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Bachelorarbeit, 2012
55 Seiten, Note: 1,3
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung in die Problematik des weiblichen Rechtsextremismus
2 Der Begriff des Rechtsextremismus
3 Beteiligung von Frauen am Rechtsextremismus
3.1 Frauenbeteiligung am latenten Rechtsextremismus
3.2 Frauenbeteiligung am organisierten Rechtsextremismus
3.3 Frauenbeteiligung am gewalttätigen Rechtsextremismus
4 Rechtsextreme Strömungen und ihr Frauenbild
4.1 Das Frauenbild im Nationalsozialismus
4.2 Das Frauenbild im Neonazismus
4.3 Das Frauenbild im ,Autonomen Nationalismus‘
5 Das Frauenbild im modernen Rechtsextremismus
5.1 Das Frauenbild rechtsextremer Männer am Beispiel des Parteiprogramms der NPD
5.2 Selbstbilder rechtsextremer Frauen
5.2.1 Das Skingirl und der Skingirl Freundeskreis Deutschland
5.2.2. Die völkische Mutter und die Gemeinschaft Deutscher Frauen
5.2.3 Die ,Autonome Nationalistin ‘ und der Arbeitskreis Mädelschar
5.2.4 Die NPD-Politikerin und der Ring Nationaler Frauen
6. „Nationalismus ist auch Mädelsache“
6.1 Neue Strategie - Ein ,Weg in die Mitte der Gesellschaft’?
6.2 Weibliche Funktionen im modernen Rechtsextremismus
6.3 Widerspruch zwischen Ideologie und Partizipation und der Irrtum einer Gleichberechtigung
7 Schlussbetrachtung und Fazit
Literaturverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Anhang
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anhand der aktuellen Ereignisse im Kontext des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, kurz NSU, konstatiert der Verfassungsschutz einen neuen Höhepunkt rechtsextremistischer Gewalt (vgl. Bundesministerium des Innern 2011: 44). Die Debatte um den Rechtsextremismus in Deutschland zeigt sich als gegenwärtiger denn je. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht insgesamt von knapp 22.500 gefestigten Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen in Deutschland aus (vgl. ebd.: 45). Laut Verfassungsschutz ist das Personenpotential der männlichen und weiblichen Neonazisten im Jahr 2011 erneut angestiegen - derzeit gehen die Behörden von 6.000 aktiven Neonazis (2010: 5.600) aus (vgl. ebd.: 45).
In der Berichterstattung zu den Aktivitäten der im Untergrund lebenden Gruppierung wird in Bezug auf Frauen im Rechtsextremismus eine verharmlosende Darstellung auffällig, durch welche die Wahrnehmung der Bevölkerung gelenkt wird. In jüngster Zeit kritisierte das Forschungsnetzwerk „Frauen und Rechtsextremismus“[1], welches sich seit 2000 kontinuierlich mit dem Nexus Frauen und Rechtsextremismus beschäftigt, den medialen Umgang mit diesem Thema. In einem offenen Brief mit dem Titel „Und warum ist das Interessanteste an einer militanten Rechtsextremistin ihr Liebesleben?“ reflektierten sie die Meldungen und Informationen, die in etwaigen Medien zur Rolle und Position der NSU-Mittäterin Beate Zschäpe zu lesen waren. Statements wie „[Sie] war eine der wenigen aktiven Frauen in der rechtsextremistischen Szene. Sie soll sich politisch kaum engagiert haben “ und „Beate Zschäpe, die gefährliche Mitläuferin. ... [...]“ sind für die Wissenschaftlerinnen Köttig und Kenzo (2011) ein Beleg für die unreflektierte Reproduzierung des Klischees der unpolitischen Frau, welches oft die Wahrnehmung der Öffentlichkeit bestimmt. An der Person Beate Zschäpe wird deutlich, dass die weiblichen Neonazis aufgrund des Wahrnehmungsfilters als friedfertige, unpolitische Frauen bislang unterschätzt wurden, was zu einer Verharmlosung ihrer Rolle führte (vgl. ebd.). Die möglichen politischen Intentionen ihrer Handlungen und das daraus resultierende Gefahrenpotential werden oft übersehen (vgl. Bitzan 2011b: 166). Beim Großteil der Bevölkerung ruft der Begriff des Rechtsextremismus Assoziationen vonmartialisch aussehenden, jungen Männern mit kahlrasierten Köpfen hervor (vgl. Zenker 2011: 4). Die Annahme, dass der Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit scheinbar durch Männer repräsentiert wird, könnte begründet sein in dem rein quantitativ geringeren Anteil von Frauen im rechtsextremen Spektrum[2] . Allerdings drängen auch zunehmend Frauen in die rechte Szene. Über lange Zeit dominierte eine sehr einseitige, androzentrische Sichtweise, die sich nicht nur in der öffentlichen Diskussion widerspiegelte, sondern auch den wissenschaftlichen Diskurs bestimmte. Die in den 80er Jahren aufgestellte These der weiblichen Resistenz gegenüber rechtsextremen Einstellungen war allerdings nicht mehr haltbar (vgl. Bitzan 2000: 44). Eine männerzentrierte Forschungsperspektive, die das Geschlecht als Kategorie ausgeblendet hat, wurde berechtigter Weise kritisiert (vgl. Jansen 1994: 66). Von da an rückten verstärkt Diskussionen in den Vordergrund, die das Wirken und Agieren der rechtsextremen Mädchen und Frauen in den Mittelpunkt stellten (vgl. Bitzan 1997b: 9). Seit Mitte der 90er Jahre wurde der Aspekt der Geschlechtsspezifik vereinzelt auch im wissenschaftlichen Bereich als notwendig angesehen und so zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht (vgl. Skrydlo et al. zit. nach Lehnert 2011: 2). Seither sind Überlegungen über den Zusammenhang von ,Gender‘ und heutigem Rechtsextremismus allgegenwärtig. In diese Perspektive ist auch meine wissenschaftliche Arbeit einzuordnen. Im Zentrum dieser Thesis soll die Rolle der Frau im modernen Rechtsextremismus stehen. Ziel meiner Bachelorarbeit ist es, einen Überblick über den Einfluss und die Partizipation von Mädchen und Frauen in der neonazistischen Szene zu geben. Hierzu werde ich eine genaue Differenzierung des Spektrums rechter Frauen vornehmen und so unterschiedliche Organisationen, aktuelle Entwicklungen und Strategien dieser Szene aufzeigen. Zu Beginn wird im Rahmen des theoretischen Teils eine Begriffsklärung vorgenommen, um wesentliche Elemente der rechten Ideologie darzustellen. Da sich diese Arbeit hauptsächlich der Frage nach der Partizipation und Präsenz von Frauen in der rechtsextremen Szene widmet, werde ich anschließend den quantitativen Anteil von Frauen an den verschiedenen Dimensionen des Rechtsextremismus thematisieren. In den darauf folgenden beiden Kapiteln richtet sich der Fokus auf das Frauenbild der rechten Ideologie. Diesbezüglich werde ich zunächst mit Hilfe des historischen Hintergrunds drei verschiedener nationalsozialistischer Strömungen untersuchen, welche Rolle den Frauen in dem jeweiligen Gefüge zugedacht war und inwieweit sich das Frauenbild im Laufe der Zeit gewandelt hat. Im Anschluss werde ich analysieren, welches Rollenbild die rechtsextremen Männer gegenwärtig ihren Frauen zuschreiben und welche differenzierten Rollenverständnisse bei den Frauen selbst vorherrschen. Um die Verwirklichung dieser Selbstbilder rechter Frauen aufzuzeigen, stelle ich parallel verschiedene rechtsextreme Frauenorganisationen vor, in denen Frauen und Mädchen aktiv sind. In Kapitel 6 werde ich nachweisen, dass rechtsextreme Frauen und ihr gestiegenes Engagement konstitutiver Bestandteil der rechtsextremen Szene sind. Dieser Abschnitt beinhaltet die neue Strategie der NPD sowie Aufgaben und Funktionen, welche zunehmend auch Frauen übertragen werden. In diesem Zusammenhang wird dargelegt, wie es rechtsextremen Frauen besser gelingt von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und so das Image der Partei in der öffentlichen Wahrnehmung zu verändern. Darauf aufbauend soll die Fragestellung: Inwiefern nutzt die NPD mittlerweile explizit Frauen für ihre kommunale Verankerung?, beantwortet werden. In dem genannten Kapitel zentriert sich auch die Arbeitshypothese dieser Bachelorarbeit: Frauen bestimmen den modernen Rechtsextremismus mit und agieren zunehmend unabhängiger, um das Ziel der nationalen Gesinnung gleichermaßen wie die Männer zu verwirklichen, parallel versuchen sie eine Gleichstellung mit dem ,starken Geschlecht‘ zu erreichen. Abschließend wird das Engagement von Frauen in das Wirken der gesamten ,braunen Szene‘ eingeordnet, um mögliche Effekte, die die Frauenpräsenz im rechtsextremen Spektrum mit sich bringen könnte, zu skizzieren. Die relevanten Ergebnisse der einzelnen Teilabschnitte werden am Ende des jeweiligen Kapitels zusammengefasst.
Für die weitere Bearbeitung meines Themas ist eine einheitliche Terminologie, die das Phänomen des Rechtsextremismus in seiner Vielschichtigkeit und Komplexität erfasst, zwingend erforderlich. Im folgenden Abschnitt werde ich die begriffliche Grundlage meiner wissenschaftlichen Arbeit vorstellen und die wichtigsten Elemente des Rechtsextremismus hervorheben. Hierbei ist die Schwierigkeit deutlich geworden, dem Begriff des Rechtsextremismus eine eindeutige Definition zu geben und seine Abgrenzungen festzulegen. Der Terminus wird in der Literatur und der Wissenschaft häufig mit verschiedenen Schwerpunkten versehen (vgl. Hammann 2002: 10). Bitzan zufolge ist der Begriff weder in der öffentlichen Diskussion noch in der Wissenschaft einheitlich definiert, so dass kein konsensuales Verständnis besteht (vgl. Bitzan 2000: 19). Bis heute wird in vielen Publikationen regelmäßig Kritik an diesem Sammelbegriff und an seinem Gebrauch formuliert. Im Jahr 2006 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung elf führende Sozialwissenschaftler[3], die sich mit der Erforschung von rechtsextremistischen Einstellungen auseinandersetzen, gebeten, sich auf eine Definition zu einigen. Als Ergebnis wurde die Folgende vorgestellt: "Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung beziehungsweise Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen." (Stöss 2010: 57). Aus dieser Begriffsbestimmung sind verschiedene Dimensionen eines rechtsextremen Einstellungsmusters erkennbar. Die inhaltlichen Elemente werde ich im Folgenden aufgreifen, um aufzuzeigen, welche Facetten der Begriff des Rechtsextremismus umfasst. Der Sammelbegriff wird als eine Kombination aus unterschiedlichen, inhumanen Ressentiments verstanden (vgl. Netz-gegen-Nazis 2008c). Folgt man der Begriffserklärung der Expertengruppe können sechs Komponenten formuliert werden: Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur[4], Chauvinismus[5], Ethnozentrismus[6], Antisemitismus[7], Sozialdarwinismus[8] sowie Verharmlosung des Nationalsozialismus[9] (vgl. Stöss 2010: 57f.). Diese verschiedenen Dimensionen haben alle gemeinsam, das Andersartige auszugrenzen (vgl. Wlecklik 1995: 9). Auch der Verfassungsschutz resümiert in seinem Bericht von 2011, dass der moderne deutsche Rechtsextremismus „kein ideologisch einheitliches Gefüge [ist] [...], sondern [... ] in verschiedenen Ausprägungen nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologieelemente und unterschiedlichen, sich daraus herleitenden Zielsetzungen auf[tritt]“ (Bundesministerium des Innern 2011: 43). Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den rechtsextremen Zusammenschlüssen wider. Das Spektrum reicht von subkulturell geprägten Neonazis, wie die , Autonomen Nationalisten über rechtsextreme ,Heimatvereine‘ bis hin zu politisch engagierten Anhängern der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands - kurz NPD. Des Weiteren zieht die Expertin Birgit Rommelspacher eine Grenze zwischen Rassismus und Rechtsextremismus, indem sie betont, dass beide Phänomene nicht gleichzusetzen sind. „Der Unterschied zwischen ihnen liegt darin, dass der Rechtsextremismus mit der Vorstellung von einer bestimmten Gesellschaftsordnung verknüpft ist [...] [und] das ganze politische System im Sinne von Hierarchisierungen umgestalten [will], indem die „natürliche “ Elite eines Volkes dieses zu führen habe im ständigen Abwehrkampf gegenüber „Anders- und Minderrassigen“. [...] Beim Rassismus hingegen handelt es sich um ein die ganze Gesellschaft prägendes, kulturelles Phänomen, basierend auf jahrhundertealten Traditionen von Dominanz und Ausgrenzung“ (Rommelspacher 2006: 9). Gemäß dieser Aussage ist der Rechtsextremismus als wesentlich tiefgründiger anzusehen. Dessen Denkweise bezieht sich nicht nur auf ethnisch kodierte Dominanzverhältnisse, sondern auch auf Ungleichwertigkeiten in Bezug auf die Geschlechter, auf Menschen mit anderer sexueller Orientierung und auf Menschen mit Behinderungen (vgl. ebd.: 9). Unter diesem Aspekt wird deutlich, dass Rassismus ohne Rechtsextremismus möglich ist, aber Rechtsextremismus nicht ohne Rassismus (vgl. ebd.: 9). Bereits aus diesem Abschnitt ist zu erkennen, dass das rechte Weltbild auf Ideologie einer interpretierten Höherwertigkeit basiert und unterschiedliche Versatzstücke umfasst, denen allen gemeinsam ist, dass sie die Aufwertung des eigenen Volkes zum Ziel haben (vgl. Hammann 2002: 15).
Es bleibt festzuhalten, dass sich der hier verwendete Begriff auf verschiedene Dimensionen der Überlegenheit konzentriert und „als radikalisierte[r] und politisierte[r] Ausdruck einer Dominanzkultur zu begreifen“ ist (Rommelspacher 2006: 10). Ferner konnte festgestellt werden, dass der Rechtsextremismus keiner einheitlichen Ausprägung folgt. Es stellt sich vielmehr ein heterogenes Bild unterschiedlichster Begründungszusammenhänge und Sichtweisen dar (vgl. Stöss 2010: 20). Diese Vielschichtigkeit werde ich im Verlauf meiner wissenschaftlichen Arbeit anhand der organisatorischen Ausbreitung der rechtsextremistischen Szene verdeutlichen.
Auf Grund der bisherigen Forschungslage, der Beobachtungen des Verfassungsschutzes sowie der Medienberichte ist von einer Dominanz der Männer zu sprechen. Besonders im öffentlichen Diskurs wird die rechtsextremistische Szene zum größten Teil durch die männlichen Kameraden vertreten. Es wäre allerdings prekär auf Grund dieser Vorherrschaft auf eine mögliche Resistenz von Frauen gegenüber rechtsextremen Ideologien zu schließen. Auch Frauen und Mädchen sind zunehmend in rechtsextremen Parteien - wie der NPD - und in rechtsextrem motivierten Gruppierungen - wie Kameradschaften oder Skinheadgruppen - anzutreffen (vgl. Köttig 2002: 22ff). Sowohl auf Seiten der Frauen als auch auf Seiten der Männer ist eine Beteiligung in verschiedenen Ausdrucksformen des Rechtsextremismus zu beobachten. Der entsprechende Umfang der Aktivität und die genaue Verteilung auf die gesellschaftlichen Bereiche von Frauen und Mädchen gilt es im Folgenden zu erläutern.
Der „Fachverband Frauen unterstützen Mädchenarbeit e.V.“ stellte 2002 fest, dass der quantitative Anteil von Rechtsextremistinnen in den letzten Jahren überproportional angestiegen ist (vgl. ebd.: 22ff). Inzwischen geht man von einem Anteil in Höhe von circa 33 Prozent aus (vgl. Rohleder 2007: 2). Wichtig ist, dass man die Partizipation von Frauen nicht pauschal betrachtet, sondern differenziert vorgeht. Da unter dem Aspekt der Berücksichtigung unterschiedlicher Dimensionen auch verschiedene Ergebnisse entstehen (vgl. Bitzan 2011b: 157). Basierend auf meinen Recherchen habe ich feststellen können, dass Frauen und Mädchen auf der Ebene der Einstellungen gleich stark vertreten sind wie die Männer, sich aber weniger stark an rechtsextremen Organisationen beteiligen, in noch geringerem Umfang in entsprechenden Parteien vertreten sind beziehungsweise diese wählen und nur sehr wenige rechtsextreme Straftaten begehen. Die Differenziertheit der weiblichen Teilhabe an den zuvor genannten Dimensionen des Rechtsextremismus, lässt sich anhand einer geometrischen Form veranschaulichen. Unter dem Aspekt der weiblichen Quantität können die verschiedenen Beteiligungsformen mittels einer Pyramide dargestellt werden. Eine solche Beteiligungspyramide hat die Forscherin Renate Bitzan entworfen, welche dem Anhang unter Abbildung 1 entnommen werden kann.
In den nachfolgenden Unterkapiteln möchte ich darlegen, ob es Abweichungen zwischen Frauen und Männern bezüglich ihrer Orientierungen und Aktivitäten im rechtsextremen Spektrum gibt. Um auch repräsentative Ergebnisse liefern zu können, werde ich auf unterschiedliche Datenquellen zurückgreifen. Obwohl über den Zusammenhang von Frauen und Rechtsextremismus mittlerweile mehr Studien vorliegen, sind die empirischen Befunde noch unzureichend (vgl. Stöss 2010: 168). Trotzdem lassen sich grobe Tendenzen ausmachen, die ich im Folgenden anhand einer Unterteilung in drei Bereiche - angelehnt an Abbildung 1 - veranschaulichen werde. Als Erstes werde ich den Bereich der rechten Einstellungen und Meinungen erläutern, welcher auch vereinzelt als latenter Rechtsextremismus bezeichnet wird. Der nächste Gliederungspunkt umfasst die Beteiligung von Frauen am organisierten Rechtsextremismus. Darunter fällt die Wahl als einfache politische Partizipationsform, die Organisierung in verschiedenen Frauengruppierungen und als Steigerung die Parteimitarbeit. Die letzte Stufe als Spitze der Beteiligungspyramide beinhaltet die Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung von Frauen und Mädchen im rechtsextremen Spektrum. Die zwei letztgenannten Beteiligungsformen werden unter dem Begriff des manifesten Rechtsextremismus zusammengefasst (vgl. ebd.: 21).
Das sogenannte Fundament der Pyramide bildet die auf Einstellungen und Meinungen basierende Ausdrucksform. Rechtsextreme Einstellungs- und Orientierungsmuster bilden im Allgemeinen die Voraussetzung für verschiedene Handlungsweisen, die den Rechtsextremismus unterstützen (vgl. Stöss 2010: 56). Sei es die Wahl einer rechten Partei, die Teilnahme an Demonstrationen oder auch die Mitgliedschaft in rechten Gruppierungen und Parteien, alle diese Handlungen begründen sich in der Denkweise der Menschen.
Anhand der Studie „Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ soll die Entwicklung der rechtsextremen Einstellungen der Frauen zwischen den Jahren 2008 und 2010 aufgezeigt werden. Die benannte Untersuchung, welche von den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen Decker, Weißmann, Kiess und Brähler durchgeführt wurde (vgl. Röpke und Speit 2011: 25f.), betrachtet die Ressentiments bezüglich der sechs verschiedenen Dimensionen eines rechtsextremen Einstellungsmusters[10]. Übergreifend ist laut der zu Grunde liegenden Studie in dem betrachteten Zeitraum ein genereller Anstieg von Ressentiments bei Frauen zu verzeichnen (vgl. ebd.: 26). Bezüglich der Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur lässt sich ein Wachstum von 2,6 auf 4,6 Prozent von 2008 bis 2010 erkennen. Im Jahr 2008 vertreten 12 Prozent der befragten Frauen eine chauvinistische Einstellung, zwei Jahre später sind es 17,5 Prozent. Der Anteil von Frauen mit ausländerfeindlichen Dimensionen ist innerhalb der zwei Jahre von 20 auf 23,9 Prozent gestiegen. In Hinblick auf die antisemitischen Haltungen zeichnet sich ein leichter Rückgang von 8,6 in 2008 auf 7,9 Prozent in 2010 ab. Für die Dimension des Sozialdarwinismus ist eine Steigerung von 2,6 auf 3,7 Prozent zu beobachten. Bei den revisionistischen und leugnenden Aussagen in Bezug auf den Nationalsozialismus stimmen im Jahr 2008 2,7 und im Jahr 2010 2,9 Prozent der befragten Frauen zu. (vgl. ebd.: 26) Anhand dieser prozentualen Auflistung ist in allen Dimensionen - mit Ausnahme der antisemitischen Haltungen - ein Anstieg sichtbar. Im Rahmen einer weiteren Studie, die von Niedermayer und Stöss durchgeführt wurde, konnte festgestellt werden, dass Frauen und Männer gleichermaßen rechtsextremistische Einstellungen entwickeln und von sich aus diesen keineswegs in geringerem Maße zustimmen als Männer (vgl. Stöss 2010: 66).
Festzuhalten ist, dass sich auf der Ebene des Einstellungspotenzials insgesamt keine besondere geschlechtsspezifische Resistenz gegenüber der rechtsextremistischen Ideologie zeigt (vgl. ebd.: 168). Frauen und Männer vertreten in selber Vehemenz nationalistische, rassistische und fremdenfeindliche Ansichten. Allerdings ist das relative Gleichgewicht beim rechten Gedankengut oder auch dem sogenannten latenten Rechtsextremismus nicht identisch mit dem Ausmaß des manifesten Rechtsextremismus (vgl. ebd.: 56). Menschen, die rechtsextreme Einstellungen aufweisen, wählen nicht zwangsläufig auch rechte Parteien - wie man den Wahlergebnissen entnehmen kann. Somit besteht der wesentliche geschlechtsspezifische Unterschied bei der Umsetzung dieser Ansichten (vgl. Röpke und Speit 2011: 27).
In diesem Unterkapitel wird herausgearbeitet, inwieweit sich der manifeste Rechtsextremismus bei beiden Geschlechtern ausprägt und ob eventuell das Verhalten von Frauen und Männern auf der Handlungsebene voneinander abweicht. Dieser Abschnitt gliedert sich in zwei Teilbereiche. Zum Einen geht es um die Wahlbeteiligung der rechtsextremen Frauen, zum Anderen um die Mitgliedschaft in rechten Gruppen - insbesondere die Mitarbeit in Parteien.
In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich im rechten Lager ein relativ konstantes Verhältnis bezüglich der Wahlbeteiligung herauskristallisiert (vgl. Bitzan 2011b: 160). Gegenwärtig ist die Wählerschaft rechtsextremer Parteien zu zwei Dritteln männlich und zu einem Drittel weiblich (vgl. Stöss 2010: 168). Deutlich wurde dieses Verhältnis bei der Landtagswahl 2006 in Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD erstmalig die für den Einzug in den Landtag notwendige Fünf-Prozent-Hürde überwand. Die NPD wurde damals vor allem von jungen Menschen gewählt und hier - wie in allen Altersgruppen - vor allem von Männern (vgl. Brodkorb 2006). Insgesamt nahmen die männlichen Wähler etwa 10 Prozent der Wählerschaft ein. Die Frauen hingegen waren mit 4 Prozent vertreten. (vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009: 6) Bei keiner anderen Partei gibt es vergleichbare geschlechtsspezifische Unterschiede. Forschungsergebnisse aus der Politikwissenschaft haben gezeigt, dass Frauen signifikant weniger dazu tendieren, extreme Parteien zu wählen als Männer (vgl. Pelinka 2002: 15). Die Frage, warum rechtsorientierte Frauen trotz ihrer Gesinnung im geringeren Ausmaße rechte Parteien wählen als Männer, bietet unterschiedlichste Erklärungsansätze (vgl. Rommelspacher 2011: 50). Einerseits wird über die Politikdistanz der Frauen diskutiert, andererseits über die geringere Repräsentanz der Frauen in rechten Parteien (vgl. ebd.: 50). Meiner Ansicht nach scheint jedoch der zutreffendste Grund das Risiko der Öffentlichkeitswerdung zu sein. Weibliche Rechtsextremisten gehen weitaus seltener das Risiko ein, als eine Wählerin rechter Parteien enttarnt zu werden (vgl. Wendt 2005: 17). Neben ihrer geringen Präsenz im Wählerkreis scheint es so, als ob Frauen auch in der Parteiarbeit eher im Hintergrund agieren. Im aktiven Politalltag treten überwiegend Männer als Repräsentanten rechtsextremer Parteien auf (vgl. Zenker 2011: 4). Obwohl Frauen in diesen Parteien noch deutlich unterrepräsentiert sind, ist seit dem letzten Jahrzehnt eine wachsende Tendenz zu beobachten (vgl. Rohleder 2007: 2; vgl. Lehnert 2011: 130). Ein Beleg für diese Entwicklung ist die NPD. In den vergangenen Jahren haben einzelne Frauen politische Aufgaben innerhalb der Landesverbände SachsenAnhalt, Rheinland-Pfalz und Hamburg übernommen (vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009: 7). Trotzdem sind Kandidatinnen für Parteiämter und weibliche Abgeordnete immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Bei der Bundestagswahl 2005 waren auf den Landeslisten der NPD 24 Frauen, das entspricht einem Anteil von 11 Prozent (vgl. Stöss 2010: 169). Nach den Landtagswahlen 2006 in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt befand sich, von insgesamt 18 in die Landtage gewählten Personen, nur eine einzige Frau unter den Landtagsabgeordneten (vgl. ebd.: 169). Ein weiteres Indiz für die geringe, meist unerwünschte Parteimitarbeit von Frauen ist die derzeitige Zusammensetzung des Bundesvorstandes der NPD. Gegenwärtig sitzen lediglich zwei weibliche Mitglieder im 19-köpfigen Bundesvorstand (vgl. Netz-gegen-Nazis 2011). Generell stellt sich heraus, dass Frauen bei den parteiungebundenen Kameradschaften einen Anteil von 10 bis 33 Prozent verzeichnen, welcher dem Anteil bei rechtsextremen Parteien - 10 bis 30 Prozent - gleicht (vgl. Lehnert 2011: 130). Doch glaubt man den eigenen Angaben der NPD, ist ein offensichtlicher Zuwachs erkennbar. Der NPD- Funktionär Peter Marx bezifferte 2006 den Frauenanteil der eigenen Partei auf Mitgliedsebene mit 27 Prozent - quasi einem Drittel (vgl. Bitzan 2011b: 159). Unter diesem Prozentanteil befinden sich 20 Prozent Frauen, die in Bundes- und Landesvorständen wichtige Funktionen für die Partei erfüllen (vgl. ebd.: 159). Auffällig ist dennoch die gestiegene Zahl an Neuzugängen, bei denen Frauen immerhin 50 Prozent einnehmen (vgl. Plodeck 2008). Zugegebenermaßen ist es relativ schwierig, konkrete Angaben über die Zusammensetzung der Mitgliedschaften von extrem rechten Parteien zu liefern. Grund dafür ist die mangelnde Differenzierung zwischen den Geschlechtern. In Datenquellen, wie im Verfassungsschutzbericht werden keine geschlechtsspezifischen Zahlen angegeben, sondern lediglich die Gesamtzahl der Mitglieder.
Feststellbar ist, dass Frauen eine größere Zurückhaltung bei der Wahl rechtsextremistischer Parteien aufweisen als die Männer. Ebenso distanziert lässt sich ihr Organisationsgrad darstellen (vgl. Hentges 1995: 86), da sie in einem erheblich geringeren Ausmaß in rechtsextremen Gruppierungen organisiert sind als ihre männlichen Kameraden (vgl. Passolt 2002: 20). Aus der vorangegangenen Analyse des organisierten Rechtsextremismus wurde eine beachtliche Abweichung zwischen der Einstellungs- und der Verhaltensebene sichtbar (vgl. Amesberger und Halbmayr 2002a: 41). Anhand der Darstellung der Mitarbeit in den Parteien wurde deutlich, dass Frauen eine recht geringe, aber vorhandene Aktivität aufweisen.
Eine noch stärkere Diskrepanz zwischen den Geschlechtern äußert sich derzeit in Gruppierungen, die gewalttätig sind oder zumindest Gewalt explizit befürworten - wie etwa den sogenannten Kameradschaften (vgl. Rommelspacher 2011: 45). Im Bereich des gewalttätigen Rechtsextremismus gehen Frauen wesentlich deutlicher auf Distanz als im organisierten Rechtsextremismus. Weit über 90 Prozent der rechtsextremistischen Straftaten werden von Männern ausgeübt (vgl. Lehnert 2011: 1). Neuere Forschungsergebnisse vom Forschungsnetzwerk „Frauen und Rechtsextremismus“ weisen einen zwar steigenden, aber nach wie vor sehr geringen Anteil von Mädchen und Frauen an rechtsextremen beziehungsweise fremdenfeindlich motivierten Straftaten aus (vgl. Röpke und Speit 2011: 17). Nachdem der Frauenanteil sich lange Zeit zwischen 3 und 5 Prozent bewegte, liegt er inzwischen bei etwa 10 Prozent (vgl. ebd.: 17). Sofern die Straftaten auf Grund ihrer unterschiedlichen Intensität unterteilt werden, zeichnen sich jedoch andere Zahlen ab. Bei der Beteiligung an weniger schweren Straftaten, zu denen meist Propagandadelikte und Volksverhetzung gezählt werden, beträgt der Frauenanteil etwa 4 Prozent (vgl. Bitzan 2000: 26). Im Gegensatz dazu liegt der Anteil bei schweren Vergehen - wie zum Beispiel Körperverletzungen und Brandstiftungen - unter einem Prozent (vgl. ebd.: 26). Diese empirischen Angaben sind allerdings kritisch zu betrachten, da man in der Regel nur von den polizeilich erfassten Fällen ausgehen kann. Aber genau da liegt das Problem, mit dem sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen konfrontiert sehen (vgl. Bitzan, Köttig und Schröder 2003: 151). Gewalttätige Rechtsextremistinnen werden auf Grund ihrer überwiegend unauffälligen und verdeckten Aktivitäten nur selten von den ermittelnden oder beobachtenden Behörden registriert (vgl. Hofmann 2003: 10). Birsl trifft die Aussage, dass neben diesen Instanzen auch die Medien rechtsextremistisch motivierte Straftaten durch eine Art Wahrnehmungsfilter betrachten, mittels dem die Tatbeteiligung von weiblichen Rechtsextremistinnen ausgeblendet wird (vgl. Birsl 2011: 251). Da rechtsextrem verortete Frauen bei der Mehrheit der Bevölkerung immer noch als friedfertige, unpolitische Frauen gelten, werden ihre Taten, hinter denen ebenso politische Intentionen stecken können, scheinbar übersehen. Ein weiterer Grund für unzureichende Angaben über die Tatbeteiligung von extrem rechten Frauen ergibt sich aus den fehlenden geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselten Daten des Verfassungsschutzes - ebenso wie beim organisierten Rechtsextremismus. Somit kann der tatsächliche Beteiligungsgrad von Frauen an rechtsextrem motivierten Straftaten weitaus höher liegen, als Verfassungsschutz und Medienberichte es prognostizieren. Bei der Untersuchung der Tatbeteiligung von Mädchen und Frauen an rechtsextrem motivierten Delikten ist es von enormer Relevanz, dass man zwei grundsätzliche Gewaltformen unterscheidet. Der Politikwissenschaftler Richard Stöss betont, dass sich die oben beschriebenen geschlechtsspezifischen Unterschiede nur auf die aktive Gewalt beziehen, während bei der passiven Gewalt Frauen und Männer gleichziehen (vgl. Rommelspacher 2011: 45). Seiner Argumentation zur Folge bedeutet dies, dass Frauen ihre Aggressionsbedürfnisse an die Männer delegieren und sie ,kämpfen lassen‘ (vgl. ebd.: 45). Betrachtet man die Dimension des gewalttätigen Rechtsextremismus auf differenzierte Weise, so zeigt sich, dass Frauen oft eine indirekte beziehungsweise unterstützende Funktion einnehmen. Diese Art der Beteiligung kann von im Hintergrund Schmiere stehen über Beifall klatschen bis hin zum Anfeuern und Hetzen der männlichen Kameraden reichen (vgl. Köttig 2002: 22; vgl. Bitzan 2011b: 159). In erster Linie bevorzugen Frauen meist die Arten von Gewalt, die frauenspezifisch sind und sich einfach und ohne große Umstände realisieren lassen (vgl. Ottens 1997: 193). Insgesamt wurden von den Wissenschaftlerinnen Bitzan, Köttig und Schröder fünf Formen der Beteiligung zusammengefasst: Die Gewaltausübende; die Helferin, die zum Beispiel die Männer zum Tatort fährt; die Schützerin, die beispielsweise mit Falschaussagen Tatbeteiligte vor der Strafverfolgung bewahrt; die Mitwisserin, die bereits vor einer Tat über deren Planung Bescheid weiß; sowie die Anstifterin, die während einer Gewalttat anwesend ist und die männlichen Täter anfeuert (vgl. Birsl 2011: 255f.). Auch bei dieser Betrachtung stellt sich die Frage nach dem Grund für das niedrigere Maß der weiblichen Beteiligung an rechtsextremen Gewalttaten im Verglich zu Männer. Die niedrige Gewaltanwendung von Frauen wurde oft biologisch, meiner Meinung nach nicht haltbar, als Folge durchschnittlich geringerer Körperkraft begründet (vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009: 6). Die meiner Ansicht nach relevante Erklärung ist eine Hemmschwelle bei der Ausübung rassistischer Gewalt (vgl. Wendt 2005: 18). Auch auf der Ebene des gewalttätigen Rechtsextremismus scheuen sich die Frauen vor der Gefahr der Öffentlichkeitswerdung, da sie wissen, dass die gesellschaftliche Ablehnung gegenüber rechtsextremer Gewalt groß ist (vgl. ebd.: 18). Fakt ist, dass Frauen an wichtigen Punkten einer rechtsextrem motivierten Straftat beteiligt sind, indem sie eine unterstützende Funktion im Sinne der Befürwortung der von Männern ausgeübten Gewalt einnehmen (vgl. Butterwege 1996: 107ff).
Die empirischen Zahlen belegen, dass Rechtsextremismus - egal in welcher Dimension - kein reines Männerphänomen mehr ist und Frauen zunehmend zur Gestaltung der rechtsextremen Szene beitragen. Die in gleichem Maße verinnerlichten Einstellungen werden nur unterschiedlich wirksam nach außen getragen (vgl. Wendt 2005: 19). Obwohl ihre politischen Einstellungen nicht weniger der nationalsozialistischen Ideologie entsprechen als die der Männer, so kommen ihre Ansichten und Aggressionen im Bereich des manifesten Rechtsextremismus anderweitig und auf eine schwerer erfassbare Art und Weise zum Ausdruck (vgl. Amesberger und Halbmayr 2002a: 42). Des Weiteren muss davon ausgegangen werden, dass der Anteil der Frauen am Phänomen des Rechtsextremismus viel größer ist als die Zahlen es vermuten lassen (vgl. Hofmann 2003: 10).
Wie bereits in der Begriffsdefinition hervorgehoben, stellt der Rechtsextremismus eine Kombination aus unterschiedlichen nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Merkmalen der rechten Ideologie dar.[11] Anhand dieser verschiedenen Begründungszusammenhänge rechtsextremistischer Einstellungen ist es denkbar, dass sich das Weltbild auch in den verschiedenen nationalsozialistischen Strömungen divergent ausgeprägt hat. Auf Grundlage dieser Annahme wird im folgenden Abschnitt geprüft, ob sich eventuell auch in Hinblick auf die Frauenbilder der verschiedenen Bewegungen Differenzen zeigen. Um diese These zu klären, werde ich zunächst auf die Historik eingehen, bevor ich anhand dieser Erkenntnisse darlege, welche Rolle den Frauen in der jeweiligen Bewegung zugedacht wurde. Die geschichtliche Darstellung gliedert sich in die drei bedeutenden nationalsozialistischen Strömungen ab 1933: der Nationalsozialismus, der Neonazismus und der ,Autonome Nationalismus‘. Zum Ende dieses Kapitels wird ersichtlich sein, ob und inwieweit sich das Rollenbild der rechtsextremen Frau im Laufe der Zeit geändert hat und darauf aufbauend im Kapitel 5, welche gravierenden Unterschiede beziehungsweise Gemeinsamkeiten zum heutigen Bild festzustellen sind.
Die politische Bewegung des Nationalsozialismus, die ihren Ursprung nach dem Ersten Weltkrieg zu verzeichnen hat, beendete im Jahr 1933 mit der Diktatur des ,Dritten Reichs‘ die Weimarer Republik (vgl. Schubert und Klein 2006: 204). Die Nationalsozialisten vertraten extrem nationalistische, antisemitische und rassistische Einstellungen, welche bereits Adolf Hitler in seiner politisch-ideologischen Programmschrift niedergeschrieben hatte (vgl. ebd.: 204). Die Grundlage der Ideologie war eine Etablierung eines autoritären Führerprinzips, welches das ,arische Herrenvolk‘ zu einer ,Volksgemeinschaft‘ vereinen sollte (vgl. ebd.: 204). Das System des Nationalsozialismus verstand sich als Gegner der Demokratie und deren Prinzipien, in dem einzig und allein die deutsche Herrenrasse - die , Arier‘ - sich aller Mittel der Unterdrückung und Vernichtung zu bedienen hatte (vgl. ebd.: 204). Auf Grund des prognostizierten Zerfalls der Volksgemeinschaft, bei dem das Judentum als einziger Schuldiger gesehen wurde (vgl. ebd.: 204), wussten die Nationalsozialisten ihre Frauen für das wichtigste Ziel, dem Erhalt der ,Deutschen Rasse‘, einzusetzen. Der nationalsozialistische Staat war zweifellos ein patriarchalischer Männerstaat (vgl. Hammann 2002: 28). Im Sachverzeichnis von „Mein Kampf“ sucht man das Stichwort Frau vergebens (vgl. Westenrieder 1984: 7). Dies kann als Indiz dafür gelten, dass das Frauenbild in Hitlers Programmschrift einer eingehenden Ausführung offenbar nicht wert war (vgl. ebd.: 9). Nur vereinzelt wird die Rolle der Frau angesprochen (vgl. ebd.: 9). Frauen sollten sich dem Mann unterordnen, nach seinen Befehlen handeln und ihrer natürlichen Rolle als Gebärerin, Hausfrau und Mutter folgend den Nachwuchs erziehen, um so den Inhalt der Ideologie weiterzugeben und das Patriarchat nicht in Gefahr zu bringen (vgl. Hammann 2002: 28; vgl. Tenner 1996: 9). Die überzeugten Nationalsozialistinnen haben auf diese Weise den inneren Zusammenhalt der Bewegung gefördert und so ihren Teil zur Machterhaltung und zum Funktionieren des nationalsozialistischen Systems beigetragen (vgl. Jungk 1995: 224). Hitler selbst wies bei der Rede auf dem Frauenkongress in Nürnberg am 8. September 1934 auf diese stabilisierende Funktion der Frauen hin: „Ich erinnere mich an die Zeit, in der sich so mancher von uns gewandt hat in der Meinung, aus uns könne doch nichts werden, und uns dadurch viele untreu geworden sind: ich weiß, damals sind es unzählige Frauen gewesen, die unerschütterlich treu zur Bewegung und zu mir gehalten haben.“ (Westenrieder 1984: 12). Trotz dieser Erkenntnis waren die Frauen im Nationalsozialismus ihren Männern nicht gleichgestellt und wurden in vieler Hinsicht diskriminiert. Sie fügten sich in einem kaum vorstellbaren Ausmaß der NS-Geschlechterideologie (vgl. Kuhn 1995: 30). Umso mehr stellt man sich die Frage, warum so viele Frauen damals begeisterte Nationalsozialistinnen waren und diese Rollenzuweisung widerspruchslos akzeptierten. Die Frauen erlebten zugleich eine Auf- und Abwertung. Jedoch war für viele die Tatsache eine Arierin zu sein, Kompensation genug für ihre Zurücksetzung als Frau (vgl. Rommelspacher 1995: 22).
Der Begriff Neonazismus - eine Abkürzung für Neo- oder neuer Nationalsozialismus - charakterisiert rechtsextremistische Bestrebungen, Personenzusammenschlüsse und Aktivitäten, die sich inhaltlich auf den historischen Nationalsozialismus beziehen und ein Bekenntnis zur dieser Ideologie enthalten (vgl. Nandlinger 2008). Neonazis streben eine Errichtung eines ethnisch homogenen, diktatorischen Staats nach dem Vorbild des ,Dritten Reichs‘ an (vgl. ebd.; vgl. Bundesministerium des Innern 2011: 56). Aus Sicht der Neonazis sollten Menschen fremder Kulturen und auf Grund der daraus resultierenden Bedrohung des deutschen Volks ausgeschlossen werden. Im Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2011 heißt es dazu: „Ethnische Vielfalt und pluralistische Gesellschaft bedrohen [... ] die Existenz des eigenen Volkes. Der demokratische Rechtsstaat in seiner Gesamtheit wird als „Besatzerregime “ abgelehnt.“ (ebd.: 56). Diese Bezugnahme zum historischen Nationalsozialismus zeigt sich - allerdings in abweichender Ausprägung - im ganzen Spektrum der neonazistischen Szene (vgl. ebd.: 57). Laut Verfassungsschutz drückt sich diese Vielfalt in subkulturellen Kameradschaften über Gruppierungen, die für neue Handlungsweisen offen sind, bis hin zu Aktivisten, welche den Wiederaufbau des ,Dritten Reichs‘ anstreben, aus (vgl. ebd.: 57). Für die Rolle der Frauen in der neonazistischen Szene besagt dies, dass sie in erster Linie eine untergeordnete, dem Vorbild des Nationalsozialismus entsprechende Rolle einnehmen und demnach durch ein reaktionäres Frauenbild geprägt sind (vgl. ebd.: 57). Nach Lehnert bleibt die Frau auch im Neonazismus die „Hüterin der Rasse“ und nimmt innerhalb der Gemeinschaft eine auf die Mutterschaft fixierte Rolle ein (2010: 95).
[...]
[1] Im bundesweiten antifaschistischen Forschungsnetzwerk „Frauen und Rechtsextremismus“ forschen und recherchieren Expertinnen bezüglich geschlechtsspezifischer Aspekte des Rechtsextremismus. Das Netzwerk publiziert regelmäßig seine Ergebnisse. (vgl. Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus)
[2] vgl. Kapitel 3
[3] Prof. Dr. Elmar Brähler (Leipzig), Dr. Michael Edinger (Jena), Prof. Dr. Jürgen Falter (Mainz), Dr. Andreas Hallermann (Jena), Dipl. Pol. Joachim Kreis (Berlin), Prof. Dr. Oskar Niedermayer (Berlin), Prof. Dr. Karl Schmitt (Jena), PD Dr. Siegried Schumann (Mainz), Prof. Dr. Richard Stöss (Berlin), Prof. Dr. Bettina Westle (Erlangen), Dr. Jürgen Winkler (Mainz) (vgl. Stöss 2010: 57)
[4] Diese Dimension beinhaltet eine politische Einstellung, die diktatorische Regierungen und deren rechtsextremen Charakter befürwortet (vgl. Stöss 2010: 58).
[5] Unter Chauvinismus - auch bekannt als Nationalismus - wird eine übersteigerte Vaterlandsliebe, eine Überhöhung der eigenen Nation verstanden, welche mit einer Abwertung anderen Nationen einhergeht (vgl. Hillmann 2007: 122).
[6] Ethnozentrismus beinhaltet aggressiv-ablehnende Einstellungen und Handlungsweisen des eigenen sozialen Kollektivs gegenüber Menschen aus anderen Gruppen, Völkern und Kulturen (vgl. Hillmann 2007: 245).
[7] Antisemitismus, auch ,Judenfeindschaft‘ genannt, bezeichnet die ablehnende Haltung gegenüber dem Judentum, mit der eine Diffamierung und Vernichtung dieser angestrebt wird (vgl. ebd.: 33).
[8] 10f.)
[9] Unter der Dimension der Verharmlosung des Nationalsozialismus fallen revisionistische und leugnende Aussagen in Bezug auf den NS-Staat. Dieses Verhalten wird auch als Geschichtsrevisionismus bezeichnet. (vgl. Stöss 2010: 217)
[10] vgl. Kapitel 2
[11] vgl. Kapitel 2