„Beschwerden“ sind so alt wie das menschliche Umgehen und Miteinander. Besonders in sozialen Einrichtungen, wie Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken, hat das Miteinander eine besondere Qualität. Die Patienten in diesen Einrichtungen haben eine der höchst möglichen Erwartungshaltungen, die Menschen haben können: sie möchten wieder gesund werden; oder anders: Die Patienten möchten nach dem Aufenthalt zur Gesundung einen Zustand erhalten haben, der „wie vorher“ ist.
Damit wird in den Kliniken eine spezielle Kundenorientierung notwendig, die neben der Behandlung und Betreuung, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit des Patienten zum Ziel haben. Diese Aufgabe umfaßt augenscheinlich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Klinik, wird aber durch die Administration formal bestimmt. Die Verwaltung ist als Steuerungseinheit des Unternehmens zu betrachten, um Beschwerden zügig und für den Kunden zufriedenstellend zu bearbeiten. Als Koordinierungs- und Steuerungsstelle ist die Verwaltungseinheit daher prädestiniert, auch für die Zukunft Verbesserungen zu erreichen.
Statistische Auswertungen von Beschwerden, die Umsetzung von Verbesserungen und die Einhaltung von Formalien, ohne die beispielsweise eine Schadensbearbeitung ineffizient wäre, sind wesentliche Aspekte dieses Bereiches.
Das Management von Beschwerden hat die Kundenorientierung zum Ziel, durch die es gelingen muß, die Dienstleistungsqualität zu verbessern.
Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick in die Etablierung eines Beschwerdemanagement-Systems einer Rehabilitationsklinik geben. Die Beschwerden betreffen in diesem Hause zunächst das Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und weniger die Behandlung und Betreuung durch Ärzte und den Pflegedienst. Die Beschwerden konzentrieren sich neben der Verhaltensweise von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch auf die Zügigkeit der Bearbeitung einer Beschwerde. Die Wichtigkeit und Bearbeitungszeit, die man einer Beschwerde beimißt, wird dem Patienten als Kunden positiv – oder bei Vernachlässigung: negativ – erscheinen.
Die Erreichung positiver und effizienter Beschwerdearbeit bedarf daher einer formalen Umsetzung, die eine zeitsparende Bearbeitung ermöglicht.
Es soll hier beispielhaft aufgezeigt werden, welche Voraussetzungen und Bedingungen zum Erhalt eines Beschwerdemanagement-Systems notwendig sind. Aufgrund des
Umfangs der Thematik wird sich ausschließlich auf die Vorgänge in einer Rehabilitationsklinik beschränkt.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Beschwerdemanagement – Grundlagen und Begrifflichkeit
3. Aufgaben und Ziele des Beschwerdemanagements
4. Der Prozeß des Beschwerdemanagements
5. Beschwerdemanagement in einer Rehabilitationsklinik
6. Schlußbetrachtungen
7. Literaturverzeichnis
a. Bücher, Zeitschriften
b. Internet-Recherchen
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Abkürzungsverzeichnis
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1. Einleitung
Vielfach spielt sich die Szene im Alltag ab: als Kunde, Patient, Käufer, kurz: als Beteiligter am Wirtschafts- und Dienstleistungs-geschehen besteht die Bereitschaft, ein Gut (z.B. Geld) gegen ein anderes (z.B. die Dienstleistung) zu tauschen. Doch das „Tauschgeschäft“ geht nicht reibungslos von statten.
Es gelingt nicht, die Erwartungen des „Einkäufers“ zu befriedigen, so daß er oder sie sich beschwert fühlt. So wird der „nette Kunde“ zum „Kunden, der nie wiederkommt“. Es ist seine kleine Rache dafür, daß man ihn „rumschubst“. Ein paar nette Worte und ein freundliches Lächeln hätten dabei ausgereicht, die Ausgabe von viel Geld für Werbung zu vermeiden, um ihn zurückzuholen.[1]
Die beschriebene Situation kann in der „Dienstleistungswüste Deutschland“ als „alltäglich“ bezeichnet werden und umschreibt den Prozeß der Loslösung des Kunden vom anbietenden Unternehmen. Der unzufriedene Kunde beschwert sich nicht in jedem Fall, sondern zieht sich – ohne Äußerung – zurück. Damit hat das Unternehmen zusätzlich die Bürde, nicht reagieren zu können, um das Fehlverhalten zu erklären oder zu korrigieren. Nicht nur die Bindung, sondern auch der Kontakt zum Kunden ist weg.
In jeder Branche ist daher der Prozeß der Bindung des Kunden an das Produkt ähnlich. Auch in den Gesundheitseinrichtungen des Landes sind diese Kontakte und Bindungen von Patienten essentiell und existenziell. Obwohl die Inanspruchnahme einer Dienstleistung im Krankenhaus durchaus nicht freiwillig sein muß, da in Notfällen dem Patienten keine andere Wahl bleibt, so muß doch für die elektiven Fälle festgestellt werden, daß hier eine freie Auswahl zugrundeliegt. Gewiß wird diese Auswahl des Krankenhauses oder der Rehabilitationsklinik von dem Fachwissen der Ärzte und damit von der Heilungschance bestimmt, doch darf das „Ambiente“ – d.h. die Betreuung und der Umgang mit den Patienten – nicht in der Beurteilung einer Einrichtung vernach-lässigt werden. So wird von Leistungsträgern - Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken - oft vergessen, daß die Patienten hauptsächlich mit dem Pflegedienst Kontakt haben. Die Ärzteschaft sieht die Patienten demnach in kürzen Zeiten und hat andere Aufgabenstellungen. Der Pflegedienst, die Therapie-abteilungen, das Küchenpersonal und die Hauswirtschaft sind demnach auch für das „Wohlbefinden“ der Patienten maßgeblich. Hier können die Patientinnen und Patienten aus ihrer häuslichen Situation auch Mitreden und die Leistungen beurteilen. Ein geputztes Zimmer, ein gutes Essen, eine freundliche Krankenschwester usw. sind demnach in der Gesamtbeurteilung der Patienten und in der Nachfolgewirkung in der Beurteilung des gesamten Hauses von immanenter Bedeutung.[2]
Im Nachfolgenden sollen nunmehr die Möglichkeiten in einer Rehabilitationsklinik näher beleuchtet werden. Die Patienten haben hier ein höheres Anspruchsdenken entwickelt, das nicht allein den Gesundungsprozeß umfaßt, sondern das „Ambiente“ zunehmend in die Beurteilung einbezieht. Hintergrund für diese Haltung ist zum Teil der „Kurcharakter“ der Heilverfahrens-maßnahmen, die durch die Bundesanstalt für Angestellte (BfA) und die Landesversicherungsanstalten (LVA) begünstigt werden, zu sehen. Diese Maßnahmen sind aber - insbesondere seit 1996/ 97 (Zeitraum der Rehabilitationskliniken-Krise) – schwerlich zu erhalten und machen eine „gewisse Ausdauer“ der beantragenden Patientinnen und Patienten notwendig. Folge der restriktiven Bearbeitung der Heilverfahrens-Anträge (HV) war seit 1996 ein großer Rückgang der Patientenzahlen, der manche Rehabili-tationsklinik in wirtschaftliche Not brachte. Aus diesem Grunde haben sich viele Einrichtungen auf die „Anschlußheilbehandlungen (AHB)“ konzentriert und kompensieren damit die Ausfälle aus dem Heilverfahrens-Bereich. Dies ist mancher Klinik gut gelungen. Damit wurden die Rentenversicherungsträger zunehmend zurückgedrängt, obwohl deren Bedeutung als Kostenträger für die Rehabilitationskliniken nach wie vor von großer Wichtigkeit ist. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sind die Rentenversicherungsträger bereit, die Pflegesätze alljährlich – wenn auch in geringem Umfang – anzuheben. Zusätzlich werden die Fahrtkosten (An- und Abreise des Patienten zur Klinik) übernommen.
Dies gilt seitens der GKV nicht: Verhandlungen sind als „Preisdiktat“ zu verstehen. Abschläge von mehreren hundert Euro pro Pflegefall sind in einem „Verhandlungs“-Jahr üblich, Reduzie-rungsvereinbarungen der Verweildauer (durch Fallpauschalen) werden hingenommen, An- und Abreisen der Patienten und der sie begleitenden Angehörigen sind kostenlos durch die Klinik vorzuhalten. Die Kliniken müssen diese Vorgehensweise akzeptieren, da die Patientenzuweisungen ansonsten nicht mehr im bisherigen Maße geschehen würden. Damit beginnt eine Dumping-Preisspirale nach unten, der in den kommenden Jahren viele Rehabilitationskliniken zum Opfer fallen werden bzw. schon wirtschaftlich ruiniert wurden. Landespolitisch kaum beachtet und durch die allgemeine Gesetzgebung nicht ausreichend geschützt wird den Rehabilitationskliniken zunehmend „der Hahn abgedreht“. Die daraus resultierende Arbeitslosigkeit wird dabei in Kauf genommen. Die Branche ist sich daher einig, daß eine „Marktbereinigung“ unmittelbar bevorsteht. Die zunehmenden Steuerungsmechanismen (Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK), Dienstleistungszentren und Fallberatungszentren der Krankenkassen), die durch die Kostenträger genutzt werden, tun ihr Übriges.
Die Rehabilitationskliniken müssen daher neben der Akquisition weiterer Geschäftsfelder (z.B. Wellness, Gesundheitswochen) auch die Möglichkeit der Indikationserweiterung in Betracht ziehen; Indikationen insolventer Kliniken müssen „aufgesogen“ werden.
Ein weiterer Anknüpfungspunkt wäre die zunehmende Kooperation mit Akuthäusern, um die Behandlungskette (Prävention, Akutbehandlung, Rehabilitation/ Nachsorge) zu schließen.
Wesentlich ist aber auch, das Leistungsprofil im Hinblick auf das Beschwerdemanagement zu schärfen. Die Dienstleistungs-bereitschaft und -breite wird zunehmend im Rahmen etwaiger Qualitätsmanagementprogramme wichtig und bildet die Argumentationsgrundlage für die „Verhandlungen“ mit den Krankenkassen. Gewiß kann eine Leistung für niedrige Preise abgegeben werden, doch sind auch die Krankenkassen – insbesondere die Ersatzkassen - mittlerweile zu der Auffassung gekommen, daß die Gesundung und Qualität der Behandlung mit den Preisen korreliert. Ein nicht gesunder Patient könnte demnach noch teurer werden, da er sich nicht mehr in den Arbeitsprozeß integrieren lassen wird. Krankengeld, Krankentagegeld, Behandlungsfolgekosten etc. werden demnach die angespannte Finanzsituation der Krankenkassen weiter problematisieren.
Die aktuellen Herausforderungen der Rehabilitationskliniken machen es daher erforderlich, die Patienten – hier als Kunden – in höchstem Maße zufriedenzustellen. Wie in anderen Branchen sind die Beschwerden unzufriedener Patienten in diesem Zusammen-hang als kostenlose Informationsvermittlung zu definieren.[3] Oft als „lästiges Übel“ durch manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgetan, können Wettbewerbsvorteile durch die Artikulation von Unzufriedenheit, Verbesserungsvorschlägen, negative Kritik, aber auch durch Lob, Anerkennung und Dank gezogen werden. Es muß Ziel sein, den „negativen Effekt“ einer Beschwerde in einen „positiven Eindruck“ zu wandeln. Allein der Umgang – z.B. durch schnelle Bearbeitung der Beschwerde – kann diese „Umkehr“ der Beschwerde zur Folge haben. Der Patient und sein Anliegen müssen ernst genommen werden und (positive) Reaktionen zur Folge haben. Das Eingeständnis des Fehlverhaltens kann entscheidend für die Wirkung beim Patienten sein.[4]
2. Das Beschwerdemanagement – Grundlagen und Begrifflichkeit
Die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, die ein Unternehmen im Zusammenhang erstellt, definiert Schöber[5] als „Beschwerdemanagement“. Dabei werden vielfach die Beschwerden als negative Kritik betrachtet und eine Auseinander-setzung vermieden. Der unzufriedene Kunde wird Teil einer vernachlässigten Zielgruppe;[6] Cross-Selling-Aktivitäten bleiben ungenutzt.
Stauss und Seidel definieren Beschwerden als „Artikulationen von Unzufriedenheit, die gegenüber dem Unternehmen oder auch Drittinstitutionen mit dem Zweck geäußert werden, auf ein subjektiv als schädigend empfundenes Verhalten eines Anbieters aufmerksam zu machen, Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigungen zu erreichen und/ oder eine Änderung des kritisierten Verhaltens zu bewirken“.[7]
Dieser Definition folgend ist die subjektiv empfundene Unzufriedenheit – als nicht erfüllte Erwartungen des Patienten – zu erklären.
Die Beschwerden lassen sich noch unterscheiden in „interne Beschwerden“ – hier ist die Unzufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeint – und „externe Beschwerden“, die von Patienten, Bewohnern, Lieferanten, Geschäftspartnern, nieder-gelassenen Ärzten, zuweisenden Krankenhäusern, Kostenträgern usw. artikuliert oder erhoben werden.
Die Beschwerden können „schriftlich“ und „mündlich“ dargelegt werden. Sie können aber auch nur zur Kenntnis genommen werden und ohne Artikulation ein folgerichtiges Verhalten zum Ergebnis haben. Nur eine von zehn Beschwerden wird tatsächlich – schriftlich oder mündlich – artikuliert.[8] Die anderen „Beschwer-deführer“ nehmen Fehlerwartungen „zur Kenntnis“ und reagieren in ihrem Sinne konsequent.
Die Begrifflichkeit der Beschwerde umfaßt zusätzlich die „Reklamation“, hier nach Stauss, W./ Seidel, B. definiert als „(...) die Teilmenge von Beschwerden, in denen Kunden in der Nachkaufphase Beanstandungen an Produkt oder Dienstleistung explizit oder implizit mit einer kaufrechtlichen Forderung verbinden, die gegebenenfalls juristisch durchgesetzt werden kann“[9] und der „Schadensfall“, der die täglichen Risiken des wirtschaftlichen Handels (Betriebsrisiken, spekulative Risiken) und die Beschädigung des Patienten an Leib und Seele (Schäden) umfaßt, und zu sogenannten Schadensersatzklagen und Entschädigungszahlungen führen können. Hierzu sind Teilaspekte des Beschwerdemanagements zu beleuchten, die das Risikomanagement (oder: Risk Management) – u.a. gesetzlicherseits durch das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in Unternehmen“ (KonTraG) geregelt – bedingen.
Sowohl die Reklamation als auch der Schadensfall soll hier nicht einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden, vielmehr konzentriert sich die Arbeit allein auf das externe Beschwerde-management in genereller Weise.
Mit Bezug auf die bisherigen Ausführungen ist die Sichtweise einer Konfrontationsvermeidung im Beschwerdefall nicht mehr zielfüh-rend. Im Gegenteil: Kundenorientierung, Kundenbindung und Kundenzufriedenheit machen es notwendig, den „(...) Kunden so zu behandeln, als wäre er der einzige und wichtigste Kunde, der gleichzeitig dem Unternehmen ein Leben lang treu bleibt“.[10]
Die Bedeutung des Beschwerdemanagements läßt sich hieraus ableiten. Die Chancen die sich durch ein umfassendes Beschwer-demanagement ergeben - hier seien beispielhaft die Verbesse-rungspotentiale aus Kundensicht sowie die Stabilisierung und/ oder Rückgewinnung des Kundenvertrauens genannt – sind vielfältig.
[...]
[1] vgl. Stauss, W./ Seidel, B.: (Beschwerdemanagement), S. 8
[2] Ein Umstand, der bei fremdvergebenen Teilbereichen oft vernachlässigt wird und zur Folge hat, daß der Einfluß durch die Klinikleitung auf diese Teilbereiche nicht mehr im ausreichenden Umfang besteht.
[3] vgl. Gündling, C.: (Kundenorientierung), S. 201
[4] vgl. auch Wohlrab, Elke: (Beschwerdemanagement), S. 7f.
[5] vgl. Schöber, P.: (Gestaltung), S. 11ff.
[6] vgl. Diakonie Korrespondenz 3/2001: (Beschwerdemanagement), in:
www.diakonie.de/publikationen, S. 1
[7] zit. Stauss, W./ Seidel, B.: (Beschwerdemanagement), S. 27
[9] zit. Stauss, W./ Seidel, B.: (Beschwerdemanagement), S. 27ff.
[10] vgl. Gündling, C.: (Kundenorientierung), S. 201f.