In Zeiten der Globalisierung wächst die Welt zusammen. Heutzutage bestehen zwischen zahlreichen Ländern politische, ökonomische sowie kulturelle Beziehungen, was dem Erlernen von Fremdsprachen eine immer größere Bedeutung zukommen lässt. Doch nur ein gegenseitiges Verständnis ermöglicht engere Kontakte zwischen den Kulturen.
Der heutige Fremdsprachenunterricht hat dementsprechend die Aufgabe den Schülern die fremde Sprache zu vermitteln, sollte aber zugleich auch einen Einblick in die Kultur des Ziellandes gewähren. Er sollte die kommunikative Kompetenz fördern, aber eben nicht nur durch das stupide Nachahmen der vom Lehrbuch dargebotenen Dialoge, sondern durch freies und eigenes Sprechen. Aber auch das Textverstehen und die Lesekompetenz sollten nicht unbeachtet bleiben. Denn um eine Kultur zu verstehen, reicht es eben nicht aus ihre Sprache zu beherrschen, man sollte auch ihre Mentalität und ihre Tradition kennen.
Eine Möglichkeit dies zu erreichen, ist es das Land zu bereisen. Eine andere Möglichkeit bietet der Einsatz von fremdsprachiger Literatur im Unterricht, was auch das Thema der vorliegenden Arbeit sein soll.
Sie besteht aus zwei Teilen, einem theoretischen und einem praktischen.
Im ersten Teil befasse ich mich mit allgemeinen Überlegungen zum Einsatz von literarischen Texten im Italienischunterricht.
Im praktischen Teil möchte ich anschließend einige Didaktisierungsvorschläge zur Erzählung L’altra famiglia von Dacia Maraini anbieten.
Gliederung
1. Einleitung
2. Theoretische Überlegungen zum Einsatz von literarischen Texten im Italienischunterricht
2.1 Gründe für den Einsatz
2.2 Vorüberlegungen
2.2.1 Zielgruppe
2.2.2 Textauswahl
2.2.3 Originaltext vs. adaptierte Fassung
2.3 Mögliche Probleme beim Einsatz von literarischen Texten sowie Lösungswege zu deren Bewältigung
3. L’altra famiglia: eine Erzählung im Italienischunterricht
3.1 Gründe für die Wahl der Erzählung L’altra famiglia
3.2 Didaktisierungsvorschlag
3.2.1 Einstiegsphase
3.2.2 Erarbeitungsphase I (vor dem Wendepunkt)
3.2.3 Erarbeitungsphase II (nach dem Wendepunkt)
3.2.4 Weiterführende Aufgaben
4. Schlussbetrachtungen
5. Literaturangabe
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:
6. Anhang
1. Einleitung
In Zeiten der Globalisierung wächst die Welt zusammen. Heutzutage bestehen zwischen zahlreichen Ländern politische, ökonomische sowie kulturelle Beziehungen, was dem Erlernen von Fremdsprachen eine immer größere Bedeutung zukommen lässt. Doch nur ein gegenseitiges Verständnis ermöglicht engere Kontakte zwischen den Kulturen.
Der heutige Fremdsprachenunterricht hat dementsprechend die Aufgabe den Schülern[1] die fremde Sprache zu vermitteln, sollte aber zugleich auch einen Einblick in die Kultur des Ziellandes ermöglichen. Er sollte die kommunikative Kompetenz fördern, aber eben nicht nur durch das monotone Nachahmen der vom Lehrbuch dargebotenen Dialoge, sondern durch freies und eigenes Sprechen. Aber auch das Textverstehen und die Lesekompetenz sollten nicht unbeachtet bleiben. Denn um eine Kultur zu verstehen, reicht es eben nicht aus ihre Sprache zu beherrschen, man sollte auch ihre Mentalität und ihre Tradition kennen.
Eine Möglichkeit dies zu erreichen, ist es das Land zu bereisen. Eine andere Möglichkeit bietet der Einsatz von fremdsprachiger Literatur im Unterricht, was auch das Thema der vorliegenden Arbeit sein soll. Sie besteht aus zwei Teilen, einem theoretischen und einem praktischen.
Im ersten Teil befasse ich mich mit allgemeinen Überlegungen zum Einsatz von literarischen Texten im Italienischunterricht.
Im praktischen Teil möchte ich anschließend einige Didaktisierungsvorschläge zur Erzählung L’altra famiglia von Dacia Maraini anbieten.
2. Theoretische Überlegungen zum Einsatz von literarischen Texten im Italienischunterricht
2.1 Gründe für den Einsatz
Galt das Unterrichten von Literatur bis in die fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch als „unverzichtbares Herzstück“[2] des Fremdsprachenunterrichts, so wurde die Literatur in den 1970er Jahren „als Zufluchtsort einer spätbürgerlichen Innerlichkeit“[3] denunziert. Mit dem Einsetzen der Kommunikativen Wende verlor sie ihre „Daseinsberechtigung“[4] im Fremdsprachenunterricht, was sich jedoch in den 1980er Jahren wieder ändern sollte. „Dies ist vor allem auf gewandelte Vorstellungen vom Stellenwert literarischer Texte sowie auf die Herausbildung von Lernzielen wie Empathie, Perspektivenübernahme und Fremdverstehen zurückzuführen […].“[5]
Doch nicht nur die mögliche Realisierung der eben genannten Lernziele spricht für den Einsatz literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht. Die Gründe sind vielfältig. Ich beziehe mich hierbei besonders auf die Ausführungen von Nünning und Surkamp (2006), möchte jedoch nicht auf alle Motive eingehen, da sich eine Übersicht über die Gründe für den Einsatz im Anhang I befindet (siehe S. 19).
Für den Unterricht interessant werden literarische Texte u.a. auf Grund ihrer „poetischen Unbestimmtheit“[6] sowie ihrer „Mehrdimensionalität“[7]. Denn diese Eigenschaften animieren die Leser zur Mitwirkung am Entstehen eines Textsinnes und veranlassen sie zur Aktivierung ihres Vorwissens.
Literarische Texte geben den Schülern die Möglichkeit eigene Erfahrungen mit einzubeziehen und regen somit eher zum Nachfragen und Handeln an als z.B. Schulbuch- oder Sachtexte. Zudem sorgt der fremdsprachliche Literaturunterricht für Kommunikation im Klassenzimmer, da er Impulsgeber für Gespräche ist, in denen die Schüler nicht nur über den Text, sondern auch über ihre eigene Person, ihre Sichtweisen und Werte sprechen. D.h. es entstehen Gesprächssituationen, wie sie auch außerhalb der Schule, sozusagen im „echten Leben“, stattfinden könnten.
Des Weiteren leistet der fremdsprachige Literaturunterricht einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Entwicklung der Handlungskompetenz der Lernenden. Durch die in den Büchern dargestellten Einzelschicksale gewinnt man nicht nur Einblicke in menschliche Verhaltensweisen, sondern man lernt auch verschiedene Sichtweisen und Einstellungen kennen, was den Schülern letztlich dazu verhilft sowohl die eigene als auch die fremde Kultur besser zu verstehen und sie dazu befähigt, sich in ihr (sprachlich und nicht-sprachlich) handelnd zu bewegen. Sie lernen demnach durch die Literatur allem Menschlichen mit Empathie zu begegnen.[8] Darüber hinaus setzen sich die Schüler mit dem Text auseinander und bewerten das Gelesene, was zur Ausbildung ihrer Urteilskraft beiträgt. Abgesehen davon wird natürlich, ganz nebenbei, das Lesen und damit verbunden das Textverstehen geübt und außerdem gewinnt man an Hand von literarischen Texten auch Erkenntnisse über die Funktionsweise von Sprache, was helfen kann das Ausdrucksvermögen zu verbessern.[9]
Selbstverständlich sollen den Schülern bei der Lektüre auch die Besonderheiten der Literatur bewusst werden. Sie sollen texttypologische Charakteristika erkennen, den Wert der Literatur schätzen lernen und somit ein ästhetisches Bewusstsein entwickeln.
Als besonders wichtig erachte ich jedoch den Punkt, dass Schüler sich durch die Lektüre fremdsprachiger Literatur ernst genommen fühlen. Denn sie lesen Texte nicht mehr (ausschließlich) um ihnen unbekannte Vokabeln oder grammatische Strukturen zu entnehmen, vielmehr enthält der literarische Text eine Botschaft, die es zu entschlüsseln gilt. Und genau dieses Bewusstsein, nämlich einen Text, der ursprünglich für Muttersprachler verfasst wurde, verstehen zu können, übt eine enorm motivierende Kraft aus und erzeugt letztendlich ein Gefühl der Befriedigung.[10]
2.2 Vorüberlegungen
2.2.1 Zielgruppe
Doch bevor man mit der fremdsprachlichen Literaturarbeit beginnen kann, gilt es einiges zu beachten.
Laut Becker[11] muss man sich zunächst einmal Gedanken über die Zielgruppe machen: Welches Alter hat sie? Wofür interessiert sie sich? Des Weiteren muss geklärt werden, worauf der Unterricht zielt: Welche Kompetenzen sollen die Lernenden erwerben? Und vor allen Dingen, wie bereitet man die literarischen Texte für die Schülerinnen und Schüler so auf, dass ein motivierendes und gleichzeitig effektives Arbeiten gewährleistet werden kann?
In der Regel ist Italienisch dritte, manchmal aber auch schon zweite Fremdsprache. D.h. die Schüler sind zwischen 12 und 15 Jahren alt, wenn sie mit dem Erlernen der Fremdsprache beginnen und ca. noch einmal 1 ½ Jahre älter, wenn sie zum ersten Mal mit italienischer Literatur in Kontakt kommen, da das Arbeiten mit Literatur gewisse Sprachkenntnisse erfordert.[12]
2.2.2 Textauswahl
Da wir nun das Alter der Lernenden kennen, sollten wir uns damit auseinandersetzen, welche Texte für ihre Altersgruppe in Frage kommen, da ein ansprechendes Thema sich enorm motivierend auf die Schüler auswirken kann. Doch nach welchen Kriterien soll man als Lehrkraft seine Textauswahl ausrichten? Einige Grundsätze für die Textauswahl befinden sich im Anhang II auf Seite 20.
In literaturwissenschaftlichen Seminaren an der Universität beschäftigt man sich meist mit Klassikern. Aber kann man diese Werke auch in der Schule einsetzen? Bei einer kurzen Umfrage unter Kommilitonen äußerten die meisten nur: „Viel zu schwer“ Was soll man also im Unterricht mit den Schülern lesen? Bei der Beantwortung dieser Frage helfen die Rahmenrichtlinien des Landes Sachsen-Anhalt nur bedingt weiter, da dort kein einziges zu lesendes Werk aufgeführt ist. Es ist lediglich die Rede von „[der] Kenntnis einiger ausgewählter Werke der italienischsprachigen Literatur“[13].
Bei der Textauswahl zu bedenken ist sicherlich der Fakt, dass sich die Schüler in einer schwierigen Phase, nämlich der Pubertät, befinden. Sie sehen sich nicht mehr als Kinder und möchten dementsprechend auch keine Bücher lesen, in denen die Kindheit thematisiert wird. Die zu behandelnden Texte sollten an den Interessen und Fähigkeiten der Schüler orientiert sein und z.B. zwischenmenschliche Beziehungen oder das Leben von Jugendlichen schildern.[14] Sie sollten nicht zu umfangreich und an das sprachliche Niveau der Lernenden angepasst sein sowie zum Nachdenken und Reden über das Gelesene anregen. Dabei sollten sie aber stets in Einklang stehen mit den jeweiligen Lernzielen und Themen der Unterrichtseinheit.[15]
Humoristische und satirische Texte werden gern gelesen. Vorteilhaft kann es auch sein, Texte zu verwenden, in denen anfangs ein Problem oder eine Schwierigkeit beschrieben werden, da dann die natürliche Neugier, der Drang zu wissen, wie die Geschichte weitergeht, dazu anregen die Lektüre fortzusetzen.[16]
[...]
[1] Um eine leichtere Lesbarkeit zu gewährleisten, wird im Folgenden auf geschlechterdifferenzierende Schreibweisen verzichtet. Es sei jedoch angemerkt, dass die maskuline Form stets generische Funktion hat.
[2] Küster, Lutz: Plurale Bildung im Fremdsprachenunterricht. Interkulturelle und ästhetisch-literarische Aspekte von Bildung an Beispielen romanischer Fachdidaktik, Frankfurt am Main [u.a].: Lang, 2003, S. 89.
[3] Ebd., S. 90.
[4] Ebd.
[5] Nünning, Ansgar/Surkamp, Carola: Englische Literatur unterrichten. Grundlagen und Methoden, Seelze-Velber: Klett/Kallmeyer, 2006, S. 12f.
[6] Ebd., S. 13.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Weskamp, Ralf: Fachdidaktik: Grundlagen & Konzepte, Berlin: Cornelsen, 2001, S. 188.
[9] Vgl. ebd.
[10] Vgl. Becker, Norbert: „ Problemfelder der unterrichtlichen Behandlung von literarischen Erstlektüren im Italienischunterricht“, in: Becker, Norbert (Hg.): Einführung in die Lektüre italienischer literarischer Texte, Bamberg: Buchner, 2001, S. 5-21, S. 5f.
[11] Vgl. Becker (2001), S. 5.
[12] Vgl. ebd.
[13] Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt: Rahmenrichtlinien Gymnasium. Italienisch. Schuljahrgänge 7 - 12, Quedlinburg: DRUCK, 2003, S. 9.
[14] Vgl. Becker (2001), S. 7.
[15] Vgl. Nünning (2006), S. 49.
[16] Vgl. Becker (2001), S. 16.