Als einer der umsatzstärksten Industriezweige kann die Schwerindustrie als ein gewichtiger Faktor der Gestaltung von Innen- und Außenpolitik des Reiches betrachtet werden. Es waren nicht nur die millionenschweren Unternehmen, die mit ihren Interessen auf die Politik Einfluss hätten ausüben können, sondern auch die Personen an der Unternehmensspitze selbst, hatten beste Möglichkeiten sich in der Gestaltung der weltpolitischen Rolle Deutschlands einzumischen. Ein Beispiel dafür könnte Friedrich Alfred Krupp sein, der eine persönliche Freundschaft zu Kaiser Wilhelm II. unterhielt. Wer zu hohem Staatsbesuch in Berlin empfangen worden war, der ließ sich auch auf der Villa Hügel sehen. Wie eine solche Freundschaft sich auf ökonomische und politische Entschlüsse auswirken kann, wird im weiteren Text untersucht.
Doch nicht nur die persönlichen Kontakte zwischen Wirtschaft und Politik sind von besonderem Interesse. Auch das Handeln der Industrie im Ausland und seine Auswirkungen auf Entscheidungen der reichsdeutschen Politik sind eine genauere Betrachtung wert. Das wichtigste Ziel der Industrie war und ist es vornehmlich, Gewinne umzusetzen. Gerade in der Zeit des Imperialismus hieß es, eine ausreichend hochgehaltene Spannung zwischen den Nationen zu fördern, um von den darauf folgenden Rüstungswettläufen profitieren zu können. Je größer die Spannung, desto größer das Interesse nach Kriegsgerät aller Art.
Es ist auffallend, wie sich das Reich schon vor 1888, das Jahr des Amtsantrittes Kaiser Wilhelm II., auf einen Pfad begab, der langsam aber sicher in die Sackgasse des Ersten Weltkrieges führte. Inwiefern die Industrie an dieser schicksalshaften Entwicklung der Außenpolitik des kaiserlichen Deutschlands beteiligt war und in welcher Form, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Grundlegender historischer Kontext zu Entwicklungen und Besonderheiten von reichsdeutscher Ökonomie und Außenpolitik
2. Industrie und Politik Hand in Hand auf Kriegspfad
2.1. Eine Hand wäscht die Andere
2.2. Flottenrüstung
3. Die Folgen der von der Industrie unterstützten Weltpolitik Kaiser Wilhelms II.
3.1 Ein- bzw. Auskreisung
3.2 Kriegsziele des Reiches und der Industrie
Schlusswort
Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
Als einer der umsatzstärksten Industriezweige kann die Schwerindustrie als ein gewichtiger Faktor der Gestaltung von Innen- und Außenpolitik des Reiches betrachtet werden. Es waren nicht nur die millionenschweren Unternehmen, die mit ihren Interessen auf die Politik Einfluss hätten ausüben können, sondern auch die Personen an der Unternehmensspitze selbst, hatten beste Möglichkeiten sich in der Gestaltung der weltpolitischen Rolle Deutschlands einzumischen. Ein Beispiel dafür könnte Friedrich Alfred Krupp sein, der eine persönliche Freundschaft zu Kaiser Wilhelm II. unterhielt. Wer zu hohem Staatsbesuch in Berlin empfangen worden war, der ließ sich auch auf der Villa Hügel sehen. Wie eine solche Freundschaft sich auf ökonomische und politische Entschlüsse auswirken kann, wird im weiteren Text untersucht.
Doch nicht nur die persönlichen Kontakte zwischen Wirtschaft und Politik sind von besonderem Interesse. Auch das Handeln der Industrie im Ausland und seine Auswirkungen auf Entscheidungen der reichsdeutschen Politik sind eine genauere Betrachtung wert. Das wichtigste Ziel der Industrie war und ist es vornehmlich, Gewinne umzusetzen. Gerade in der Zeit des Imperialismus hieß es, eine ausreichend hochgehaltene Spannung zwischen den Nationen zu fördern, um von den darauf folgenden Rüstungswettläufen profitieren zu können. Je größer die Spannung, desto größer das Interesse nach Kriegsgerät aller Art.
Es ist auffallend, wie sich das Reich schon vor 1888, das Jahr des Amtsantrittes Kaiser Wilhelm II., auf einen Pfad begab, der langsam aber sicher in die Sackgasse des Ersten Weltkrieges führte. Inwiefern die Industrie an dieser schicksalshaften Entwicklung der Außenpolitik des kaiserlichen Deutschlands beteiligt war und in welcher Form, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
1. Grundlegender historischer Kontext zu Entwicklungen und Besonderheiten von reichsdeutscher Ökonomie und Außenpolitik
Als sich am 18. Januar 1871 in Versailles unter Führung Preußens die Länder des Deutschen Bundes mit den Süddeutschen Ländern zum Deutschen Kaiserreich zusammenschlossen, wurde die Saat für die folgenreichen Entwicklungen des Ersten Weltkrieges gelegt. Einen wesentlichen Anteil an die unmittelbare Stärkung Deutschlands nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 trugen unter anderem die von Deutschland geforderten und von Frankreich gezahlten Reparationszahlungen. Die Zahlungen beliefen sich auf eine Höhe von insgesamt fünf Milliarden Goldfrancs. Eine unvorstellbar hohe Summe, welche dem sehr jungen Reich unmittelbar zur Verfügung stand.[1] Diese Reparationszahlungen wurden zu einem großen Teil dazu verwendet, bestehende Forderungen zu tilgen und Kriegsanleihen zurückzuzahlen.[2] Ohne groß auf die daraus resultierenden, finanzökonomischen Veränderungen eingehen zu wollen, kann gesagt werden, dass im Zuge dieser freiwerdenden monetären Möglichkeiten die Kapitalbesitzer und Investoren nach neuen Mitteln und Wegen suchten, mit Investitionen Rendite zu verdienen.[3] Der damals vielversprechendste Bereich für rentable Investitionen war die sich noch im Wachstum befindliche Montanindustrie Deutschlands. Diese massiv verabreichten Finanzspritzen nutzte nicht nur dem Bergwerksgeschäft und den Finanziers, sondern die auch mit der Montanwirtschaft zusammenhängenden Wirtschafts- und Industriebereiche, die jene erhöhte Produktion von Rohstoffen gewinnbringend verarbeiten und umwandeln konnten.[4] Weiterhin schreibt Böhme, dass »die Erhöhung der Produktionsleistung der Grundstoffindustrie zugleich Folge und Antrieb der Erschließung neuer Absatzwege durch Eisenbahn und Schiff war«.[5] Der Ausbau der Rohstoffindustrie wirkte demnach wechselseitig auf Entwicklung produktiverer Verarbeitungs- und Transportmethoden. Ein großes Plus an Kohle zog die Entwicklung effizienterer Stahlerzeugungsverfahren nach sich. Mit mehr und besserem Stahl wiederum ließ sich der vermehrte Abbau der benötigten Kohle finanzieren. Diese Entwicklung wird an den Zahlen der jährlichen Kohlen- und Stahlproduktion deutlich. So gibt zum Beispiel Fritz Fischer in seinem Buch »Krieg der Illusionen« an, dass sich die Kohlenförderung von 73,7 Millionen Tonnen im Jahr 1886 auf 234,5 Millionen Tonnen im Jahr 1911 stieg. Damit war das Deutsche Reich der drittgrößte Förderer von Kohle.[6] Wie bereits erwähnt, waren die weiterverarbeitenden Wirtschaftszweige eng mit der Entwicklung der Rohstoffindustrie verwoben. Eisen- und Stahlproduktion im Reiche schossen kontinuierlich in die Höhe. Die junge Nation gierte förmlich nach dem Indikator Fortschritt und Wohlstand. Das Reich schaffte es, zwischen den Jahren 1886 und 1910 England in der Herstellung von Stahl einzuholen und sogar deutlich zu überholen. Innerhalb dieses Zeitraumes von 24 Jahren hat es die Stahlindustrie in Deutschland geschafft, von überschaubaren 0,954 Millionen Tonnen Stahl im Jahre 1886 auf 13,698 Millionen produzierter Tonnen Stahl zu kommen. Das war damals die zweitgrößte, jährliche Produktion, nach den USA. Selbst England, Frankreich und Russland zusammengenommen konnten die jährliche Stahlproduktion Deutschlands nicht überbieten.[7]
Die Hochkonjunktur, welche das Reich zu jener Zeit erlebte, wirkte sich nicht nur auf die Wirtschaft und den Kapitalmarkt aus. Wie in jedem Staat der eine Phase von hoher Prosperität genießt, bildet die Bevölkerung einen der zuverlässigsten Indikatoren für den relativen Wohlstand. Genauer gesagt, die Bevölkerungszahlen. An der Population des Deutschen Reiches ist dies besonders gut zu beobachten, so steigerte sich Anzahl der Bevölkerung im Zeitraum 1871 bis 1914 von 41 Millionen auf 66 Millionen Menschen. Die Jahrgänge von der Jahrhundertwende bis 1910 waren dabei von einem besonders hohen, durchschnittlichen Geburtenüberschuss von jährlich 866.000 Kleinkindern geprägt.[8] Sicherlich ist dies nicht nur auf die wachsende Prosperität des Reiches zurückzuführen, sondern zum Teil auch auf die weltweit gemachten Fortschritte in Bereichen der Naturwissenschaften und besonders der Medizin. Diese rasant anwachsende Bevölkerung und die Prognosen für die Zukunft ließen die Politik aufhorchen. Es gab vielerlei Vorschläge, wie mit diesen neuen Veränderungen umzugehen sei. Politiker, welche der mittleren bis äußeren Rechten zugeordnet werden können, forderten gar die Sicherung von neuem Lebensraum. Nicht unbedingt auf Kosten der östlichen Nachbarvölker. Dennoch war es für diese Personenkreise unumgänglich, dass sich das Deutsche Reich um neue Territorien zu bemühen hatte.[9]
Mit einer stetig stärker werdenden Wirtschaft und einer schnell wachsenden jungen Bevölkerung, ein Drittel der Bevölkerung war unter 15 Jahre alt[10], im Rücken konnten von Reichsseite aus neue Töne in Diplomatie und Außenpolitik angeschlagen werden. Beim Amtsantritt war Wilhelm II. erst 29 Jahre alt. Dieser junge Monarch war die ideale Allegorie, für das ebenfalls noch sehr junge Deutsche Reich. Voller Tatendrang, voll jugendlicher Kraft und Ungeduld, stets nach neuen Möglichkeiten suchend sich mit anderen zu Messen und sich selbst als eine neue Weltmacht präsentieren zu können. Das Reich erlebte also eine Zeit von Überfluss. Überfluss was Güter und Waren anbelangte und Überfluss an Menschen. Leo von Caprivi, seines Zeichen Reichskanzler und Nachfolger von Bismarck, stellte Folgendes fest: »Wir müssen exportieren; entweder wir exportieren Waren oder wir exportieren Menschen«.[11] Und das tat das Deutsche Reich. Es produzierte und exportierte immer weiter. Mit jeder Tonne mehr, die jährlich produziert wurde machte sich allerdings ein grundlegendes Problem immer deutlicher bemerkbar. Der fehlende Zugang zu ausreichenden Quellen von Ausgangsrohstoffen fiel immer zunehmender auf. Die Möglichkeit, sich über den globalen Handel mit den benötigten Ressourcen zu versorgen nutzte das Reich konsequent. Allerdings festigte sich auch der Eindruck, dass die deutsche Wirtschaft, ja das Wohl des Reiches selbst, massivst abhängig vom störungsfreien Welthandel und freien Zugängen zu war.[12] Einer vor Selbstbewusstsein strotzenden Nation musste diese Situation der Abhängigkeit zutiefst zuwider gewesen sein. Nicht umsonst fanden Wirtschaft, Militär und Politik immer näher zueinander. Der Nationalismus als Bindemittel dieser drei Grundpfeiler eines souveränen Staates. Als ein Anzeichen dieser neuen Verbindung eignet sich die Gründung des Flottenvereins. Der Flottenverein als juristische Personifikation der vereinten, nationalen Interessen. Ein Interesse, welches nach einer starken, hochseetauglichen Schlachtflotte verlangte, um die empfindlichen, weltweit zu verzweigten Rohstoffadern der deutschen Wirtschaft zu schützen. Eine Schlachtflotte, die den Anspruch nach Weltgeltung unterstützen und außerhalb Kontinentaleuropas tragen sollte. Auf dem Land bewies das Heer bereits seine Dominanz, indem es die französische Armee, den einzigen ernsthaften Konkurrenten in Europa, 1870/71 bezwang. Nun galt es eine Flotte auf die Beine zu stellen, die es notfalls mit der unbestrittenen Seemacht Großbritannien aufnehmen konnte, zumindest allerdings ein deutliches Zeichen Richtung London schicken konnte.[13]
Darüber hinaus waren sich die Verantwortlichen auch dahingehend einig, dass das wirtschaftlich starke und außerordentlich selbstbewusste Reich seine Fühler nach »neuen Ufern« auszustrecken hatte. Kiautschou zum Beispiel war eines dieser neuen Ufer. 1897 pachtete das Deutsche Reich dieses an der Ostküste Chinas gelegene Gebiet vom chinesischen Kaiserreich. Weitere versuchte und durchgeführte Unternehmungen in Ostasien sorgten für eine nicht gerade freundliche Stimmung bei den dort bereits etablierten Großmächten. Ostasien war allerdings nicht der einzige Porzellanladen, in dem sich die Deutsche Außen- und Machtpolitik wie der sprichwörtliche Elefant benahm. Ein Verhalten, welches das Deutsche Reich immer weiter in die Isolation brachte und damit zu einem großen Teil das Fundament für den Ersten Weltkrieg legte.[14]
2. Industrie und Politik Hand in Hand auf Kriegspfad
2.1. Eine Hand wäscht die Andere
Der einflussreiche Mix aus profitgesteuerter Wirtschaft, machthungrigem Militär und geltungssüchtiger Politik bewies seine Fähigkeit, das Schicksal des Deutschen Reiches aktiv zu beeinflussen. Wie bereits beschrieben, war der Flottenverein Ausdruck der kollektiven Wünsche und Sehnsüchte des Reiches. Inwiefern die Wirtschaft explizit Einfluss auf die Politik des Reiches nehmen konnte, wird am Beispiel der persönlichen Freundschaft zwischen den Krupps und dem Kaiserhaus deutlich.
[...]
[1] Vgl. Böhme, Helmut: Deutschlands Weg zur Großmacht. Studien zum Verhältnis von Wirtschaft und Staat während der Reichsgründungszeit 1848 - 1881, 2. Auflage, Köln 1972, S. 325.
[2] Vgl. Ebd.
[3] Vgl. Ebd. S. 326.
[4] Vgl. Ebd.
[5] Ebd. S. 329.
[6] Vgl. Fischer, Fritz: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 - 1914, 1. Auflage, Düsseldorf 1969, S. 19.
[7] Vgl. Ebd. S. 20.
[8] Vgl. Ebd. S. 18.
[9] Vgl. Fischer, Illusionen, S. 18.
[10] Vgl. Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands 1914/18, 1. Auflage, Düsseldorf 1961 / 2009, S. 15.
[11] Vgl. Winkler, Heinrich August: Geschichte des Westens. Von den Anfängen der Antike bis zum 20. Jahrhundert, 2 Auflag. München 2009. S. 1029.
[12] Vgl. Fischer, Weltmacht, S. 28.
[13] Vgl. Fischer, Weltmacht, S. 27 - 28.
[14] Vgl. Ebd. S. 29.