Die Diktatur Ceauşescus ab den 1980-er Jahren des 20. Jahrhunderts wird in der Literatur als eine anachronistische ‚Schreckenszeit‘ dargestellt, in der die Menschen einer ständigen, nicht greifbaren Bedrohung ausgesetzt sind, die auf die Zerstörung des individuellen Charakters und des Selbstbewusstseins zielt (Vgl. Predoiu 2004, S. 129). Die stille Anpassung an das Regime, die Vergegenwärtigung der Überlebensstrategien sowie die Nutzung der Mehrsprachigkeit begleiten die Menschen in ihrem Alltagsleben und schützen sie zugleich vor dem Selbstmord oder dem Irrsinn, die als sogenannte „Endstationen des Lebens im totalitären Rumänien“ (ebd.) angeführt werden. In eine solch multikulturelle Region wird die Autorin Herta Müller hineingeboren, die zum einen „an der Schnittstelle zwischen mehreren Sprachen […] und zum anderen zwischen Dorf und Stadt und später in der Stadt zwischen Leben und Tod“ (Predoiu 2004, S. 8) aufwächst. Der menschenverachtende Umgang mit der rumänischen Bevölkerung sowie die gesellschaftlichen und individuellen Missstände innerhalb der Diktatur versucht Müller in ihren Romanen Herztier und Atemschaukel aufzuzeigen, in dem sie literarische Figuren als sogenanntes ‚Sprachrohr‘ nutzt, um die zu damaliger Zeit tabuisierten Themen wie körperliche Gewalt und psychische Verelendung öffentlich zu diskutieren.
Vor diesem Hintergrund wird die Frage der Arbeit sein, wie Müller das Phänomen der (Un-) Menschlichkeit präsentiert und wie die physischen und psychischen Belastungen sprachlich realisiert werden, denen die Menschen in der Diktatur täglich ausgesetzt sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Betrachtung der motivischen Hintergründe
2.1. Die Befriedigung der Grundbedürfnisse: Das Essen und der Hunger als lebenssichernde Kräfte
2.2. Das Angstgefühl: Kollektive Ängste stehen individuellen Befürchtungen gegenüber
3. Die Darstellung der (Un-)Menschlichkeit
3.1. Der Identitätsverlust: Wie Menschen in tierische Verhaltensrollen gedrängt werden
3.2. Die kategoriale Denkweise des Regimes: Der Aufbau einer hierarchischen ‚Menschenordnung‘
3.3. Der Tod: Eine personifizierende Form der Zustandsveränderung im Kampf gegen die Verbrechen der Menschlichkeit
4. Die sprachliche Realisierung der physischen und psychischen Belastungen
4.1. Der fortdauernde Prozess der Verelendung: Die sprachlichen sowie räumlichen Grenzen der rumänischen Stadt- und Dorfbevölkerung
4.2. Die poetische Versinnbildlichung der Ceauşescu-Dikatatur: Die Neologismen Herztier, Hungerengel, Herzschaufel und Atemschaukel in einer sogenannten‚Freund-Feind‘-Beziehung
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
6.1. Primärliteratur
6.2. Sekundärliteratur
6.3. Internetquelle