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Hausarbeit, 2013
15 Seiten, Note: 1,3
1. Qualitative Sozialforschung
2. Das Experteninterview
2.1 Die Rolle des Interviewpartners als Experte
2.2 Das Expertenwissen und Forschungsinteresse
2.3 Das Expertengespräch als Leitfadeninterview
2.4 Das Konstruieren von relevanten Fragen
2.5 Die Vorbereitung des Interviews
2.6 Die Durchführung des Experteninterviews
3. Die Qualitative Inhaltsanalyse
4. Eine Beispielstudie
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
6.1 Gliederung der verfassten Gruppenarbeit von Kurscheid, Johanna und Ulavachathil, Bianca
6.2 Relevante Seiten der Beispielstudie
Im folgenden werden wir beschreiben, was qualitative Sozialforschung und ihre Kennzeichen sowie ihre Grundprinzipien sind, gefolgt von einer Darstellung des Experten- oder Leitfadeninterviews und der qualitativen Inhaltsanalyse. Abschließend stellen wir die Studie „Wege aus der Jugendkriminalität - Eine qualitative Studie zu Hintergründen und Bedingungen einer erfolgreichen Reintegration von mehrfachauffälligen Jungtätern“ von Wolfgang Stelly und Jürgen Thomas dar.
In den angewandten Fächern wie Soziale Arbeit, Pflegewissenschaften oder Pädagogik der Kindheit und Familienbildung findet die qualitative Forschung immer mehr Beachtung. Mit Hilfe der qualitativen Forschung versucht man Lebenswelten aus Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben, um ein besseres Verständnis für soziale Wirklichkeit, Deutungsmuster und Strukturmerkmale zu erlangen (vgl. Flick/ von Kardorff 2012, S. 14). Qualitative Sozialforschung möchte die Ursachen und den Sinn von sozialem Handeln ergründen. Mit sozialer Wirklichkeit sind soziales Handeln durch Individuen und Institutionen gemeint, die erst dadurch soziale Wirklichkeit schaffen. Sie stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Das Ergebnis dieser Beziehung aus andauernden sozialen Konstruktionsprozesse sind Formen und Inhalte alltäglicher Handlungsabläufe, die über die Rekonstruktion der subjektiven Sichtweisen und Deutungsmuster der sozialen Akteure entscheiden (vgl. ebd. S. 20).
Der Gewinn aus der qualitativen Forschung ist vielseitig. Sowohl theoretisch als auch praktisch werden z.B. Erkenntnisse über Motive, Werthaltung und Lebensgefühl sowie über soziale Organisationen, Freundschaftsbeziehungen und Loyalität einer Kultur gewonnen oder allgemeine Strukturmerkmale einer geschlossenen Institution erschlossen (vgl. ebd. S. 14). Um die Sichtweisen und Perspektiven einer Person und die soziale Konstruktion ihrer Welt zu erfassen, kann qualitative Forschung ein eindeutiges anschauliches Bild und somit auch eine dichter Beschreibung liefern (vgl. ebd. S. 17). Um bei der qualitativen Forschung Handlungsweisen zu entwickeln gilt es bestimmte Richtlinien und Grundsätze zu beachten. Handlungsweisen, die für einen qualitativen Forschungsprozess entwickelt werden, basieren auf der Erfassung des Menschen (Subjekts) in seiner Ganzheit, seinen Funktions- und Lebensweisen so wie auf den historischen Zusammenhängen, in denen er lebt (vgl. Mayring 2002, S. 22ff.). Konkrete praktische Problemstellungen im Gegenstandsbereich sollten stets Praxisorientiert sein (vgl. ebd. S. 25). Grundsätzlich sollte man sich nicht zu sehr vom Ausgangsmaterial entfernen, auch wenn man allgemeine Aussagen formuliert (vgl. ebd. S. 25).
Um eine umfassende genaue Deskription des Untersuchtem zu ermöglichen muss der Forschungsprozess dem Untersuchungsgegenstand gegenüber so offen bleiben, dass theoretische und methodische Aspekte modifizierbar und revidierbar sind, falls sich im Prozess Unerwartetes ergibt (vgl. ebd. S. 28). Somit verlangt die qualitative Sozialforschung, die hypothesengenerierend ist, zu Beginn eines Forschungsprozesses keine Hypothese sondern die Schaffung einer präzisen jedoch offen formulierten anpassungsfähigen Forschungsfrage, die im Laufe des Prozesses zu einer Hypothese weiterentwickelt wird. Zudem wird eine grundsätzliche Offenheit gegenüber der Erhebungssituation verlangt, die es der Untersuchungsperson ermöglicht, ihre relevanten Inhalte zu äußern. Je offener das Vorgehen ist, desto genauer muss der Forschungsprozess schrittweise beschrieben werden (vgl. ebd. S. 29).
Von Menschen Hervorgebrachtes ist immer mit subjektiven Intentionen verbunden, weshalb die dadurch entstehenden verschiedenen Bedeutungen, die dem Hervorgebrachtem zugeschrieben werden durch Interpretation ermittelt werden (vgl. ebd. S. 22). Die Interpreten und Analytiker sind nicht vorurteilsfrei, daher sind ihre Interpretationen durch ihr Vorverständnis beeinflusst (vgl. ebd. S. 29).Somit ist es wichtig für die qualitative Sozialforschung jenes Vorverständnis offen zu legen und sukzessiv am Gegenstand weiter zu entwickeln (vgl. ebd. S. 30). Die interpretative Erschließung des Gegenstandes und die Analyse des eigenen Denkens, Fühlens und Handels ist für die Forschung eine Informationsquelle, die als solches erkenntlich und begründet werden muss (vgl. ebd. S. 31).
Kommunikation hat in der qualitativen Forschung einen zentralen Stellenwert. Sie vollzieht sich im Dialog und wird als Interaktionsprozess gehandhabt, in dem sich die Beteiligten stetig verändern (vgl. ebd. S. 32). Nur durch Kommunikation zwischen Subjekt und Forscher lassen sich Daten gewinnen. die Kommunikation sollte möglichst realitätsnah sein, indem sie sich den alltäglichen Situationen annähert. Die Re - Konstruktion der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit ist nötig um die Realität der Personen, die ihr eigenes und fremdes Handeln im Alltag interpretieren und so soziale Wirklichkeit konstruieren, zu verstehen.
In der qualitativen Forschung gibt es drei unterschiedliche Forschungsansätze. Um Zugang zu subjektiven Sichtweisen zu erlangen, z.B. für die Biographieforschung oder für die Analyse von Alltagswissen, verwendet man in der qualitativen Forschung Leitfaden - und Narrative Interviews, die durch Codierung und qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet werden können (Symbolischer Interaktionismus/ Phänomenologie) (vgl. Flick/ von Kardorff, 2012 S.19). Mithilfe von z.B. Gruppendiskussionen und teilnehmender Beobachtung werden Prozesse der Herstellung sozialer Situationen beschrieben, die dank der Konversations-, Diskurs- und Gattungsanalyse ermittelt werden können (Ethnomethodologie) ( ebd. S.19). Eine weitere Methode der Datenerhebung ist die Aufzeichnungen von Interaktionen, die als Gegenstand für hermeneutische Wissenssoziologie zur Familien- oder Genderforschung herangezogen werden können ( Psychoanalyse genetischer Strukturalismus) ( ebd. S.19).
Auf den nachfolgenden Seiten möchten wir das Experteninterview als eine Erhebungsmethode in der qualitativen Sozialforschung darstellen. Dafür knüpfen wir im Verlauf an das offene Leitfadeninterview als Orientierungshilfe an. Im Zusammenhang dazu stellen wir die qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode dar, die sich an das Verfahren des Experteninterviews anlehnen lässt. Hierbei soll aufgezeigt werden, wie aus Interviews erhobene Daten ausgewertet werden können.
Das Experteninterview ist in der empirischen Sozialforschung eine häufig eingesetzte Methode, um sich einen sozialen Sachverhalt - ein bestimmtes Forschungsthema - zu erschließen. Es handelt es sich um eine Befragung sogenannter Experten zu einem bestimmten Thema, „in denen soziale Situationen oder Prozesse rekonstruiert werden sollen“ (Gläser/Laudel 2009, S.13). Ein Experteninterview ist „ein Interview mit einer Person, die mit Hinblick auf ihren Status als Experte oder Expertin befragt wird, also als Person, die über spezialisiertes Wissen und dadurch im Allgemeinen auch über (meist: institutionell geregelte) Entscheidungskompetenzen verfügt.“ (W. Ludwig - Mayerhofer 2004: „IL- MES-Internet-Lexikon der Methoden der empirischen Sozialforschung“, unter: http://wlm.userweb.mwn.de/ilm_e22.htm (Zugriff am 14.07.2013).
Um an dieser Stelle genauer zu klären, was einen Experten kennzeichnet, nutzen wir eine Definition nach BOGNER, u.a, in der Experten als Personen beschrieben werden: "[...] die sich - ausgehend von spezifischem Praxis- oder Erfahrungswissen, das sich auf einen klar begrenzbaren Problemkreis bezieht- die Möglichkeit geschaffen haben, mit ihren Deutungen das konkrete Handlungsfeld sinnhaft und handlungsleitend zu strukturieren" (Bogner et al. 2005, S.45).
PRZYBORSKI spricht davon, dass „[...] man nicht an sich, sondern im Hinblick auf ein bestimmtes Wissensgebiet“ als Experte gilt (vgl. Przyborski/ Wohlrab-Sahr 2010, S.131). Der Interviewpartner ist als Experte nicht in seiner Person von Bedeutung, sondern das Wissen dessen als Gegenstand der Analyse. Er wird also als Repräsentant einer ganz bestimmten Gruppe in die Untersuchung mit einbezogen.
Ein Experte zeichnet sich durch sein spezifisches Wissen aus, welches sich in drei verschiedene Formen klassifizieren lässt: Das Betriebswissen umfasst Abläufe, Regeln und Mechanismen in institutionalisierten Zusammenhängen (z.B. soziales Verhalten und Handeln von Gruppen und Gemeinschaften, unausgesprochene Regeln), deren Repräsentanten die Experten sind (vgl. Przyborski/ Wohlrab-Sahr 2010, S.134). Die Auslegung der Fakten durch diese Experten, denen die Fähigkeit zu Interpretation der Fakten zugesprochen wird (Deutungsmacht), bezeichnet man als Deutungswissen. Eine eigene Art des Expertenwissens stellt nach MEUSER und NAGEL (2005) das Kontextwissen dar (vgl. Przyborski/ Wohlrab-Sahr 2010, S. 133). Der Experte hat seine Erfahrungen nicht in der Sache selbst erworben sondern bezieht seine Erfahrungen aus einem andern Kontext, in der Erwartung sein in diesem Kontext erworbenes Wissen in der aktuellen Fragestellung anwenden zu können.
Um einen geeigneten Interviewpartner zu finden, sollte sich im Hinblick auf das zu rekonstruierende Forschungsinteresse das spezifische Wissen der Experten angeschaut werden, durch das er sich im Besonderen auszeichnet. Daran schließt die Auswahl passender Informanten an, sodass eine Abdeckung aller Informationen gewährleistet und ein Leitfadeninterview entwickelt werden kann (vgl. Gläser/Laudel 2009, S.118).
In der Sozialforschung werden zwei Interviewformen unterschieden: Während das standardisierte Interview kennzeichnend für eine quantitative Erhebungsmethode ist, spielt in der qualitativen Sozialforschung das altersstandardisierte Interview eine Rolle. Hier sind Fragewortlaut und -reihenfolge sowie die Antwortmöglichkeiten der Interviewpartner nicht vorgegeben - lediglich Thema/Themen sind vorgegeben (vgl. ebd. S.41).
Jedoch können auch nicht standardisierte Interviews bestimmte Vorgaben für den Interviewer aufzeigen, die sich in den verschiedenen Formen begründen lassen (vgl. ebd. S.41f). Neben dem offenen Interview, das stärker einem natürlichen Gespräch gleicht und dabei den Interviewpartner mit frei formulierten Fragen zum vorgegebenen Thema interviewt, sowie dem narrativen Interview, welches durch eine weitreichende Frage eingeleitet wird und den Interviewpartner zu einer längeren Erzählung anleiten soll, werden Experteninterviews oftmals als Leitfadeninterviews angelegt. Bei dieser Form des Interviews wird auch von einem „teilstandardisierten Interview“ gesprochen (vgl. ebd. S.41). Das Leitfadeninterview dient dem Interviewer mit einer offenen Frageliste zur Gesprächsgrundlage. Mit ihm möchte der Interviewer ein themenorientiertes Gespräch in Gang bringen, bei- dem die Fragen lediglich als Orientierungshilfe und Gedächtnisstütze dienen, sie keine Antworten vorgeben, sondern das Einschieben und Aufgreifen von interessanten Fragen während des Interviews ermöglicht. Genau diese Gesichtspunkte der Offenheit geben dem Leitfadeninterview seinen qualitativen Charakter. Für die Rekonstruktion von sozialen Sachverhalten kann durch die Fragen des Leitfadens sichergestellt werden, dass alle relevanten Informationen erhoben und keine wichtigen Aspekte verloren gehen (vgl. Gläser/Laudel 2009, S.116). Somit ist ein leitfadengestütztes Interview im Hinblick auf ein Expertengespräch durchaus von großem Nutzen.
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