Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf schulischen Selbstevaluationsprozessen. Diese gewannen in der Vergangenheit vor allem an Bedeutung, da es an der Akzeptanz externer Evaluation häufig mangelt – sie wird als Störung, als Eingriff in die eigene berufliche Sphäre empfunden. Selbstevaluationen hingegen bieten den Schulen, vor allem gefühlt, mehr Eigenständigkeit und Freiheit. Doch trotzdem Evaluationen und insbesondere auch Selbstevaluationen von den Schulen eingefordert werden, besteht immer noch eine starke Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Eine Ursache dafür wird vor allem in der mitunter sehr verbreiteten Skepsis gegenüber Evaluationen gesehen – sie sind für Lehrkräfte und auch Schulleitungen nicht selten ein angstbesetzter Bereich, der gedanklich in erster Linie mit zusätzlichen Kosten, hohem Aufwand und einem deutlichen Mehr an Stress im ohnehin stressigen Alltag des Schulpersonals verbunden wird. Das Selbstevaluation aber nicht notwendigerweise sehr komplex und aufwendig sein muss und zudem einen nicht zu unterschätzenden Gewinn für die Einzelschule bedeuten kann, soll die vorliegende Arbeit verdeutlichen. Ziel ist es, den Mehrwert selbstevaluativer Verfahren für die Schulen hervorzuheben sowie einfache, praktische und effektive Methoden zur Selbstevaluation aufzeigen. Zu diesem Zweck erfolgt in Kapitel 2 zunächst eine klare Bestimmung des Begriffs „Selbstevaluation“, um darauf aufbauend die Funktionen und Potenziale eben jener im Schulalltag darzustellen. Im Anschluss daran werden die Voraussetzungen für schulische Selbstevaluationsprozesse beleuchtet und in diesem Zusammenhang einige Kriterien für den Erfolg eines solchen Verfahrens aufgestellt. Kapitel 3 befasst sich dann stärker mit der praktischen Umsetzung im Schulalltag und beinhaltet eine Beschreibung einfacher Zugänge und Wege zu schulischer Selbstevaluation sowie die konkrete Darstellung eines ausgewählten Beispiels, dem ISQ-Evaluationsportal. Abgerundet wird die vorliegende Arbeit in Kapitel 4 durch eine differenzierte Betrachtung der Probleme und möglicher Fehlerquellen im Zusammenhang mit schulischer Selbstevaluation.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Kern schulischer Selbstevaluation
2.1. Begriffsklärungen
2.2. Die Bedeutung von Selbstevaluation im Schulkontext
2.3. Voraussetzungen und Erfolgskriterien
3. Umsetzung schulischer Selbstevaluation
3.1. „Keep it small and simple“
3.2. Das ISQ-Selbstevaluationsportal
3.2.1. Inhalte und Aufbau des SEP
3.2.2. Potenziale und Wirkungen
4. Probleme und Fehlerquellen schulischer Selbstevaluation
5. Schlussfolgerungen
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Die Ergebnisse nationaler und internationaler Schulleistungsvergleiche haben in Deutschland eine umfassende Diskussion ausgelöst. Insbesondere seit der ersten PISA-Studie 2000 wird die Qualität des deutschen Schulsystems zunehmend in Frage gestellt. Als Reaktion auf den „PISA-Schock“ wurde neben der Einführung von bundesweiten Bildungsstandards und zentralen Vergleichsarbeiten auch die Selbststeuerung der Schulen gestärkt. In diesem Zusammenhang wurden den Einzelschulen insbesondere in den Bereichen Profilentwicklung, Schulprogramm sowie Curriculum- und Personalentwicklung neue Gestaltungsspielräume eingeräumt (vgl. Thiel & Thillmann 2012, S. 35).
Diese erhöhte Eigenständigkeit erlegt den Schulen jedoch auch eine stärkere Qualitätsverantwortung auf – sie sind ganz zentral für die eigene Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung verantwortlich. Um die Qualität und die Funktionalität der eigenen Arbeit zu untersuchen und zu verbessern, sind jedoch auch entsprechende Überprüfungen notwendig. So ist es nicht verwunderlich, dass im Zusammenhang mit dem neuen Steuerungskonzept auch Verfahren schulischer Evaluation zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Was aber bedeutet Evaluation konkret? Schröder und Kohle zufolge ist „Evaluation […] die systematische Untersuchung des Nutzens oder Wertes eines Gegenstands.“ (Schröder & Kohle 2008, S. 15; Auslassung: F.L.). In Fall schulischer Evaluation kann der Gegenstand dabei ganz unterschiedlich beschrieben werden. So können sowohl die gesamte schulische Bildungsarbeit als auch einzelne Unterrichtssequenzen einer bestimmten Lehrkraft Gegenstand der Überprüfung sein. Zudem ist es möglich, dass Evaluationsprozesse von externen Akteuren (Fremd- oder externe Evaluation) oder von der Einzelschule selbst (Selbst- oder interne Evaluation) initiiert und durchgeführt werden.
Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt ausschließlich auf schulischen Selbstevaluationsprozessen. Diese gewannen in der Vergangenheit vor allem an Bedeutung, da es an der Akzeptanz externer Evaluation häufig mangelt – sie wird als Störung, als Eingriff in die eigene berufliche Sphäre empfunden (vgl. Klawe 2008, S. 108). Selbstevaluationen hingegen bieten den Schulen, vor allem gefühlt, mehr Eigenständigkeit und Freiheit. Doch trotzdem Evaluationen und insbesondere auch Selbstevaluationen von den Schulen eingefordert werden, besteht immer noch eine starke Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Eine Ursache dafür wird vor allem in der mitunter sehr verbreiteten Skepsis gegenüber Evaluationen gesehen – sie sind für Lehrkräfte und auch Schulleitungen nicht selten ein angstbesetzter Bereich, der gedanklich in erster Linie mit zusätzlichen Kosten, hohem Aufwand und einem deutlichen Mehr an Stress im ohnehin stressigen Alltag des Schulpersonals verbunden wird. Das Selbstevaluation aber nicht notwendigerweise sehr komplex und aufwendig sein muss und zudem einen nicht zu unterschätzenden Gewinn für die Einzelschule bedeuten kann, soll die vorliegende Arbeit verdeutlichen. Ziel ist es, den Mehrwert selbstevaluativer Verfahren für die Schulen hervorzuheben sowie einfache, praktische und effektive Methoden zur Selbstevaluation aufzeigen. Zu diesem Zweck erfolgt in Kapitel 2 zunächst eine klare Bestimmung des Begriffs „Selbstevaluation“, um darauf aufbauend die Funktionen und Potenziale eben jener im Schulalltag darzustellen. Im Anschluss daran werden die Voraussetzungen für schulische Selbstevaluationsprozesse beleuchtet und in diesem Zusammenhang einige Kriterien für den Erfolg eines solchen Verfahrens aufgestellt. Kapitel 3 befasst sich dann stärker mit der praktischen Umsetzung im Schulalltag und beinhaltet eine Beschreibung einfacher Zugänge und Wege zu schulischer Selbstevaluation sowie die konkrete Darstellung eines ausgewählten Beispiels, dem ISQ-Evaluationsportal. Abgerundet wird die vorliegende Arbeit in Kapitel 4 durch eine differenzierte Betrachtung der Probleme und möglicher Fehlerquellen im Zusammenhang mit schulischer Selbstevaluation.
2. Der Kern schulischer Selbstevaluation
2.1. Begriffsklärungen
Der Begriff der Selbstevaluation ist mitunter fast ebenso schwer zu fassen und zu konkretisieren wie der der Evaluation selbst. In Folge dessen finden sich in der Literatur unterschiedliche Definitionen und Verständnisse von Selbstevaluation, die sich innerhalb eines Spektrums zwischen reiner Selbstreflexion und systematisch-strukturierter Evaluation verorten. Zudem wird der Begriff „(Selbst-)Evaluation“ nicht nur im schulischen Kontext verwendet. Vielmehr werden (Selbst-)Evaluationsverfahren mit dem Ziel systematischer Bewertung und Prozessoptimierung in diversen Bereichen der Gesellschaft eingesetzt und strukturiertes Qualitätsmanagement bildet in vielen Unternehmen einen gängigen Standard (Schröder & Kohle 2008, S. 13). Eine entsprechende Präzisierung des Verständnisses von Selbstevaluation ist also unbedingt erforderlich.
Da der Fokus dieser Arbeit in erster Linie auf vergleichsweise einfach durchzuführenden und weniger aufwendigen selbstevaluativen Verfahren liegt, scheint die Verwendung folgender Definition von Westermann angemessen: Er versteht unter schulischer Selbstevaluation einen Prozess, in dem „die Untersuchungen und Bewertungen des Evaluationsgegenstandes von Personen vorgenommen werden, die an der Gestaltung des Gegenstands selbst beteiligt sind“ (Westermann 2002, S. 11). Im Gegensatz zu Fremdevaluationsverfahren obliegt die Durchführung somit nicht externen Personen und Institutionen, sondern der Einzelschule selbst. Sie gibt nicht nur den Impuls zur Evaluation ihrer eigenen Arbeit, sondern ist darüber hinaus für die Definition der Ziele, die Anwendung der einzelnen Verfahren sowie die Ergebnisinterpretation und das Ableiten von Handlungskonsequenzen verantwortlich (vgl. Berkemeyer & Müller 2010, S. 197).
Die einzelnen Ausprägungsformen von Selbstevaluation können dennoch variieren. Vielfach kommen auch Mischformen von Fremd- und Selbstevaluation zum Einsatz mit dem Ziel, in der Ergänzung beider Verfahren ein besonders valides und umfassendes Bild zu erhalten. Gemein haben dabei alle Modelle der Selbstevaluation, dass sie im Gegensatz zu externen Verfahren durch mehr Offenheit, Klarheit und Bewusstheit in der Auseinandersetzung mit der schulischen Realität gekennzeichnet sind (vgl. Hornsteiner 2004, S. 190).
2.2. Die Bedeutung von Selbstevaluation im Schulkontext
Folgt man dem in Kapitel 2.1. dargelegten Verständnis von Selbstevaluation, übernimmt sie eine Reihe an Funktionen innerhalb von Schulentwicklungsprozessen (vgl. Abb. 1). Die konkreten Ziele und Gründe für die Initiierung können dabei inhaltlich völlig unterschiedlich sein (vgl. Westermann 2002, S. 13).
In erster Linie wird Selbstevaluation auf Initiative der jeweiligen Schule eingesetzt, da diese ein umfassendes Bild ihrer eigenen Arbeit erhalten und gleichzeitig feststellen will, welche Aufgaben sie bereits erfolgreich erfüllt und in welchen Bereichen Verbesserungsbedarf besteht. Selbstevaluation ist also ein entscheidendes Instrument zur Steuerung der Schulentwicklung und gleichzeitig eine zentrale Hilfe für die Selbstreflexion der Lehrkräfte und des gesamten Personals (vgl. Rolff et al. 1999, S. 218).
Ergänzt werden Steuerungs- und Reflexionsfunktion durch eine Rechenschafts- und Legitimationsfunktion (vgl. Rolff et al. 1999, S. 218). Evaluation ermöglicht es der Schule, sich selbst und anderen gegenüber Rechenschaft über die eigenen Leistungen und Maßnahmen abzulegen. Positive Evaluationsergebnisse dienen als entscheidende Legitimationsgrundlage und verdeutlichen der außerschulischen Öffentlichkeit die Daseinsberechtigung der jeweiligen Einzelschule als Instanz der Bildung.
Letztendlich hat schulische Selbstevaluation zudem immer auch eine Beteiligungsfunktion inne (vgl. Rolff et. al 1999, S. 218). So sind nicht nur Lehrkräfte und Schulleitung, sondern auch zahlreiche weitere Akteure sowohl Ziel als auch wichtige Beteiligte des Verfahrens. Selbstevaluation beteiligt Schüler, Eltern und weitere Personengruppen (z.B. Reinigungspersonal, Cafeterienpersonal), bildet ein Podium für deren Meinungen, Kritik und Ideen und führt so zu Perspektivenvielfalt.
Abgesehen von diesen vier zentralen Funktionen vermag schulische Selbstevaluation jedoch noch eine Reihe anderer Aufgaben zu erfüllen, die nicht zwingend auf jeden Evaluationsprozess zutreffen, im Falle ihres Auftretens jedoch einen zentralen Zugewinn für die jeweilige Einzelschule bedeuten. Vordergründig geht es bei Evaluationen um den Ausbau von Stärken und das Erkennen von Schwachstellen und Entwicklungsmöglichkeiten. Damit leisten diese jedoch zudem einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Wahrnehmung der eigenen Arbeit und der Selbstwirksamkeit bei den Akteuren. Das Erkennen eigener Stärken und Verbesserungsbereiche impliziert auch das Bewusstsein über Potenziale und Grenzen. Diese Selbstvergewisserung der Alltagsarbeit kann ein sichereres Auftreten zur Folge haben, welches vor Überforderung schützt und zu mehr Selbstbewusstsein führt (vgl. Hornsteiner et al. 2004, S. 269f.). Damit im Zusammenhang steht auch die Ausbildung einer individuellen Identität der Einzelschule, die im Zuge stärker werdender Konkurrenz zwischen den Schulen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Selbstevaluation kann bei der Ausbildung dieser Identität helfen, indem es die bestehenden impliziten und expliziten Selbstbeschreibungen stützt oder schwächt und somit zu einer verbesserten Wahrnehmung und auch zum Stolz auf die eigene Schule führt (vgl. Emmerich 2010, S. 188; Hornsteiner et al. 2004, S. 270).
Des Weiteren haben Selbstevaluationsprozesse eine wichtige verständigungsorientierte Komponente inne. Sie können dazu beitragen, die Kommunikation und den Dialog zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen im Schulalltag zu fördern, indem sie den Akteuren eine gemeinsame, reflexive Wissensgrundlage bereitstellen (vgl. Schröder & Kohle 2008, S. 19f.). Auf Basis transparenter Evaluationsergebnisse ist dann eine vertiefte Verständigung zwischen den einzelnen Beteiligten möglich und eine zielführende Kooperation erleichtert. So beschrieb beispielsweise ein Großteil der Schulen, die an einem EU-Pilotprojekt zur Selbstevaluation teilnahmen, eine Verbesserung der Kommunikation und der Zusammenarbeit innerhalb des Kollegiums sowie eine Verstärkung der Bindung zwischen den Bezugsgruppen der Schule als spürbare Folgen des Projekts (vgl. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung NRW & Thüringer Kultusministerium 1999, S. 103).
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