Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) wurde am 20. Januar 1934 von der damaligen Reichsregierung erlassen und brachte wesentliche Veränderungen in die damaligen Betriebe.
Warum verabschiedete die NS-Führung ein Gesetz, das den Aufbau der Betriebe neu regelte? Was waren die Absichten und Ziele, die die NS-Führung mit diesem Gesetz verband? Welche Folgen hatte das Gesetz? Und welche Veränderungen ergaben sich tatsächlich für die Betriebe und die Industriearbeiter durch die Einführung dieses Gesetzes? Diese Fragen bilden das Thema, mit dem ich mich hauptsächlich beschäftigen werde. In dieser Arbeit werde ich versuchen, die oben stehenden Fragen zu beantworten.
Ich werde mich den oben genannten Fragestellungen nähern, indem ich zuerst die Verhältnisse in den Betrieben und die Situation der Industriearbeiter im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschreibe. Dies ist wichtig, um im Hauptteil dieser Arbeit deutlich machen zu können, welche konkreten Veränderungen das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit bezüglich der Betriebsdemokratie, des Aufbaus der Betriebe und der Gemeinschaft der Industriearbeiter innerhalb der Betriebe mit sich brachte. Als nächstes werde ich die oben stehenden Fragen behandeln und beantworten, indem ich Fakten bezüglich der Entstehung des Gesetzes schildere, die Ziele der NS-Führung erläutere und die Folgen des Gesetzes darlege. Zum Schluss werde ich die Ergebnisse des Hauptteils analysieren, indem ich die wichtigsten Aspekte noch einmal zusammenfasse und diese kritisch reflektiere.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entwicklung der Industriearbeit vor der Einführung des AOGs
3. Die Abschaffung der ersten Betriebsdemokratie
3.1 Die Machtübernahme der Nationalsozialisten
3.2 Entstehung, Ziele und Folgen des AOGs
4. Schluss
5. Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Mit Inkrafttreten des Gesetzes wird das Wirtschaftsleben gleichgeschaltet und in Unternehmen das Führerprinzip eingeführt. Vorgesetzte verfügen über absolute Befehlsgewalt, die Untergebenen sind zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Damit sind das Recht und die Möglichkeit zur Beschwerde stark eingeschränkt, das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer ist völlig abgeschafft. Kraft des Gesetzes werden die letzten noch verbliebenen demokratischen Rechte innerhalb des Betriebes beseitigt.[1].
Dieser Auszug aus einem Kommentar zum Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG), das am 20. Januar 1934 von der damaligen Reichsregierung erlassen wurde[2], beinhaltet Aussagen über die wesentlichen Veränderungen in Betrieben, die dieses Gesetz mit sich brachte. Mit diesem Thema werde ich mich in dieser Arbeit näher beschäftigen. Auf die Veränderungen in den Betrieben, die durch das oben genannte Gesetz eintrafen, werde ich im Hauptteil dieser Arbeit, Kapitel 3.2, noch genauer eingehen.
Die Entwicklung der Industrie im 19. und 20. Jahrhundert unterlag einem ständigen Wandel. Der Grund dafür war die kontinuierliche Modernisierung der Industrie durch die fortschreitende Technik. Ich werde in dieser Arbeit jedoch lediglich drei bestimmte dieser zahlreichen Entwicklungen thematisieren, da diese drei von besonderer Bedeutung für mein Thema sind: Die ersten großen Fortschritte in der deutschen Industrie brachte die Industrielle Revolution, deren erste Anfänge auf 1815 datiert werden und die sich über ungefähr 100 Jahre hinwegzog[3]. Die nächste bedeutende Entwicklung, die ich in dieser Arbeit thematisieren werde, war die Entstehung erster Gewerkschaften während der Deutschen Revolution 1848/1849[4]. Die Gewerkschaften waren insofern wichtig, als diese die Interessen der Industriearbeiter vertraten und ihnen mehr Mitspracherecht und somit erstmals ein Stück Demokratie verliehen. Ein weiterer großer Fortschritt erfolgte durch die Einführung der Fließbandarbeit im Jahre 1923[5], die für Industriearbeiter große Veränderungen in Bezug auf ihre alltägliche Arbeit im Betrieb brachte: Die Arbeit am Fließband war nicht nur monoton, sondern führte auch zu mangelnder Kommunikation zwischen den Arbeitern, was zu sozialen Problemen in den Betrieben führte. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit hingegen sollte auch etwas für die Gemeinschaft innerhalb der Betriebe tun: Der mit diesem Gesetz eingerichtete Vertrauensrat beispielsweise war für eine harmonische Betriebsgemeinschaft zuständig. Er sollte unter anderem für Vertrauen zwischen den Betriebsangehörigen sorgen und Streitereien innerhalb des Betriebes beseitigen. Mit diesem Sachverhalt u.a. werde ich mich im Hauptteil dieser Arbeit, Kapitel 3.2, genauer auseinandersetzen. Auf die Industriearbeit zur Zeit der Industriellen Revolution, die Entwicklung von Gewerkschaften und die Einführung der Fließbandproduktion werde ich im Kapitel 2 noch genauer eingehen.
Die oben genannten Gegebenheiten werfen Fragen bezüglich der Bedeutung des Gesetzes auf: Warum verabschiedete die NS-Führung ein Gesetz, das den Aufbau der Betriebe neu regelte? Was waren die Absichten und Ziele, die die NS-Führung mit diesem Gesetz verband? Welche Folgen hatte das Gesetz? Und welche Veränderungen ergaben sich tatsächlich für die Betriebe und die Industriearbeiter durch die Einführung dieses Gesetzes? Diese Fragen bilden das Thema, mit dem ich mich hauptsächlich beschäftigen werde. In dieser Arbeit werde ich versuchen, die oben stehenden Fragen zu beantworten.
Ich werde mich den oben genannten Fragestellungen nähern, indem ich zuerst die Verhältnisse in den Betrieben und die Situation der Industriearbeiter im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschreibe. Dies ist wichtig, um im Hauptteil dieser Arbeit deutlich machen zu können, welche konkreten Veränderungen das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit bezüglich der Betriebsdemokratie, des Aufbaus der Betriebe und der Gemeinschaft der Industriearbeiter innerhalb der Betriebe mit sich brachte. Als nächstes werde ich die oben stehenden Fragen behandeln und beantworten, indem ich Fakten bezüglich der Entstehung des Gesetzes schildere, die Ziele der NS-Führung erläutere und die Folgen des Gesetzes darlege. Zum Schluss werde ich die Ergebnisse des Hauptteils analysieren, indem ich die wichtigsten Aspekte noch einmal zusammenfasse und diese kritisch reflektiere.
Als Hilfsmittel habe ich unter anderem den Katalog mit dem Titel „Zerschlagung der Mitbestimmung 1933: Das Ende der ersten deutschen Betriebsdemokratie“ von Werner Milert und Rudolf Tschirbs verwendet, da dieser detailliert auf die Abschaffung der Demokratie eingeht und viele für mich wichtige Informationen über die Folgen der Verabschiedung des AOGs enthält.
2.Die Entwicklung der Industriearbeit vor der Einführung des AOGs
Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert gab es eine enorme Bevölkerungsexpansion im deutschen Reichsgebiet. Im Jahre 1750 betrug die Einwohnerzahl Deutschlands noch 17 Millionen[6]. Im Jahre 1816 hatte Deutschland bereits 24,83 Millionen Einwohner. Von da an wuchs die deutsche Bevölkerung stetig und schnell. Knapp hundert Jahre später, im Jahre 1914, konnte das Deutsche Kaiserreich eine Bevölkerung von 67,81 Millionen Menschen aufweisen.[7].Die Einwohnerzahl ist binnen eines Jahrhunderts also um fast 43 Millionen Menschen, das bedeutet um etwas mehr als 273 Prozent gestiegen. Die Gründe für die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zur Zeit der Industriellen Revolution erklärt Hubert Kiesewetter[8].folgendermaßen:
Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland wurde während der industriellen Revolution von so vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflußt, daß es vorläufig genügen mag, einige wichtige davon aufzulisten. Dazu gehören die Veränderungen im generativen Verhalten, die Wandlugen in der Alters- und Familienstruktur, in der Geburtslichkeit und Sterblichkeit. Außerdem die pull- und push-Effekte der Städte und des Landes, die Einflüsse von Binnenwanderung, Auswanderung und Mobilität, nicht zuletzt Wirkungen von regionalen oder religiösen Unterschieden. Sie alle haben – obwohl ganz unterschiedlich in verschiedenen Perioden – die Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung beeinflußt. Millionen von Menschen mit ihren Hoffnungen, Ängsten, Wünschen, Erwartungen und Enttäuschungen reagierten auf ökonomischen, politischen und sozialen Wandel in sehr unterschiedlicher Weise. […] Die industrielle Revolution hat die deutsche Bevölkerung grundlegend umgestaltet.[9].
Das enorme Bevölkerungswachstum war ein wichtiger Aspekt für den Verlauf der Industriellen Revolution, da durch die zunehmende Bevölkerung nicht nur die Anzahl der verfügbaren Arbeitskräfte, sondern auch die Nachfrage nach diversen Produkten stieg. Hierauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen.
Im Jahre 1815, zur Zeit der einsetzenden Revolution, lebten schätzungsweise 23 Millionen Menschen auf dem späteren deutschen Reichsterritorium (ohne Elsaß-Lothringen). Davon lebten 90 Prozent in ländlichen Gegenden. Zwischen 65 und 75 Prozent der deutschen Bevölkerung waren in der Landwirtschaft tätig[10].und nur um die 5 Prozent arbeiteten in handwerklichen Berufen[11]. Zudem gab es damals bereits eine große Anzahl von Bürgern mit gewerblichen sowie kaufmännischen Fähigkeiten[12].
Als die Bevölkerung Deutschlands im Laufe des 19. Jahrhunderts enorm zunahm, verlagerte sich der Wirtschaftsschwerpunkt sukzessive vom Land in die Stadt. Deutschland entwickelte sich von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Ein Grund dafür ist, dass die Landwirtschaft keine weiteren Arbeiter aufnehmen konnte und die Menschen deshalb Arbeit in den Städten suchten. Die wachsende Anzahl an Arbeitskräften und die steigende Nachfrage machten eine Expansion der gesamten deutschen Wirtschaft möglich: Bestehendes Gewerbe wurde erweitert und neue Branchen wurden aufgebaut. Das Ergebnis war, dass Deutschland im Laufe des 19. Jahrhunderts einen Anstieg der gewerblichen Gesamtproduktion verzeichnen konnte.[13].
Die negative Seite an der neuen Industriegesellschaft war, dass die Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiter, die diesen wirtschaftlichen Erfolg durch ihre Arbeit erst möglich machten, meistens sehr schlecht waren: Die Industriearbeiter arbeiteten im Durchschnitt dreizehn Stunden pro Tag und das an mindestens sechs Tagen in der Woche. Sonn- und Feiertagsarbeit waren zudem auch sehr üblich. Urlaub hatten die Fabrikarbeiter so gut wie keinen und wenn, dann war dieser unbezahlt.[14].Das Fabrikarbeiterleben begann oftmals schon mit sechs Jahren und von den Kindern wurde ein ähnliches Arbeitspensum abverlangt wie von den erwachsenen Industriearbeitern.[15].Die Arbeit in den Fabriken war nicht nur gefährlich, sondern auch ungesund: Zum einen arbeiteten Fabrikarbeiter oft in niedrigen Räumen, in denen Sauerstoffmangel herrschte[16]. Zum anderen ernährten sie sich schlecht, da sie sehr wenig verdienten und somit nicht genügend Geld für eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung hatten. Hinzu kam noch, dass die Wohnungen, in denen die Arbeiter lebten, oftmals kalt und feucht waren. Aus diesen Gründen wurden Industriearbeiter häufiger krank als die Menschen vom Land.[17].Wenn Fabrikarbeiter krank wurden, wurden sie gekündigt und einfach durch neue Arbeiter ersetzt. Trotz der harten Arbeit bekamen die Arbeiter nur Hungerlöhne ausgezahlt, die kaum zum Ernähren ihrer Familien reichten. Dies hatte zur Folge, dass nicht nur die Kinder, sondern auch die Frauen der Familien mitarbeiten mussten. Wenn die Arbeiter/innen vor Erschöpfung zusammenbrachen, wurden sie mit Gewalt zur Weiterarbeit gezwungen.[18].All diese Umstände führten dazu, dass der überwiegende Teil der Industriearbeiter dem Alkohol verfiel[19].
[...]
[1].http://www.ns-quellen.at/gesetz_anzeigen_detail.php?gesetz_id=40010&action=B_Read
[2].Tofahrn, Klaus W.: Das Dritte Reich und der Holocaust. Peter Land GmbH. Frankfurt am Main 2008. S. 38.
[3].Kiesewetter, Hubert: Industrielle Revolution in Deutschland. Regionen als Wachstums-motoren. Franz Steiner Verlag. Wiesbaden 2004. S. 21.
[4].Eisenberg, Christiane: Deutsche und englische Gewerkschaften. Entstehung und Entwicklung bis 1878 im Vergleich. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1986. S. 165.
[5].Hirsch-Kreinsen, Hartmut: Wirtschafts- und Industriesoziologie. Grundlagen, Fragestellungen, Themenbereiche. 2. Auflage. Juventa Verlag. Weinheim und München 2009. S. 75.
[6].North, Michael (Hg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick. 2. Auflage. C.H. Beck Verlag. München 2005. S. 123.
[7].Kiesewetter: S. 125.
[8].Hubert Kiesewetter (*11. Juli 1939 in Dessau): dt. Wirtschafts- und Sozialhistoriker
[9].Kiesewetter: S. 124.
[10].Hahn, Hans-Werner: Die Industrielle Revolution in Deutschland. Oldenbourg Verlag. München 2011. S. 5.
[11].Ebd. S. 6.
[12].Ebd. S. 7.
[13].Ebd. S. 12.
[14].Heinz, Juliane: Die soziale Frage und der Pauperismus bis zur Revolution 1848/49 und deren Lösungsmöglichkeiten. GRIN Verlag. München 2009. S. 7.
[15].Henning, Friedrich-Wilhelm: Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands. Deutsche Wirtschaftsgeschichte und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert. Band 2. Schöningh Verlag. Paderborn 1996. S. 285f.
[16].Engels, Friedrich: Briefe aus dem Wuppertal. In: Marx-Engels-Werke. Band 1. Karl Dietz Verlag. Berlin (DDR) 1976. S. 417.
[17].http://vimu.info/general_04.jsp?id=mod_13_7
[18].http://www.paedagogik.net/wochenthemen/bismarck/arbeitsbedingungen1.html
[19].Engels: S. 417.