Es mag im 19. Jahrhundert begonnen haben, dass man sich fragte, wo die Frauen sind. Mit der Industrialisierung wurde die Rolle der Frau als Haus-Mutter aufgehoben, sie war berufstätig wie die Männer und forderte ab einem gewissen Zeitpunkt dieselben Rechte. Weiterhin stellte man Fragen nach der Präsenz der Frauen in Kultur und Gesellschaft. Die Ergebnisse waren schockierend. Einer Vielzahl von männlichen Akteuren und im Kanon Anerkannten stand eine schwindend geringe Anzahl weiblicher Personen gegenüber.
Während nun eine Richtung der Forschung versuchte, dieses Manko aufzuarbeiten und verschüttete Arbeiten weiblicher Künstler ans Tageslicht zu befördern oder vergessene Heroinnen der Weltgeschichte in die Chroniken aufzunehmen, richteten sich die philosophischen und psychologischen Diskussionen auf die Frage, wie der Unterdrückungsprozeß zustande kam und gerechtfertigt wurde.
Michel Foucault stellte einen Apparat von Machtmechanismen vor, der bei der Kontrolle des Menschen funktioniert - unabhängig von dessen Geschlecht, Alter oder sozialer Stellung. Deswegen bildet Foucaults Werk eine unerschütterliche Basis für den Feminismus und seine Nachfolger. Ein weiterer Stützpfeiler feministischer Theorienbildung ist Jacques Lacans Lehre der Ich-Bildung über das Spiegelstadium und seine Begrifflichkeiten „Imaginäres“ und „Begehren“.
Der Darlegung dieser Theorien folgt die Untersuchung der Romane der lateinamerikanischen Schriftstellerinnen Reina Roffé (*1951) und Yanitzia Canetti (*1967). Besonderes Augenmerk richtet sich im ersten Fall (Roffé 1996: El cielo dividido) auf die Tatsache, dass es sich bei den Hauptfiguren um gleichgeschlechtlich Liebende handelt. Hier ist von Interesse, inwiefern die Definitionen von Macht und Begehren noch greifen, wenn es sich nicht um männlich dominierte Zirkel handelt.
Der zweite Roman (Canetti 1997: Al otro lado) berichtet von einem weiblichen Begehren, das frei zirkuliert. In diesem Fall wird die Auswirkung dieses freien Begehrens auf etablierte Machtstrukturen von Interesse sein.
Schließlich stehen die Fragen aus, ob Macht, weibliche Sexualität und weibliches Begehren zusammenhängen oder sich beeinflussen. Wenn eine Einflussnahme erfolgt, wie geschieht sie? Stellt sie ein alternatives Modell vor? Wie gehen die Frauen in den Romanen mit politischer Macht um? Wie mit familiärer? Worauf richtet sich ihr Begehren? Beide Romane enden mit einer Art Selbstfindung. Welcher Weg führt dahin?
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG
- 2. DER FEMINISMUS UND DIE GENDER-DEBATTE
- 2.1. GENDER
- 2.2. GENDER, SEX UND BEGEHREN
- 2.3. WEITERE STRÖMUNGEN
- 3. DIE THEORIE DER MACHT NACH FOUCAULT
- 3.1. MACHT, WAHRHEIT UND SEXUALITÄT
- 3.2. WIDERSTAND GEGEN DIE MACHT: DIE GRIECHEN
- 3.3. WIDERSTAND GEGEN DIE MACHT: FOUCAULT UND DER FEMINISMUS
- 4. BEGEHREN
- 4.1. LACAN UND DAS BEGEHREN
- 4.2. BEGEHREN UND MACHT
- 5. REINA ROFFÉ: EL CIELO DIVIDIDO
- 5.1.,LA AMADA“ UND „LA AMANTE“
- 5.2. DAS BEGEHREN NACH EINHEIT
- 5.3. STRUKTUREN DER MACHT
- 5.4. DJUNA BARNES
- 5.5. DAS BEGEHREN - EIN MANGEL
- 5.6. EIN WEIBLICHER DISKURS?
- 5.7. DIE SOZIALKRITISCHE KOMPONENTE
- 5.8. EXIL ANWESENHEIT IN ABWESENHEIT
- 5.9.,,CASA-OSTRA“
- 5.10.,,EL CIELO DIVIDIDO“ - INHALT UND DISKURSIVE STRATEGIE
- 5.11. GISELLE - DIE,,FRAU“
- 5.12. COLETTE UND GISELLE
- 5.13. DAS ZIRKULIERENDE FOTO
- 6. YANITZIA CANETTI: AL OTRO LADO
- 6.1. LIEBENDE UND GELIEBTE
- 6.2.,,YO“ UND „MI-YO“
- 6.3. DIE SUCHE NACH DER EIGENEN WAHRHEIT
- 6.4. DIE AUFHEBUNG DES KARTESIANISMUS?
- 6.5. DIE EBENEN DER ERZÄHLUNG ...
- 6.6. DIE BEICHTE ALS ERZÄHLSTRATEGIE
- 6.7.WIDERSTAND GEGEN DIE MACHT: EINE WEIBLICHE ALTERNATIVE
- 6.9. DIE NICHT-GREIFENDEN PROJEKTIONEN
- 6.8. INTERTEXTUELLE VIELFALT
- 6.10. DIE POLITISCH-KRITISCHE DIMENSION
- 6.11. EINE ANDERE WAHRHEIT
- 6.12. EIN ZIMMER UND ZEIT FÜR SICH...
- 7. SCHLUSSBETRACHTUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit analysiert die Romane "El Cielo Dividido" von Reina Roffé und "Al Otro Lado" von Yanitzia Canetti, um die Konzepte von Macht, Sexualität und Begehren im Kontext lateinamerikanischer Literatur zu untersuchen. Die Arbeit befasst sich mit den komplexen Machtstrukturen, die in den Romanen dargestellt werden, und wie diese die weiblichen Figuren und ihre sexuellen und emotionalen Erfahrungen beeinflussen. Die Arbeit befasst sich auch mit den Themen des Begehrens, der Identität und der Selbstfindung im Kontext der feministischen Theorie.
- Machtstrukturen und ihre Auswirkungen auf Frauen
- Weibliche Sexualität und Begehren in lateinamerikanischer Literatur
- Die Rolle des Feminismus in der Analyse von Macht und Geschlecht
- Die Bedeutung des Begehrens und der Selbstfindung in den Romanen
- Die Darstellung von Widerstand und Autonomie in den weiblichen Figuren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den theoretischen Rahmen der Arbeit vor. Sie diskutiert die Entwicklung des Feminismus und die Rolle der gender-Forschung. Kapitel 2 analysiert die Theorien von Michel Foucault und Jacques Lacan im Hinblick auf Macht, Sexualität und Begehren. Kapitel 3 befasst sich mit den Romanen "El Cielo Dividido" und "Al Otro Lado" und untersucht die Machtstrukturen, die in den Werken dargestellt werden. Kapitel 4 analysiert das Begehren der weiblichen Figuren und ihre Suche nach Selbstfindung. Die Schlussbetrachtung fasst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Macht, Sexualität, Begehren, Feminismus, gender-Forschung, lateinamerikanische Literatur, Michel Foucault, Jacques Lacan, Reina Roffé, Yanitzia Canetti, "El Cielo Dividido", "Al Otro Lado", Selbstfindung, Widerstand, Autonomie.
- Quote paper
- Daniela Voigt (Author), 2000, Macht, Sexualität und Begehren in den Romanen "El Cielo Dividido" von Reina Roffé und "Al Otro Lado" von Yanitzia Canetti, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/2746