In dieser Arbeit werde ich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Expatriates untersuchen. Diese wird zumeist durch eine traditionelle Rollenverteilung der beiden Partner ermöglicht, wobei die meist ebenfalls qualifizierte Frau ihre (berufliche) Selbstverwirklichung stark zurückstellt. Daher werde ich die Lebensrealität von „expatriate wives“ auf Schwierigkeiten, aber auch Chancen und Zugewinne hin untersuchen, um aufzuzeigen, inwiefern eine Akzeptanz der traditionellen Rollenverteilung während einer Entsendung gelingen kann.
Gegliedert ist meine Arbeit so, dass ich zunächst einige begriffliche Abgrenzungen vornehme (Familie, Karriere, Arbeitsteilung und Vereinbarkeit von Karriere und Familie), um anschließend die hier gemeinte Auslandsentsendung zu umreißen und einige damit verbundene Fachtermini einzuführen. Daran anknüpfend beschreibe ich, wie sich das Problem der Vereinbarkeit von Karriere und Familie bei Managern im Zuge eines Auslandseinsatzes verschärft und mit welchen Veränderungen, Herausforderungen aber auch Chancen dieser für die Beteiligten verbunden ist. In dem
Zusammenhang werde ich speziell thematisieren, welche Rolle verschiedene Anreize, Praktiken, Zugeständnisse und Kompensationen dabei spielen. In einem kurzen Exkurs gehe ich auf Dual Career Couples und weibliche Expatriate-Managerinnen ein, um schließlich in einer Schlussbemerkung meine Arbeit zu resümieren und einen Ausblick zu liefern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Begriffsklärungen
2.1 Familie
2.2 Arbeit
2.3 Arbeitsteilung
2.4 Vereinbarkeit von Karriere und Familie bei Managern
3. Auslandsentsendungen
4. Traditionelle Rollenverteilung im „Expat-Alltag“
4.1 Interventionen und Zugeständnisse im Binnenraum der Familie
4.2 Kulturschock und veränderte Rollenanforderungen
4.3 Innerfamiliäre Abhängigkeiten im Spannungsfeld von Bindung und Entgrenzung
4.4 Strukturverlust und Gestaltungsfreiheiten
4.5 Erweiterung von gesellschaftlichem und kulturellem Horizont
5. Exkurs: Dual Career Couples und weibliche Expatriate-Managerinnen
6. Schlussbemerkung
7. Literaturverzeichnis
Die Idee zu vorliegender Arbeit entstand im Rahmen der Tagung „Arbeit in der Weltgesellschaft - Zur Transnationalisierung hochqualifizierter Arbeit“, die 2012 in Bielefeld stattfand. Prof. Rudolf Stichweh hat einen Keynote-Vortrag1 gehalten, in dem er Akademiker als „peripatetische“ Gesellschaft betrachtete. Er referierte, dass Leibniz 1866 eine Schrift zu "Mahnungen an sauberes wissenschaftliches Arbeiten" verfasste, die er den Monarchen widmete, die sie sich zu eigen machen wollten - denn wissenschaftliches Arbeiten ist seit jeher mit Mobilitätsanforderungen verknüpft, die entsprechender Unterstützung bedürfen.
Diese Hausarbeit betrifft Manager und ihre Familien, die den „Mahnungen an saubere Expansion und Gewinnsteigerung“ nachkommen und in dem Zuge ebenfalls zur peripatetischen Gemeinschaft werden. Stichweh sagte in diesem Zusammenhang „Leibniz´ Schrift sei heute den Ehefrauen und Familien gewidmet“ - denn diese ermöglichen die berufliche Mobilität ihrer Männer und Väter bzw. müssen entscheiden, ob sie sie sich zu eigen machen wollen.
1. Einführung
Entsendungen von Fach- und Führungskräften ins Ausland waren bisher beliebter Gegenstand der (quantitativen) Forschung, allerdings weniger in der Soziologie, sondern v.a. in den Disziplinen BWL und Psychologie. Diese befassten sich mit der Steigerung der Effektivität einer Entsendung, erfolgskritischen Persönlichkeitsmerkmalen, Vergütungsstrukturen, Personalauswahl und steuerrechtlichen Fragen. Des Weiteren existieren zahlreiche Formate, die auf den Einsatz vorbereiten wollen, wie z.B. Ratgeber und Seminare (vgl. Minssen, 2009:8; Kreutzer, 2006:10).
Als erfolgsträchtige Faktoren werden immer wieder folgende genannt: Fachliche Qualifikation, Führungsfähigkeit, Kenntnis des Einsatzlandes, Motivation und Einfühlungsvermögen (vgl. Schneider, 2002: 47). Der „Erfolgsfaktor“ Vereinbarkeit von Karriere und Familie wird nicht explizit im Anforderungsprofil eines zukünftigen Auslandsmanagers genannt, aber auch implizit wird der Thematik noch verhältnismäßig wenig Bedeutung beigemessen. Der Beitrag einer soziologischen Betrachtung besteht weniger in Verbesserungsvorschlägen, sondern in der Erforschung von nicht- intendierten Nebenfolgen. Denn es ist meist die Resistenz der Familie, die den Arbeitnehmer veranlasst, ein entsprechendes Jobangebot zu verwerfen bzw. es sind innerfamiliäre Konflikte, die zu Einbußen in der Leistungsfähigkeit des Managers oder gar einem vorzeitigen Abbruch der Entsendung führen (vgl. McNulty, 2002). Dieser Umstand kommt Unternehmen teuer zu stehen2.
Entsendet werden in der übermäßigen Zahl männliche Führungskräfte, so ist der Umstand, dass die begleitende Frau ihre Karriere/ Erwerbstätigkeit komplett aufgibt und in eine stark traditionelle Rolle zurückfällt3 besonders konfliktbehaftet. Dabei reichen finanzielle Anreize seitens der Unternehmen nicht aus, um eine Entsendung zu erreichen.
„ The top reasons that employees are reluctant to accept global assignments include the accompanying partner ´ s resistance to the relocation, concerns about family adjustment, the disruption of the accompanying partner ´ s career, concern for elderly parents, and the disruption of the children ´ s education. ” (Poelmans, 2005:121)
Die Alternative, ohne Familienanhang ins Ausland zu gehen, wird in den meisten Fällen nicht praktiziert, denn die Art der Auslandstätigkeit von der hier die Rede ist, hätte dafür einen zu großen zeitlichen Umfang. Außerdem ist nicht nur die Familie auf den Vater angewiesen, sondern der multiplen Entgrenzungen ausgesetzte Entsandte, auch als Expatriate4 bezeichnet, bedarf der Erdung und „Begrenzung“ durch sichere Strukturen und Bindungen seiner Familie (vgl. Minssen, 2009:39f.).
In dieser Arbeit werde ich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Expatriates untersuchen. Diese wird zumeist durch eine traditionelle Rollenverteilung der beiden Partner ermöglicht, wobei die meist ebenfalls qualifizierte Frau ihre (berufliche) Selbstverwirklichung stark zurückstellt. Daher werde ich die Lebensrealität von „expatriate wives“ auf Schwierigkeiten, aber auch Chancen und Zugewinne hin untersuchen, um aufzuzeigen, inwiefern eine Akzeptanz der traditionellen Rollenverteilung während einer Entsendung gelingen kann.
Gegliedert ist meine Arbeit so, dass ich zunächst einige begriffliche Abgrenzungen vornehme (Familie, Karriere, Arbeitsteilung und Vereinbarkeit von Karriere und Familie), um anschließend die hier gemeinte Auslandsentsendung zu umreißen und einige damit verbundene Fachtermini einzuführen. Daran anknüpfend beschreibe ich, wie sich das Problem der Vereinbarkeit von Karriere und Familie bei Managern im Zuge eines Auslandseinsatzes verschärft und mit welchen Veränderungen, Herausforderungen aber auch Chancen dieser für die Beteiligten verbunden ist. In dem Zusammenhang werde ich speziell thematisieren, welche Rolle verschiedene Anreize, Praktiken, Zugeständnisse und Kompensationen dabei spielen. In einem kurzen Exkurs gehe ich auf Dual Career Couples und weibliche Expatriate-Managerinnen ein, um schließlich in einer Schlussbemerkung meine Arbeit zu resümieren und einen Ausblick zu liefern.
2. Begriffsklärungen
Zunächst werde ich die Begrifflichkeit und Funktion der Familie definieren, um danach eine Begriffsklärung von Arbeit und Arbeitsteilung vorzunehmen. Schließlich werde ich zur Problematik der Vereinbarkeit von Karriere und Familie überleiten und die Verschärfung dieser bei einer Auslandsentsendung darstellen.
2.1 Familie
Es existieren diverse Definitionen des Begriffs Familie - Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen bildet hier die moderne Kleinfamilie. Diese meint eine familiale Hausgemeinschaft mit und ohne Kinder, in Abgrenzung zu Alleinerziehenden, Gleichgeschlechtlichen Paaren und nichtfamilialen Wohnformen (vgl. Peukert, 1991:13ff.).
„Familie“ lässt sich auch über ihre Funktionen definieren, wobei nach Burkhardt vier Grundfunktionen bestehen: 1. Die Reproduktionsfunktion (Bestandssicherung der Gesellschaft); 2. Die Sozialisationsfunktion (Vermittlung der zentralen Normen und Werte): 3. Die Statuszuweisung (Platzierung der Kinder im gesellschaftlichen Funktionssystem); 4. Die Regenerations- bzw. Solidaritätsfunktion (emotionale, praktische und finanzielle gegenseitige Unterstützung).
Des Weiteren lässt sich Familie auch als Gegenstruktur zur Gesellschaft ansehen - als sicheren Hafen und als Hort des Privaten - was im Laufe der Arbeit noch hinterfragt wird (vgl. Burkart, 2008:143).
2.2 Arbeit
Der Begriff Arbeit meint hier, im Sinne des Gegensatzpaares Arbeit vs. Freizeit, sowohl die Erwerbsarbeit als auch die Reproduktions- und Hausarbeit. Bei letzterer ist die Grenze zur Freizeit schwerer zu ziehen, aber in diesem Kontext sollen darunter für die Familie (tägliche) notwendige und verpflichtende Tätigkeit verstanden werden (vgl. Mitterauer, 1992:336).
2.3 Arbeitsteilung
Der Begriff Arbeitsteilung meint, in Abgrenzung zur Zerlegung eines Produktionsprozesses in nicht-autonome Elemente (Fließbandarbeit etc.), die Spezialisierung auf weitergefasste Tätigkeitsbereiche. Gemeint ist z.B. die Aufteilung von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit oder in kleinerer Einheit, die Spezialisierung auf bestimmte innerfamiliäre Aufgaben, wie Kochen vs. Reparaturarbeiten (vgl. Kaufmann, 1994:43).
Wohlstandssteigerung, Bildungsexpansion und Frauenbewegung bewirkten eine Pluralisierung der Lebensformen und erhöhten die Erwerbsbeteiligung von Frauen und die Gleichberechtigung. So hat die Familie für Frauen ihre Bedeutung als ausschließlicher biografischer Bezugsrahmen verloren. Diese Entwicklung geht einher mit einer veränderten Anspruchshaltung was die Verteilung der häuslichen Aufgaben betrifft (vgl. Liebold, 2001:27).
Aber trotz dessen das Leitbild einer Egalisierung besteht, sind faktisch weiterhin die Frauen überwiegend für die Hausarbeit zuständig. Aber diese Arbeitsteilung vollzieht sich heute nicht mehr ganz selbstverständlich, sondern wird im Binnenraum der Familie aktiv ausgehandelt und durch individuelle Bemessungsregeln festgelegt (ebd:28).
Sogar wenn der Wunsch einer gleichberechtigten Arbeitsteilung explizit geäußert wird, besteht die Tendenz, die traditionelle Arbeitsteilung dennoch zu reproduzieren (vgl. Kaufmann, 1994:11). Insbesondere jüngere Frauen fordern die Beteiligung bei der Kindererziehung, halten aber gleichzeitig an der eigenen, primären Wichtigkeit für das Kind fest - diese „Fürsorgedominanz“ ist als tiefverankertes Selbstkonzept zu verstehen (vgl. Liebold, 2001:39). Laut Kaufmann ist es die soziale Vergangenheit, die aktuelle Handlungen unbewusst lenkt und z.B. einschätzt, welche Tätigkeiten für eine Person mühselig sind und so eher umgangen werden.
Beide Partner wollen sich möglichst effektiv in die Familie einbringen, aber statt schlicht vorgeformte Rollen zu übernehmen, werden die Rollen aktiv selbst konstruiert - allerdings mit Rückgriff auf traditionelle Modelle. Kaufmann sagt „Die Kunst besteht folglich darin, den Umstand der Erfindung und den konstruierten Charakter der Interaktionsregeln zu vergessen und die Gewohnheit als gegeben und selbstverständlich anzusehen (vgl. Kaufmann, 1994:235). Während früher die Rolle die Gewohnheiten bestimmte, dienen diese nun umgekehrt dem Aufbau von Rollen (ebd:119). Doch zur Arbeitsteilung und ihrer Aushandlung mehr in Kapitel vier.
2.4 Vereinbarkeit von Karriere und Familie bei Managern
Unter der Vereinbarkeit von Karriere und Familie versteht man die Möglichkeit Erwerbstätiger, sich zugleich Beruf und Karriere einerseits und dem Familienleben mit Kindern und pflegebedürftigen Personen andererseits zu widmen. Und dies unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die dabei auftreten können.
Pfau-Effinger hat folgende Modelle elterlicher Rollenverteilungen in Erwerbstätigkeit und Familie typisiert: Familienökonomisches Modell: beide Partner sind im eigenen (kleinen) Betrieb tätig; 2. Traditionelles bürgerliches Modell: Rollenverteilung, bei der der Mann in Vollzeit berufstätig ist und die Frau die alleinige oder nahezu alleinige Verantwortung für die Familienarbeit hat; 3. Modernisiertes bürgerliches Modell: der Mann ist in Vollzeit berufstätig und die Frau arbeitet in Teilzeit und trägt zugleich die (nahezu) alleinige Verantwortung für die Familienarbeit; 4. Egalitär-erwerbsbezogenes Modell: beide Eltern sind in Vollzeit erwerbstätig, während vorwiegend externe Kinderbetreuung herangezogen wird; 5. Egalitär-familienbezogenes Modell: beide Eltern sind zu annähernd gleichen Teilen in Teilzeit erwerbstätig und teilen sich die Verantwortung für die Familienarbeit (vgl. Pfau-Effinger, 2000:23f.).
Wenn Probleme der Vereinbarkeit thematisiert werden, betrifft das Frauen und Männern in unterschiedlicher Weise (vgl. Notz, 2004:8). Im Zuge der Familiengründung scheint es für Frauen erwünscht, sich aus dem Erwerbleben zurückzuziehen und es gilt als normal, dass Familienarbeit Frauenarbeit ist. Hingegen Männer sind sozial darauf verpflichtet, die existentielle Sicherung der Familie zu übernehmen. Daher gehen Arbeitgeber, ungeachtet von der privaten Situation eines Arbeitnehmers, davon aus, dass Männer von häuslichen Arbeiten freigestellt werden und, verlangt es der Beruf des Mannes, die Rollenverteilung sich nach dem Traditionell-Bürgerlichen Modell vollziehen wird.
Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie von Führungskräften birgt ein besonderes Spannungsfeld, denn zum Selbstverständnis von Managern gehören eine ausgeprägte Berufsorientierung, Aufstiegsaspirationen und eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen. Manager sind Personen in einem Unternehmen, die mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind, Tätigkeiten auf hohem Qualifikationsniveau ausüben und Leitungsfunktionen innehaben. Sie bekleiden Karrierepositionen - als Karriere bezeichnet Minssen „the evolving sequence of a person´s work over time“ (vgl. Minssen, 2012:158).
Die Karriere erfordert eine weitgehende Unterwerfung unter die Ansprüche des Unternehmens und geht mit der Erwartung einer uneingeschränkten zeitlichen und örtlichen Verfügbarkeit einher. Die Folge ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben (vgl. Notz, 2004:9; Minssen, 2012:75).
3. Auslandsentsendungen
„Auslandseinsätze gewinnen angesichts des fortschreitenden Wachstums internationaler Unternehmen, der Notwendigkeit zur Bildung strategischer Allianzen, des anhaltenden Trends hin zu grenzüberschreitenden Mergers & Acquisitions sowie anderer unternehmensinterner und -externer Entwicklungen zunehmend an Bedeutung“ (Stahl u. a., 2000:351).
Bei den Entsandten handelt es sich überwiegend um Fach- und Führungskräfte, die für einen bestimmten Zeitraum mit einem konkreten Arbeitsauftrag ins Ausland versetzt werden (vgl. Minssen, 2009:7). Diese Arbeit meint die Entsendung von Personen aus westlichen Kulturen ins internationale Ausland.
Die zeitlichen Abgrenzungen, wann man von einer Entsendung spricht, divergieren in der Literatur zwischen einer Mindestdauer von 12 Monaten bis zwei Jahren. Ich schließe mich der Abgrenzung von Minssen an, da viele Herausforderungen, die hier thematisiert werden sollen, sich erst bei einem gewissen zeitlichen Umfang der Auslandstätigkeit ergeben. Minssen unterscheidet zwischen der Dienstreise (höchstens 3 Monate), der Abordnung (Dauer höchstens 12 Monate), der Versetzung (Dauer 12 Monate bis 2 Jahre) und der Entsendung (mindestens 2 Jahre bis meist 5 Jahre) (ebd:7). In der Regel werden Fach- und Führungskräfte deutscher Unternehmen für einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren ins Ausland entsandt (vgl. Minssen, 2009:7).
Entsendungen zielen meist auf den Aufbau von Tochtergesellschaften oder die Betreuung von internationalen Projekten und Kunden vor Ort. Dabei werden aus Unternehmenssicht folgende Ziele verfolgt: Technologie- und Wissenstransfer, Koordination und Kontrolle der Unternehmenseinheiten, Aufbau einer gemeinsamen Unternehmenskultur sowie die Entwicklung der Führungskompetenzen des Entsandten5.
Der typische Expatriate ist männlich (über 85%), zwischen 30-55, hat einen Hochschulabschluss, ist verheiratet (65%) und auch durch die Ehefrau begleitet (87% der Fälle) - 59% haben Kinder. Etwa die Hälfte der Ehefrauen hat vor der Entsendung gearbeitet, was während des Auslandseinsatzes nur noch vereinzelt der Fall ist (vgl. Minssen, 2009:121f.; Poelmans, 2005:123).
Die Motive einer Entsendung sind individuell verschieden, aber folgende zeichnen sich häufig ab: Möglichkeiten von Einkommenssteigerungen, Förderung der eigenen Qualifikation und Karriere, Übernahme von mehr oder neuer Verantwortung sowie interessanten Aufgaben, Flucht vor persönlichen und sozialen Problemen sowie Neugier auf Fremdes und Lust am Abenteuer“ (vgl. Blom/Meier, 2002:164).
Trotz attraktiver Anreize birgt eine Entsendung auch einige Herausforderungen, so ergab eine Befragung des IFIM Institut für Interkulturelles Management6, dass sich die Auslandstätigkeit - unabhängig vom Einsatzland - vor allem durch folgende Faktoren von vergleichbarer Inlandstätigkeit unterscheidet: „1. Das Aufgabenspektrum ist in der Regel erheblich größer; 2. Der Zuwachs an Verantwortung ist erheblich; 3. In einer fremden Sprache arbeiten zu müssen, bleibt ein Handicap. 4. Der Veränderungsbedarf bezüglich Denken, Verhalten, Führungsstil und mithin der Persönlichkeit, ist erheblich; 5. Eine Vielzahl persönlicher und familiärer Belastungen.; 6. Die Aufgabe des vertrauten Umfelds und meist den Verlust sozialer Beziehungen.; 7. Mit völlig anderen Mentalitäten zurechtkommen zu müssen, ist nicht einfach.“ Der Arbeitnehmer ist also um ein vielfaches mehr belastet und eingespannt und so verschärft sich die Problematik der Vereinbarkeit.
Eine weitere Studie - zur Work-Life Balance von Expatriates7 - ergab, dass sich das Arbeitspensum der Entsandten um einiges (durchschnittlich 13,4 Stunden pro Woche) erhöhte und dass darüber hinaus eine klare Divergenz zwischen der Unternehmenspolitik bzgl. des Arbeitspensums und des tatsächlich geleisteten Pensums besteht. Etwa zwei Drittel berichteten mehr als zuhause zu arbeiten, oft Geschäftsreisen antreten zu müssen und unter hohem Leistungsdruck zu stehen.
4. Traditionelle Rollenverteilung im „Expat-Alltag“
Auslandskarriere und Familie lassen sich vereinbaren, wenn die mitausreisende Partnerin für die Zeit der Entsendung eine traditionelle Rollenverteilung akzeptiert und über die Zeit des Aufenthaltes unterm Strich mit diesem Leben zufrieden ist. „ Doch letztlich geht es f ü r Manager weniger um die Integration von Arbeits- und Familienleben, sondern eher um die Verteidigung der Arbeit gegen Anspr ü che aus der famili ä ren Sph ä re, wobei das jeweilige Arrangement von den paarbezogenen Zumutbarkeitsgrenzen abh ä ngt. “ (Minssen, 2009:159)
4.1 Interventionen und Zugeständnisse im Binnenraum der Familie
Aufgrund von Bildungshomologien im Heiratsverhalten, sind die Partnerinnen von Expatriate-Managern oft ebenfalls hochqualifiziert und streben eine Karriere an. Da nicht von einer selbstverständlichen Bereitschaft zum Verzicht dieser - insbesondere bei jüngeren Frauen - ausgegangen werden kann, wird eine komplexe Gemengelage aus Selbst- und Fremdansprüchen deutlich (vgl. Minssen2012:75). Ein zentraler Konfliktbereich scheint die Zeit, die der Familie zur Verfügung gestellt wird. So bedarf es aufwendiger Strategien zur Verteidigung des Status quo (vgl. Liebold,2001:161). Diese changieren zwischen Beharrlichkeit, Rechtfertigung und einem sensiblen Gespür für notwendige Interventionen und Zugeständnisse.
Allgemein „bezahlen“ Manager ihr Festhalten an traditionellen Rollenverteilungen mit einer Fremdheit im Privaten, dabei dämmert ihnen zunehmend ihre Unselbstständigkeit in Alltagsdingen und ihre emotionale Angewiesenheit auf andere (vgl. Liebold, 2001: 38f.). Dieser Umstand trifft bei Expatriate-Managern sicher noch deutlicher zu, was eine gesteigerte Wertschätzung für den Rückhalt der Familie wahrscheinlich macht und auch das Ausmaß der angesprochenen Interventionen und Zugeständnisse erhöhen mag. Diese sind höchst individuell und werden im Binnenraum der Familie ausgehandelt. Bezogen auf die Übernahme von Hausarbeit ergeben sich z.B. folgende Muster: Eine Möglichkeit der Kompensation der traditionellen Rollenverteilung ereignet sich im Urlaub oder in der Freizeit, wenn der Mann besondere Sorge für die Familienmitglieder
[...]
1 Akademische Wissenschaftler als Peripatetische Gemeinschaft. Konferenz "Arbeit in der Weltgesellschaft. Zur Transnationalisierung hochqualifizierter Arbeit". Universität Bielefeld, Institut für Weltgesellschaft, 25. - 26. Mai 2012.
2 Es wird geschätzt, dass sich allein die finanziellen Folgeschäden für Unternehmen, die durch personelle Fehlbesetzungen im Ausland entstehen, auf das drei- bis vierfache eines Manager-Jahresgehaltes pro Entsendung belaufen. Je nach Berechnung, liegt die Quote von Entsendungen, die scheitern zwischen 20-40% (vgl. Krystek, 1997:277).
3 Da bildungshomogen geheiratet wird, kann man von einer entsprechender Qualifikation und häufig auch einer Berufstätigkeit der Partnerin ausgehen (vgl. Minssen,2012:75).
4 von engl. expatriate; von lat. ex aus, heraus; patria Vaterland, kurz Expat
5 http://www.perwiss.de/auslandsentsendung.html
6 www.ifim.de/foliensets/anforderungen/anford.pdf - „ Anforderungsprofil für Auslandsmanager - Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren als Basis für Auswahlverfahren“ - befragt wurden 328 Führungskräfte von 40 deutschen (Groß-) Unternehmen aus insgesamt 46 Ländern.
7 http://www.hreonline.com/pdfs/08012009Extra_IRCORCExpatStudy.pdf