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Hausarbeit, 2013
16 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Aufgabe der Eingliederungshilfe
2.1 Anspruchsvoraussetzung
2.2 Anspruchsberechtigung
2.3 Leistungsumfang
3. Begriffsbestimmung „seelische Behinderung“
4. „zweigeteilte Diagnose“ in § 35a SGB VIII
5. Entstehung des § 35a SGB VIII
als eigenständiger Leistungstatbestand
6. Abgrenzung zum SGB XII
7. Änderungsvorschläge und Kritik
7.1 Angleichung des § 35a SGB VIII an SGB XII
7.2 Rückführung des § 35a SGB VIII in erzieherische Hilfen
7.3 Abschaffung des § 35a SGB VIII
8. Fazit
Ich bin selbst im Bereich der Hilfen zur Erziehung, in der ambulanten Jugendhilfe, tätig und überdies bei einem Träger der Behindertenhilfe beschäftigt. Immer wieder kommt es zu Fällen, die sich nicht klar einer Leistung zuordnen lassen. Insbesondere in der Zusammenarbeit mit dem Amt für Soziale Dienste, im Fachdienst junge Menschen, sind im Bezug auf die Personengruppe der jungen Menschen mit Behinderungen, Grenzen zu spüren. Sozialpädagogischen Fachkräften fällt es schwer Behinderungsbilder oder ihre Auwirkungen auf Wahrnehmung und Entwicklung einzuschätzen und zuzuordnen. Sie beziehen sich auf Diagnosen, beispielsweise vom Kinderzentrum, und behelfen sich mit der Bewilligung von Eingliederungshilfen bei einem Träger der Behindertenhilfe.
Frühzeitige Hilfen bleiben jedoch häufig aus. Grund dafür ist, das die Prüfung der Einkommensverhältnisse im Bereich der wirtschaftlichen Hilfen von drei bis sogar zwölf Monaten andauern kann. In einzelnen Fällen wird jedoch nicht Eingliederungshilfe, sondern Jugendhilfe gewährt. Grund hierfür ist jedoch nicht immer der Bedarf im Bereich der Hilfen zur Erziehung, sondern oftmals das schnellere Bewilligungsverfahren und die ausbleibende Zuzahlungspflicht, da die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern hier ausbleibt.
Gerecht oder ungerecht? Ich möchte mich auf den folgenden Seiten mit den Möglichkeiten des Rechtssystem auseinandersetzen und die Problematik der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Gesetze verdeutlichen. Dazu werde ich insbesondere den § 35a SGB VIII in den Mittelpunkt nehmen und mich mit den Hintergründen und der Entstehung des Paragraphen auseinandersetzen. Ebenso soll die Problematik der klaren differenzierten Zuordnung von Hilfen und die konkrete Ermittlung von Bedarfen auf praktischer Ebene verdeutlicht werden. Was macht es so schwierig den richtigen Träger, die entsprechende Leistung und die dafür notwendige Grundlage ausfindig zu machen?
Aufgrund der Komplexität des Themas habe ich in dieser Arbeit die jeweilige Finanzierung und die damit verbundenen Kosten, samt ihrer Auswirkungen auf Antragsteller, Träger und Kommunen nicht mit in Betracht gezogen.
Der Begriff der Behinderung wird in § 35a SGB VIII in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX definiert. Eine drohende Behinderung liegt vor, wenn die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erwarten ist. Die Annahme einer drohenden Behinderung setzt demnach eine Prognose bezüglich der Teilhabebeeinträchtigung voraus. Die alterstypische Abweichung der seelischen Gesundheit ist davon zu unterscheiden. Diese Prognose ist auf einen Zeitraum von 6 Monaten anzulegen. Eine nur vorübergehende Abweichung, unter 6 Monaten, erfüllt die Anforderungen des Behindertenbegriffs nicht (vgl. Vondung 2003, § 35a RN 6c).
Die Feststellung einer seelischen Behinderung obliegt der Diagnostik eines Arztes, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie verfügt oder über einen Psychologen mit eben solcher Erfahrung. Wurden durch Arzt oder Psychologe Funktionsstörungen festgestellt, ist zu prüfen ob diese Auswirkung auf die Teilhabe des jungen Menschen am gesellschaftlichen Leben hat. Die Teilhabebeeinträchtigung ist von einer sozialpädagogischen Fachkraft festzustellen. Geprüft werden die Möglichkeiten der Alltagsbewältigung im häuslichen Umfeld, die Teilhabe an Bildung, Arbeit und Beschäftigung, sowie soziale Beziehungen.
Zur Definition des Behindertenbegriffs wird der Mediziner lediglich als Gehilfe hinzugezogen. Laut Homfeldt ist es eine Anmaßung des Arztes oder Psychologen, wenn sie das Vorliegen einer Behinderung nach § 35a SGB VIII bestimmen. (vgl. Homfeldt 2005, S. 67-68)
Kinder und Jugendliche haben anders als in den Hilfen zur Erziehung selbst den Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe. Im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) können Leistungen der Eingliederungshilfe bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und in begründeten Einzelfällen sogar bis zum 27. Lebensjahr erbracht werden. Unklar ist ob dies dann eine Eingliederungshilfe nach § 35a oder nach § 41 SGB VIII ist.
Für Kinder und Jugendliche handelt in der Regel ihr gesetzlicher Vertreter (§ 1626 BGB), in erster Linie also die Eltern. Einen Leistungsantrag können Kinder und Jugendliche selbst stellen, sobald sie 15 Jahre alt sind (§ 36 Abs. 1 SGB I), jedoch können die gesetzlichen Vertreter den Antrag des Jugendlichen wieder zurücknehmen (§ 36 Abs. 2 SGB I). Ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters kann sich aber jeder, auch unter 15 Jahren, an das Jugendamt wenden (§ 8 Abs. 2 SGB VIII).
Die Leistungen sind aus § 35a Abs. 3 SGB VIII und § 53 Abs. 4 S. 1 SGB XII zu erbringen. Im Einzelnen sind zu erbringen: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 26 Abs. 2+3 SGB IX), heilpädagogische Leistungen für noch nicht eingeschulte Kinder (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX, § 56 SGB IX), Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung ( § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII), Hilfe zur Ausbildung für eine angemessene Tätigkeit (§ 54 Abs. 1. S. 1 Nr. 3 SGB XII), Hilfe zum Besuch einer Hochschule (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XII), Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 33 SGB IX), Hilfe bei der Wohnungsbeschaffung (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX), Hilfe zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX), Hilfe zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, §§ 55 Abs. 2 Nr. 4, 57 SGB IX), Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (§ 54 Ab.s 1 S. 1 SGB XII, §§ 55 Abs. 2 Nr. 7, 58 Nr. 1-3 SGB IX). (Homfeldt 2005, S. 69-70)
Der Begriff der Behinderung war anfänglich an die der körperlichen Beeinträchtigungen gebunden. Erst in den 50er Jahren wurde der Begriff der Körperbehinderung in den medizinischen und allgemeinen Sprachgebrauch integriert. In den 70er Jahren sind dann psychische Beeinträchtigungen als mögliche Behinderungen diskutiert worden. Die seelische Behinderung wurde erst definiert, als man erkannte, dass es psychische Krankheiten mit erhaltener intellektueller Fähigkeit gibt und dass bestimmte Verhaltensstörungen nicht an einem Erziehungsfehler festgemacht werden können. (vgl. Homfeldt 2005, S. 15)
Für Lempp ist die Tatsache entscheidend, dass die seelische Erkrankung chronisch, also länger andauernd, nicht heilbar und nicht wesentlich veränderbar ist (vgl. Lempp 1999, S. 23)
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