Aus der Einleitung:
Im Rahmen des japanologischen Seminars zum Thema „140 Jahre Beziehungen zwischen Österreich und Japan“ ist die vorliegende Arbeit der Thematik des Besuches der Iwakura-Mission in Österreich und deren Auswirkungen auf die österreichisch-japanischen Beziehungen gewidmet und betrachtet somit das Verhältnis der beiden Länder aus einem historischen Blickwinkel. Bei dieser Mission handelt es sich um eine Gesandtschaft japanischer Regierungsbeamten um Iwakura Tomomi in der Zeit von 1871 bis 1873. Da bereits in mehrfacher Weise darüber geschrieben wurde, soll die genaue Fragestellung, welcher sich diese Arbeit annimmt, im Sinne des diesjährigen „Österreich-Japan-Jahres 2009“ einen engeren Rahmen spannen und den Hauptfokus auf eben die Entstehung der Beziehungen zwischen Österreich und Japan legen. Aus diesem Grunde, um die Fragestellung auszuformulieren, lautet diese daher: „Welche Bedeutung hatte die Iwakura-Mission in Österreich-Ungarn für die japanische Regierung und welche Auswirkungen hatte sie auf die diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Japan und Österreich-Ungarn?“
Schwerpunkte der Arbeit:
* Die Voraussetzungen zur Entstehung der Mission
* Die Iwakura-Mission in Österreich
* Die Weltausstellung in Wien
* Die Rolle der Wiener Weltausstellung (Erkenntnisse & kultureller Austausch)
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellung und Hypothese
1.2. Forschungsstand & Methode
2. Die Vorraussetzungen zur Entstehung der Mission
2.1. Die Ungleichen Verträge
2.2. Umgestaltung der Wirtschaft und Repräsentanz Japans im Westen
2.3. Aufbau und Beschreibung der Mission
3. Die Iwakura-Mission in Österreich
3.1. Hintergründe für den Besuch in Österreich
3.2. Audienzen und Besichtigungen
4. Die Weltausstellung in Wien
4.1. Japan auf der Weltausstellung
4.2. Beobachtungen der Gesandtschaft
5. Auswirkungen der Mission
5.1. Erkenntnisse aus der Mission in Österreich
5.2. Entwicklung der diplomatischen Beziehungen
6. Die Rolle der Wiener Weltausstellung
6.1. Kenntnisse der Gesandtschaft der Wiener Weltausstellung
6.2. Kultureller Austausch
7. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Die Leiter der Iwakura-Mission
Abbildung 2 Zeittafel der Iwakura-Mission in Österreich
1. Einleitung
1.1. Fragestellung und Hypothese
Im Rahmen des japanologischen Seminars zum Thema „140 Jahre Beziehungen zwischen Österreich und Japan“ ist die vorliegende Arbeit der Thematik des Besuches der Iwakura-Mission in Österreich und deren Auswirkungen auf die österreichisch-japanischen Beziehungen gewidmet und betrachtet somit das Verhältnis der beiden Länder aus einem historischen Blickwinkel. Bei dieser Mission handelt es sich um eine Gesandtschaft japanischer Regierungsbeamten um Iwakura Tomomi in der Zeit von 1871 bis 1873. Da bereits in mehrfacher Weise darüber geschrieben wurde, soll die genaue Fragestellung, welcher sich diese Arbeit annimmt, im Sinne des diesjährigen „Österreich-Japan-Jahres 2009“ einen engeren Rahmen spannen und den Hauptfokus auf eben die Entstehung der Beziehungen zwischen Österreich und Japan legen. Aus diesem Grunde, um die Fragestellung auszuformulieren, lautet diese daher: „Welche Bedeutung hatte die Iwakura-Mission in Österreich-Ungarn für die japanische Regierung und welche Auswirkungen hatte sie auf die diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Japan und Österreich-Ungarn?“
Als Hypothese ist anzunehmen, dass, da die Aufhebung der ungleichen Verträge als das wichtigste Ziel der Iwakura-Mission galt, und da der Vertrag mit Österreich-Ungarn der ungünstigste Vertrag für Japan war, gewiss auch im Falle des Vertrages mit Österreich eine Aufhebung angestrebt wurde. Somit war der Besuch in Österreich von großer Bedeutung für die Japanische Regierung. Des Weiteren befanden sich die Abgeordneten der Mission sowohl auf der Suche nach einer für Japan geeigneten neuen Verfassung, als auch auf einer Forschungsreise, vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft. Für den Austausch mit Österreich bedeutende Faktoren waren gewiss Kunst und Kultur, zudem, als die Iwakura-Mission Wien besuchte, gleichzeitig auch die Wiener Weltausstellung stattfand. Diese war auch die erste Weltausstellung, auf der Japan als Gesamtnation vertreten war. Aus diesem Anlass wurden verschiedenste neue Kontakte geknüpft und somit nicht nur Beziehungen auf diplomatischer und wirtschaftlicher, sondern auch auf kultureller Ebene aufgebaut, welche längerfristige Auswirkungen auf Seiten Japans und Österreich-Ungarns hatten.
1.2. Forschungsstand & Methode
Wie bereits erwähnt wurde die Thematik der Iwakura-Mission bereits mehrfach im Rahmen anderer wissenschaftlicher Arbeiten analysiert und diskutiert. Auf österreichischer Seite untersucht der Japanologe Peter Pantzer die Beziehungen zwischen Japan und Österreich-Ungarn in ihrem Anfangsstadium in mehreren Werken und geht dabei auch auf den Besuch der Iwakura-Mission ein. Sein hierbei umfangreichstes Werk, Japan und Österreich-Ungarn. Die diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen von ihrer Aufnahme bis zum Ersten Weltkrieg bietet hierbei eine detaillierte Abhandlung der Entstehung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Anlässlich des aktuellen Jubiläumsjahres entstanden zudem eine Festschrift, sowie mehrere Sonderartikel in Zeitschriften mit Japanbezug, wie der Brücke, der Zeitschrift der Österreichisch-Japanischen Gesellschaft. Ein japanischer Spezialist dieser historischen Thematik ist Tanaka Akira, welcher hierzu das Buch Meiji ishin to seiyō bunmei. Iwakura shisetsu-dan wa nani o mita ka. (Die Meiji-Restauration und die europäische Zivilisation. Was hat die Iwakura-Mission gesehen?) verfasst hat. In diesem Buch analysiert er die Erkenntnisse der Mission unterteilt in verschiedene Themengebiete, wie Politik, Handel, Gesellschaft, sowie Wissenschaft und Kultur. In Bezug auf Österreich hat er, so wie die meisten Autoren, besonders den Besuch auf der Weltausstellung als ein Unterkapitel zum Thema Wissenschaft und Kultur hervorgehoben (Tanaka 2003:143-145).
Es ist außerdem kein Zufall, dass sowohl Tanaka als auch Pantzer sich genauer mit der Primärliteratur über die Mission auseinander gesetzt haben. Kommentator der japanischen Originalfassung des Logbuchs des Kume Kunitake, Iwakuras Sekretär, in ihrer Auflage von 2005 war Tanaka, für die Übersetzung eben diese Logbuches in die deutsche Sprache war Pantzer zuständig. Somit steht der Aufarbeitung des Themas nichts im Wege, da kein Literaturmangel besteht. Aus diesem Grunde basiert die vorliegende Arbeit vor allem auf der Analyse von Primär- und Sekundärliteratur, wobei hier von Bedeutung ist, welche Personen wo welche Mitglieder der Mission Kontakte geknüpft haben und welche Beziehungen daraus hervor gingen.
Systematisch soll zunächst auf die politische Lage in Japan und die genaueren Umstände der Entstehung der Rundreise der japanischen Regierungsbeamten eingegangen werden, um so einen kurzen Überblick zu schaffen. Danach soll die Mission genauer beleuchtet werden, sowie deren Aktivitäten in Österreich. Da sich zur Zeit des Besuches der Iwakura-Mission ebenfalls eine zweite Gesandtschaft in Wien befand, nämlich die der Wiener Weltausstellung, ist es unumgänglich, diese ebenfalls zu analysieren. Basierend darauf soll herausgefunden werden, welche Kontakte die Iwakura-Mission während ihres Aufenthaltes in Österreich geknüpft hat und welche Beziehungen in Bezug auf Diplomatie, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur dadurch entstanden.
2. Die Vorraussetzungen zur Entstehung der Mission
2.1. Die Ungleichen Verträge
Nach einer über zweihundert Jahre andauernden Politik der Abschottung des Landes, war Japan Mitte des 19. Jahrhunderts in vielerlei Hinsicht dem Westen unterlegen. Von der Öffnung des Landes bis zur Abreise der Gesandtschaft um Iwakura Tomomi unterzog sich Japan in Rekordzeit weitreichenden Veränderungen, bis hin zu einer Neuerung der Regierung im Jahre 1868, welche auch als Meiji-Restauration in die Geschichtsbücher eingehen sollte (Tanaka 2003:i-ii). Bereits vor der Restauration, begann jedoch eine Reihe von Entwicklungen, welche grundlegend für das Entstehen der Iwakura-Mission war: die ungleichen Handelsverträge mit den Vereinigten Staaten und mehreren Mächten Europas. Den ersten dieser Verträge, den sogenannten Vertrag von Kanagawa, schloss bereits das Tokugawa Bakufu mit den Vereinigten Staaten im Jahre 1854 ab (Kindermann 1981:334). Daraufhin folgten im Jahre 1857 die Ansei -Verträge, Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen Japan und fünf Nationen – den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Russland, den Niederlanden und Frankreich Über zehn Jahre und einige Verträge mit anderen Nationen später, im Jahre 1869 wurde zudem noch ein Handelsvertrag zwischen der Meiji-Regierung und Österreich-Ungarn abgeschlossen All diese Abkommen wurden zwar als Handels- und Freundschaftsverträge bezeichnet, brachten jedoch deutliche Nachteile für Japan, wie der Mangel an Zollfreiheit oder Gerichtsbarkeit an Ausländern, weshalb sie in der Geschichte als die „ungleichen Verträge“ eingingen (Sue 2007b:6). Dennoch war lange zuvor, bereits seit dem Jahre 1858, die Revision der Verträge der beherrschende Faktor in Japans Außenpolitik. Aus diesem Grunde hatte sich auch die Iwakura-Mission diese Revisionen zu ihrem wichtigsten politischen Ziel gesetzt (Ishii 1987:1-2). Damit er diese während seiner Reise gegebenenfalls durchführen kann, erhielt der Minister zur Rechten, Iwakura Tomomi die Vollmacht zur Vertragsrevision (Pantzer 1973:61).
2.2. Umgestaltung der Wirtschaft und Repräsentanz Japans im Westen
Bereits in ihrer Anfangsphase begann die Meiji-Regierung mit einer weitreichenden Umgestaltung der Wirtschaft. Da aus westlicher Sicht Japan im Bezug auf Technologie als unterlegen galt, war es für Politiker und Intellektuelle eine Frage des nationalen Status und der Identität Japans, möglichst rasch den Westen einzuholen und den Wissensstand anzugleichen (White 1988:15-16). Ein Anlass zur Entstehung der Mission war, wie es im jiyu-sho (Anlassschreiben) notiert wurde, das Studium von Verfassung und Gesetz in Theorie und Praxis (Tanaka 2003:48). In diesem Sinne stand auch die Mission, welche ebenfalls eine Forschungsreise war, auf der Suche nach Entwürfen für die Modernisierung Japans, aber auch zu diplomatischen Zwecken, zur Vermittlung der Ernsthaftigkeit der gesellschaftlichen und rechtlichen Umgestaltung Japans durch die japanische Regierung
Zudem wurden von den Missionsmitgliedern industrielle Einrichtungen, Bildungsanstalten, Krankenhäuser, Museen, Tiergärten, Archive etc. vor Ort besichtigt (Goodman 2003:5). Auch während des Besuches in Österreich wurden in verschiedensten Einrichtungen Beobachtungen getätigt und Audienzen abgehalten, wobei es hinsichtlich dessen herauszufinden gilt, welche Konsequenzen oder längerfristige Beziehungen daraus entstanden.
2.3. Aufbau und Beschreibung der Mission
Das Schiff, auf dem die Gesandten der Iwakura-Mission, welche sich nun eine Vielzahl an Zielen gesetzt hatten, befanden, stach am 12. Dezember 1871 in See (Kume 2005a:9). Leiter der Mission war Fürst Iwakura Tomomi, Minister zur Rechten (in etwa Premierminister) und „faktisch Regierungschef Japans“ (Pantzer 2009:23). Iwakura stammte ursprünglich aus einer Familie niederen Ranges aus Kyōto. Dennoch konnte auf seiner Karriereleiter er einen großen Sprung nach oben machen und somit eine bedeutende Rolle im Wandel der Regierung vom Shōgunat hin zur Meiji-Regierung spielen (Huffman 1998:101).
Iwakura zur Seite standen vier Minister: Itō Hirobumi, Yamaguchi Masuka, Ōkubo Toshimichi und Kido Takayoshi. Eine kurz nach ihrer Ankunft in San Fransisco aufgenommene Fotographie (Abbildung 1) zeigt Iwakura, umgeben von seinen wichtigsten Begleitern (Tanaka 2003:1-2). Hier sind von links beginnend Kido, Yamaguchi, Iwakura, Itō und Ōkubo zu erkennen (Izumi 2004:11). Zudem befand sich eine Vielzahl an Beamten mit auf dieser Reise. Die Iwakura-Mission hatte somit eine beachtliche Zahl an Politikern hinaus in die Welt geschickt:„Immerhin war im Dezember 1871 die halbe Regierung Japans in die Welt hinausgezogen“ (Pantzer 2002:XV).
Zuerst führte die Route der Mission in die Vereinigten Staaten von Amerika, danach nach Europa. Von Deutschland aus kehrte jedoch Ōkubo Toshimichi frühzeitig nach Japan zurück, und Kido Kōnin von Russland aus. Als nach die Gesandtschaft nach eineinhalb Jahren Reise schließlich auch Österreich-Ungarn erreichte, waren daher nur noch zwei Minister an Iwakuras Seite (Sue 2007c:7). Die Gesandtschaft kehrte schließlich nach einem letzten Besuch in der Schweiz am 13. September 1873 nach Japan zurück (Kume 2005a:9).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Die Leiter der Iwakura-Mission
(Consulate General of Japan in New York 2005).
3. Die Iwakura-Mission in Österreich
3.1. Hintergründe für den Besuch in Österreich
Für den Besuch in Österreich hatte die Iwakura-Mission drei große Ziele. Das erste war die Überbringung eines Grußschreibens vom Meiji-Tennō an den Kaiser Franz Joseph I. Das zweite Ziel war die Revision des ungleichen Handelsvertrages und das dritte war die Besichtigung der Weltausstellung in Wien (Sue 2007a:7).
Im Kapitel 2.2. wurde bereits auf die Bedeutung der ungleichen Verträge für die Gesandtschaft um Iwakura hingewiesen. Der Vertrag mit Österreich-Ungarn, der „Freundschafts-, Handels-, und Schifffahrtsvertrag zwischen dem Kaiserreich Japan und der österreichisch-ungarischen Monarchie“, war zwar bereits am 18. Oktober 1869 abgeschlossen worden, ratifiziert wurde er jedoch erst am 12. Januar 1872 (Laschan 2009:20). Angesichts der Vorhaben der Japanischen Regierung ist diese Ratifizierung jedoch schneller vorangegangen als ursprünglich geplant, da die Regierung dies bis nach der Heimkehr der Gesandtschaft aufschieben wollte, in der Hoffnung, während der Reise die anderen Verträge revidieren zu können. Dies scheiterte jedoch und der Vertrag mit Österreich wurde doch noch abgeschlossen. Da die Situation in Japan zur Zeit der Vertragsabschließung für Österreich günstig war, zumal in Japan bereits klare politische Verhältnisse herrschten (Pantzer 1973:20-21, 33), und aufgrund der Unterstützung, die Österreich von Großbritannien erhielt, entstand daraus der bei weitem ungünstigste Vertrag für Japan, derer Österreich unter anderem sogar eine Meistbegünstigungsklausel einräumt (Sue 2009b:6). Da dieser Vertrag Japan aufgezwungen wurde, obwohl bereits seit Längerem versucht worden war, andere ungleiche Verträge zu revidieren, war er gewiss ein wichtiger Auslöser für das Zustandekommen der Iwakura-Mission. Jegliche Versuche der Iwakura-Mission, eine Vertragsrevision in anderen Ländern herbeizuführen, sollten jedoch scheitern, und so standen die Chancen für eine Revision des Vertrags mit Österreich-Ungarn unter einem ebenso schlechten Stern.
Neben der Revision hatte die Iwakura-Mission in Österreich noch weitere Pläne. Da im Sommer 1873 die Wiener Weltausstellung stattfand, traten während des Aufenthaltes in Wien auch der Aspekt der Repräsentation Japans in Europa, sowie der gegenseitige Kulturaustausch in den Vordergrund.
[...]