[...] Das Resultat daheraus kann man heute vermehrt wahrnehmen, Beratungsbedarf in Sachen Erziehung wächst und Kinder und Jugendliche zeigen sich immer mehr delinquent und sind für ihre Erziehungsverantwortlichen oft nicht mehr erreichbar, wobei hier das Problem nicht die Kinder bilden, sondern ihre Umwelt! [...]
Was können wir nun in Anbetracht obiger Argumentation schlussfolgern? Wie kommt es dazu, dass Kinder und Jugendliche sich unserem Einfluss scheinbar immer weiter entziehen?
Der Graben päd. Einflussnahme gegenüber dem Kind wird breiter, dafür verantwortlich zeigen sich mir vor allem der Zeitfaktor (Eltern haben aufgrund ihrer Arbeit immer weniger Zeit für ihre Kinder, um eine Beziehung aufbauen zu können, es fehlen Rituale, gemeinsame Erlebnisse), der Trennungsfaktor (das Kind wächst mit nur einem Elternteil auf und ist hin- und hergerissen, dabei erlebt es ständig Streitigkeiten, es herrscht keine vertrauenswürdige Atmosphäre zu Hause, was wiederum zu Verschlossenheit führen kann, das Kind fühlt sich wie ein Spielball und ist oft außen vor – will heißen, das Kind wird an Entscheidungen nicht beteiligt), der Erziehungsfaktor (Erziehungsstile werden unreflektiert weitergegeben und alte Denkmuster auf „die neue Welt“ angewendet.). Dazu tritt der Wissensfaktor (Eltern halten nicht mit der Entwicklung der Kinder und der Welt/Technik mit, es herrschen unterschiedliche Interessen vor: Konservativ vs. Modern –> Konfliktpotential) [...] Die Problematik betreffend, ob Zwang sein müsse, so sage ich: Ja! Wobei Zwang mehr oder minder zusammen mit der Strafe einhergeht. Habe ich kein „Gegenmittel“, womit soll ich dann Zwang ausüben? Ja deshalb, weil das Vorgehen der Kinderläden (antiautoritäre Erziehung) als völliger Irrweg in der Geschichte enttarnt wurde. Hier wollte man gar nicht ins Leben der Kinder eingreifen (sie taten dort wonach ihnen war ohne Anleitung und Zwänge). So wollte man die Fehler aus der Zeit der Schwarzen Pädagogik (Bestrafung durch Schläge, Formung des Kindes, Untersagung seiner Natur) nicht wiederholen [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Vorstellung der Einrichtung Wellenbrecher e.V.
3 Der Naturhochseilgarten und das Tipi-Hotel
4 Die intensiv-pädagogische Betreuung auf einem Ponyhof
4.1 Vorwort
4.2 Der erste Tag(esablauf)
4.3 Vorkommnis 1: Abwesenheit der Pflegemutter
4.4 Vorkommnis 2: Das Baumhaus
4.4.1 Reflexion
4.5 Vorkommnis 3: Die Fabrik und der Fahrradausflug
4.5.1 Reflexion: Warum soll das Kind auf den Erwachsenen „hören“?
4.5.1.1 Päd. Handeln über die Spiegelung
4.5.1.2 Die Erzieher-Zögling Beziehung
4.5.1.3 Ja zur Strafe?
4.5.1.4 Soll der Erwachsene auf das Kind hören?
4.6 Vorkommnis 4: Die Schulaufgaben
4.7 Vorkommnis 5: Der letzte Tag – ein bischen Wehmut
5 Erweiterte Reflexion der Vorkommnisse durch die kant'sche Lektüre
6 Neurobiologische Untermalung meiner bisherigen Erkenntnisse
7 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Praktikumsbericht bei Wellenbrecher e.V.
1 Einleitung
Ich habe mich für ein Praktikum bei Wellenbrecher e.V. entschieden, weil ich einen Einblick in verschiedene Bereiche erhaschen wollte. Mir war es wichtig, sowohl administrative Einblicke als auch pädagogische Einblicke zu erhalten. Nachdem Wellenbrecher e.V. sich auf meine Bewerbung hin bei mir meldete, konnten wir (also ich und der Koordinator) den Zeitrahmen und die „Einsatzorte“ abstecken. Diese Orte waren für die ersten 2 Wochen dann zum Einen der Naturhochseilgarten in Riesenbeck/Birgte. Für die darauf folgenden 2 Wochen ein Einblick in administrative Prozesse. Zum Abschluss stimmte ich der intensiv-pädagogischen Betreuung eines 10 jährigen Jungen auf einem Ponyhof zu. Dieser Abschnitt meiner Arbeit soll den größten Teil dieses Berichts einnehmen. Der von mir noch erhoffte Einblick in die MarteMeo (Hochseilgarten) Beratung blieb leider aus.
2 Vorstellung der Einrichtung Wellenbrecher e.V.
Wellenbrecher e.V. ist ein seit 1993 anerkannter freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Der Verein betreut Kinder, Jugendliche sowie auch deren Familien basierend auf den §§ 27 ff des SGB VIII und SGB VII. Daneben hat sich der Verein dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband angeschlossen. Es werden ausschließlich qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt (staatlich anerkannt), oftmals mit zusätzlichen Qualifikationen (handwerklich, musisch, sportlich, EDV usw.). Man setzt innerhalb der Organisation voll und ganz auf Teamarbeit. Welche Ziele hat sich Wellenbrecher e.V. gesteckt? Es wird auf Individualität und Flexibilität gesetzt. Das bedeutet, dass die Persönlichkeit (Neigungen, Stärken, Schwächen) des Hilfebedürftigen ganz oben steht und der Hilfeprozess durch Reflexion und Anpassung an der momentanen Entwicklung des Bedürftigen flexibel gestaltet wird.[1] Zudem erfolgt regelmäßig eine Absicherung der Hilfequalität durch Teamstrukturen, Teamentwicklung mit Fortbildung und pädagogischer Beratung, Team- und Fallsupervision, Krisenintervention und Vernetzung der Zusammenarbeit der verschiedenen Standorte (deutschlandweit). Dazu gehört auch eine ständige Weiterentwicklung der Konzeptentwicklung unter Hinzunahme der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse. Neue Aufgabengebiete werden formuliert und in bestehende Hilfeformen und Konzepte eingebaut.[2] Zum Angebot gehören u.a. stationäre Hilfen, darunter sogenannte Standprojekte, bei denen 1-2 Jugendliche in den Haushalt des Betreuers aufgenommen werden und kurz- oder längerfristig betreut werden. Weiterhin werden familienanaloges Wohnen, Mutter, Vater, Kind Betreuung, betreutes Wohnen und stationäre Kurzzeitbetreuung angeboten. Die Standprojekte können sowohl auch im Ausland in Familien stattfinden. Darüber hinaus kommen ambulante Hilfen und spezielle Angebote wie Reiseprojekte, 5 plus Betreuung, Wohngruppen, interk. - system. Betreuung, Beschulung in päd. Projekten zum Tragen. Weiterhin helfen Diagnostik, Therapie als auch Gewaltpräventionsmaßnahmen Menschen in schwierigen Lebenslagen.[3]
3 Der Naturhochseilgarten und das Tipi-Hotel
Nach diesem kurzen organisatorischem Vorlauf möchte ich in meinem Reflexionsbericht mit meinen Erfahrungen in dem Naturhochseilgarten beginnen. Es ergab sich dort folgender Ablauf: In diesen 2 Wochen wurde der Garten von Kindergärten, Schulen und Ferienpassinhabern für erlebnispädagogische Angebote gebucht. Nach einer kurzen Einweisung in die Verhaltensregeln für den Garten konnten die Kinder und Jugendlichen sich frei bewegen und die einzelnen Stationen nach Belieben ausprobieren. Allerdings wurden die Ebenen 10, 14, und 18 m absichtlich ausgeschlossen, weil diese Höhen für Kinder jüngeren Alters noch zu gefährlich waren. Deshalb gab es Sprungnetze die ca. 1- 3 Meter über der Erde gespannt wurden und diverse Parcours. Das Sprungnetz baute auf den Spaßfaktor sowie auch der Überwindung erster geringer Höhen. Daneben wurden auch diverse Waldspiele angeboten, damit Kinder lernen, dass man alleine nicht viel schaffen kann, und man in der Gruppe stärker ist. Die Parcour-Angebote zielten ebenfalls darauf ab, dass man vieles alleine nicht schaffen kann (z.B. konnte man auf zwischen Bäumen gespannten Slake-Lines balancieren während man von einem Freund oder einem Fremden gehalten wird, sodass man nicht herunterfällt). Hier wurde die Fähigkeit trainiert, in wie weit man Vertrauen in andere setzt. Dieses Gefühl wurde dann noch durch das „Blindführen“ entlang einer Leine durch den Wald vertieft. Weitere Spiele wie Seilbahn oder eine Schatzsuche durch Wiesen, Wald und Felder trugen dem Erlebnisbedürfnis und dem Spaßfaktor Rechnung. Meine Hauptaufgabe bestand darin, die Kinder an den einzelnen Stationen anzuleiten und Hilfestellung zu geben (damit sie ihr Ziel doch erreichen oder eben auch mal Mut zuzusprechen). Die Arbeit im Garten fand bei Wind und Wetter statt. Ich denke, dies muss Erlebnispädagogik auch fühlbar machen, denn Natur (also Regen, Wind, Wald und Temperatur ebenso wie Dreck und Matsch) ist heute nicht für alle Kinder erfahrbar und nicht selten werden Kinder überbehütet (pass auf dass du dir nichts brichst, oder: nein, da gehst du mir nicht hin, da ist da zu dreckig für dich!). Was ich sofort am ersten Tag festgestellt habe: Ich habe mit der Zeit vollkommen vergessen, wie man mit Kindern umgeht, bzw. wie sie denken! Es fiel mir doch sichtlich schwer Kontakt aufzunehmen, sowie mit ihnen Gespräche zu führen. Jedoch lockerte sich dieses Phänomen mit der Zeit sehr schnell und ich habe gemerkt, dass die Kinder auch von alleine auf mich zukamen und mich um Hilfe baten, als auch sie anfingen, mich persönliche Dinge zu fragen (z.B.: Hast du eine Freundin? oder: Warum trägst du so viel Schwarzes?) Ich denke meine anfängliche Zurückhaltung hatte damit zu tun, dass ich nichts falsch machen wollte. Ich habe viele Erkenntnisse aus diesen 2 Wochen gezogen und konnte viel dazulernen. Zum Einen hätte ich nie gedacht wie anstrengend es ist, wirklich nahezu einen ganzen Arbeitstag hochkonzentriert auf Kinder aufzupassen und sie zu betreuen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Außerdem habe ich es offensichtlich verlernt, phantasievoll zu denken. Denn oftmals konnte ich den Kindern beim Spielen gar nicht folgen bzw. ihren Argumentationsgang nachvollziehen oder das verstehen, was sie da machten und sagten. Ich fragte mich ständig: Was ist das, was ich da verlernt habe? Was haben die Kinder und ich nicht mehr? Da wurde mir plötzlich klar, warum manche Erwachsene (ihre eigenen) Kinder oftmals nicht (mehr) verstehen (können). Weil sie sich zu wenig mit ihnen beschäftigen! Ich habe gemerkt, dass viele Mädchen stark daran interessiert waren zu erfahren, warum man wie gekleidet ist, bzw. warum man welche Frisur trägt. Bspw. hatte ein Betreuer lange Haare und das Mädchen erklärte ihm dann, dass nur Mädchen lange Haare tragen würden und warum er ebenso solch welche Haare trägt, sie würde das komisch finden. Das Mädchen konnte es nicht verstehen, obwohl der Betreuer (ca. 18 Jahre alt) ihr (ca. 9 Jahre) erklärt hatte, dass er seine Haare so lieber trägt. Besonders fiel mir hier auf, dass überwiegend die Mädchen starkes Interesse am Aussehen und der Kleidung von uns Betreuern zeigten (alle Betreuer waren männlich). Aber dies ist eigentlich auch gar nicht so verwunderlich, denn Andersheit zieht gerne Aufmerksamkeit an, bzw. wollen die Mädchen natürlich auch die Jungen besser kennenlernen. Ich habe die Arbeit insgesamt sehr gerne gemacht, kann mir jedoch nicht vorstellen, diese Art pädagogischer Arbeit über einen längeren Zeitraum auszuüben. Gerne habe ich beim Aufbau der Netze und Parcours mitgeholfen. Ich hatte schon fast vergessen, wie angenehm Arbeit in der Natur eigentlich noch mal ist und ebenso bin ich abends schon lange nicht mehr um 21 Uhr derart „hundemüde“ ins Bett gefallen, wie in dieser Zeit. Ich denke, dass gerade auch für Kinder dies ein Mittel ist, um ihnen die Natur näher zu bringen. Positive Erlebnisse, besonders auch in der Natur, bleiben besonders nachhaltig in Erinnerung und man denkt gerne daran zurück, ich denke, dass Pädagogik in der Natur in der Tat dazu führt, dass Kinder Natur besser verstehen lernen und sie in ihrer Lebenswelt einen größeren Platz einnehmen wird, als evtl. zuvor (Achtung der Natur, bevorzugter Spielort etc.). Da ich vor Beginn meines Praktikums nur sehr wenig Kontakt mit Kindern und Jugendlichen hatte, sehe ich nun im Nachhinein diese Zeit als sehr fruchtbar und erkenntnisreich an, denn sie haben mir geholfen zu erkennen, wer ich eigentlich bin. Ich habe früher oft gesagt: ich hasse kleine Kinder, die Nerven und sind immer so laut. Diese Ansicht hat sich mittlerweile dahingehend positiviert, dass ich erkannt habe, dass Kinder unser Leben sehr viel fröhlicher gestalten und sie unsere Hilfe benötigen um die Welt verstehen zu können. Kinder sind halt so, wir hingegen haben das verlernt. Sie verdienen unsere Aufmerksamkeit, denn wir können und sollten sie zu besseren Menschen machen als wir es heute sind. Wir müssen allerdings hierbei darauf achten, dass wir dabei nicht ihre Individualität unterdrücken und nicht ihre Freiheit einschränken. Ebenso habe ich bemerkt, dass einem selbst ein Kind irgendwie sympathisch sein muss, damit der Umgang mit dem Kind für einen selbst, ja wie soll ich das jetzt ausdrücken, irgendwie angenehm ist. Es ist ähnlich wie beim Umgang mit Jugendlichen oder Erwachsenen. Ich weiß nicht, ob das an diversen Vorurteilen liegt, die darüber bestimmen, mit wem ich lieber spreche oder etwas unternehme. Ich glaube, dass die „Chemie“ oder besser gesagt die Beziehung zum Kind stimmen muss (ähnliche Muster auch hier in der Beratungstätigkeit). Jedenfalls habe ich auch bei den Hilfestellungen (Parcour) gemerkt, dass ich Hemmnisse hatte, den Jungen Hilfestellung zu geben. Bei den Mädchen hingegen hatte ich kaum „Berührungsängste“. Auch dieses Phänomen klang im Laufe der Tage dann auch ab, blieb meines Erachtens nach dennoch nicht ganz fern. Es wäre natürlich hier wichtig zu wissen, woran das liegt, damit eine spätere pädagogische Arbeit mit Jungen fruchtbar und vertrauensvoll/offen ablaufen kann. Fakt ist hier, dass man als Pädagoge bei der Arbeit mit Menschen sicherlich professionell sein muss, will heißen, dass man z.B. in Beratungssituationen Vorurteile ausblenden muss, sowie versuchen muss, die Lebensumstände des Klienten zu verstehen. Denn oftmals können Menschen nichts dafür, wie sie geworden sind. Verantwortlich dafür sind andere Menschen / Institutionen und widrige Umstände. Darüber hinaus habe ich gemerkt, dass man Kindern klare Anweisungen / Regeln vorgeben muss. In meinem Fall waren das z.B. Verhaltensregeln für das Sprungnetz. Viele Kinder haben sich daran gehalten, einige wenige jedoch wollten offenbar testen (ausschließlich Jungen), wie entscheidungsstark bzw. durchsetzungsfähig ich bin. Ich bin ein sehr geduldiger Mensch, jedoch habe ich bei der Arbeit mit Kindern gemerkt, dass man bei Grenzverletzungen ein „Null-Toleranz-Verhalten“ durchsetzen muss. Dies bedeutet, dass man, wenn man sich sicher ist, dass ein Kind die Grenze (z.B. Vorgabe: kein wildes Springen auf den Netzen – da sonst Verletzungsgefahr) absichtlich überschritten hat, dieses beim ersten Mal, spätestens jedoch beim zweiten Mal vom Sprungnetz herunterschickt. Es kann zwar sein, dass das Kind die Regel im Eifer des Spielens vergessen hat und auch nicht wirklich übertreten wollte, deshalb auch die erste Ermahnung, spätestens beim zweiten Male habe ich dann, auch um Verletzungen anderer Kinder nicht in Kauf zu nehmen, das Kind vom Netz geschickt, auch um es vor sich selbst zu schützen, denn bei zu starkem Springen auf den Netzen können sie mit Körperteilen auf dem Boden aufschlagen. Ich denke, dass diese Art des „Durchgreifens“ zum Einen die Autorität des Pädagogen wahrt und zum Anderen dem Kind signalisiert: bis hier und nicht weiter. Andernfalls hat es für dich Konsequenzen und du fliegst aus dem Spiel raus! Ich bin der Meinung, wenn das Kind die Regeln des Lebens hier in der Sozialität der Kinder nicht lernt, dann wird es ihm später schwer fallen, sich zu sozialisieren. Wie ich bereits anmerkte, haben mich diese 2 Wochen sehr geprägt, darunter auch eine Situation mit einem Mädchen. Ihren Namen weiß ich nicht mehr, aber ich habe gleich gemerkt, dass sie meine Hilfestellungen offenbar gerne angenommen hat (wollte immer wieder aufs Neue, dass ich ihr helfe und wir sprachen viel über unser Privatleben) und darüber hinaus gerne in meiner Gegenwart zu sein schien. Sie fragte mich sogar, ob ich mit ihr später noch auf dem Sprungnetz hüpfen wolle. Bei der Schatzsuche dann lief sie immer neben mir und bei einem Waldspiel danach fragte sie mich, ob sie auf meinem Schoß sitzen dürfe. Ich war ehrlich gesagt sehr verdutzt über dieses Verhalten, denn ich hatte keine Ahnung, dass ich auf Kinder derart wirke, dass sie gleich Vertrauen in mich legen und mir unbefangen von sich erzählen, geschweige denn keine Angst vor Körperkontakt haben. Ich habe auch meinerseits versucht, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen und auf sie verständnisvoll zu wirken. Ich denke, dies ist wichtig für uns Pädagogen, denn wenn wir ihnen nicht signalisieren, dass wir Interesse an ihnen haben und ihnen zur Seite stehen, dann können wir auch nicht erwarten, dass sie auf uns zugehen und uns vertrauen. Vielleicht haben Kinder zudem ein noch größeres Hemmnis mit Erwachsenen in Kontakt zu treten als wir Erwachsenen selbst, da sie ihnen vermutlich als allmächtig und allwissend erscheinen und zudem viel stärker und größer sind und sie zudem nicht selten misshandelt oder angeschrien werden.
Neben der Arbeit mit Kindern dient der Naturhochseilgarten auch der Arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen. Hierzu werden dann die hohen Elemente hinzugezogen. Gearbeitet wird auch mit Jugendgruppen, Schulklassen, Sportmannschaften, Institutionen und Firmen. Die Höhenelemente sollen dazu dienen, Interaktionsprozesse des Einzelnen in Zusammenhang mit seiner Rolle in der Sozialität sichtbar zu machen.[4]
„Frustration, Konflikt, Bestätigung, Vertrauen und Erfolg werden immer auch vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung in der sozialen Gemeinschaft gesehen. Dabei gehen wir in unserer begleitenden pädagogischen Arbeit grundsätzlich wertschätzend und konstruktiv vor.“[5]
Hierbei findet dann auch das MarteMeo Modell seine Anwendung. Neben dem Naturhochseilgarten ist zudem 50 m entfernt auf einem Ferienhof ein Tipi-Hotel gelegen, in dem die Kinder und Jugendlichen dann ein indianisches Wochenende in großen Indianerzelten bei nächtlichem Lagerfeuer erleben können. Abgerundet wird das Programm mit kunsttherapeutischen Programmen, als auch Elterntrainingsprogrammen.
Der Naturhochseilgarten soll Menschen individualpädagogisch fördern, indem pädagogische Entwicklungsprozesse analysiert, bearbeitet und beschleunigt werden. Ziel ist es, Teamprozesse sichtbar zu machen und daran anschließend auch weiter zu entwickeln. Damit einher geht die Verkettung von Verantwortung für einander, sowie gemeinsames, zielgerichtetes Sozialverhalten erfahrbar werden zu lassen.[6]
4 Die intensiv-pädagogische Betreuung auf einem Ponyhof
4. 1 Vorwort
Im letzten und größten Teil dieses Berichts möchte ich detaillierter auf die intensiv-pädagogische Betreuung eines 10 jährigen Jungen auf einem erlebnispädagogischen Ponyhof eingehen. Mein Engagement beruhte auf freiwilliger Basis, d.h., wenn ich es mir nicht zugetraut hätte, dann hätte ich auch nein sagen können. Da ich jedoch wusste, dass der Junge sich in einer Problemlage befindet, denn die beiden Pädagoginnen die ihn zuvor betreuten, hatten nacheinander das „Handtuch geschmissen“, und ebenso auch die Inhaberin des Ponyhofs enorm unter der Situation litt, denn sie musste zum Einen den Betrieb führen und musste andererseits den Jungen ganztägig betreuen, erkannte ich die Wichtigkeit meines Berufes und sagte nach kurzer Überlegung einer 4-wöchigen intensiv-pädagogischen Betreuung zu. Es war für mich sicherlich ein schwerer Einstand, quasi meine ersten päd. Handlungen überhaupt, aber ich denke, entweder es klappt, oder nicht. Außerdem gab es immer noch keinen Nachfolger für de beiden Pädagoginnen und ich dachte zurück an die Worte eines weisen Mannes, dass man durch seine Aufgaben und Verantwortung wächst! Nach einer kurzen Besichtigung des Hofes und einem kurzen Kennenlern-Spaziergang mit dem Jungen (mein zuständiger Koordinator war ebenfalls anwesend) sagte ich zu, dass ich mich freue ab nächster Woche den Jungen zu betreuen, allerdings mit gemischten Gefühlen. Warum, das erzähle ich nun. Laut seiner Akte, wurde der Junge von seiner Mutter verlassen und lebte fortan bei seinem alkoholkranken Vater und dessem Bruder. Das Jugendamt hat dann gehandelt und den Eltern das Sorgerecht entzogen und einen Vormund bestimmt. Der Junge durchlief insgesamt 2 Pflegefamilien (beide Familien kamen mit der Persönlichkeit des Jungen nicht zurecht (kommandiert Erwachsene herum, aggressiv, gewalttätig) und er landete im Kinderheim. Fortan war eine Sozialarbeiterin für den Jungen zuständig. Die letzte Station soll nun der Ponyhof sein, wo er durch den Kontakt zu Tieren und der Natur und durch einen festen Tagesablauf eine normale Entwicklung durchlaufen soll, denn aus einer speziellen Förderschule (soziale Förderung) ist er vorerst ausgeschlossen, weil die dortigen Lehrer den Jungen nicht „ertragen“ konnten, bzw. er seine Mitschüler störte und zudem ständig aus dem Unterricht abhaute. Laut eines psychologischen Gutachtens befindet sich der Junge von seiner geistigen Leistung her an der Grenze zur geistigen Behinderung. Er kann sich nur über sehr kurze Zeiträume auf schulische Aufgaben konzentrieren und lässt sich sehr schnell ablenken. Wenn man ihm Aufgaben gibt, die er erledigen soll, wird er sehr erfinderisch diese nicht machen zu müssen, es wird ihm zudem eine manipulative Fähigkeit zugeschrieben, nach denen er Erwachsene zu seinem Vorteil zu manipulieren vermag. Die Pädagoginnen vor mir kamen damit nicht zurecht, ebenso wenig mit seiner aggressiven und lauten Persönlichkeit. Ich möchte im Folgenden einige mir stark in Erinnerung gebliebene Situationen darstellen, diese reflektieren und analysieren, um so zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
4.2 Der erste Tag(esablauf)
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe vor Beginn meines ersten Tages mir keine Erziehungstheorien angeeignet, oder mir überlegt, wie ich wann handeln würde, denn ich glaube dies ist situationsbedingt zu entscheiden, man kann päd. Handeln nach meiner Überzeugung selten vorausplanen. Außerdem wollte ich dem Jungen unbefangen gegenübertreten. Zwar kannte ich seine Akte bereits zuvor, dennoch glaube ich, dass man durch hohe Anstrengung und Aufmerksamkeit das Hindernis der Objektivität (in diesem Fall das Wissen um seine Vergangenheit und auch die eigene) überwinden kann. Und so vertraute ich ganz auf meinen Instinkt und besuchte am ersten Tag den Jungen. Die zuständige Pflegemutter (Inhaberin des Hofes) erklärte mir dann seinen Tagesablauf, bzw. welche Aufgaben zu verrichten seien und wann es Pausen gibt. Dazu nutzten wir die Zeit, um kurz über den Jungen und sein Verhalten zu sprechen, will heißen, wie ist er heute drauf, wie ist seine Gefühlslage oder ist irgendwas besonderes vorgefallen? Dies sollte meinen Einstieg erleichtern. Mir wurde berichtet, dass der Junge gut drauf sei und ich sah bereits von weitem wie er fleißig damit begann, Stroh- und Heuballen vom Dachboden der Scheune zu holen, um den Vorrat für die Pferde und Ziegen aufzufüllen. Er trat fröhlich auf mich zu, begrüßte mich und sagte: „Hallo“. Ich begrüßte ihn ebenfalls mit einem freundlichen hallo und fragte ihn gleich, was er tun müsse, bzw. wobei ich ihm helfen kann. Sofort habe ich bemerkt, dass er versucht hat, mich bei jeder Aktion die ausgeführt werden muss, anzuleiten bzw. zu kommandieren. Ich dachte zuerst es liegt an mir, denn schließlich habe ich ihn gefragt, was wie zu tun ist. Ich habe seine Anweisungen gerne angenommen, denn schließlich musste ich selbst erst einmal die Abläufe auf dem Hof kennenlernen. Von daher fand ich es völlig in Ordnung, denn ich verstand uns soweit als Team. Nachdem wir damit fertig waren, erzählte der Junge mir, dass er gerne ein Baumhaus bauen will und dass wir dafür Europaletten benötigen. Seine Idee war es dann, mit 2 Kettcars zu einer Fabrik zu fahren und die Paletten zu holen. Auf den ersten Metern die wir fuhren begann er dann damit, mich mit seinem Kettcar zu rammen und gefährlich vor mir herzufahren. Das „In mich reinfahren“ gestaltete er dann so, dass es unbeabsichtigt aussehen sollte. Ich durchschaute seine „Taktik“ und habe ihn ruhig gebeten, dass dies ein öffentlicher Verkehrsweg sei und er solches Verhalten bitte unterlassen möge. Ich begründete es zudem damit, dass die Kettcars dadurch „kaputt“ gehen würden. Auf der weiteren Fahrt hat er mich 2 weitere Male gerammt (jedes Mal bin ich ruhig geblieben und habe die gleichen Argumente wiederholt) woraufhin ich meine Stimme sowohl in der Lautstärke, als auch in der Dynamik erhoben und zu ihm energisch gesagt habe: „Wenn du nicht sofort damit aufhörst, dann kannst du die Paletten alleine holen, dann werde ich dir nicht dabei helfen und auf der Stelle zurückfahren!“ Dabei habe ich jedoch nicht geschrien oder stark wütend reagiert. Daraufhin unterließ er dieses Verhalten und wir fuhren zu der Firma. Zu meiner Überraschung klammerte er sich sofort an meine Hand, denn er hatte Angst jemanden zu fragen. Ich habe ihm gesagt, fragen kostet nichts und bin mit ihm an der Hand dann zum Abteilungsleiter, der uns dann für unser Vorhaben „Baumhaus“ gerne Paletten kostenlos zur Verfügung stellte. Der Junge war voller Freude und konnte es gar nicht abwarten mit dem Bauen anzufangen. Wieder angekommen, erinnerte die Pflegemutter ihn daran, dass er, bevor wir das Baumhausprojekt starten können, noch auf dem Feld die Brenneseln für die Ziegen und Pferde sensen müsse (Dies ist ein fester Bestandteil seiner Tagesordnung und dient natürlich auch der Verpflegung der Tiere). Enttäuscht zog er von dannen, ich half ihm dabei und danach gab es ein gemeinsames Mittagessen. Dieses nutzten wir immer, um den Rest Tages zu planen, Vorkommnisse zu besprechen, den Jungen an seine Aufgaben zu erinnern, wir unterließen es jedoch peinlichst, in seiner Gegenwart über ihn und sein Verhalten zu sprechen, denn das, so denke ich, entblöst den Jungen und schwächt zudem das Vertrauen zum Erzieher. Ich habe durchaus gemerkt, dass ich eine gewisse Beziehung zum Jungen bekommen habe, denn sonst hätte er ja weiterhin gemacht was er wollte und nicht auf mich „gehört“.
[...]
[1] Vgl. http://www.wellenbrecher.de/.
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. http://www.wellenbrecher.de/.
[5] http://www.wellenbrecher.de/.
[6] Vgl. http://www.wellenbrecher.de/.