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Akademische Arbeit, 2006
42 Seiten, Note: 1,0
1 Einleitung
2 Das Wesen der Tanzpädagogik
2.1 Körperlichkeit und Emotionalität in Erziehung und Bildung
2.2 Ziele und Bildungsinhalte der Tanzpädagogik
2.2.1 Sachorientierter Bereich
2.2.2 Subjektiv-emotionaler Bereich
2.2.3 Sozialer Bereich
2.2.4 Kognitiver Bereich
2.3 Methodik und Vermittlungsformen der Tanzpädagogik
3 Das Wesen der Erlebnispädagogik
3.1 Theoriegeschichtliche Rekonstruktion
3.1.1 Historische Entstehungsgrundlagen
3.1.2 Kurt Hahn´s Schulbewegung
3.2 Erlebnisarmut in einer Erlebnisgesellschaft
3.3 Erziehung und Erleben
3.4 Ziele, Vermittlung und Grenzen der Erlebnispädagogik
4 Schlussbetrachtung
5 Literaturverzeichnis (und weiterführende Literatur)
Der Tanz gehört zum Leben der Menschen. Er ist neben der Musik eine der ursprünglichsten künstlerischen Lebensäußerungen. Wenn Menschen den Begriff Tanz hören, erreichen sie Bilder, die vom Kinderreigen zum Seniorentanz, von der Spitzentänzerin zum barfüßigen Afro-Tänzer, vom Gesellschaftstanz bis zum Technotanz der Loveparade reichen. Die jeweiligen Assoziationen entstehen dabei immer in Abhängigkeit von den individuellen und sozio-kulturellen Kontakten mit Tanz. Meist sind sie auch mit einer emotionalen Gestimmtheit dem Tanzen gegenüber verbunden.
Tanzen ist für die viele mit Fun verbunden. Gemeint ist aber nicht der oberflächliche Spaß, sondern das ganzheitliche nachhaltige Vergnügen; die von innen, aus dem Herzen kommende Freude als Ergebnis des persönlichen Einsatzes, der tänzerischen Leistung, die motivierend wirkt. Ein solches Vergnügen beruht auf sozialer Sensibilität und ist aus der Stille geboren, aus dem inneren Lauschen und Erleben. Das verschmitzte Lächeln ist für diese Form des Vergnügens bezeichnender als das lärmende Lachen. Das achtsame Hören und Schnipsen mit den Fingern ist unverkennbarer als das laute Grölen und Klatschen. Und das vorsichtige Ausprobieren und Improvisieren ist wichtiger als das Stampfen und ausartende „Zur-Schau-stellen“ in jeder Großraumdisco. Das größte Vergnügen bereitet der freudbetonte, begeisterte persönliche Einsatz, das tiefe Versinken in das Tanzen, das Eintauchen in die Spielformen und Gruppenerlebnisse, das Einswerden mit dem, was man tut, die selbstvergessene Hingabe an den Tanz und seine Faszination. Für dieses Erleben ist ein Optimum an Erfahrung in der Begegnung zu sich und der Welt nötig. Es gibt unterschiedliche Qualitäten der Erfahrung. Mit diesem Aspekt befassen sich u.a. die Arbeiten von Csikszentmihalyi (1990 / 1995). Er hat den Begriff des „flow“ geprägt, einem inneren Zustand, in dem sich ein Individuum befindet, wenn es die Erfahrung machen, dass es ganz in seiner aktuellen Tätigkeit aufgeht (Moch 1995:37). Dieses Glücksgefühl, dieser „Fun by Flow“ unterscheidet sich grundsätzlich vom groben Spaß als Zeitvertreib, der das kostbarste Gut, dass wir haben, die Zeit, vertreibt, ja sogar in unserer heutigen Zeit totschlägt, statt sie sinnvoll zu gestalten.
Tanz ist eine menschlich-gesellschaftliche Tätigkeit, in der Gefühle, Gedanken, Sehnsüchte, Ideen, Willenshandlungen und Erlebnisse durch Körperbewegungen und Gebärden zum Ausdruck gebracht werden. Die Bezeichnung „Tanz“ selbst ist die Abstraktion eines konkret ausschließlich in verschiedenen Spielarten aufzufindenden Phänomens mit unterschiedlichen individuellen und sozio-kulturellen Sinngebungen (KRAMER 1990:9). Eine allgemeingültige Definition für Tanz erscheint aber angesichts der vielfältigen kulturellen und historischen Erscheinungsformen nahezu unmöglich. Dennoch wurde und wird versucht, diese Vielfalt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Die Ergebnisse dieser Bemühungen sagen aus, dass Tanz allgemein eine geordnete Bewegung des menschlichen Körpers in Raum und Zeit zu begreifen ist. Anstelle einer einheitlichen Definition soll im folgenden einige (z.T. hypothetische) Aussagen formuliert werden, die als Konstanten eines allgemeingültigen Tanzbegriffes fungieren können.
Den Tanz reiht Junk in die Reihe der momentanen Künste ein, „die in der Zeit sich darstellend manifestieren […], denn er ist im Augenblick des Entstehens auch schon wieder vergangen“ (1990:21, vgl. Zacharias 1991:53). Ein einmal getanzter Tanz ist in exakt derselben Form nicht mehr reproduzierbar. Mit der Festsschreibung von Tanzschriften versucht man, die Augenblicksverhaftetheit des Tanzes entgegenzuarbeiten. Auch die von Rudolf von Laban zu Beginn des 20. Jahrhunderts erarbeitete Tanz- und Bewegungsschrift (Labannotation), die heute international Verwendung findet, mildert den genannten Tatbestand nur, vermag aber des Problem nicht endgültig zu beheben.
Mary Wigman, eine Schülerin Rudolph von Labans, betitelt eines ihrer Bücher „Die Sprach des Tanzes“ (1963) und bedient sich mit dem Titel der Metapher von Tanz als körpersprachlichem Phänomen. Den ganzen Reichtum der tänzerischen Sprache sieht sie in der körperlichen Bewegungsfähigkeit enthalten (Wigman 1963:10). Auch Fritsch verdeutlicht das spezifische der tänzerischen Veräußerung in einer Formel: „Etwas sagen, was man nicht sagen kann“ (1988:11).
„Vom Tanz soll man eigentlich nicht sprechen, sondern ihn für sich selbst sprechen lassen“ (Otto 1956:9). Wie viele andere deutet auch Otto hier an, dass sich das Wesen des Tanzes einer sprachlichen Fassung nur unzureichend erschließt. Tanzen erscheint nur durch tanzen erfassbar. Die Sprache ist jedoch ein Mittel, das Wissen und die Erfahrungen aus bestimmten Tanzräumen den nicht direkt an diesen Teilhabenden mitzuteilen.
Kosellek & Kosellek verstehen unter Tanz „einen räumlich und zeitlich beschreibbaren ganz- oder teilkörperlichen Handlungsvollzug, welcher innere Bewegtheiten zu Ausdrucksformen gestaltet und durch Musik, Gesang und musikalischen Rhythmen zu einer Rhythmisierung sich wiederholender Bewegung führt […]“ (1993:22). Außerdem zeichnet sich Tanz als komplexer Ausdruck physischer und psychischer Vorgänge durch stimulierende Wirkungen aus. Durch Tanz entwickeln sich die körperlichen Fähigkeiten weiter und nehmen koordinierte Gestalt an (ebd. S. 24)
Bei Tietjens ist nachzulesen, dass sich das Handeln im Tanz aus einem Wechselverhältnis sinnlicher Wahrnehmung, Erfahren, Begreifen und kritischem Reflektieren eigener Erfahrungen entwickelt. Das Tanzen „fördert und sensibilisiert durch eine Differenzierung das Bewegungs- Seh-, Hör- und Tastsinns nicht nur die Wahrnehmungsfähigkeit […] sondern gibt der Kreativität […] einen besonderen Raum“ (2006:225).
Tanz ist eine pädagogisch betrachtet rhythmisch geformte Bewegung. Er gilt als Ausdrucksmittel, dass dem menschlichen Bedürfnis bzw. Trieb nach Darstellung und Kommunikation entspricht. Die Quellen tänzerischen Erlebens und gestaltenden Ausdrucks sind also bereits in der Leiblichkeit des Menschen verborgen (Bergmann 2006:53). Ein sinnvoller Rückgriff auf Tanz als pädagogischer Mittler setzt voraus, dass eine umfassende Vorstellung von dem mit Tanz Gemeinten besteht oder dem Interessierten verständlich gemacht wird. Wir brauchen eine neue Vermittlungskultur und –pädagogik der Sinnlichkeit. Hierfür mag das Tanzen als uralte Muttersprache zwischen den Menschen und als unmittelbarer Ausdruck der Sinnlichkeit als Modell dienen. Es geht um eine Erneuerung des elementaren, spontanen, sinnlichen Tanzens, um eine Alltagskultur des Tanzens, die vom Artifiziellen zum Elementaren, von der künstlerisch-ästhetischen Ebene zur menschlichen Erfahrungs- und Erlebnisebene führt.
Ziel folgender Ausführungen ist es daher, Tanz als Lehr- und Lerngehalt in seinen Möglichkeiten und Grenzen für Erziehung und Bildung abzustecken und eine begrenzte thematische Auseinandersetzung mit den erlebnispädagogischen Möglichkeiten im Tanzen mit Kindern und Jugendlichen vorzulegen.
Dabei werden in dieser Arbeit die männlichen Bezeichnungen „der Pädagoge“, „der Lehrer“, „der Schüler“ oder „der Tänzer“ nur der sprachlichen Einfachheit halber verwendet. Aus diesem Grunde ist zu betonen, dass es sich bei diesen allgemeinen Personenbezügen um verkürzende Formeln handelt, die stets beide Geschlechter einbeziehen.
Im anschließenden Kapitel werden die Zusammenhänge zwischen musischer Bildung, Tanz und Erziehung niedergeschrieben. So steht die Tanzpädagogik vor der Aufgabe, den Menschen „für die“ und „mit der“ Pluralität heutiger Tanzwelten zu erziehen und ihm Bildung zu ermöglichen. Dabei wird Pluralität als „charakteristische Sinnstruktur“ der heutigen gesellschaftlich-kulturellen Wirklichkeit verstanden (Welsch 1987:81, Müller-Speer 1995:258). Es lassen sich nicht alle folgenden Überlegungen in ein einheitliches System ein- und unterordnen. Sie stehen vielmehr gleichwertig nebeneinander, wie beispielsweise die verschiedenen Zielpositionen tanzpädagogischen Handelns oder die unterschiedlichen Bildungsinhalte der elementaren Tanzerziehung. Dabei strebt die elementare Tanzpädagogik nicht allein das Erlernen von „Tanz“ oder Tanzbewegungen an, es wird gleichfalls der Erwerb von Kenntnissen, übertragbaren Fertigkeiten und Haltungen angestrebt.
Diese übergreifenden Ziele stehen in einem engen Zusammenhang zum ganzheitlichen Bildungskonzept der Erlebnispädagogik. Sie gilt als gesellschaftskritische Kompensationspädagogik, da sie innere Spannungen und Defizite an Erlebnissen aus ´erster Hand´ ausgleichen möchte. Es geht ihr um emotionale Spannungen, die sich in den ´reizüberfluteten´ Alltags- und Berufsroutinen in der heutigen Gesellschaftsstruktur einstellen, aber nicht automatisch abgebaut werden können. Erlebnispädagogik ist eine der Basisgrund-lagen des Hahn´schen Erziehungskonzeptes ab dem Jahre 1920 und den daraus entstandenen Outward Bounds. Bei der heutigen Vermittlung von Erfahrungen, Methoden und Wissen wird der Stellenwert des Erlebnisses umso deutlicher, wenn das vergnügte und praxisnahe Ausprobieren und Gestalten im Tanz mit dem Lernprozess da selbst verbunden wird.
Unter Rückbezug auf die Gesamtheit der Überlegungen in dieser Arbeit werden im abschließenden Kapitel die vorgestellten Gedanken unter dem Gesichtspunkt des Identitätsprozesses gebündelt.
Um einen möglichst uneingeschränkten Einblick in die Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung und Bildung mittels des Tanzes zu bekommen, soll hierbei von der Betrachtung des Tanzes als Lehr- und Lerngehalt ausgegangen werden.
Tanzpädagogik eröffnet dem Menschen eine Möglichkeit, „Kultur als die ´zweite Natur´ des Menschen zu erfahren“ und zu gestalten (Geißler 1983:138). Hier deutet sich auch die besondere Modalität der körper-leiblichen tänzerischen Interaktion an. Der tanzende Körper ist gleichsam Vermittler, Hervorbringer und Erleidender im tänzerischen Handeln (vgl. Müller-Speer 1995:260).
Haselbach (1991:9) definiert Tanzerziehung als Zusammenführung von Inhalten der Leibeserziehung und der ästhetischen Erziehung. Das Ausdrucksmedium der Tanzerziehung ist die Bewegung des menschlichen Körpers, die entwickelt und differenziert werden soll. Außerdem vermittle die Tanzerziehung die ästhetischen und kommunikativen Aspekte des Tanzes. Hierbei sei noch anzumerken, dass der Begriff Tanzerziehung für diese Arbeit mit dem Begriff der Tanzpädagogik gleichzusetzen ist, auch wenn er von den Begriffen des Tanzunterrichtes und Tanzausbildung abgegrenzt wird. Die genaue differenzierte Betrachtungsweise kann jedoch aufgrund des Umfangs hier nicht gewährleistet werden.
Tanzpädagogik bzw. Tanzerziehung wird hauptsächlich in allgemein bildenden Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Vereinen, Fitness- und Tanzstudios und speziellen Tanzschulen gezielt eingesetzt. Dabei soll sie den Hintergrund verschiedener Erwartungen und primärer Motivationen sowohl beim Lehrenden als auch beim Lernenden berücksichtigen und reflektieren. Tanzpädagogik hat als zweite Aufgabe, dem auf Expression verwiesenen Menschen, „dem auf so vielen […] Gebieten die Chance schöpferischen Gestaltens gegeben ist, auch die Bewegung im Tanz als gestaltbares Material nahe zu bringen“ (Lex&Padilla 1988:14). Tanzpädagogik soll die körperlichen Anteile der Person in ihrer Interaktion mit der Welt besonders berücksichtigen und deren bildende Gehalte aufschließen (vgl. Gebhard 1978:130f, Müller-Speer 1995:296).
Mit der optimistischen Sichtweise der Möglichkeiten von Erziehung und Bildung in der Bundesrepublik der frühen 70er Jahre geht eine Ausrichtung auf pragmatisch nutzbare Informationsvermittlung einher. Wissen wird mit gesellschaftlichem Status und Macht auf eine Ebene gestellt. Die Erkenntnis, dass die gesellschaftlichen und individuellen Gegebenheiten nicht beliebig veränderbar sind, endet im Bildungspessimismus der 80er Jahre (Geißler 1983:25f). Durch die Vernachlässigung der Körperlichkeit und Emotionalität in vielen Bereichen von Erziehung und Bildung wird eine Neu- bzw. Rückbesinnung auf Ganzheitlichkeit gefordert (Geißler 1983:53). Zweckfreie Bildungs-inhalte, zu denen der Tanz zählt, bedienen sich einer unbestimmbaren, undefinierbaren und indirekt beschreibbaren Verwendung im pädagogischen Feld.
„Ein zeitgemäßes Allgemeinbildungskonzept muss daher Lernbereiche, Lernangebote und immer auch Lernanforderungen enthalten, die […] Zugänge zu unterschiedlichen Möglichkeiten menschlichen Selbst- und Weltverständnissen und zu kulturellen Aktivitäten […] öffnen – von der subjektiven Seite aus gesehen: zur Vielzahl möglicher, relativ frei wählbarer individueller Interessenschwerpunkte“ (Klafki 1985:25, vgl. Geißler 1983:23; 27).
Neben den sensomotorischen Zielsetzungen werden nun auch wahrnehmungsbezogene, kognitive und affektive Zielpositionen gleichberechtigt berücksichtigt. Fest steht, dass rein sprachliche Lernprozesse „gesamthistorisch und in der individuellen Lerngenese […] immer rückgebunden sind an konkretere Formen der handelnden Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit“ (Klafki 1985:236, vgl. Geißler 1983:21). Deshalb erscheint es angemessen, „das Repertoire von Aneignungs-, Auseinandersetzungs- und Ausdrucksformen über das Medium Sprache hinaus zu erweitern, gezielt fort[zu]führen […] und (zu) erproben“ (Klafki 1985:237). Tanzpädagogische Veranstaltungen können, wie Badry hervorhebt, sowohl einen ausgleichenden und ergänzenden als auch einen erweiternden und unterstützenden Charakter haben (1992:135).
Die ergänzende Bedeutung tänzerischer Lernprozesse wird umso mehr deutlich, wenn Klafki (1983:236) weiter beschreibt, dass von Kindern und Erwachsenen gefordert werde, dass sie „über relativ lange Lernphasen hinweg aufmerksam an rein […] sprachlich vollzogenen Lehr-Lern-Prozessen teilzunehmen“ haben. Im Hinblick auf die „Sozialisationsbedingungen einer hoch-technisierten Gesellschaft“, gekennzeichnet durch eine verkehrs- und signal-reiche Umwelt, in der sich der Mensch bewegen und orientieren müsse, und durch ein reiches optisches und akustisches Medienangebot, hätten sich jedoch Rezeptionsgewohnheiten ausgebildet, die nicht primär verbaler Art seien. Tänzerische Handlungen können innerhalb dieser Veränderungen die Lern-möglichkeiten des Einzelnen über das verbale Lernen hinaus erweitern. In einzelnen Enklaven ist es vor allen Dingen Kindern und Jugendlichen möglich, Lernerfahrungen mit ihren eigenen schöpferischen und leiblichen Kräften zu machen, die relativ frei von äußeren Notwendigkeiten und Grenzen sind – die daher auch als zweckfrei bewertet werden können.
Die genaue Ausgestaltung von Tanzbewegungen, Tanzhandlungen und Tanzangeboten für alle Altersklassen wird jedoch wesentlich durch die Schwerpunktsetzungen der Lehrenden mitbestimmt und anhand eines Geflechts von Richt- und Feinzielen festgelegt.
Zur besseren Übersicht sollen die Zielrichtungen tanzpädagogischen Handelns in vier Bereiche, die miteinander in Wechselwirkung stehen, zusammengefasst werden. Diese Einteilung findet ihre Entsprechung in der Betrachtung des Tanzes unter seinen Vermittlerfunktionen. Diese Zielbereiche sind:
- Sachorientierter Bereich
- Subjektiv-emotionaler Bereich
- Sozialer Bereich
- Kognitiver Bereich
Der erste Zielschwerpunkt ergibt sich, wenn Tanz als Thema und Sache im Vordergrund des Lernprozesses steht. Allgemeines Ziel in diesem Zielkomplex ist es, dass der Lernende in tanzpädagogischen Veranstaltungen zu tanzgerechten Bewegungsäußerungen befähigt, wird sowie das notwendige Tanzwissen erwirbt. Tanz aktualisiert sich nur dann, wenn sich der Körper des Tanzenden bewegt, d.h. wenn er seine aktuellen Raumpositionen aufgibt oder verändert, ohne dass ein einheitlicher Bewegungsablauf beschrieben wird (Feldenkrais 1978:56). Tanzpädagogik regt den Tanzenden zur Auseinandersetzung mit der (tänzerischen) Sachwelt, die durch das subjektive Empfinden, den körperlichen Bedingtheiten und der Stellung im Raum mitbestimmt wird, an (vgl. Peter-Bolaender 1992:230f).
Als Aufgabe und Ziel für die Tanzpädagogik formuliert Wigman (1963:109, vgl. Lex&Padilla 1988:12), dass der „bewegte Körper zum feinnervig, vibrierenden und meisterlich beherrschten Instrument des Tanzes“ zu formen sei. Förderung und Erhalt von Muskelkraft, Schnellkraft, Gleichgewicht, der Spreizfähigkeit und der Koordinationsfähigkeit werden im Wachstumsprozess des Körpers angestrebt.
Eine gute Tanzbewegung kommt dann zustande, wenn „willkürliche Kontrolle und die automatische Reaktion des Körpers auf die Schwerkraft nicht gegeneinandergeraten, sondern […] zusammenwirken und einander beim Ausführen […] so helfen, dass es aussieht, als würde diese von einem einzigen Zentrum aus gelenkt“ (Feldenkrais 1978:122).
Durch Tanzveräußerungen kann die Bewegungsfähigkeit erhalten und ver-bessert werden. Bei Kindern und Jugendlichen sei jedoch darauf zu achten, dass sie nicht überfordert werden. Besonders bei Kleinkindern muss bei Balance erfordernden Bewegungen wie Drehungen berücksichtigt werden, dass der Gleichgewichtssinn im Alter von vier Jahren noch nicht voll ausgeprägt ist. Auch die Hüftrotation bei Erwachsenen, die für den klassisch-akademischen Tanz Voraussetzung ist, kann aus anatomischen Gründen nur noch minimal verändert werden. Aufwärmübungen, Kraft- und Konditionstraining und das Üben von Schrittfolgen zielen ebenso darauf ab, eine verbesserte Ausführung des Schrittgutes zu ermöglichen. Dabei fördert die rhythmische Gestaltung der Bewegung die Fähigkeit, einen Bewegungsablauf in ein musikalisches Zeitmaß einzupassen. „Eine vom Rhythmus geprägte Bewegungsfolge [kann] nur dann ihre volle Vitalität entfalten […], wenn sie entsprechende dynamische Impulse enthält“ (Lex&Padilla 1988:17). Tanzen dann mehrere Kinder zusammen oder meistern sie alle gleich bleibende Bewegungsabläufe, setzt dies voraus, dass sie gelernt haben, sich im Rhythmus und Dynamik aufeinander abzustimmen (vgl. Bergmann 2006:55). Dabei fördert besonders die Dynamik die Motivation und die Konzentration der Kinder. Außerdem ist bei Lex&Padilla nachzulesen, dass die Form einer Bewegung sowie die geometrischen Gruppierungsmöglich-keiten wesentlich dazu beitragen, dieser Gestalt zu geben. „Ohne Form keine klare erkennbare Tanzgestalt – kein Ruhepunkt im Fluss der Bewegung, denn nur sie schafft sichtbare Konturen“ (1988:18).
Unter der Zielperspektive des subjektiv-emotionalen Bereichs steht die Erfahrung und Wahrnehmung an und mit dem eigenen Körper sowie das Sich-Einlassen auf emotionales Erleben, auf „innere“ Bewegungen und Stimmungen.
Bergmann verweist auf die Verbindung zwischen den Phänomenen „Tanz“ und „Spiel“. Tanz würde mit spielerischen Aktionen und rhythmisch geformten Bewegungen nachhaltiger gelernt und aufgenommen.
„Das Medium Tanz ermöglicht dem Tanzenden über die Selbsterfahrung hinaus den Schritt zur Selbst-Ausbildung und Selbstbildung zu tun, da er sich im tänzerisch gelenkten Spiel seiner eigenen Bewegung erst bewusst wird und dieses Bewusstsein im Tanz für sich werten kann“ (Bergmann:2006:54).
„Mittels Tanz soll der Mensch eine Förderung seiner Wahrnehmungsfähigkeit, seiner Kreativität, seiner Fähigkeiten zur Meditation und Imagination sowie eine Erweiterung seines Bewusstseins, insbesondere seines Selbstbewusstseins, erfahren“ (Peter-Bolaender 1992:222).
Mit der Ausbildung des Selbstbildes gehört auch die Vorstellung vom eigenen Körper, die es ermöglicht, ein Bild von sich selbst zu entwickeln.
Da sich diese angestrebten Feinziele durch die Begegnung mit Menschen begründen und die damit zusammenhängende sozio-kulturelle Eingebundenheit verantworten, muss das Kind oder der Erwachsene emotional bereit sein, sich mit seiner Person und der Umwelt tanzend auseinanderzusetzen. Mit dem Kontakt zu anderen Menschen erfährt der Tanzende seine Stärken und Schwächen, und zwar im Vergleich mit anderen.
Eine weitere Voraussetzung für die innere Vorstellung des eigenen Ichs ist die kinästhetische Wahrnehmungsfähigkeit, d.h. „Spannung und Entspannung der Muskeln und die Lage der einzelnen Glieder werden innerlich empfunden. […] Nur über das innere Bild lassen sich Konzentration und Geschlossenheit der Bewegungsform erreichen“ (Gaupp o.J.:18). Auch die Beobachtungsfähigkeit im visuellen Bereich, die bei Bewegungsgestaltungen für die Übernahme von Bewegungsmustern von Bedeutung ist, und die Wahrnehmungsfähigkeit im taktilen Bereich dienen der Sensibilisierung und der Aktualisierung der sachgerechten, d.h. tanzgerechten Schulung.
Innerhalb der Tanzpädagogik gehört die Entwicklung sozialen Verhaltens zu den Zielaspekten des sozialen Bereiches, dazu gehören die Rücksichtnahme und / oder die Fähigkeit, auf andere einzugehen und sich anderen anzupassen (vgl. Bergmann 2006:14). Dabei soll geschult werden, dass es möglich ist, tänzerisch zu kommunizieren. Dies kann im Gleichklang oder auch durch Nähe und Distanz erkannt werden. Die zwischenmenschlichen Kontakte ereignen sich somit auf nichtsprachlicher Weise, die je nach Bedarf durch verbale Kommunikation erweitert werden kann. In diesem Kontext sei auch darauf hinzuweisen, dass die möglich werdenden Beziehungserfahrungen unter den Lernenden von konstitutiver Bedeutung für die personale Entwicklung sind.
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