"Flatrate-Partys", "Komasaufen" oder Trinkgelage in Parks und vor Supermärkten - die Thematik des Alkoholkonsums wird in unserer GGesellschaft fast ausschließlich auf die Jugend bezogen. [...] Alkoholische Getrännke dienten zu Beginn des modernen medizinischen Zeitalters und auch heute noch als Medizin. [...] Situationsabhängig und beinah arbiträr ist die Gradwanderung der Bedeutung und der Funktionen, die dem Alkoholkonsum zugeschrieben werden: Vom Feieraabendbierchen, dem Wein zum Fleisch, dem Sekt zum Anstoßen auf ein tolles Ereignis bis hin zur ggefährlichen Droge - das Problem mit Alkohol ist sein widersprüchlicher Stellenwert des Alkoholgenusses vs. der Droge ...
Inhalt
1. Einleitung
2. Risiko-Diskurse
3. Suchtprävention und Risikoverhalten
3.1. Die Suchtprävention - von den Anfängen bis heute
3.2 Risikoverhalten und Risikokompetenz
4. Ausblick
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Flatrate-Partys“, „Koma saufen“ oder Trinkgelage in Parks und vor Supermärkten - die Thematik des Alkoholkonsums wird in unserer Gesellschaft fast ausschließlich auf die Jugend bezogen. Richtig bekannt wurde das „Koma saufen“ im Jahre 2007 durch den tra- gischen Fall des jungen Berliners Lukas W., der mit 16 Jahren starb, weil er über vierzig Shots des hochprozentigen Tequila getrunken hatte; Auslöser war eine Wette mit dem Wirt.1 Diese und andere Schlagzeilen kommentieren den exzessiven Alkoholkonsum von Jugendlichen und fordern unsere Gesellschaft und die Politik zum Handeln auf.
Fakt ist, dass Alkohol in Europa seit Jahrtausenden produziert und getrunken wird. Alkoholische Getränke dienten zu Beginn des modernen medizinischen Zeitalters und dienen auch heute noch als Medizin. Produziert aus allen möglichen Grundstoffen hatte Alkohol darüber hinaus den Zweck als Alternative zum keimbelasteten Brunnen- oder Flusswasser getrunken zu werden (vgl. Spode 1991). Situationsabhängig und beinahe arbiträr ist die Gradwanderung der Bedeutung und der Funktionen, die dem Alkoholkonsum zugeschrie- ben werden: Vom „Feierabendbierchen“, dem Wein zum Fleisch, dem Sekt zum Feiern eines tollen Ereignisses bis hin zur gefährlichen Droge - das Problem mit Alkohol ist sei- nem widersprüchlichen Stellenwert des Alkoholgenusses vs. der Droge. Die WHO sieht diese Tatsache als zentralen Grund für die Problematik einer rationalen Alkoholpolitik, denn man muss Maßnahmen für die Gesellschaft entwerfen mit dem Verständnis für das gesellschaftliche Bewusstsein für die positiven Funktionen des Alkoholkonsums (vgl. Weltgesundheitsorganisation, 2006).
Laut einer Studie sind es nicht die Jugendlichen, die am meisten Alkohol trinken, sondern vielmehr die 75- bis 85- Jährigen. Doch wie auch in Diskussionen um Gewalt und Medi- enkonsum ist es die Jugend, die wieder einmal den Kopf für gesamtgesellschaftliche Prob- leme hinhalten muss. Medien nennen die Ritualisierung des Alkoholkonsums unter Ju- gendlichen „Koma saufen“, dabei geht es den Jugendlichen nicht um den wörtlichen Sinn des ‚sich ins Koma zu saufen‘, sondern um das Ausprobieren, Erwachsenwerden uvm. Alkohol kann zum Beispiel den Zugang zu Peergruppen und somit den Kontakt zu Ande- ren erleichtern.2 Sensationsversprechende Neologismen treten an die Stelle der Ansprüche einer Genauigkeit und begrifflichen Exaktheit. Damit entstehen Unwahrheiten und Gerüch- te, die nicht den Tatsachen entsprechen, mit der Nebenwirkung, dass die „Jugend von heu- te“ als Risikofaktor und Unruhestifter für die Gesellschaft gesehen wird.
Im ersten Kapitel soll es um die Risiko-Diskurse im Hinblick auf die Jugend gehen. Au- ßerdem soll geklärt werden, was Risiko bedeutet und welche Muster man der Jugend zu- spricht.
Im darauffolgenden Kapitel wird die Entwicklung der Suchtprävention in Deutschland kurz erläutert werden, um dann näher auf den Begriffe der ‚ ‚Risikokompetenz‘ einzuge hen. Abschließend stellt sich die Frage nach der Aufgabe der Gesellschaft in diesem Kon- text.
2. Risiko-Diskurse
Risiko entsteht durch den Wunsch nach Absicherung gegen das Unabwägbare. Risiken werden identifiziert als diskursive Projektionsflächen für kollektive Ängste; man versucht Ängste zu bewältigen, ohne sie direkt zu thematisieren. Außerdem wird Risiko als Delegation und Verschiebung dieser kollektiven Sorgen und als diskursive Ventile gesehen (vgl. Bauman 2005). Folglich kann man nicht sagen, dass Jugend per se einen riskanten Lebensabschnitt darstellt, vielmehr spiegelt die Jugend den Ausdruck und das Ergebnis gesellschaftlicher Diskurse wider (Kelly 2001).
Risiken werden auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen verhandelt: Die Makro-Ebene bezieht sich auf das Gesamtgesellschaftliche und die strukturelle Ebene, die Meso-Ebene ist die Ebene sozialer Organisation und Institutionen und die Mikro-Ebene ist die intersub- jektive/subjektive Ebene. Risiko-Diskurse gibt es in verschiedenen Bereichen; in der Psy- chologie lässt sich auf der Mikro-Ebene fragen, warum sich eine Person in eine bestimmte Risikosituation begibt; in der Soziologie verbindet man mit Risiko-Diskursen u.a. den Übergang von Studium zu Arbeitsplatz und befindet sich somit auf der Meso-Ebene.
In Zusammenhang mit Risiko-Diskursen trifft es immer als erstes die Jugend. Nicht selten hört man Menschen von „der Jugend von heute“ im negativen Sinne sprechen. Doch welche Muster spricht man Jugendlichen eigentlich zu?
Jugendliche werden als Risikofaktor für die Gesellschaft gesehen, dabei ist die Jugend eher die Projektion der Probleme, die die gesamte Gesellschaft mit sich selbst hat (Griese/Mansel 2003:186). Da die Jugendlichen oft diejenigen sind, die sich trauen bestehende gesellschaftliche Konflikte zu benennen, werden sie oft als Unruhestifter gesehen - wer das Risiko benennt, wird sozusagen selbst zum Risiko erklärt. Ein drittes Muster ist die Jugend als bedrohte Jugend, die ständigen Risiken ausgesetzt ist bzw. sich diesen aussetzt und Aufmerksamkeit und Unterstützung benötigt.
Wie sehen diese Risiken aus, welchen die Jugend ausgesetzt ist? Sieht man sich das Risi- ko-Paradigma genauer an, so ergeben sich auch Probleme: Es kann schnell unhistorisch werden und verleitet dazu, ausschließlich die negativen Aspekte zu betonen, sodass von einem Großteil der Gesellschaft rasch eine Anti-Haltung und vielleicht sogar Ausgrenzung der Jugend die Folge sein kann. Desweiteren besteht die Gefahr, dass man keinen klaren Unterschied mehr macht zwischen riskanten Praktiken und Risikoverhalten, dabei ist gera- de dies ein entscheidender Punkt: Riskante Praktiken beinhalten nicht nur das Verhalten, sondern implizieren immer auch Verarbeitung. In der Forschung verleitet das Risiko- Paradigma zu einer einseitigen quantitativen Perspektive (Baier/Boehnke 2006).
Wichtig ist deshalb, dass man unterscheidet zwischen Risikolagen, riskanten Übergängen, subjektiv und kollektiv sinnhafte riskante Praktiken wie Übergangsrituale und Bildungs- prozesse, die ein gewisses eingehen von Risiken voraussetzen (vgl. Sharland, Sting), wie beispielsweise die unbewusste Bildung, indem man Fehler macht, aber aus welchen man eben dann lernt oder z. B. der Managementkompetenzerwerb, der durch Bungeejumping erworben werden soll.
Risikoverhalten ist ein ambivalentes Phänomen. Risiken bergen nicht nur bekannte Gefahren wie zum Beispiel Gesundheitsrisiken, Realitätsverlust oder Verlust sozialer Kompetenzen, sondern haben auch positive Seiten, wie die Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln, zu entspannen, Genuss, und Neugierde und Spaß (vgl. Barsch, 1998).
Giddens (1997) versucht den Begriff ‚Risiko‘ durch eine Wechselbeziehung von ‚Handeln‘ und ‚Struktur‘ zu systematisieren: Werden eher struktur- oder agency-bezogene Risiken thematisiert? Wer thematisiert wie welches Risiko? Ein pädagogisch anschlussfähiger Be- griff für ‚Risiko‘ benötigt das Wissen darum, welche strukturellen Bedingungen und Ver- werfungen des Auswachsens da sind, eine Vorstellung darüber, wie individuelle Hand- lungsfähigkeit aussieht und wie Struktur und Handeln zusammenhängen. Entscheidend ist, den kritischen Blick dafür zu bewahren, dass Risiken stets auch soziale Konstruktionen von Diskursen sind.
3. Suchtprävention und Risikoverhalten
Für die Ansätze von Suchtprävention stehen u.a. folgende Fragen im Vordergrund: Welche Kompetenzen brauchen Jugendliche, um sich innerhalb von Risiken zu bewegen? Welche Unterstützung kann ihnen die Pädagogik geben und wie sieht diese Unterstützung aus?
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1 http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,607070,00.html [18.08.2011]
2 http://www.lwl.org/ks-download/downloads/publikationen/FS_35.pdf S.10.