Eine Möglichkeit der Auslegung der Sattgleichnisse in Mk 4 ist es herauszustellen, wie Markus als erster Evangelist anhand seiner Komposition der Saatgleichnisse die Gottesherrschaft plausibilisiert. Die Leitfrage für diese Arbeit ist demnach die Frage danach, inwiefern er das Bildfeld der Gleichnisse in Mk 4 kohärent und dynamisch dargestellt. Dazu sollen die Saatgleichnisse historisch und traditionsgeschichtlich auf zwei Ebenen betrachtet werden: Zum einen und besonders wichtig ist die Metaebene: Wie lässt Markus Jesus zu den Jüngern sprechen? Seine Komposition der Bildabfolge von Sämann zu Saat zu Ernte hat eine deutliche Signifikanz für die Basileia-Thematik in den Gleichnistexten. Es gilt demnach darzustellen, in welcher Weise Markus diese auf allegorischer und intertextueller Ebene zum Alten Testament aufbereitet um die Gottesherrschaft für seine Zeitgenossen erfahrbar zu machen.
Zum anderen spielt hinsichtlich der zentralen Themenstellung eine Auslegung auf Gleichnistextebene eine wesentliche Rolle. Hier wird die Verkündung der Gottesherrschaft im Wort Jesu an die Menschen herausgestellt, die Markus als Prophetie seiner gegenwärtigen Erfahrungen begreift. Besonders deutlich wird Jesu Verkündung in den einzelnen Gleichnissen in den Methoden der Misserfolgsthematik im Sämannsgleichnis, der Perspektivierung (Bezug auf die Gegner Jesu) und des Kontrasts.
Auf dieser Ebene ist es erforderlich, die „Bild- und Sachhälfte“ in den Gleichnissen aufzugeben, das heißt an einer „Verschränkung von Inhalt und Form“ festzuhalten. Wenn Jesus Gleichnisse erzählt, tritt er demnach als Lehrer auf. In dieser Rolle genießt Jesus die Freiheit des Erzählers, denn er hat in seinen Gleichnissen die Möglichkeit, die Welt entsprechend bestimmter Personengruppen und Situationen darzustellen sowie in angemessener Weise von Gott zu reden . Wie ist also auf kerygmatisch-didaktischer Ebene der wahre Sinn der Gleichnisse hinsichtlich der Offenbarung „des Geheimnisses der Gottesherrschaft“ (Mk 4,11) erfassbar?
Es soll also im ersten Teil dieser Arbeit hauptsächlich um Markus' Komposition der Saatgleichnisse gehen, die sich besonders sozial- und traditionsgeschichtlich begründen lässt, während im zweiten Teil verdeutlicht wird, dass für das Verständnis der Basileia-Thematik die Person Jesu notwendig auch als Gleichniserzähler fungieren muss.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kontext und Aufbau der Saatgleichnisse im Markusevangelium..
3. Sämann – Saat – Ernte: Verbindende Bildelemente in der markinischen Konzeption einer literarischen Einheit
3.1 Der sozialgeschichtliche Hintergrund der Markusgemeinde
3.2 Die Bildfeldtradition in den Saatgleichnissen
3.2.1 Die Theozentrik der Saatmetaphorik
3.2.2 Die Bildfeld-Komposition.
3.2.2.1 Die Basileia: Das Verhältnis von Sämann und Samen
3.2.2.2 Die Basileia: Das Verhältnis von Samen und Boden
4. Die Verkündigung der Gottesherrschaft durch Jesus
4.1 Die „Verschränkung von Form und Inhalt“ der Gleichnisse
4.2 Die kerygmatisch-didaktische Kraft der Saatgleichnisse
4.3 Jesus als Verkünder der Basileia
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ Und in vielen solcher Gleichnisse sagte er ihnen das Wort, so wie sie ihn verstehen konnten “ heißt es in Mk 4,33. Der Evangelist Markus stellt mit dieser Aussage dar, dass die Saatgleichnisse, auf die er sich hier bezieht, seiner Meinung nach wesentlich und paradigmatisch für die öffentliche Gleichnisverkündung Jesu sind. Entgegen der Ansicht Jülichers, Gleichnisse seien klar verständlich[1], erklärt Zimmermann im Vorwort seines Sammelbandes: „Gleichnisse sind Rätseltexte. Sie sind vielfach nicht sofort verständlich und klar.“[2] So kommt es auch, dass die Jünger Jesus in Mk 4,10 „nach dem Sinn seiner Gleichnisse“ fragen, da sie die „klärende Deutung“ durch Jesus benötigen.[3] Die Bedeutung der Gleichnisse werde, so Zimmermann, vor allem beim wiederholten Lesen und im Austausch mit anderen Lesern immer wieder neu in Frage gestellt. „Aber gerade so setzen sie einen Prozess der Deutung und des Verstehens in Gang […], sie regen zum Dialog über die richtige und relevante Auslegung an.“[4]
Eine Möglichkeit der Auslegung ist es herauszustellen, wie Markus als erster Evangelist anhand seiner Komposition der Saatgleichnisse die Gottesherrschaft plausibilisiert. Die Leitfrage für diese Arbeit ist demnach die Frage danach, inwiefern er das Bildfeld der Gleichnisse in Mk 4 kohärent und dynamisch dargestellt. Dazu sollen die Saatgleichnisse historisch und traditions-geschichtlich auf zwei Ebenen betrachtet werden: Zum einen und besonders wichtig ist die Metaebene: Wie lässt Markus Jesus zu den Jüngern sprechen? Seine Komposition der Bildabfolge von Sämann zu Saat zu Ernte hat eine deutliche Signifikanz für die Basileia-Thematik in den Gleichnistexten. Es gilt demnach darzustellen, in welcher Weise Markus diese auf allegorischer und intertextueller Ebene zum Alten Testament aufbereitet um die Gottesherrschaft für seine Zeitgenossen erfahrbar zu machen.
Zum anderen spielt hinsichtlich der zentralen Themenstellung eine Auslegung auf Gleichnistextebene eine wesentliche Rolle. Hier wird die Verkündung der Gottesherrschaft im Wort Jesu an die Menschen herausgestellt, die Markus als Prophetie seiner gegenwärtigen Erfahrungen begreift.[5] Besonders deutlich wird Jesu Verkündung in den einzelnen Gleichnissen in den Methoden der Misserfolgsthematik im Sämannsgleichnis, der Perspektivierung (Bezug auf die Gegner Jesu) und des Kontrasts.
Auf dieser Ebene ist es erforderlich, die „Bild- und Sachhälfte“ in den Gleichnissen aufzugeben[6], das heißt an einer „Verschränkung von Inhalt und Form“ festzuhalten[7]. Erlemann erwähnt in diesem Zusammenhang eine didaktisch-pragmatische bzw. eine didaktisch-argumentative Ausrichtung der Gleichnisse, da eben diese beiden Elemente (Inhalt und Form) als „primäre didaktische Institutionen“[8] gelten. Wenn Jesus Gleichnisse erzählt, tritt er demnach als Lehrer auf. In dieser Rolle genießt Jesus die Freiheit des Erzählers, denn er hat in seinen Gleichnissen die Möglichkeit, die Welt entsprechend bestimmter Personengruppen und Situationen darzustellen sowie in angemessener Weise von Gott zu reden[9]. Wie ist also auf kerygmatisch-didaktischer Ebene der wahre Sinn der Gleichnisse hinsichtlich der Offenbarung „des Geheimnisses der Gottesherrschaft“ (Mk 4,11) erfassbar?
Fokussiert man sich also auf die Ebene der (markinischen) Darstellung der Saatgleichnisse und damit ihrer allegorischen Auslegung, wird deutlich, dass Ausführungen zur literarkritischen Entstehung oder zur Textgenese für die Beantwortung der Fragestellung nicht zwangsläufig notwendig sind und daher, auch aus Umfangsgründen, nicht weiter ausgelegt werden. Auch ein synoptischer Vergleich wird kein Gegenstand dieser Arbeit sein. Wichtig ist für diese Ausarbeitung allerdings eine genaue Trennung in der Interpretation der beiden genannten Ebenen. Es soll also im ersten Teil hauptsächlich um Markus‘ Komposition der Saatgleichnisse gehen, die sich besonders sozial- und traditionsgeschichtlich begründen lässt, während im zweiten Teil verdeutlicht werden soll, dass für das Verständnis der Basileia-Thematik die Person Jesu notwendig auch als Gleichniserzähler fungieren muss.
2. Kontext und Aufbau der Saatgleichnisse im Markusevangelium
Die Evangelien erzählen die wahre Geschichte Jesu aus ihrer Sicht, sie sind „Erzählungen voller Erinnerungen“, die realem Geschehen „- nach ihrem eigenen Urteil – das Gewicht geben, das ihm durch die Nähe der Gottesherrschaft und die Auferweckung von den Toten zukommt.“[10] Markus bezieht sich in seinem Evangelium besonders auf die Geschichte „des Wirkens, Leidens und Sterbens Jesu im Lichte seiner Auferstehung von den Toten“, er verbindet die „Erzählungen vom vollmächtigen Wirken Jesu mit seiner Leidensgeschichte zu einer literarischen, biographischen und theologischen Einheit.“[11]
Alle Saatgleichnisse in Mk 4, 1-34 sind „Gleichnisse im engeren Sinn“, da sie typische, sich immer gleich verhaltende Vorgänge beschreiben.[12] Die Zusammenfassung der drei Gleichnisse ist in der Deutung ihrer Inhalte begründet, die hier zwar unterschiedliche Akzentuierungen aufweisen, jedoch die gleiche Funktion verfolgen. Schon die Urkirche sammelte zu katechetischen Zwecken Gleichnisse mit ähnlichen Themen und stellte sie zusammen: Das Gleichnis vom Sämann (Mk 4,3-9) und Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29) wurden schon hier miteinander verbunden. Das Gleichnis vom Senfkorn (Mk 4,30-32) war vormarkinisch mit dem Gleichnis vom Sauerteig zusammengefügt worden.[13] Letzteres wurde in der markinischen Komposition jedoch ausgelassen und stattdessen bildet nur das Gleichnis vom Senfkorn den Abschluss der Komposition der „Gleichnisse vom Reich Gottes“.[14]
Darüber hinaus verbindet Markus das Sämannsgleichnis mit einem Hinweis über die richtige Deutungsmethode für die Jünger in 4,13-20 und leitet zuvor den Gleichnisverbund mit einer Situationsbeschreibung ein, die „zugleich darauf hinweist, dass die gebotenen Gleichnisse nur eine typische Auswahl, eine Auslegungshilfe für die Gleichnisse Jesu allgemein bilden“[15], denn es heißt: „Ein andermal lehrte er wieder am Ufer des Sees“ (Mk 4,1). In einer Schlussbemerkung zu den Gleichnissen (Mk 4, 33f.) verdeutlicht Markus, dass die Jünger eine „je eigene Sonderbelehrung über den Sinn, ‚das Reich-Gottes-Geheimnis‘ erhalten[16], um die Nachfolge Jesu angemessen antreten zu können.
An dieser Stelle erkennt man Markus‘ Auffassung von Gleichnissen als Methode des verhüllenden Erzählens. In Mk 4,11f. sagt Jesus zu seinen Jüngern, nur ihnen sei das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut, doch für die Außenstehenden blieben die Gleichnisse rätselhaft. Für Markus scheinen die Jünger allerdings, angesichts der verborgenen Geschichte der Gottesherrschaft (Mk 4, 26-32) und ihrer Nachfragen, auch Gefahr zu laufen, nicht zu verstehen und mit falschen Maß zu messen (Mk 4, 24f.), sodass sie sie immer wieder aufgerufen werden müssen zu „hören“.[17] Dies soll der Gemeinde des Markus noch einmal erschlossen werden und er versucht, so Pesch, stellvertretend „das ihr anvertraute Geheimnis voller Hoffnung der Welt missionarisch zu bezeugen.“[18]
3. Sämann – Saat – Ernte: Verbindende Bildelemente in der markinischen Konzeption einer literarischen Einheit
3.1 Der sozialgeschichtliche Hintergrund der Markusgemeinde
Wie oben dargelegt wurde, sieht Markus seine Aufgabe darin, das Wort Jesu so zu verbreiten, dass die Hörenden sie richtig verstehen, dass sie das Wort nicht nur „hören“, sondern auch „aufnehmen und Frucht bringen“ (Mk 4, 20).
Die Hörerschaft um Markus bildet bereits die Nachfolge Jesu, die die Gleichnisse demnach nachösterlich interpretieren kann. Sie hat daher einen anderen Blickwinkel als die Zuhörerschaft Jesu, was im anschließenden Kapitel näher erläutert wird. Neben die eschatologische Perspektive tritt bei Markus eine ekklesiologische, die sich an Mk 4, 11 festmachen lässt: „Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut.“[19] Es wird deutlich, dass Markus hier von einer ausgewählten Gemeinde (den Verstehenden) ausgeht, die die Nachfolge Jesu antritt und damit den Grundstock der christlichen Kirche bildet. Die Problematik äußert Markus in 4, 13 mit der Frage Jesu, ob die Jünger überhaupt etwas verstehen werden.
„Das Markusevangelium lässt eine Situation christlicher Gemeinden nach 70 n. Chr. erkennen, in der die Anhängerschaft Jesu sich extrem bedroht fühlt. […] Diese Spannung [s. 4,11 und 4,13] ist nicht ein Selbstwiderspruch des Textes, sondern die Wahrheit des Lebens der Menschen, die im Markusevangelium erkennbar wird. Ihnen ist Gottes Königtum offenbart, aber sie müssen hart um das Hören und Tun des Wortes Gottes kämpfen.“[20]
Das Markusevangelium ist somit nicht nur christologisch zu verstehen, sondern berichtet zugleich über die Gefahren und Möglichkeiten der Jüngernachfolge. Markus tritt vor seiner Gemeinde also als anspruchsvoller Hermeneut[21] auf, der sie u.a. durch seine Auslegung der Saatgleichnisse zum „verstehenden Hören“ führen möchte.
[...]
[1] vgl. Zimmermann, R., Die Gleichnisse Jesu – Eine Hinführung. In: Zimmermann, R. Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, S. 12.
[2] Zimmermann, R., Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte, Tübingen 2008, Vorwort.
[3] Erlemann, K., Gleichnisauslegung. Ein Lehr-und Arbeitsbuch, Tübingen 1999, S.95.
[4] Zimmermann, R., Hermeneutik der Gleichnisse Jesu, Vorwort.
[5] vgl. Pesch, R., Das Markusevangelium Teil I, Freiburg 1976, S. 245.
[6] Weder, H., Die Gleichnisse Jesu als Methaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, Göttingen 1978, S. 30.
[7] Erlemann, K., Gleichnisauslegung, S. 39.
[8] Erlemann, K., Gleichnisauslegung, S. 39.
[9] vgl. Zimmermann, R., Die Gleichnisse Jesu – Eine Hinführung, S. 9: „Gleichnisse sind die der Sache einzig angemessene Form der Rede von Gott.“
[10] Söding, Th., Die Verkündigung Jesu. Ereignis und Erinnerung. Freiburg 2011, S. 93.
[11] Söding, Th., Die Verkündigung Jesu, S. 104.
[12] vgl. Söding, Th., Die Verkündigung Jesu, S. 317.
[13] vgl. Dschulnigg, P., Das Markusevangelium, Stuttgart 2007, S. 146.
[14] Knoch, O., Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu, Stuttgart 1993, S. 49.
[15] Knoch, O., Wer Ohren hat, der höre, S. 54.
[16] Knoch, O., Wer Ohren hat, der höre, S. 54.
[17] vgl. Pesch, R., Das Markusevangelium Teil I, S. 267.
[18] Pesch, R., Das Markusevangelium Teil I, S. 267.
[19] Schottroff (2010, S.100ff.) gibt in ihren Ausführungen unterschiedliche ekklesiologische Deutungen wieder, wie u.a. die von Kögel, Beavis, Donahue und Harrington. Sie weißt hier auf einen noch nicht überwundenen inneren Zusammenhang von Antijudaismus und „triumphaler Ekklesiologie“ hin. Wichtig für diese Ausarbeitung ist jedoch nur die Tatsache, dass die Gemeinde um Markus einen Anfang der christlichen Kirche darstellt.
[20] Schottroff, L., Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2010, S. 93.
[21] vgl. Söding, Th., Die Verkündigung Jesu, S.