„Da stehen die alten Schreibmaschinen von damals, und da steht da die Lehrerin mit dem Dutt und Brille und macht dann den Kurs 'Schreibmaschine für Anfänger'“1
Die Volkshochschule – eine tradierte Einrichtung mit obsolet erscheinenden Bildungsangeboten? Das Image einer Volkshochschule, deren Weiterbildungsprogramme sich auf Schreibmaschinenkurse und ähnliche, nicht mehr so recht in die heutige Zeit passende Bildungsangebote beschränken, deren Lehrmethoden den starren Rahmen überlieferter Frontaldidaktik nicht zu brechen vermögen und unterstrichen werden durch Lehrpersonal, welches „mit Dutt und Brille“ fest im alten Stil verankert scheint, ist mit Gewissheit eine überspitzte Darstellung realer Verhältnisse. Und doch lässt dieses Zitat ein wesentliches Erfordernis an die Weiterbildungseinrichtung Volkshochschule erahnen, welches in dem Begriffspaar „lernende Organisation“ einen Ausdruck findet. Mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft ist auch die Volkshochschule gezwungen, sich neuen Gegebenheiten anzupassen, bzw. diese frühzeitig zu erkennen und dementsprechend zu reagieren. Gerade in der heutigen Zeit, in der Weiterbildung als Voraussetzung für beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg gilt, sollten sich auch Volkshochschulen umfangreicher staatlicher Subventionen erfreuen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Volkshochschulen stehen vor dem Problem, die ihnen gestellten Anforderungen finanziell nicht mehr bewältigen zu können. Im Dschungel der Weiterbildungsangebote kämpfen Volkshochschulen zunehmend gegen die starke Konkurrenz privater Bildungsdienstleister. Um auf dem Bildungsmarkt bestehen zu können, um dem auf ihnen lastenden „Veränderungsdruck“2 mit innovativer Kraft zu begegnen, sind Volkshochschulen als pädagogische Organisationen gefordert, nicht nur als Orte des Lernens zu fungieren, sondern selbst die Rolle des Lernenden einzunehmen.
Das Lernziel der Organisation Volkshochschule sollte sich dabei nicht auf eine oberflächliche Renovierung ihres Images beschränken, sondern eine grundlegende Sanierung erstarrter Organisationspolitik fokussieren.
Doch was versteht man unter einer „lernenden Organisation“? Wie lässt sich Organisationslernen theoretisch fassen und nicht zuletzt auch in die Praxis übertragen?
[...]
1 Feld, Timm C.: Volkshochschulen als lernende Organisationen. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2007, S. 159.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Dringlichkeit des Wandels – Volkshochschulen unter Veränderungsdruck
2.1 Finanzlage
2.2 Demographischer Wandel
2.3 Bildungsbedarfe
3. Die lernende Organisation Volkshochschule
3.1 Ist eine Organisation lernfähig?
3.2 Charakteristikum der lernenden Organisation aus Sicht der Volkshochschulleiter
3.3 Förderliche Faktoren organisationaler Lernprozesse
4. Fazit
Literatur
1. Einleitung
„Da stehen die alten Schreibmaschinen von damals, und da steht da die Lehrerin mit dem Dutt und Brille und macht dann den Kurs 'Schreibmaschine für Anfänger'“[1]
Die Volkshochschule – eine tradierte Einrichtung mit obsolet erscheinenden Bildungsangeboten? Das Image einer Volkshochschule, deren Weiterbildungsprogramme sich auf Schreibmaschinenkurse und ähnliche, nicht mehr so recht in die heutige Zeit passende Bildungsangebote beschränken, deren Lehrmethoden den starren Rahmen überlieferter Frontaldidaktik nicht zu brechen vermögen und unterstrichen werden durch Lehrpersonal, welches „mit Dutt und Brille“ fest im alten Stil verankert scheint, ist mit Gewissheit eine überspitzte Darstellung realer Verhältnisse. Und doch lässt dieses Zitat ein wesentliches Erfordernis an die Weiterbildungseinrichtung Volkshochschule erahnen, welches in dem Begriffspaar „lernende Organisation“ einen Ausdruck findet. Mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft ist auch die Volkshochschule gezwungen, sich neuen Gegebenheiten anzupassen, bzw. diese frühzeitig zu erkennen und dementsprechend zu reagieren. Gerade in der heutigen Zeit, in der Weiterbildung als Voraussetzung für beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg gilt, sollten sich auch Volkshochschulen umfangreicher staatlicher Subventionen erfreuen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Volkshochschulen stehen vor dem Problem, die ihnen gestellten Anforderungen finanziell nicht mehr bewältigen zu können. Im Dschungel der Weiterbildungsangebote kämpfen Volkshochschulen zunehmend gegen die starke Konkurrenz privater Bildungsdienstleister. Um auf dem Bildungsmarkt bestehen zu können, um dem auf ihnen lastenden „Veränderungsdruck“[2] mit innovativer Kraft zu begegnen, sind Volkshochschulen als pädagogische Organisationen gefordert, nicht nur als Orte des Lernens zu fungieren, sondern selbst die Rolle des Lernenden einzunehmen.
Das Lernziel der Organisation Volkshochschule sollte sich dabei nicht auf eine oberflächliche Renovierung ihres Images beschränken, sondern eine grundlegende Sanierung erstarrter Organisationspolitik fokussieren.
Doch was versteht man unter einer „lernenden Organisation“? Wie lässt sich Organisationslernen theoretisch fassen und nicht zuletzt auch in die Praxis übertragen?
Die Studie zu „Volkshochschulen als lernende Organisationen“, welche Tim Feld im Rahmen seiner Dissertation im Jahr 2007 veröffentlichte, befasst sich mit der Lernfähigkeit von Volkshochschulen und entwirft ein „Anforderungsprofil an eine lernende Organisation [...]“ [3], welches in seiner Komplexität als Orientierungshilfe für pädagogische Organisationen zu verstehen ist.
Die vorliegende Arbeit sinnt weniger auf eine Darstellung und detaillierte Erörterung des von Feld erstellten Anforderungsprofils, als auf eine Auseinandersetzung mit der lernenden Organisation Volkshochschule an sich. Zwar werden im Zuge dieser Auseinandersetzung Kernpunkte des Anforderungsprofils beleuchtet, doch wird sich der Fokus hierbei besonders auf die Aussagen der in Experteninterviews zu Wort kommenden Volkshochschulleitern aus Felds Studie legen.
Da sich Organisationsentwicklung und organisationales Lernen nur vor dem Hintergrund ihrer Notwendigkeit verstehen lässt, wird sich die Arbeit einleitend mit verschiedenen Gegebenheiten befassen, die dem Wandel der Volkshochschulen zugrunde liegen.
2. Die Dringlichkeit des Wandels – Volkshochschulen unter Veränderungsdruck
Der Wandel der vornehmlich industriell geprägten Gesellschaft zur Wissens- oder auch „Lerngesellschaft“[4], die Bildungsexpansion der 60er Jahre und die zunehmende Globalisierung führen zu gravierenden Umbrüchen in der Bildungslandschaft, namentlich im Bereich der Erwachsenenbildung. Die Etablierung einer neuen Lernkultur, in deren Fokus das lebenslange Lernen steht, die Fundierung neuer Lerninhalte und nicht zuletzt die Bewegungen, die sich auf der didaktischen Ebene vollziehen, bleiben nicht ohne Auswirkungen auf das Volkshochschulwesen. Waren Volkshochschulen als gemeinwohlorientierte Institutionen, die wie kaum eine andere Organisation mit der Gesellschaft verquickt sind und sich ebendarum mit gesellschaftlichen Umgestaltungen arrangieren mussten, schon seit jeher im Wandel begriffen, so lastet heutzutage ein Veränderungsdruck eklatanten Ausmaßes auf ihnen, der in den nachfolgenden Abschnitten näher beleuchtet werden soll.
2.1 Finanzlage
Wirft man einen Blick auf die historische Entwicklung der Volkshochschulbildung, so wird man des kurvenartigen Verlaufes gewahr, der sich hinsichtlich ihrer finanziellen Förderung durch den Staat abzeichnet. Hielten sich die staatlichen Subventionsbestrebungen zur Zeit der Weimarer Republik (trotz hoher Wertschätzung der Erwachsenenbildung) noch stark in Grenzen, so erfreute sich das Volkshochschulwesen seit Beginn der 60er Jahre einer vermehrten finanziellen Zuwendung. „Qualifizierungsoffensive“[5] und „realistische Wende“ [6] lösten einen Prozess nicht nur der inhaltlichen Umgestaltung des Volkshochschulbereiches aus, sondern fanden ebenso in einer „verbesserten finanziellen Ausstattung“[7] ihren Niederschlag. Das humanistische Bildungsideal, welches den Bereich der Erwachsenenbildung seit Anbeginn prägte, rückte in den Schatten karrierefördernder und „praktisch verwertbare[r]“ [8] Bildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen, die, nicht zuletzt aufgrund des erhöhten staatlichen Finanzierungsvolumens, an ökonomische Hoffnungen geknüpft waren. Das Weiterbildungssystem der Volkshochschulen, in welches der Staat investierte, sollte sich auch auf staatswirtschaftlicher Ebene rentieren. Die Phase der gesteigerten finanziellen Bezuschussung setzte sich in den 70er Jahren fort. Investierte der Staat im Jahr 1965 noch 293 Millionen DM, so stieg diese Summe fünf Jahre später auf etwa das Doppelte an. [9] Diese finanzielle Nestwärme, in der sich die Volkshochschule bewegte, fand in den späten 80er Jahren jedoch ein Ende. Zwar verzeichneten die einzelnen Einrichtungen nicht zuletzt aufgrund der rasant fortschreitenden Technologisierung auch und gerade des privaten Lebensbereiches regen Zulauf, dazu evozierten industrielle Krisenstimmung und der Anstieg der Arbeitslosigkeit eine weitere Freisetzung erheblicher finanzieller Mittel des Staates für das Weiterbildungssystem „von 2,5 Mrd. DM (1980) auf 8,1 Mrd. DM (1988)“ [10]. Doch die staatlichen Reserven waren bald aufgebraucht. Die Arbeitsverwaltung verzeichnete im Jahr 1989 ein Defizit von 6 Mrd. DM.[11] Die Konsequenz, die sich vor dem Hintergrund dieser prekären wirtschaftlichen Situation für das Volkshochschulwesen ergab, liegen auf der Hand. Der Staat reduzierte sein Subventionsprogramm drastisch und zog sich weitgehend aus der finanziellen Verantwortung zurück. Die Volkshochschulen, die sich bisher einer staatlichen finanziellen Rückendeckung erfreuten, fanden sich nun im kalten Wasser marktwirtschaftlicher Konkurrenz wieder. An dieser Situation hat sich bis heute wenig geändert. Noch immer sehen sich Volkshochschulen einem „verstärkten Wirtschaftlichkeitsdruck“[12] ausgesetzt, noch immer hängt ihr Überleben unmittelbar von dem ihnen zur Verfügung stehenden Budget ab. Die Dramatik, die sich angesichts schwindender Fördermittel im Bereich der Volkshochschulen erahnen lässt, findet in den Aussagen der interviewten Volkshochschulleitungen expliziten Ausdruck. Es ist von einer „einzige[n] Super-Sonderkatastrophe“[13] die Rede, von einer scheinbar ausweglosen Situation, die diesen Bereich der Erwachsenenbildung an den Rand des Möglichen drängt, von einer Zwangslage, die nicht mehr allein durch weitere Einsparungen bewältigt werden kann:
[…]
[1] Feld, Timm C.: Volkshochschulen als lernende Organisationen. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2007, S. 159.
[2] Ebenda, S. 3.
[3] Ebenda, S. 253.
[4] Parallel zu den Diskursen um Informations- und/oder Wissensgesellschaft charakterisierte Karl Bednarik 1966 die gegenwärtige Gesellschaft als Lerngesellschaft und verwies dabei auf die Prämisse des lebenslangen Lernens. Vgl.
Brödel, Rainer/ Siebert, Horst (Hrsg.): Ansichten zur Lerngesellschaft. Festschrift für Josef Olbrich. Schneider Verlag, Hohengehren 2000, S. 3.
[5] Siebert, Horst: Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik Deutschland – Alte Bundesländer und neue Bundesländer. In: Tippelt, Rudolf/ von Hippel, Aiga (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. 4., durchgesehene Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, S. 67.
[6] Ebenda.
[7] Ebenda.
[8] Ebenda, S. 68.
[9] Ebenda, S. 70.
[10] Ebenda, S. 69.
[11] Vgl. ebenda.
[12] Feld, S. 156.
[13] Ebenda.