Die Hausarbeit analysiert, in welchem Maße die Europäische Zentralbank (EZB) in ihren Entscheidungen unabhängig ist und Entscheidungen umgesetzt werden können.
Neben dem Aufbau der entscheidungsrelevanten Gremien: EZB-Rat, EZB-Direktorium und dem erweiterten EZB-Rat wird der Grad der institutionellen, personellen und operativen Unabhängigkeit beschrieben und festgestellt.
Außerdem beschreibt die Arbeit den Umfang der demokratischen Legitimation der Gremien der EZB sowie der Organisation als ganzes.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aufbau der Arbeit
3. Der Aufbau der Europäischen Zentralbank
3.1. Der EZB-Rat
3.2. Das Direktorium
3.3. Der erweiterte EZB-Rat
4. Unabhängigkeit der EZB
4.1. Institutionelle Unabhängigkeit
4.2 Personelle Unabhängigkeit
4.3. Operative Unabhängigkeit
5. Demokratische Legitimation
6. Schlusswort
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 09. Dezember 2009 begann in Europa die Staatsschuldenkrise. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou machte deutlich, dass die Finanzprobleme des Landes so umfangreich seien, dass es kein sicherer Schuldner mehr sei. Die Schulden beliefen sich damals auf 300 Mrd. Euro, 112,6% des Bruttoinlandsprodukts.[1]
Ein solch hohes Defizit ist nach den Regeln des Maastrichter Vertrags gar nicht zulässig. Das Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit sagt aus, dass das „Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen“ höchstens 60% betragen darf.[2]
Um sowohl Griechenland, als auch die europäische Einheitswährung Euro zu stützen, wurde zügig ein Rettungspaket zwischen den übrigen Euroländern geschnürt und am 25. März 2010 auf einem Euro-Gipfel beschlossen. Die Verantwortlichen versuchten der Lage Herr zu werden.[3] Die sich weltweit fortsetzende Rezession setzte sie dabei zusätzlich unter Druck.
Mit der Zeit gerieten auch andere Euroländer in Bedrängnis. Ein Eurogipfel folgte dem nächsten bis zu einem weiteren Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise: Am 13.01.2012 kündigte die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s an, die Bonität Spaniens, Irlands, Zyperns, Frankreichs, Österreichs, Italiens, Portugals, Maltas, Sloweniens und der Slowakei herabzusetzen.[4]
In Folge dessen setzten Spekulanten stärker auf den Verfall des Euro, was die Situation weiter verschärfte. Im Verlauf des Jahres wurde ein weiteres Mal auf Euro-Gipfeln zunächst der vorübergehende sogenannte Rettungsschirm European System of Financial Supervision (ESFS) und später der permanente Rettungsschirm European Stability Mechanism (ESM) ausgehandelt und anschließend von den Mitgliedsstaaten ratifiziert. Umfang: 700 Mrd. Euro. Damit hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs ihr Instrument zur Begegnung und Bewältigung der Krise gefunden. Es wirkte.[5]
Einen großen Anteil an der Beruhigung der Euro-Krise hat wohl auch die Aussage des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi aus dem Juli 2012, als dieser verkündete, dass die Europäische Zentralbank alles in ihrer Macht stehende unternehmen werde, um ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern. Dazu gehöre auch ein unbegrenzter Ankauf von Anleihen kriselnder Eurostaaten.[6] Der Euro müsse gerettet werden: „what ever it takes“, hatte Mario Draghi gesagt.[7] Sofort wurde Kritik an diesem Vorgehen laut. Zu den Kritikern gehörte auch die Unionsfraktion aus dem Deutschen Bundestag.[8] Ihrer Meinung nach greife die EZB damit direkt in Schäubles deutschen Steuertopf und überschreite damit die Grenzen der rechtlich zulässigen Möglichkeiten, die der EZB zur Verfügung stünden.
Den Kritikern setzen die Verantwortlichen der EZB, allen voran EZB-Präsident Draghi entgegen, dass die EZB in ihrer Entscheidung frei von politischer Einflussnahme sein müsse und dies auch tatsächlich sei. Notenbanken wie die EZB verfolgten andere Ziele als Parteipolitiker, Regierungschefs und Parlamentsfraktionen.
Die vorliegende Arbeit soll sich genau dieser Frage nähern. Was sind die Aufgaben der EZB, wie ist ihre Organisation aufgebaut und wie unabhängig kann sie dabei agieren. Dabei wird das Augenmerk nicht auf der derzeit drängenden Frage liegen, die sich aus dem oben Aufgeführten schon herauslesen lässt und mit der sich derzeit das Bundesverfassungsgericht beschäftigt: Verstößt Draghis Ankündigung gegen das deutsche Grundgesetz? Eine treffende Beantwortung der Frage traue ich mir weder zu noch denke ich sie umfänglich herausarbeiten geschweige denn dies innerhalb des in einer Hausarbeit zur Verfügung stehenden Rahmens abhandeln zu können.
2. Aufbau der Arbeit
Damit die Arbeitsweise der EZB und damit auch die Frage verstanden werden kann, inwieweit die EZB in ihren Entscheidungen frei handelt, sind Kenntnisse über die entscheidungsrelevanten Gremien des Organs der Europäischen Union notwendig. Dazu gehören nicht nur der EZB-Rat, sowie das Direktorium der Notenbank, sondern auch der erweiterte EZB-Rat.
Dem folgt das Kernthema der Arbeit: die Unabhängigkeit der EZB. Wie stellt sie sich dar, woran ist sie erkennbar und wie ist sie vertraglich und rechtlich gesichert. Die rechtliche Unabhängigkeit hat direkte Auswirkungen auf die personelle sowie die operative Autonomie der EZB.
Zu der Frage der Autonomie gehört des Weiteren das Thema der demokratischen Legitimation der handelnden Akteure. Es folgt das Fazit.
3. Der Aufbau der Europäischen Zentralbank
Die Europäische Zentralbank hat drei wichtige entscheidungsbefugte Gremien, die jeweils klar abgesteckte Aufgaben zu bewältigen haben und die in unterschiedlichen Abständen tagen.
Zuvorderst ist der EZB-Rat zu nennen. Seine sechs Mitglieder aus dem Direktorium und die 17 Präsidenten der Notenbanken des Euroraums bilden gemeinsam das oberste Entschlussgremium der EZB.
Das Direktorium leitet die laufenden Geschäfte und sorgt für die notwendige Vor- und Nachbereitung der Ratssitzungen.[9]
Das dritte Gremium ist der erweiterte EZB-Rat. Dieses hat andere Aufgaben als der EZB-Rat und besteht aus den Notenbankpräsidenten aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.[10] Der Präsident des Direktoriums sitzt den anderen beiden Gremien ebenfalls vor.
[...]
[1] Illing, Falk, Deutschland in der Finanzkrise, Wiesbaden, 2013, S. 79
[2] Vertrag über die Europäische Union, Amtsblatt Nr. C 191 vom 29.Juli 1992, Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, Artikel I
[3] Illing, Falk, Deutschland in der Finanzkrise, Wiesbaden, 2013, S. 83
[4] Standard & Poors, Sovereign Rating Actions, http://www.standardandpoors.com/ratings/sovereign-actions/en/us, Einsichtnahme 10.09.2013
[5] Illing, Falk, Deutschland in der Finanzkrise, Wiesbaden, 2013, S. 135
[6] Braun, Benjamin, Vergesst das Dogma der Unabhängigkeit, http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-06/geldpolitik-draghi-ezb-abhaengigkeit , Einsichtnahme 25.06.2013
[7] Brinkmann, Bastian, Bundesbank attackiert Draghis Euro-Versorechen, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/streit-der-notenbanken-bundesbank-attackiert-draghis-euro-versprechen-1.1659324 , Einsichtnahme 20.07.2013
[8] Faz.net, EZB will ohne Limit Staatsanleihen kaufen, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/ratssitzung-ezb-will-ohne-limit-staatsanleihen-kaufen-11880988.html , Einsichtnahme 19.07.2013
[9] Art. 129 I AEUV
[10] Art. 44.2. ESZB-Satzung