Bei der aktuellen öffentlichen Diskussion über die Sozialsysteme geht es in erster Linie darum, dass Deutschland ein geringeres Wachstum aufweist, als seine europäischen Nachbarn. Es wird insbesondere um den Abbau von Sozialleistungen zugunsten der Senkung der Lohnnebenkosten gestritten. Alle Maßnahmen, die ergriffen werden sollen, zielen tendenziell in die Richtung, den Sozialstaat abzubauen und die Marktkräfte mehr zu nutzen, um Deutschland international wettbewerbsfähiger zu machen.
Dagegen steht, dass der Preis, der für dieses Wachstum gezahlt werden soll, in Relation zum Nutzen stehen sollte. Es ist denkbar, dass durch zum Beispiel höhere Kriminalität infolge größerer Einkommensungleichheit der Gewinn des BIP wieder aufgezehrt wird, da der Anstieg durch höhere Aufwendungen für Strafverfolgung ausgeglichen werden muss. Denn Wachstum ist kein Selbstzweck,
sondern dient in der Regel zur Aufhebung von Verteilungsproblemen. Jedoch bedeutet Wachstum nicht immer eine Verbesserung, da auch Wirkungen denkbar sind, in denen das BIP steigt, obwohl der
Gütezustand der Volkswirtschaft bzw. der Individuen innerhalb der Volkswirtschaft sinkt.
Das Inlandsprodukt ist kein geeigneter Maßstab, um qualitative Aspekte des Wirtschaftswachstums, die eher mit dem Begriff Lebensqualität verknüpft sind, entsprechend widerzuspiegeln. Viele produktive
(positive) Aktivitäten werden im Inlandsprodukt nicht erfasst (Hausarbeit, Gartenpflege etc.), andere (negative) werden entweder als wertsteigernd gewertet (Krankheitskosten, Reparatur von Unfallschäden,
Behebung von Umweltschäden), obgleich sie allenfalls werterhaltend sind, oder bleiben unberücksichtigt, obgleich sie sich negativ auswirken (sog. externe Kosten). Es gibt daher eine Vielzahl von Vorschlägen für die Ermittlung sozialer Indikatoren, welche die qualitative Dimension des Wachstums berücksichtigen.
Neben diesen nicht erfassten qualitativen Aspekten des Wachstums entsteht bei der Freisetzung der Marktkräfte gerade auf dem Arbeitsmarkt eine möglicherweise unerwünschte Fehlwirkung. Da der
Arbeitsmarkt offensichtlich nicht im optimalen Gleichgewicht ist, wirkt sich die Senkung bestimmter Absicherungen z.B. des Kündigungsschutzes direkt in eine Senkung der Arbeitslosigkeit aus. Die Absicherungen haben aber andere Gründe.
In dieser Arbeit wird desshalb die Entwicklung verschiedener, sozialer Indikatoren und der klassischen Wohlfahrtsindikatoren in Deutschland und weiteren ausgewählten EU-Ländern verglichen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Abgrenzung verschiedener Begriffe der Lebensqualität
- Erklärung und Einordnung der Begriffe Wohlfahrt, Wohlstand und Lebensqualität
- Erklärung und Einordnung der Begriffe BIP, Wachstum und soziale Sicherung
- Erklärung und Einordnung der Begriffe externe Effekte, öffentliche Güter, Free rider
- Ökonomische Grundlagen zu verteilungspolitischen Maßnahmen und Konzepte der vergleichenden Wohlfahrtsstaatenforschung
- Wirtschaftstheoretische Sichtweise der Wohlfahrt und Einkommenstransfers
- Allgemeines
- Einkommenspolitik
- Sicherungspolitik
- Fazit der wirtschaftstheoretischen Sichtweise
- Die Einteilung der Wohlfahrtsstaaten nach Esping-Andersen und die BSLQ
- Konzept der NSLQ nach Adema
- Modell zur Bekämpfung der Kriminalität durch Sozialtransfers
- Genauere Beschreibung des Modells
- Kriminelle Aktivität
- Die Entscheidung über die Aktivität
- Wirtschaftstheoretische Sichtweise der Wohlfahrt und Einkommenstransfers
- Vorstellung der Vergleichsländer
- Darstellung der Indikatoren im Zeitverlauf für die ausgewählten Länder
- BIP, Wachstum und EL-Quote (Erfolg der Vergleichsländer)
- Darstellung der Verläufe des BIP in den ausgewählten Ländern
- Darstellung des Wirtschaftswachstums im Zeitverlauf
- Darstellung des Verlaufs der Erwerbslosenquote
- Verlauf der BSLQ
- Substitution der staatlichen sozialen Sicherung in private Gesundheits- und Versicherungsausgaben
- Risikobereitschaft durch soziale Sicherung
- Entwicklung der Einkommensungleichheit und der Kriminalität
- Gefahr der geringeren Krankheitsvorsorge durch Reduktion der sozialen Sicherung
- Fazit aus der Analyse aller Indikatoren der drei Länder im Zeitverlauf
- BIP, Wachstum und EL-Quote (Erfolg der Vergleichsländer)
- Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Studienarbeit befasst sich mit dem Vergleich von Wohlfahrt und Lebensqualität in Deutschland im zeitlichen Verlauf im Vergleich zu ausgewählten EU-Staaten. Die Arbeit analysiert verschiedene Indikatoren, um die Entwicklung der Wohlfahrt und Lebensqualität in den betrachteten Ländern zu beleuchten.
- Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und des Wirtschaftswachstums
- Entwicklung der Erwerbslosenquote und der Bruttosozialleistungsquote (BSLQ)
- Analyse der Einkommensungleichheit und der Kriminalität
- Einfluss der sozialen Sicherung auf die Risikobereitschaft und die private Gesundheitsvorsorge
- Bedeutung von Wohlfahrtsstaatenmodellen und deren Auswirkungen auf Lebensqualität
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit der Abgrenzung und Einordnung verschiedener Begriffe, die im Zusammenhang mit Wohlfahrt und Lebensqualität stehen. Hierbei werden unter anderem die Begriffe BIP, Wachstum, soziale Sicherung, externe Effekte und Free rider erläutert. Kapitel 3 behandelt ökonomische Grundlagen zu verteilungspolitischen Maßnahmen und Konzepten der vergleichenden Wohlfahrtsstaatenforschung. Dabei werden verschiedene wirtschaftstheoretische Sichtweisen auf Wohlfahrt und Einkommenstransfers, die Einteilung der Wohlfahrtsstaaten nach Esping-Andersen und das Konzept der Nettosozialleistungsquote nach Adema vorgestellt. Zudem wird ein Modell zur Bekämpfung der Kriminalität durch Sozialtransfers beschrieben.
Kapitel 4 stellt die ausgewählten Vergleichsländer vor, bevor in Kapitel 5 die Darstellung der Indikatoren im Zeitverlauf erfolgt. Es werden Verläufe des BIP, des Wirtschaftswachstums, der Erwerbslosenquote und der BSLQ für die jeweiligen Länder analysiert. Darüber hinaus werden die Substitution der staatlichen sozialen Sicherung in private Gesundheits- und Versicherungsausgaben, die Risikobereitschaft durch soziale Sicherung, die Entwicklung der Einkommensungleichheit und der Kriminalität sowie die Gefahr der geringeren Krankheitsvorsorge durch Reduktion der sozialen Sicherung betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themen Wohlfahrt, Lebensqualität, BIP, Wachstum, soziale Sicherung, Wohlfahrtsstaatenmodelle, Einkommensungleichheit, Kriminalität, Risikobereitschaft, Gesundheitsvorsorge, und vergleichende Analyse.
- Arbeit zitieren
- Christian Haupricht (Autor:in), 2004, Wohlfahrt und Lebensqualität in Deutschland - Vergleichende Analyse verschiedener Indikatoren im Zeitverlauf in ausgewählten EU-Staaten, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/27187