Gesellschaft und Bildungssystem stehen in Deutschland in einer wechselseitigen Abhängigkeit. Da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, konstituiert die Gesellschaft den Staat über freie Wahlen. Die Parteien wirken bei der Willensbildung des Volkes mit. Der Staat verfügt über ein Monopol über das gesamte Schulwesen und die Gesellschaft beeinflusst über Parteien den Staat.
Parteiprogramme sind wichtige Orientierungshilfen um den Willen der Parteien zu bestimmen. Sie werden umgesetzt, wenn die jeweilige Partei die Macht (und Verantwortung) dazu hat. Wegen der Wichtigkeit der Parteiprogramme stellen diese ein geeignetes Untersuchungsobjekt dar, um verschiedene grundsätzliche gesellschaftliche Positionen zum Schulsystem herauszustellen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Dies alles soll in dieser Arbeit im Blickwinkel einer “Theorie der Schule” geschehen.
Gliederung
1 Einleitung und Hinführung zum Thema
2 Das deutsche Schulsystem
3 Bildungspolitische Vorstellungen in Parteiprogrammen
1 SPD
2 CDU/CSU
3 GRÜNE
4 FDP
5 PDS
6 NPD
7 REP
8 SCHILL
9 MUT
10 GRAUE
11 ÖDP
4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu
5 Bildungspolitische Perspektiven
6 Zusammenfassung/ Fazit
1 Einleitung und Hinführung zum Thema
Gesellschaft und Bildungssystem stehen in Deutschland in einer wechselseitigen Abhängigkeit. Da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht,[1] konstituiert die Gesellschaft den Staat über freie Wahlen.[2] ‑Die Parteien wirken bei der Willensbildung des Volkes mit.[3] Der Staat verfügt über ein Monopol über das gesamte Schulwesen.[4] Die Gesellschaft beeinflusst über Parteien den Staat. Daher beeinflusst die Gesellschaft mittelbar die institutionelle Organisation des Schulwesens. Auch über die Lehrer als Multiplikatoren mit vielfach unterschiedlichen Ansichten und Standpunkten, (die sich natürlich innerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bewegen müssen[5]), nimmt die Gesellschaft als Ganzes Einfluß auf das Schulsystem (sofern man die Einstellung der Lehrer als repräsentativ für die Bevölkerung betrachten möchte[6]).
Parteiprogramme sind wichtige Orientierungshilfen um den Willen der Parteien zu bestimmen. Sie sollen umgesetzt werden, wenn die Partei die Macht (Regierungsverantwortung) dazu hat. Wegen der Wichtigkeit der Parteiprogramme und ihrer Glaubwürdigkeit[7] stellen diese ein geeignetes Untersuchungsobjekt dar, um verschiedene grundsätzliche gesellschaftliche Positionen zum Schulsystem herauszustellen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Dies alles soll in dieser Arbeit im Blickwinkel einer “Theorie der Schule” geschehen.[8]
Hierbei wird in so vorgegangen, dass zuerst die allgemeinen Parteiziele und Grundsätze vorgestellt werden, hier tritt das Weltbild der Partei zu Tage. Dann wird auf spezielle, das Schulsystem betreffende, Ziele eingegangen. Es ergibt sich nach dem Vergleich von allgemeinem Weltbild und den Forderungen zum Schulsystem, ein geschlossenes Gesamtbild von den bildungspolitischen Vorstellungen der Partei. Sodann werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ansichten der Parteien herausgestellt und mögliche zukünftige Entwicklungen betrachtet.
Die Hausarbeit wird durch eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und einem Ausblick des Verfassers abgerundet.
2 Das deutsche Schulsystem
Im deutschen Schulsystem gibt es eine gesetzliche Schul- und Unterrichtspflicht. Es ist öffentlich , daher gibt es staatliche Schulverwalten und vorgeschriebene Lehrpläne, Zensurenbestimmungen und Abschlußregelungen.[10]
DICHANZ, EUBEL und TILLMANN sehen folgende, die Makroorganisation betreffende, spezifische Merkmale des Schulsystems :[9]
„ (1)[11] die staatlich-föderale Struktur,
(2) die Dreigliedrigkeit des allgemeinbildenden Schulwesens
(3) die Trennung zwischen beruflichen und allgemeinbildenden Schulen
Punkt eins bezieht sich auf das hohe „ Maß an staatlichem Einfluß“[12], das durch Artikel 7 Absatz 1 GG manifestiert wird und die Kulturhoheit der Bundesländer, die in den Artikeln 72-75 GG festgelegt sind.
Nach Veröffentlichung der sogenannten PISA-Studie, bei der die SPD-regierten Länder auffällig gegenüber CDU-regierten Ländern abfielen[13], wurden Differenzen zwischen den Schulsystemen der Länder in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert und Bildungspolitik zu einem wichtigen innenpolitischen Thema.
Punkt zwei geht auf die historisch gewachsene Trennung von „akademischer“ und „volkstümlicher“ Bildung ein, die in den Schulformen in Hauptschule, Realschule und Gymnasium heute immer noch als Rest vorhanden ist.[14]
Aus angesprochener historischer Trennung ergibt sich auch die Differenzierung in berufliche und allgemeinbildende Schulen. Schüler müssen sich nach DICHANZ, EUBEL, TILLMANN (S.30) frühzeitig entscheiden , ob sie frühzeitig einen Beruf ergreifen möchten oder sich auf die Studienberechtigung vorbereiten.[15] Außerdem weisen sie darauf hin, dass in anderen Ländern diese frühe institutionelle Festlegung nicht vorhanden ist (z.B. USA, Schweden).
Diese drei wichtigen Merkmale sollen uns nun beim Vergleich der Parteiprogramme stets im Hinterkopf verbleiben, da sich die Parteien mit eventuellen Änderungs- oder Verbesserungsvorschlägen natürlich an den gegebenen institutionellen Rahmenbedingungen orientieren müssen.
3 Bildungspolitische Vorstellungen in Parteiprogrammen
SPD
Grundsätze[16]
Im „Berliner-Programm“[17],das 1989 erschien und 1998 geändert wurde, werden zuerst allgemeine Ziele wie “Freiheit und Gerechtigkeit, Demokratie und Solidarität,Frieden und internationale Zusammenarbeit” (S.2) genannt. Die SPD als Volkspartei und momentan stärkste Partei im Bundestag beschränkt sich nicht auf einzelne Themen oder Standpunkte, ihre Rolle als klassische Arbeiterpartei hat sie längst aufgegeben. Sie tritt für umfassende soziale Sicherung ein und definiert: ‑Gerechtigkeit erfordert mehr Gleichheit in der Verteilung von Einkommen, Eigentum und Macht, aber auch Zugang zu Bildung, Ausbildung und Kultur“[18]
Bildungspolitische Forderungen
Als Ziel von Bildung wird nicht nur „Qualifikation für Beruf und Fortkommen“[19] gesehen. Denn : ‑Bildung hat Eigenwert für die Entfaltung der Person_.[20] Bildung solle auch das kulturelle Selbstverständnis fördern, sowohl für die eigene, als auch für andere Kulturen. Arbeitsfreie Zeit soll sinnvoll genutzt werden. Dazu sei Bildung notwendig. Für wichtig wird auch der Aspekt der Vermittlung von Methoden zum Umgang mit der Informationsflut erachtet. Bemerkenswert ist folgende Feststellung (nicht wegen des Tippfehlers im Parteiprogramm!) :”wird sich berufliche Erfüllung und sogar beruflicher Erfolgt um so eher einstellen, je weniger sich Bildung eng und einseitig darauf konzentriert.”[21] Weiterhin sind folgende bildungspolitische Forderungen auszumachen:
-Ganztagsschulen für mehr Chancengleichheit
-Selbstbestimmung der Bildungseinrichtungen soweit möglich
-gemeinsame Erziehung damit Vorurteile abgebaut werden (z.B.gegen Ausländer)
-kulturelle Weiterbildung als kommunale Pflichtaufgabe
-Förderung statt Auslese, deshalb Gesamtschulen
-Forschung und Lehre sollen sich mehr nach arbeitsweltlichen Problemen richten.
-Weiterbildungsmöglichkeiten: zeitliche Dauer mindestens wie Erstausbildung
-Keine Bevorzugung von Natur- und Technikwissenschaften
-gesellschaftliche Kontrolle ethisch bedenklicher wissenschaftlicher Experimente.
-Der Staat hat das Recht mit Verboten und Auflagen in die Forschung einzugreifen.[22]
Die SPD sieht auch die Notwendigkeit von politischer Bildung. Bildung solle sich nicht auf Wissensvermittlung beschränken, sondern es soll auch praktische Handlungsfähigkeit herausgebildet werden, und Mitmenschlichkeit, Solidarität und Verantwortungsbewußtsein enrwickelt werden.[23]
CDU/CSU
Grundsätze[24]
Der volle Name der beiden Schwesterparteien verrät schon auf den ersten Blick ihre Maxime : Normen und Wertvorstellungen sind hier christlich geprägt. Im Grundsatzprogramm[25] der CDU sind ‑Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit“ konkrete Ausprägungen davon.[26] Ihre geistigen Wurzeln liegen im ‑christlich motivierten Widerstand gegen das nationalsozialistische Terrorregime, in der Sozialethik der christlichen Kirchen und in der liberalen Tradition der europäischen Aufklärung“.[27] Auch die CDU ist eine Volkspartei, sie besitzt zur Zeit die zweitmeisten Sitze im Bundestag. Zwischen CDU und CSU soll hier nicht weiter differnziert werden.
Bildungspolitische Forderungen
Auch die CDU sieht als wichtigen Aspekt von Erziehung und Bildung an, dass diese „zur Persönlichkeitsbildung beitragen“[28] Politische Bildung gehört dazu: -Erziehung und Bildung zielen auf die Bejahung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates und die im Grundgesetz verankerte Wertordnung.“[29] Die CDU spricht gegen die Extreme “wertneutrale Beliebigkeit und weltanschauliche Parteilichkeit”[30] aus. Die weiteren Forderungen lassen sich wie folgt stichpunktartig zusammenfassen.
1 das Prinzip der Chancengerechtigkeit und das Leistungsprinzip
2 Lehrinhalte und Ausbildungsgänge straffen, Ausbildungszeiten kürzen, um im internationalem Wettbewerb bestehen zu können
1 gesetzlich geschützter evangelischer und katholischer Religionsunterricht
2 Durchlässigkeit der Laufbahnen und qualifizierte Fort- und Weiterbildung
3 stärkere Verbindung zwischen Arbeitsmarkt und Bildungssystem
4 Ausbau von Fachhochschulen, Berufs- und Verwaltungsakademien
5 Zusatzangebote für Leistungsstarke, Förderung auch für Leistungsschwache[31]
6 „Leistung, Kreativität und Wettbewerb“ der Hochschulen[32]
7 ethische Kontrolle von Forschung z.B. : Genforschung
8 „Verbund zwischen außeruniversitären Einrichtungen und Hochschulen“[33]
9 transparenter [...] Leistungsvergleich zwischen den Schulen in Deutschland[34]
10 lebenslanges Lernen statt einmalige Ausbildung
11 Stärkung der betrieblichen Aus- und Weiterbildung
GRÜNE
Grundsätze[35]
Der Hauptgedanke der GRÜNEN bei ihrer Gründung war der Umwelt- und Naturschutz. Die GRÜNEN sind jedoch längst nicht mehr die Partei, die nur auf Umwelt- und Naturschutz fixiert ist. Das wäre für eine Partei, die in Regierungsverantwortung steht, auch gar nicht möglich. Innerhalb der GRÜNEN gibt es sehr verschiedene, zum Teil gegenläufige Strömungen. Der außenpolitsche Standpunkt der GRÜNEN hat sich von einem völligen Gewaltverzicht losgesagt, hierbei gibt es jedoch einige Gegenstimmen. Die GRÜNEN befürworten eine stark multikulturell geprägte Gesellschaft und sehen Deutschland als Einwanderungsland, dies wirkt sich auch auf die bildungspolitischen Forderungen aus.
[...]
[1] Siehe Artikel 20 II Satz 1 GG
[2] Siehe Artikel 20 II Sazu 2 GG und Artikel 38 I GG. Auf die Problematik Nicht-Wahlberechtigter Personen wird hier nicht eingegangen.
[3] Artikel 21 I Satz 1 GG
[4] Siehe Artikel 7 I G, siehe auch bei DICHANZ, EUBEL, TILLMANN, Seite 25-27
[5] Zum Dienst- und Treueverhältnis von Beamten : BECKER S. 822 ff
[6] Diese Unterstellung wäre es wert untersucht zu werden. Dies kann in dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden.
[7] Ein Handeln einer Partei gegen das eigene Programm würde ihren Ruf und ihre Glöaubwürdigkeit schädigen und damit mögliche spätere Wählerstimmen kosten.
[8] Zum Begriff „Theorie der Schule“: siehe DICHANZ, EUBEL, TILLMANN
allgemein : Seite 14-19. Speziell : Seite 18 die Fußnote
[9] Ausführlich in DICHANZ, EUBEL, TILLMANN S. 24-31
[10] DICHANZ, EUBEL, TILLMANN S. 24 unter Gliederungspunkt 2.2
[11] Nummerierung von mir, M.M.
[12] DICHANZ, EUBEL, TILLMANN S.25
[13] Darstellung und Gründe siehe BAUMERT 2001 und BAUMERT 2002.
[14] DICHANZ, EUBEL, TILLMANN, S. 28-30
[15] Interessant wäre es festzustellen wieviele Jugendliche heute mit Abitur eine Lehre anfangen oder eine integrierte Ausbildung (Studium+Lehre) absolvieren, da sich der Arbeitsmarkt für die Firmen positiv entwickelt hat und sie eine große Auswahl an Bewerbern für jede Stelle haben.
[16] Ordnung der Parteien bis Punkt fünf-PDS nach Sitzen im Bundestag, danach willkürlich.
[17] http://www.spd.de/servlet/PB/show/1010243/programmdebatte_grundsatzprogramm.pdf bietet es auf einer abspeicherbaren pdf-Datei an (hierfür in der Hausarbeit nur noch der Hinweis „pdf“)
[18] Im Berliner Programm Seite 12, Datei s.o., Hervorhebungen von mir, M.M..
[19] Berliner Programm S.30
[20] Ebenda
[21] Ebenda
[22] Ebenda, S.32
[23] Siehe Berliner Programm S.24
[24] Internetauftritt : http://www.cdu.de/ bzw. : http://www.csu.de/
[25] http://www.cdu.de/politik-a-z/grundsatzprogramm/grundsatzprogramm.doc
[26] CDU- Grundsatzprogramm 1994 Kapitel I 1.
[27] Ebenda
[28] a.a.O. Kapitel II 3. Punkt 54
[29] a.a.O. Kapitel II 3. Punkt 55
[30] Ebenda
[31] Nr. 1-8 a.a.O.: Punkte 56-62
[32] a.a.O : Kapitel VI 2.
[33] Regierungsprogramm CDU/CSU 2002-2006: S. 18
[34] a.a.O S. 20
[35] Internetauftritt : http://www.gruene.de/