrichts als ausreichend anwendungsorientiert für den betrieblichen Teil der Berufsausbildung empfinden. Dabei soll sich auf Auszubildende zur/zum Industriekauffrau/-mann im zweiten oder dritten Lehrjahr bezogen werden. Die Inhalte der Berufsschule werden auf die ersten fünf Lernfelder beschränkt. Da diese bereits im ersten Lehrjahr behandelt wurden, sollten die Auszubildenden im zweiten bzw. dritten Lehrjahr über genügend Erfahrung verfügen, um qualifizierte Aussagen über die Anwendungsorientierung dieser Inhalte treffen zu können.
Zu Beginn der Studie wird zunächst der Begriff „anwendungsorientiert“ definiert sowie einige Studien zum Thema vorgestellt. Für die Erhebung wird ein halbstandardisiertes Interview verwendet, für das im nächsten Schritt ein Leitfaden entwickelt wird. Mit Hilfe dessen werden Industriekaufleute im zweiten oder dritten Lehrjahr an Schulen in Hessen und Rheinland Pfalz persönlich befragt. Die spätere qualitative Auswertung der gewonnenen Daten erfolgt durch eine Inhaltsanalyse. Am Ende des Interviews erhalten die Auszubildenden einen kurzen Fragebogen durch welchen demographische Daten sowie eine weitere Einschätzung zur Anwendungsorientierung der ersten fünf Lernfeldern abgefragt werden sollen. So kann die qualitative Auswertung noch um quantitative Aspekte erweitert werden. Anhand dieser Ergebnisse wird am Ende die leitende Fragestellung beantwortet.
2 Theoretischer Hintergrund
2008 veröffentlichte Miriam Wirth in ihrer Dissertation die Studie „Zum Einfluss von Persönlichkeit und Intelligenz auf die Ausbildungszufriedenheit“. In ihrer Erhebung ermittelte sie die Ausbildungszufriedenheit anhand einer schriftlichen Befragung von 880 Auszubildenden, die eine Ausbildung nach dem dualen System absolvierten. 128 Auszubildende, also 14,5% der Stichprobe, waren dem Ausbildungsgang „Industriekauffrau/-mann“ zuzuordnen. Als ein Aspekt der Ausbildungszufriedenheit wurde „die Zufriedenheit mit der Berufsschule“ definiert, die sich wiederum aus elf Beurteilungskriterien zusammensetzte. Einer dieser Aspekte war die „Relevanz der Kenntnisse für die Praxis“, welche von den Azubis auf einer fünfstufigen Skala von „überhaupt nicht erfüllt“ bis „vollständig erfüllt“ bewertet werden musste. In der Ergebniszusammenfassung der Studie deutete Wirth an, dass die Azubis mit der Berufsschule wesentlich unzufriedener sind als beispielsweise mit dem Betrieb und den Ausbildern. Inwieweit dies jedoch auf den Aspekt "Relevanz der Kenntnisse für die Praxis“ zurückzuführen ist, stellt sie nicht mehr gesondert dar. Dieser Aspekt soll nun anhand unserer Fragestellung näher beleuchtet werden.
Wild und Krapp (1996) sind in Ihrer Studie mit Auszubildenden in der Versicherungsbranche u.a. der Frage nachgegangen, inwieweit die Einschätzungen der Erlebensqualitäten der Lernenden in Abhängigkeit der Lernorte Schule und Betrieb variieren. Im Zentrum der Betrachtung steht die Identifikation ausbildungsrelevanter Bestandteile, die gewisse Erlebensqualitäten hinsichtlich motivationaler Erfordernisse befördern bzw. behindern (Sembill, Seifried & Dreyer, 2008). Als Ergebnis ermittelten Wild & Krapp die Differenziertheit vom subjektiven Erleben in Abhängigkeit von Lernort und Lernortsequenz, sprich Betrieb und Berufsschule. So können beispielsweise Auszubildende, die ihre Berufsausbildung mit einer betrieblichen Phase beginnen, über ein höheres Ausmaß an Kompetenzerleben berichten als jene, welche die ersten Schritte einer Berufsausbildung in der Berufsschule durchlaufen (Sembill, Seifried & Dreyer, 2008). Zu dem verschlechtert sich bei der ersten Gruppe das subjektive Erlebnis bei Eintritt in die Berufsschule (Sembill, Seifried & Dreyer, 2008).
Die Einschätzung der Auszubildenden zur Qualität ihrer Ausbildung wurde im Jahr 2008 vom Bundesinstitut für Berufsbildung erforscht. Insgesamt 6.000 Auszubildende im zweiten Ausbildungsjahr wurden aus fünfzehn dualen Ausbildungsberufen schriftlich befragt und anhand eines Zufallsverfahrens über 205 beteiligte Berufsschulen ausgewählt. Davon waren 450 Auszubildende zum/zur Industriekaufmann/-frau deren durchschnittliche Beurteilungen im Kontext zu denen der fünfzehn untersuchten Ausbildungsberufe gesetzt wurden. Krewerth, Beicht, Gei & Rothe (2009) fassten die Ergebnisse dieser Befragung in einer Studie zusammen. Unter dem Themengebiet „2.3 Kooperation der Lernorte“ sollten die Auszubildenden bewerten, inwiefern Berufsschulinhalte im Betrieb angewendet werden und diese einer sechsstufigen Skala von 1 „trifft sehr stark zu“ bis 6 „trifft gar nicht zu“ zuordnen. Die durchschnittliche Beurteilung erreichte hierbei einen Mittelwert von 3,7 bei Industriekaufleuten und lag somit 0,3 Punkte über dem Mittelwert der insgesamt fünfzehn untersuchten Ausbildungsberufe. Damit könnte ein Hinweis dafür gegeben sein, dass sich insbesondere für Auszubildende zum/zur Industriekaufmann/-frau die Berufsschulinhalte weniger stark auf den Betrieb übertragen lassen, als für andere untersuchte Auszubildende.
Auf die gleiche Befragung vom Bundesinstitut für Berufsbildung aus dem Jahr 2008 und die gleiche sechsstufige Skala (1 „trifft sehr stark zu“ bis 6 „trifft gar nicht zu“) beziehen sich Beicht, Krewerth, Eberhard und Granato (2009). Sie beschäftigten sich mit der Qualität dualer Berufsausbildung in Deutschland aus Sicht der Auszubildenden und sahen für die Bewertung des berufsschulischen Kontexts die Qualitätsbereiche „Lernklima“, „Eignung und Präsenz der Lehrer/-innen“ und „Materielle Bedingungen“ als maßgeblich an. „Lernklima“ wurde dabei im Mittel mit 2,6, „Eignung und Präsenz der Lehrer/-innen“ mit 2,7 und „Materielle Bedingungen“ mit 3,2 von den Auszubildenden bewertet, wobei die gesamte Ausbildungsqualität in der Berufsschule einen Wert von 2,8 erreicht. Ein weiteres Beurteilungskriterium, das in der Studie untersucht wird, ist die Kooperation beider Lernorte. Diese wird mit 3,8 bewertet und weist den höchsten Mittelwert aller untersuchten Kriterien auf. Bei einem Vergleich einzelner Qualitätskriterien fielen die Mittelwerte des berufsschulischen Kontextes signifikant ungünstiger aus als die entsprechenden Mittelwerte des betrieblichen Kontextes.
Die dargestellten Materialien sind ein Anknüpfungspunkt für die Bewertung der Praxisrelevanz in der Berufsschule durch die Auszubildenden. Keine der genannten und recherchierten Studien geht explizit und detailliert auf die in dieser Studie formulierte Frage, der von den Auszubildenden selbst empfundenen relevanten Praxis- und Anwendungsorientierung, ein, wobei hier noch eine präzisere Definition unabdingbar erscheint.
Als anwendungsorientiert bzw. praxisrelevant werden grundsätzlich solche Inhalte des Berufsschulunterrichts angesehen, die den Auszubildenden helfen, konkreten Aufgaben und Anforderungen im Betrieb gerecht zu werden. Um den Begriff zu operationalisieren, werden drei Unterkategorien gebildet. Die höchste Anwendungsorientierung liegt vor, wenn die/der Auszubildende die Inhalte des Berufsschulunterrichts in der Praxis eins zu eins anwenden kann und somit keine weiteren Informationen zur Erfüllung einer Aufgabe benötigt. Von einer mittleren Anwendungsorientierung wird ausgegangen, wenn der Auszubildende in der Berufsschule zwar relevante Inhalte behandelt hat, diese jedoch nicht ausreichen, um eine Aufgabe im Betrieb zu bewältigen. In diesem Fall muss er sich zur Erfüllung der Aufgabe noch weitere Informationen z.B. von anderen Auszubildenden oder Ausbildern beschaffen. Kaum Anwendungsorientierung liegt vor, wenn die in der Berufsschule behandelten Inhalte dem Auszubildenden nicht helfen, konkrete Aufgaben im Betrieb zu erfüllen.
3 Methode
3.1 Beschreibung der Stichprobe
Wie bereits beschrieben, wurde die Befragung bei Auszubildenden zur/zum Industriekauffrau/-mann durchgeführt. Diese Ausbildungsgruppe wurde ausgewählt, weil sie mit mehr als 20.000 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Jahr 2011 in Deutschland zu einem der größten Ausbildungsberufe (BiBB, 2011) gehört.
Die Stichprobe beinhaltet 16 Interviews, wobei eine größere Anzahl für die Repräsentativität notwendig wäre. Die Akquise von Auszubildenden für das Interview war jedoch schwieriger als erwartet. Von den fünf angeschriebenen Berufsschulen haben sich vier Schulen nicht gemeldet. Die andere Schule bot zwar einen Termin für das Interview an, jedoch erst nach den Sommerferien. Deswegen kamen alle durchgeführten Interviews über persönliche Kontakte zustande. Hierbei lag die Teilnahmebereitschaft der Auszubildenden bei über 90 Prozent. Ein Großteil der Befragten, sieben Auszubildende, macht seine Ausbildung bei der Chemischen Fabrik Budenheim KG. Von den anderen Befragten sind jeweils zwei Auszubildende von der Continental AG und der Robert Bosch GmbH. Der Rest arbeitet bei kleinen oder mittelständischen Unternehmen. Die kleinen Unternehmen beschäftigen nur 100 Mitarbeiter und fünf Auszubildende, wobei die Standorte der großen Unternehmen ca. 7200 Beschäftige und ungefähr 300 Auszubildende haben. Im Durchschnitt hatten die Unternehmen der Befragten 1439 Mitarbeiter und 73 Auszubildende.
Aufgrund der geringen Anzahl an befragten Auszubildenden, wurde bei der Zusammenstellung darauf geachtet, dass das Verhältnis von weiblichen und männlichen Befragten auch ungefähr dem Verhältnis der auszubildenden Industriekaufleute entspricht (ca. 60% weibliche Auszubildende und ca. 40% männliche Auszubildende; BiBB, 2011). Mit sieben männlichen und neun weiblichen Auszubildenden in der Stichprobe wurde diese Vorgabe auch eingehalten. Das Alter der befragten Auszubildenden lag zwischen 18 und 24 Jahren. Im Mittel waren die Auszubildenden 20,75 Jahre alt.
Tabelle 1 stellt die von den befragten Auszubildenden besuchten Abteilungen dar sowie die durchschnittliche Anzahl an Wochen, welche die Auszubildenden während ihrer Ausbildung in diesen Abteilungen verbracht haben. Fast alle Auszubildenden hatten in ihrem Betrieb die Abteilungen Rechnungswesen und Logistik schon besucht. In diesen Abteilungen waren die durchschnittlichen Besuchszeiten 9,4 Wochen bzw. 12,8 Wochen von allen genannten Abteilungen am Höchsten. Am dritthäufigsten wurde die Personalabteilung mit durchschnittlich 8,4 Wochen besucht. Eine annähernd gleiche Verweildauer hatten die Auszubildenden im Einkauf (9,0 Wochen) und im Projektmanagement (8,4 Wochen). friedenheit der Auszubildenden mit den Inhalten der Berufsschule in Bezug auf die Anwendbarkeit im Betrieb insgesamt
Abbildung 2: Anwendbarkeit und Kenntnis der Inhalte der Lernfelder 1-5
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Besuchte Abteilungen der befragten Auszubildenden
1 Einleitung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Berechnungen
Tabelle 1: Besuchte Abteilungen der befragten Auszubildenden
Alle Befragten besuchten entweder Berufsschulen in Hessen oder in Rheinland Pfalz. Dies stellt in der Auswertung der Interviews und des Fragebogens keine größere Schwierigkeit dar, da die Rahmenlehrpläne für den Ausbildungsberuf Industriekaufmann/Industriekauffrau sowohl in Hessen als auch in Rheinland Pfalz nahezu identisch sind.
Auf eine detaillierte Information der Auszubildenden wurde vor der Befragung bewusst verzichtet, um ein möglichst unverfälschtes Ergebnis zu erzielen. Die Auszubildenden wurden lediglich darüber informiert, dass es sich um eine persönliche Befragung von Auszubildenden zur/zum Industriekauffrau/-mann handelt. Dadurch sollte verhindert werden, dass sich ausschließlich Auszubildende melden, die mit der Praxisrelevanz der Berufsschule unzufrieden sind, um dann ihren Ärger und Unzufriedenheit jemanden mitteilen zu können.
3.2 Erhebungsmethode
Gemäß den Anforderungen an dieses Projekt zur Durchführung einer Befragung wurden die nachstehenden Kriterien bei der Auswahl berücksichtigt:
- Qualität (Validität, Vollständigkeit, Aktualität der Daten)
- Zeit (Kapazität der Mitarbeiter, einfache Handhabung)
- Aufwand (Kosten).
Zur Disposition standen die beiden in der Wissenschaft anzutreffenden Erhebungsmethoden in mündlicher oder schriftlicher Form. Bei der Betrachtung der o.a. Kriterien erweist sich die mündliche Befragung am sinnvollsten und praktikabelsten. So erschien der Zeit- und Kostenfaktor als insgesamt geringer und besser einschätzbar als bei der schriftlichen Befragung. Primär ist hier anzuführen, dass Druck und Versandkosten entfallen. Weniger gut einzuschätzen ist der Punkt der Qualität, respektive der Validität. So ist eine Messung dann valide, wenn sie das Merkmal misst, welches sie messen soll oder welches sie zu messen scheint. Generell ist dies bei Fragen zu persönlichen Einstellungen eher schwieriger zu messen, als bei klar objektiven Merkmalen. Eine höhere Validität ist gegeben, wenn alle störenden äußeren Einflussvariablen während einer Erhebung ausgeschaltet werden können (Schnell, Hill & Esser, 2011). Diese Bedingung ist bei der persönlich-mündlichen Befragung von Probanden in einer kontrollierten Umgebung erfüllt. Besonders hervorzuheben ist hier die Tatsache, dass in einem Interview gezielt auf Antworten der Befragten reagiert werden kann. So lassen sich durch gesteuerte und variable Nachfragen falsch interpretierte Antworten minimieren oder ausschließen. Diese Möglichkeit der Einflussnahme wäre bei einer schriftlichen Befragung ausgeschlossen.
3.3 Forschungsinstrument
Als Forschungsinstrument im Besonderen wurde das wissenschaftliche Interview zu Grunde gelegt, wobei hier eine große Spannweite und differenzierte Unterscheidungskriterien zwischen unterschiedlichen Interviewarten existieren (Rost, 2007).
Das Interview ist ein häufig angewendetes Forschungsinstrument und eignet sich hervorragend bei einer Vielzahl verschiedenartiger Forschungsfragen (Aeppli, Gasser, Gutzwiller & Tettenborn, 2011). Es ist äußerst flexibel, gerade weil das gewählte Forschungsthema ein Ermitteln von subjektiven und emotionalen Antworten unabdingbar macht. Zentrales Thema bei allen Formen des Interviews ist die wechselseitige Kommunikation, an dessen Ende ein Produkt aus gegenseitiger Interaktion und Kooperation der Gesprächspartner steht.
Die Durchführung des Interviews erfolgte in halbstandardisierter Form. Das heißt, anhand eines mündlichen Fragebogens sowie eines erstellten Interviewleitfadens. Hierbei wurden nur teilweise Antwortmöglichkeiten vorgegeben und es konnte sich zusätzlich ein freies Gespräch entwickeln (Aeppli u.a., 2011).
Gerade das wissenschaftliche Interview basiert zwingend auf einer gezielten Planung, einer Reflektion, einer gewissenhaften Durchführung sowie der konkreten Auswertung. Im Rahmen der Planung war daher eine intensive Beschäftigung mit dem Thema von großer Bedeutung. Hier wurden Ideen und Anregungen gesammelt, die anschließend gezielt und gesammelt in dem „Interviewleitfaden“ zusammengefasst, respektive übersichtlich konkretisiert wurden. Hier wurde darauf geachtet, dass thematische Oberbegriffe und Leitfragen gewählt wurden. Der Leitfaden diente als Richtschnur für die Interviewführung und machte so die Ergebnisse unterschiedlicher Interviews vergleichbar. Der Verlauf, die Themen und die Art des Fragens waren zwar vorbereitet, wurden jedoch der befragten Person und dem thematisierten Gesprächsverlauf angepasst (Aeppli u.a., 2011). Er diente als Grundlage während der Befragung. Mit dessen Hilfe ließ sich das Interview nachvollziehen. Zusätzlich wurde den interviewten Personen noch ein schriftlicher kurzer Fragebogen ausgehändigt. Hier sollten noch einige demographische Daten sowie eine weitere Einschätzung zur Anwendungsorientierung der ersten fünf Lernfelder abgefragt werden. Der erstellte Interviewleitfaden sowie der Fragebogen sind dem Anhang beigefügt.
3.3.1 Ablauf/Durchführung der Untersuchung
Mündliche Befragungen sind zeitaufwendig, weshalb der gegebene zeitliche Rahmen beachtet werden muss. Der institutionelle Rahmen, in welchem das Interview stattfindet, soll in der Regel im Interviewleitfaden geklärt werden, was in diesem Fall jedoch aufgrund fehlender Feststellbarkeit zu Beginn vernachlässigt werden konnte. Da der Ort der Befragung für den Interviewten eine angenehme Umgebung darstellen soll, wurde bei jeder Befragung ein überwiegend persönliches Ambiente gewählt. Viele Interviews wurden über persönliche Kontakte akquiriert und so fanden die Interviews meist zu Hause bei den Interviewten oder den Interviewern statt. Die Bereitstellung von Essen und Trinken durch den Interviewer verstärkte dabei das vertrauliche Ambiente. Die zu interviewenden Personen wurden vorab über die Dauer der Befragung sowie über ihre Rechte informiert. Die befragten Personen wurden desweiteren darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie jederzeit das Recht haben, die Teilnahme abzubrechen oder Antworten zu verweigern. Zu beachten ist bei der Befragung von Minderjährigen das Vorliegen der schriftlichen Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters, was bei dieser Befragung jedoch nicht notwendig war, da alle Auszubildenden zum Zeitpunkt des Interviews bereits volljährig waren. Die Befragten wurden vorab instruiert, dass die Transkripte und Ergebnisse des face to face-Interviews vertraulich behandelt und Anonymität und Datenschutz gewährleistet werden. Desweitern wurde das Gespräch auf Tonband aufgenommen, worüber die Befragten ebenfalls aufgeklärt wurden. Während des Interviews bestand die Möglichkeit, das Interview anzuhalten und beim Interviewer nachzufragen falls beispielsweise die Frage nicht richtig verstanden wurde. Der Interviewer orientierte sich bei der Befragung am erstellten Interviewleitfaden, um so alle relevanten Aspekte im Verlauf des Interviews zu berücksichtigen und gegebenenfalls nachzuhaken. Der Interviewte sollte die Möglichkeit haben, sich frei zu äußern, um möglichst tiefe Einblicke in seine Erfahrungen zu gewähren. Durch Mimik, Gestik und verbale Äußerungen des Interviewers wie bspw. Kopfnicken oder Bestätigungen in Form von: „Ja“, „Ok“ oder „Aha“ während den Ausführungen des Interviewten sollte das Vertrauensverhältnis und die offene Atmosphäre gestärkt werden. Dadurch ließen sich mehr Informationen gewinnen und der/die Befragte überwand leichter die Hemmschwelle. Zum Schluss des Interviews bedankte sich der Interviewer für die Teilnahme am Interview. Bei Interesse der Befragten an den Ergebnissen können sie diese einsehen und erhalten Einblick in den Bericht.
3.3.2 Datenauswertung
Als erstes wurde das Audiomaterial der Interviews transkribiert und somit in eine schriftliche Form gebracht. Danach folgten die Paraphrasierung und die Bestimmung der zu analysierenden Einheiten. Alle nicht inhaltstragenden Textbestandteile wie Wiederholungen, Ausschmückungen oder Stockungen wurden gestrichen. Außerdem wurden die Texte auf ein einheitliches Sprachniveau gebracht, um eine Auswertung zu erleichtern. Im Anschluss folgte die Generalisierung und Reduktion der gewonnenen Analyseeinheiten. An diesem Prozess war das ganze Forschungsteam beteiligt, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Für die Kategorisierung wurden zunächst einige Fragen zusammengefasst, da sie sich auf die gleichen Inhalte beziehen. Die Zusammenfassung der Fragen sowie die zugehörigen Kategorien und Ergebnisse finden sich im Anhang.
Danach wurden die Ergebnisse nochmals auf die ursprüngliche Fragestellung nach der Praxisrelevanz des Berufsschulunterrichts hin untersucht und in einen Zusammenhang gebracht. Besonderes Augenmerk lag hier auch auf der Zuordnung der genannten Inhalte zu den einzelnen Lernfeldern.
Die Auswertung des Fragebogens erfolgte mittels SPSS und wurde zum Abgleich mit denen im Interview gewonnenen Aussagen herangezogen. So erhielten die gewonnenen Ergebnisse eine noch höhere Aussagekraft.
4 Ergebnisse
Die Auswertungen zu den Fragen eins und zwei lassen sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit, respektive ihrer gleichen Intention zusammen interpretieren. Die erste Frage zielte auf anwendungsrelevante Inhalte der Berufsschule ab. Es sollte herausgefunden werden, welche konkreten Beispiele aus dem Berufsschulunterricht die Auszubildenden im Betrieb auch tatsächlich anwenden konnten. Darauf aufbauend sollte in der zweiten Frage nochmal anschaulich ein praktisches Beispiel aus dem Betrieb erläutert werden. Im Nachhinein ist festzustellen, dass beide Fragen auch in eine gemeinsame Fragestellung hätten gefasst werden können. Es wurden dennoch zwei Fragen gewählt. Zum einen sollten in der ersten Frage einfach nur Inhalte genannt werden, um so ein möglichst breites Spektrum an Antworten und praxisrelevanten Inhalten herauszubekommen, zum Anderen hatten die Befragten in der zweiten Frage die Möglichkeit, auf einzelne Beispiele konkret und noch präziser einzugehen.
Im Interview ist sehr deutlich geworden, dass bestimmte Bereiche besonders häufig und auch auf breiter Basis genannt worden sind. So haben die Teilnehmer auffällig oft als praxisrelevante Inhalte, die aus der Berufsschule im Betrieb verwendet werden konnten, die Disziplinen des Rechnungswesens und allgemeine Skills aus der Informationstechnologie genannt. Es fiel während der Interviews sieben Mal das Rechnungswesen als besonders anwendungsrelevanter Berufsschulinhalt. Hier wurden besonders Punkte wie Abschreibungen, Forderungen, Steuern, Rückstellungen oder auch einfach die Grundlagen genannt. Zweithäufigster Bereich, den die Auszubildenden bekundeten, waren mit sechs Nennungen allgemeine Skills aus der Informationstechnologie. Hier nannten die Berufsschüler immer wieder das MS Office-Paket. Insbesondere Power Point empfanden die Befragten im Rahmen von ihnen im Betrieb erwarteten Präsentationskompetenzen. Aber auch die Unterprogramme Word und Excel wurden von den Auszubildenden oft angesprochen. Dies ist aufgrund der in der Wirtschaft geforderten grundlegenden Kompetenzen nicht weiter verwunderlich. Des Weiteren fielen Bereiche wie Personal, Controlling oder auch Logistik mit jeweils drei Nennungen. Zwei Azubis gaben an, im Fach Deutsch das richtige Schreiben von Geschäftsbriefen erlernt zu haben und dieses Wissen dann konkret in ihrem Betrieb umgesetzt zu haben. Einmal fiel das Unterrichtsfach Sozialkunde, aus dem der Befragte anwendungsrelevante Inhalte aus dem Bereich des Ausbildungsvertrags nannte. Abschließend sind noch zwei Bereiche mit jeweils einer Nennung zu erwähnen. Dies waren Lerninhalte aus den Abteilungen des Einkaufs und der Produktion.
Frage drei war ursprünglich auf Frage eins und zwei bezogen. Die Interviewten, sollten eine Aussage treffen, ob sie die Aufgaben und Inhalte, die sie in Frage eins und zwei genannt haben, selbstständig durchführen konnten. Die Befragten beantworteten diese Aufgabe jedoch meist eher allgemein. Die Interviewer versäumten hier meistens noch einmal genauer nachzufragen, was jedoch auf die fehlende Erfahrung mit Interviewsituationen und den Zeitdruck zurückzuführen ist. Die gewonnenen Aussagen konnten aber trotzdem zur Beantwortung der Forschungsfrage hinzugezogen werden.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die in Frage eins bzw. zwei genannten Inhalte und Aufgaben mindestens eine mittlere „Praxisrelevanz“ aufweisen, da die Auszubildenden diese als Beispiele von Inhalten aufführten, die sie in der Berufsschule gelernt und dann im Betrieb anwenden konnten. Viele der Auszubildenden sprachen bei diesen Berufsschulinhalten von „Grundlagen“, „grob behandelten Dingen“ und Themen die „hilfreich [sind], um das Ganze [im Betrieb] nachvollziehen zu können.“ All dies unterstützt die Annahme einer mittleren Praxisrelevanz, da das erworbene Wissen zwar ausreicht verschiedene Prozesse im Betrieb nachvollziehen zu können, jedoch für eine konkrete Bearbeitung oder ein höheres Verständnis noch weitere Hilfe notwendig ist. Wie bereits erläutert, wurden hier besonders oft Beispiele aus dem Rechnungswesen genannt. Diesen Bereich empfanden somit viele Auszubildenden als praxisrelevant und er erreicht die meisten Nennungen in der Kategorie mittlere Praxisrelevanz.
Während der Interviews wurde deutlich, dass viele Auszubildenden mit den Inhalten, die der Kategorie mittlerer Praxisrelevanz zuzuordnen sind, durchaus zufrieden sind. Sie empfanden Aufgaben, bei denen sie im Betrieb weitere Hilfe benötigten, nicht als problematisch, da sie bereits über ein „Grundlagenwissen“ aus der Berufsschule verfügten. Fünf erklärten zusätzlich gute Einweisungen im Betrieb zu bekommen. Neun berichteten von einer sehr guten Atmosphäre im Betrieb und von Ausbildern, die bei Fragen Hilfestellung geben. Aus der Befragung wurde ersichtlich, dass der Einarbeitung von Seiten der Auszubildenden eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Ein Austausch zwischen Auszubildenden findet eher weniger statt (drei Befragte) und auch das Hinzuziehen von Büchern ist selten (ein Befragter).
Insgesamt ist eine eins zu eins Anwendung und somit eine „hohe Praxisrelevanz“ eher weniger aus der Befragung zu erkennen. Nur das MS-Office Paket mit Excel, Powerpoint und Word kann dieser Kategorie zugeordnet werden. Neun der Befragten berichteten „das ganze Office Paket“ im Betrieb selbstständig und ohne Hilfe zu nutzen, da sie darauf in der Berufsschule gut vorbereitet wurden. Sechs der Auszubildenden gaben an, im Betrieb besonders oft Präsentationen mit Powerpoint erstellen zu müssen. Das Arbeiten mit Excel und Word wurde explizit von vier bzw. drei Interviewten angesprochen. Nichtsdestotrotz wünschen sich einige Befragte hierbei noch weitere Hilfestellung von Seiten des Berufsschulunterrichts (fünf Nennungen). Eine der Auszubildenden führte unter dieser Kategorie noch die Rechte von Azubis auf.
Insgesamt kann man davon ausgehen, dass viele der nicht erwähnten Inhalte der Kategorie „kaum Praxisrelevanz“ zuzuordnen sind. Die relativ kurze Bedenkzeit bei persönlichen Interviews lässt jedoch vermuten, dass die Auszubildenden viele Inhalte vergessen haben. Deswegen soll Frage vier und fünf hinzugezogen werden und Aufschluss darüber geben, was dieser Kategorie zugeordnet werden kann. Auch der Fragebogen am Ende gibt darüber wesentlich mehr Auskunft, als das Interview. Auf diesen soll an späterer Stelle nochmal näher eingegangen werden.
Auch Frage vier sollte eigentlich auf die in der Berufsschule gelernten Inhalte bezogen werden. Es sollten Anhaltspunkte gefunden werden, inwiefern sich die Auszubildenden auf Grundlage des in der Berufsschule erworbenen Wissens in der Lage fühlen, den Anforderungen im Betreib gerecht zu werden. Die meisten Befragten antworteten auch hier wieder eher allgemein.
Somit gaben alle 16 Befragten an, dass sie sich in der Lage fühlen, den Anforderungen im Betrieb gerecht zu werden. Acht davon erwähnten jedoch explizit, dass dies vor allem auf Grund der Hilfe und Betreuung im Ausbildungsunternehmen möglich sei. Zusammen mit den Ergebnissen aus Frage drei ist also davon auszugehen, dass die Praxisrelevanz des Berufsschulunterrichts eher mittelmäßig ist und allein nicht ausreicht, um den Anforderungen im Betrieb gerecht zu werden. Auch die Ergebnisse aus Frage neun unterstützen diese Annahme. In Abbildung 1 ist die allgemeine Zufriedenheit der Auszubildenden mit den Inhalten der Berufsschule in Bezug auf die Anwendbarkeit im Betrieb dargestellt. Zwei der Befragten geben an, dass die Inhalte kaum praxisrelevant sind, elf Befragte, dass sie eine mittlere Praxisrelevanz haben und drei ordnen die Inhalte einer hohen Praxisrelevanz zu. Die allgemeine Praxisrelevanz des Berufsschulunterrichts erreicht hier im Schnitt einen Wert von 3,5, was einer mittleren Praxisrelevanz entspricht.
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