Ob in der eigenen Schulzeit, im Berufsleben, innerhalb der Familie oder des Freundeskreises: Jeder kennt das Gefühl von Motivation und Beschwingtheit, das einen überkommt, wenn man für etwas, das man geleistet hat, gelobt wird. Auf der anderen Seite kennt wahrscheinlich ebenso jeder das deprimierende Gefühl, für die eigene Leistung trotz Anstrengung getadelt zu werden. Diese auf den ersten Blick einleuchtende Ursache-Wirkung-Beziehung könnte zu der Annahme führen, dass Lob ausschließlich etwas Gutes, Tadel ausschließlich etwas Schlechtes ist und dass man Lob und Tadel somit als Maß für Anerkennung bzw. negative Bewertung von Leistungen interpretieren kann.
Diese Hausarbeit soll verdeutlichen, dass Lob nicht immer positiv und Tadel nicht zwangsweise als Ausdruck von Kritik zu betrachten ist. Es gibt Situationen, in denen Kritik an einer Person oder deren Verhalten motivierend und anerkennend aufgefasst werden kann, während Lob von bestimmten Personen oder in manchen Situationen negativ bewertet wird. Insbesondere die Kindheit ist geprägt von Situationen, in denen Eltern ihre Kinder für etwas loben oder tadeln. Daher ist das Lob als zentrales Zeichen der Anerkennung der primären Bezugspersonen gegenüber ihren Kindern von besonderer Bedeutung. Diese Hausarbeit thematisiert die Frage, wie sich Lob und Tadel auf die Entwicklung von Kindern auswirken und in welchen Situationen die eben beschriebenen paradoxen Effekte auftreten können. Darüber hinaus werden Lob und Tadel als Mittel pädagogischen Handelns beleuchtet und in diesem Zusammenhang Chancen und auch Grenzen aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsdefinition Lob & Tadel
3. Motivation
3.1. Intrinsische Motivation
3.2. Extrinsische Motivation
4. Effekt der Überveranlassung
5. Lob und Tadel in der Erziehung
6. Operante Konditionierung
6.1. Bestrafung
6.2. Positive Verstärkung
6.3. Negative Verstärkung
6.4. Bestrafung (durch Verlust)
7. Mit Tadel zur Willensfreiheit
8. Paradoxe Situationen von Lob und Tadel
8.1. Paradoxe Situationen von Lob und Tadel im Experiment
8.2. Erklärung durch attributionstheoretische Prinzipien
8.3. Einschränkende Bedingungen paradoxer Situationen
8.4. Beeinflussende Faktoren zur Deutung paradoxer Situationen
8.5. Fazit paradoxe Situationen von Lob und Tadel
9. Bezugsnormorientierung
9.1. Soziale Bezugsnormorientierung
9.2. Individuelle Bezugsnormorientierung
10. Fazit Lob & Tadel
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ob in der eigenen Schulzeit, im Berufsleben, innerhalb der Familie oder des Freundeskreises: Jeder kennt das Gefühl von Motivation und Beschwingtheit, das einen überkommt, wenn man für etwas, das man geleistet hat, gelobt wird. Auf der anderen Seite kennt wahrscheinlich ebenso jeder das deprimierende Gefühl, für die eigene Leistung trotz Anstrengung getadelt zu werden. Diese auf den ersten Blick einleuchtende Ursache-Wirkung-Beziehung könnte zu der Annahme führen, dass Lob ausschließlich etwas Gutes, Tadel ausschließlich etwas Schlechtes ist und dass man Lob und Tadel somit als Maß für Anerkennung bzw. negative Bewertung von Leistungen interpretieren kann.
Diese Hausarbeit soll verdeutlichen, dass Lob nicht immer positiv und Tadel nicht zwangsweise als Ausdruck von Kritik zu betrachten ist. Es gibt Situationen, in denen Kritik an einer Person oder deren Verhalten motivierend und anerkennend aufgefasst werden kann, während Lob von bestimmten Personen oder in manchen Situationen negativ bewertet wird. Insbesondere die Kindheit ist geprägt von Situationen, in denen Eltern ihre Kinder für etwas loben oder tadeln. Daher ist das Lob als zentrales Zeichen der Anerkennung der primären Bezugspersonen gegenüber ihren Kindern von besonderer Bedeutung. Diese Hausarbeit thematisiert die Frage, wie sich Lob und Tadel auf die Entwicklung von Kindern auswirken und in welchen Situationen die eben beschriebenen paradoxen Effekte auftreten können. Darüber hinaus werden Lob und Tadel als Mittel pädagogischen Handelns beleuchtet und in diesem Zusammenhang Chancen und auch Grenzen aufgezeigt.
2. Begriffsdefinition Lob & Tadel
Der Begriff Lob, im Duden als anerkennend geäußerte, positive Beurteilung, die jemand einem Anderen, seinem Tun, Verhalten oder Ähnlichem zuteilwerden lässt, wird meist als Gegenpol zum Tadel gesehen, der eine missbilligende Äußerung, die sich auf Jemandes Tun bzw. Verhalten bezieht, bezeichnet (vgl. Duden Online 2012). Sowohl in der Erziehung, als auch in der Pädagogik, werden Lob und Tadel als Mechanismen benutzt, die gezielt eingesetzt werden, um die Handlung eines Kindes zu bewerten und sie somit gezielt zu steuern. Die Reaktion auf Lob und Tadel spiegelt sich bei Kindern häufig in Motivation oder Demotivation wieder.
3. Motivation
Um auf die Auswirkungen von Lob und Tadel und die sich daraus entwickelnde Motivation bzw. Demotivation einzugehen, gilt es zunächst, sich mit dem Begriff der Motivation und Erkenntnissen der Motivationspsychologie vertraut zu machen. Der Begriff Motivation ist abgeleitet von dem lateinischen „movere“, was so viel bedeutet wie bewegen (vgl. Hartinger/ Fölling-Albers 2002, S. 16). Die grundsätzliche Bedeutung von Motivation ist der Beweggrund, die Eigeninitiative oder das Engagement, das jemand aufbringt, um ein bestimmtes individuelles Ziel zu erreichen. Menschen gelten dann als motiviert, wenn sie etwas erreichen möchten und mit ihrem Verhalten einen bestimmten Zweck verfolgen. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, ob diese sich auf die Zukunft beziehende Intention auf die nächsten Sekunden, Stunden oder sogar Jahre abzielt. Ebenso gibt es bei der Intensität der Motivation von Person zu Person Unterschiede (vgl. Deci/ Ryan 1993, S. 224).
3.1. Intrinsische Motivation
Unter der intrinsischen Motivation versteht man jene Art von Motivation, die interessensbasiert ist und nicht von externen Faktoren wie Drohungen oder Versprechungen beeinflusst wird. Es geht vielmehr um den eigenen Antrieb etwas zu tun, um das eigens entwickelte Bedürfnis nach Neugier, Exploration, Spontaneität und Interesse an den Gegebenheiten der Umwelt. So wird deutlich, dass es bei intrinsisch motivierten Verhaltensweisen um eine Art von Selbstbestimmung geht, in der sich die betroffene Person frei fühlt in der Wahl und Durchführung ihrer Handlung (vgl. Deci/ Ryan 1993, S. 225-226). Intrinsische Verhaltensweisen erfolgen um ihrer selbst Willen und damit zusammenhängender Ziele. Die Tätigkeit bzw. das Verhalten einer Person ist nicht als bloßes Mittel zu einem andersartigen Zweck zu betrachten, sondern als selbst gewähltes Mittel, um ein eigens definiertes und motiviertes Ziel zu erreichen (vgl. Kirchler/ Walenta 2010, S. 12).
3.2.Extrinsische Motivation
Im Gegensatz zur intrinsischen Motivation, basiert die extrinsische Motivation auf Faktoren der Umwelt, die auf eine Person einwirken. Diese Faktoren, meist instrumenteller Natur, zielen darauf ab, durch Aufforderungen eine gewisse Verhaltensweise in Gang zu setzen. Als Resultat bei befolgter Aufforderung, erfolgt meist eine Bekräftigung, wie z.B. das Lob (vgl. Deci/ Ryan 1993, S. 225). Lob und Tadel sind demzufolge Faktoren, die die extrinsische Motivation beeinflussen können, jedoch keinen Einfluss auf die intrinsische haben.
4. Effekt der Überveranlassung
Wie bereits in 3.1. erläutert, basieren intrinsisch motivierte Handlungen auf eigenem Interesse und verfolgen eigene, persönliche Ziele. Der Frage, was passieren kann, wenn die eigene intrinsische Motivation durch externe Anreize verstärkt wird, sind Lepper, Greene und Nisbett 1973 nachgegangen. Sie untersuchten das Verhalten von Kindern, die aufgrund ihrer intrinsischen Motivation gerne zeichnen und teilten sie in drei Gruppen ein. Einer Gruppe wurde versprochen, wenn sie etwas Schönes zeichneten, bekämen sie anschließend eine Urkunde (erwartete Belohnung). Der zweiten Gruppe wurde nichts versprochen, sie erhielten jedoch die gleiche Urkunde, als sie fertig gezeichnet hatten (unerwartete Belohnung). Der dritten Gruppe wurde nichts versprochen und sie bekamen auch nichts für ihre Zeichnung (Kontrollgruppe).
Ein bis zwei Wochen später wurden die gleichen Kinder während ihrer frei wählbaren Zeit beobachtet. Es stellte sich heraus, dass die Kinder, denen in dem Experiment nichts versprochen wurde, noch immer gerne und viel zeichneten, während die Kinder, die eine Belohnung dafür erhielten nun deutlich weniger motiviert waren zu zeichnen. Dieser Effekt wurde von Lepper und seinen Mitarbeitern als „Über-veranlassung“ bezeichnet. Die vorhandene intrinsische Motivation wurde von der Belohnung „überveranlasst“. Die Kinder hatten vor dem Versuch gerne gezeichnet, weil sie Spaß daran hatten. Nach dem Versuch gab es für sie zwei Gründe zu zeichnen: Zum einen den Spaß, den sie daran hatten, zum anderen die Belohnung, die sie dafür erhielten.
Somit sank der Spaß in der Bedeutungsskala, weil er nur noch einen von zwei Gründen darstellte.
Wenn die erwartete Belohnung wegfällt, entfällt für ein Kind einer von zwei Gründen, diese Tätigkeit auszuführen und ihre Motivation dazu sinkt (vgl. Hartinger/ FöllingAlbers 2002, S. 110).
5. Lob und Tadel in der Erziehung
Lob und Tadel als Werkzeug in der Erziehung einzusetzen, wird in den Erziehungs- wissenschaften häufig positiv betrachtet. Viele Erziehungswissenschaftler sehen die Vorteile darin, dass es kontingent eingesetzt werden kann, dass es schnell das erwünschte Ergebnis bringt (das Kind fühlt sich bestätigt) und es effektiv das Selbstwertgefühl eines Kindes stärken kann. Tadel hingegen wird von vielen Erziehungswissenschaftlern als pädagogische Methode kritisiert und sollte vermieden werden. Das Einüben von Lob und das Vermeiden tadelnder Äußerungen, gehören zum Kernbereich vieler gängiger Lehrertrainingsprogramme (vgl. Hofer 1985, S. 416).
Andere theoretische Erkenntnisse in diesem Zusammenhang zeigen, dass Lob nicht durchweg als positiv zu betrachtende erzieherische Maßnahme zu deklarieren ist. Es wird als extrinsische Belohnung gesehen, die die Motivation eines Kindes, sich mit etwas zu befassen, verringern kann. Auch die übergeordnete Stellung des Lobenden wird kritisiert, da hierdurch eine Situation der Über- bzw. Unterordnung entstehe. Weiter wird kritisiert, dass Lob und Tadel über eine einfache Rückmeldung der Richtigoder Falschheit einer Verhaltensweise hinausgehen und immer eine gewisse Gefühlskomponente beinhalten. Wird also ein Kind von z.B. einem Lehrer/ einer Lehrerin gelobt, so beinhaltet dies zumeist auch eine positive gefühlsmäßige Komponente der Freude, wird das Kind getadelt, so kann dies auch als Ausdruck von Ablehnung interpretiert werden (vgl. Hofer 1985, S. 416).
Ein weiterer Aspekt des Lobes in der Erziehung sind die vielfältigen Einsatz- möglichkeiten. Ob als Ausdruck von Überraschung („Man, das hast du aber sehr gut hinbekommen“), als Mittel zur Kontaktaufnahme („Du siehst aber heute sehr hübsch aus“) oder als verbale Verstärkung („Das machst du sehr gut, toll, weiter so!“), Loben kann viele Ausprägungen haben und in verschiedenen Situationen variabel eingesetzt werden. Wie das Lob, kann auch der Tadel zu verschiedenen Ausdruckszwecken Anwendung finden. Möchte man beispielsweise ausdrücken, dass man negativ überrascht ist („Dabei hätte ich mehr von dir erwartet“), sich jemandem überlegen zeigen („das schaffst du nicht“) oder aber auch jemanden verbal bestrafen („Du bist wirklich zu nichts nutze“), so ist dies Ausdruck von Tadel.
6. Operante Konditionierung
Die operante Konditionierung bezeichnet einen Lernvorgang, in dem die betroffene Person aus den Konsequenzen ihres Verhaltens lernt. Typische Verstärker wie Lob oder Tadel sollen dazu beitragen, dass Schüler/ Schülerinnen die Verhaltensweisen oder Leistungen, für die sie gelobt werden, häufiger zeigen (vgl. Hartinger/ Fölling-Albers 2002, S. 109). Die Konsequenzen werden hierbei vom Umfeld (z.B. Eltern, Lehrer/ Lehrerin) bestimmt. Sie können entweder eine positive Verstärkung, eine negative Verstärkung, eine Bestrafung oder die Beseitigung einer Verhaltensweise zur Folge haben. Je nachdem, wie die Konsequenz aus dem Verhalten ist, lernt das Kind aus seinem Erfolg bzw. Misserfolg.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Kontingenzschema zur Verhaltenswahrscheinlichkeit (Holland/ Skinner 1974, S. 130)
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