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Hausarbeit, 2013
17 Seiten, Note: 1,7
Medien / Kommunikation - Public Relations, Werbung, Marketing, Social Media
1 Einleitung
2 All Colours of the World
2.1 Vorikonographische Beschreibung
2.2 Ikonographische Analyse
2.3 Ikonologische Interpretation
3 Unhate. Der Nachfolger Toscanis?
4 Zusammenfassung
4 Literaturverzeichnis
„ Bilder ver ä ndern unsere Realit ä t. “ Marion G. M ü ller
Nahezu ständig und überall sind wir von den Bildern umgeben. Ob auf Leinwänden, Litfaßsäulen, in Print- oder digitalen Medien: Kaum ein Ort, an dem wir nicht einer Flut von Bildern ausgesetzt sind. Oft sind diese der Versuch der Einflussnahme seitens verschiedenster Firmen. Dieser Aspekt der Bildlichkeit wirft einige neue Frage auf, die es in der Vergangenheit, in der Bilder mitunter keine besonders bedeutende Rolle gespielt haben, so nicht gab. Die neuen technischen Mittel der Fotografie verstärkten maßgeblich die Rolle des Bildes in der Gesellschaft (Vgl. Burke 2003). Auch in der Werbung änderte sich durch die neue Technik der Fotografie einiges, nahezu jede Werbekampagne wird heute mit Fotos betrieben.
Als was aber verstehen wir heutzutage Werbung mit ihren Bildern? Ist sie Mittel zum Zweck, um den Konsum in unserer Gesellschaft immer weiter anzufachen? Oder, noch extremer, „ein zynisches Geschäft, eine gigantische Geldverschwendungsmaschine (Zurstiege 2005, S.9)?“ Ist sie mitunter auch Kunst, darf demnach also alles, provozieren, schockieren, nur nicht langweilig sein?
Werbung setzt seit jeher voll und ganz auf die Wirkung der Bilder, Text ist in der Regel Nebensache. Daher sind Werbeagenturen bei Printkampagnen stets darauf bedacht, durch ihre Bilder beim Betrachter und potentiellen Konsumenten auf den ersten Blick ein Interesse zu wecken. Wie das aber am besten geschieht, dazu gibt es viele Ansichten: Geht der Weg zum Erfolg über Schockierendes, Humor oder doch über etwas völlig anderes? Beim Kampf um die Aufmerksamkeit der Menschen wird durchaus mit ´harten Bandagen´ gekämpft: Beim jüngsten Beispiel, dem Autovermieter Sixt, der sich ungefragt des Konterfeis von Gustl Mollath bedient hatte, und dazu den Slogan „Wenn hier jemand verrückt ist, dann der Sixt mit seinen Preisen“ verwendete, gab es eine große Debatte, welche Grenzen bei der Werbung zu ziehen sind. Neben der rechtlichen Debatte um Dinge wie Persönlichkeitsrechte et cetera stellte sich auch die Frage, ob Werbung um jeden Preis, das heißt, mitunter auch um den der Würde eines Menschen, polarisieren darf. Eines der prominentesten und zugleich umstrittensten Projekte der Vergangenheit ist die Kampagne „All Colours of the World“ von Benetton aus den 90er-Jahren. Auf ihr wird daher auch der Fokus meiner Hausarbeit liegen, vor allem, weil es so kontroverse Ansichten zu ihr gab und gibt: Auf der einen Seite wurde die Kampagne mit internationalen Preisen überhäuft, auf der anderen Seite gab es zum Teil heftige Kritik an einem vermeintlichen Rassismus Benettons (Vgl. Könches 2001, S. 19). Eines ist Benetton aber zweifellos gelungen: Seit den Bildern der Aids-Kranken, ölverschmierten Vögel oder blutigen Uniformen kennt nahezu Jeder den Namen der italienischen Modekette.
Dabei sollte auch die Tatsache, dass in einer Welt, in der Werbung längst zum Alltag gehört, diese doch noch ein gewaltiges Echo hervorrufen kann, nicht außer Acht gelassen werden. Offensichtlich gibt es immer noch moralische Grenzen, innerhalb derer sich Werbung bewegen darf. Oder wurden diese Grenzen durch Benetton verschoben beziehungsweise haben sich aufgelöst?
In meiner Arbeit werde ich mich mit den Bildern des Fotografen Oliviero Toscani auseinandersetzen um mit dem Werk Grundlagen der visuellen Kommunikation von Marion G. Müller als Basis, welches dem Schema von Erwin Panofsky folgt, zunächst zu einer rein vorikonographischen Beschreibung der Werke zu gelangen. Im Anschluss daran erfolgt dann die ikonographische Analyse, bei der es um die Besonderheiten der Werke und die Einbettung in den Entstehungs- und öffentlichen Kontext geht.
Den letzten Teil meiner Arbeit wird die ikonographische Interpretation bilden, das heißt, ich werde untersuchen, welche Reaktionen die berüchtigte Werbemaßnahme hervorgerufen hat und ob es in ihrer Tradition noch mehr umstrittene Werbefeldzüge gab. Denn nicht nur aus ökonomischer und künstlerischer Sicht ist Werbung ein breites Forschungsfeld (Vgl. Könches 2001, S. IX). Schließlich wird sie darüber hinaus durchaus auch „als kulturelle Erscheinung in den geisteswissenschaftlichen Fächern behandelt (Könches 2001, S.IX).“
Vorikonographische Beschreibung
Beim ersten Schritt der Bildanalyse, der vorikonographischen Beschreibung, gilt es, all das, was außerhalb der praktischen Erfahrung des Bildbetrachters liegt, zunächst außenvorzulassen (Vgl. Müller 2003). Der subjektive Gedankengang beim Betrachten des Bildes ist nicht von Belang, es kommt darauf an, möglichst viele Einzelheiten bezüglich des Motivs, der Komposition, Farben und anderen Aspekten des Objektes zu beschreiben. Jene Einzelheiten mögen in der späteren Verwendung nicht mehr unbedingt vorkommen, wenn sie allerdings ausgelassen werden, ist es später mitunter schwierig, die Forschungsfrage mit ihnen veri- oder falsifizieren zu können (Vgl. Müller 2003). Schließlich erfolgt die Bildbeschreibung nicht zum Selbstzweck, sondern ist „ein Schritt auf dem Weg zur Bildinterpretation (Müller 2003, S.33).“
Der Phänomensinn, der beim Betrachten des Bildes benutzt werden sollte, basiert auf der eigenen Lebenserfahrung. Bei dieser spielen soziale und ethnische Herkunft ebenso eine Rolle, wie etwaige gesellschaftliche Normen und Werte (Vgl. Müller 2003).
Auf dem vorliegenden rechteckigen Motiv ist der Torso einer dunkelhäutigen Frau zu sehen, von der Person ist also lediglich der Bereich von knapp unter dem Bauchnabel bis hoch zur Schulter ersichtlich. Sie trägt eine offene, rote Strickjacke, die jedoch ihre Brüste und den Bauch entblößt und an den Unterarmen etwas höhergezogen ist. Mit ihren Händen hält sie ein nacktes, weißes Baby, welches sie seitlich abstützt. Das Gesicht des Kindes ist zur Frau hingewandt, man kann es daher nicht sehen. Zudem hat es den einen Arm an der rechten Brust, vor der auch das Gesicht des Babys ist, den anderen Arm auf der anderen Seite angewinkelt. Auf dem Kopf des Kindes lassen sich helle Haare erkennen.
Der Hintergrund ist schlicht weiß, der einzige weitere Bestandteil des Bildes ist ein kleines, grünes Rechteck mit einer weißen Aufschrift. Dieses ist knapp über dem Kopf des Kindes platziert und nur unwesentlich länger als der Kopf selbst. Die linke Seite des Motivs wirkt heller, da der Part oberhalb der rechten Brust und der um den Bauchnabel der Frau herum etwas dunkler schattiert ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Schwarze Frau und weißes Kind: (http://d1.stern.de/bilder/wirtschaft/2005/28/benetton-250_fitwidth_489.jpg)
Ikonographische Analyse
Welche Sinnschichte, die in Bildern stets zahlreich vorhanden sind (Vgl. Müller 2003, S.34), gilt es bei dem Motiv abzuheben? Das weitere Vorgehen bei einer Bildanalyse ist das Einbetten des Bildes in einen Kontext, beziehungsweise diesen herauszusuchen. Die Quelle und der Kontext dürfen und sollen mithilfe weiterer, literarischen Quellen herausgearbeitet werden, um die Analyse auf möglichst fundierte Art und Weise aufbauen zu können (Vgl. Müller 2003).
Bei dem Bild handelt es sich um ein Werbefoto der Modemarke Benetton, welches im Herbst des Jahres 1989 erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen war. (Vgl. Könches 2001, S. 18). Entstanden ist das Bild im Rahmen der Reihe Black and White des italienischen Fotografen Oliviero Toscani.
Eine schwarze Frau hält ein vollkommen weißes Baby, also vermutlich nicht ihr eigenes Kind, in den Armen. Offensichtlich scheint sich das Baby jedoch äußerst geborgen zu fühlen, es fremdelt nicht, sondern liegt still und zufrieden in den Armen der Frau. Das Kind wird von der Frau gestillt, es ist also ein sehr intimer Moment, der von der Kamera festgehalten wurde. Diese Verletzlichkeit steht gewissermaßen im Kontrast dazu, dass bei der Frau nur eine „fragmentarische Ansicht (Könches 2001, S.19) gewählt wurde. Diese „zarte Bild (Toscani 1996, S.44)“, wie es der Fotograf selber anpreist, ist auch in Korrelation mit dem Firmenmotto United Colors of Benetton zu sehen: Die rote Jacke, die den Aspekt des Interesses gegen einen farblosen Hintergrund abschirmt (Vgl. Könches 2001, S.19), spielt dabei jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Im Fokus steht die Verbindung von Schwarz und Weiß, durch die ein Werbeslogan, so zeigt sich der Fotograf überzeugt, zu einer „humanistischen Haltung (Toscani 1996, S.44)“ wird. Die Vereinigung der Farben steht also im Mittelpunkt des Interesses und suggeriert, dass die Überwindung vermeintlicher Grenzen, die vor allem in den Köpfen der Menschen bestehen, möglich wäre. Im Gegensatz zu einigen anderen seiner Bilder, wie das des Sterbenden Aids- Kranken im Kreise seiner Familie, ist dieses Motiv ein positiveres und zeigt zugleich die Verletzlichkeit jungen Lebens. Durch den belanglosen weißen Hintergrund wird der Blick des Betrachters schnell auf die recht puristische Darstellung des Stillvorgangs gelenkt.
Ikonologische Interpretation
Im Zuge der Interpretation eines Bildes benötigt man vor allem „Dokumentensinn, Kenntnisse über den spezifischen sozio-kulturellen Bildkontext, in dem sich politisches und soziales Handeln vollzieht (Müller 2003, S.54)“, sowie ein vorher erworbenes Wissen über die Geschichte der Produktion und des Motivs als solches (Vgl. Müller 2003).
Mit Benetton kam erstmals das Moment der Sozialkritik einer Firma in Umlauf. Zusätzlich zu den polarisierenden Plakaten gab Benetton im Jahr 1994 in seiner Zeitschrift Colors einen ironischen Artikel zu all dem heraus, was US-Präsident Ronald Reagan während seiner Amtszeit nicht tat, um die Krankheit Aids auf der Welt zu bekämpfen. Das ganze gipfelte in einer fiktiven vermeintlichen Erkrankung des Präsidenten an der Krankheit, die er in der Vergangenheit nicht bekämpft hatte (Vgl. Hieber 2011). Diese Sozialkritik scheint der Konzern sich also auf die Fahne geschrieben zu haben, auch wenn es stets Zweifler gab, die Benetton rein kommerzielle Interessen vorwarfen (Vgl. Hieber 2011, S.79). Sicher wird Oliviero Toscani, dem Fotografen der Black & White Kampagne von Benetton Ende der 80er-Jahre, bewusst gewesen sein, dass wenige Themen eine solche Sprengkraft besitzen wie Rassismus oder zumindest der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß. Sein wohl provokantestes Motiv in der Reihe ist daher das, der schwarzen Frau, die einen weißen Säugling stillt. Diese Provokation ging voll und ganz auf: „Das Bild hat in Benettons Kampagnenkollektion bis heute die meisten Auszeichnungen erhalten (Götting 2011).“
Bei der Untersuchung der Wirkung der Black and White Fotos fällt auf, wie geteilt die Reaktionen auf die Bilder ausfielen: Nicht nur im gesellschaftlichen Diskurs wurden sie, wie auch die bereits erwähnten Motive des sterbenden Aids-Kranken oder des mit dem Stempel H.I.V.-Positive auf dem Gesäß einer Frau, heftig diskutiert. Die Auseinandersetzung nahm sogar juristische Formen an, bei den Black and White -Motiven ging es dabei vorrangig um jene Länder, in denen Rassismus oder der Konflikt zwischen dunkelhäutigen und weißen Einwohnern besonders ausgeprägt war. Den Vorwurf, den Barbara Könches in ihrem Werk Ethik und Ä sthetik der Werbung an Oliviero und Benetton richtet, lautet beim Foto der stillenden Frau:
„Die fragmentarische Ansicht der Frau erinnert durchaus an das Klischee des farbigen Kindermädchens, das in seiner Totalansicht als nicht bildwürdig eingeschätzt werden könnte (Könches 2001, S.19).“
In den USA, traditionell ein Land, in dem Rassismus ein großes gesellschaftliches Thema ist, wurde das Plakat daher scharf kritisiert: Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung stufte das Plakat als rassistisch ein (Vgl. Könches 2001, S.19). Diese öffentliche Aufmerksamkeit, wenn auch in diesem Fall keine positive, „ist vielmehr von Benetton gewollt (Götting 2011).“ Wahrscheinlich hätte sich niemand besonders für das Motiv interessiert, wäre es so gestaltet gewesen, dass eine weiße oder auch schwarze Frau ihrem eigenen Kind die Brust gibt. Fraglich ist indes, warum Toscani sich so leichtfertig und selbstverschuldet in eine Ecke manövriert, in der er dem Protest der Rassismus-Gegner ausgesetzt ist: Hätte er das Foto schlicht andersrum, sprich ein schwarzes Baby, das von einer hellhäutigen Frau gestillt wird, inszeniert, hätte er den Anfeindungen entgehen können. Auf diese entgegnete der Fotograf, dass die Werbung das Markenmotto United Colors of Benetton nutze, „um eine antirassistische, kosmopolitische und tabulose Geisteshaltung bis in die hintersten Winkel gerade der Länder zu tragen, in denen der Rassismus besonders ausgeprägt ist, wie Südafrika oder die Vereinigten Staaten (Toscani 1996, S.40).“
Es ist nicht überraschend, dass vor allem in dem von der Apartheid über Jahre geprägten Südafrika große Skepsis gegenüber dem Motiv herrschte und man negative Reaktionen fürchtete. Aus diesem Grund erwirkte die Werbeträgerindustrie in dem afrikanischen Land ein Verbot gegen das Anbringen der Plakate (Vgl. Könches 2001, S.19). In Europa, wo Stereotypen der Öffentlichkeit vertraut zu seien scheinen (Vgl. Könches 2001, S.19), stand die große Masse der Öffentlichkeit ihnen offener gegenüber. Dies würde erklären, warum die Kampagne derart viele Auszeichnungen der Werbeindustrie erhielt. Fraglich ist indes, wie der Fotograf selber diese Auszeichnungen sieht. Schließlich betonte er stets, dass er sich nicht als Teil der großen, glitzernden Werbewelt verstünde, wie sie den meisten Menschen vorschwebt, wenn sie an PR und Werbung denken:
„Ich bin kein Werber, das ist mir wichtig. Ich bin Fotograf und mache Bilder über meine Zeit. Ich habe zwar für die Werbung gearbeitet, aber alles, was ich gemacht habe, war doch gerade das Gegenteil von Werbung. Ich nutze den Kanal der Werbung, um auf die Probleme der Welt aufmerksam zu machen (Toscani 2009).“
Ein Vorwurf an Toscani und seine Aktionen war stets der, dass er die Grenzen des guten Geschmacks verlasse. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob Werbung, wenn sie stets im
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