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Seminararbeit, 2013
40 Seiten, Note: 1,5
1. Einleitung
2. Sozialpolitische Situation in Deutschland
3. Das deutsche Rentensystem.
3.1. Zahlen und Fakten
3.2. Analyse der Ursachen der Krise
3.3. Prognose
4. Frauen und Rente
4.1. Altersarmut von Frauen
4.2. Möglichkeiten zum Abbau der Altersarmut bei Frauen
a) Grundsätzliche Überlegungen
b) Konkrete Möglichkeiten
5. Ländervergleich Dänemark- Deutschland
6. Fazi
7. Literaturangaben
8. Anhang
Es ist international anerkannt und in völkerrechtlichen Dokumenten verankert, dass Menschen im Alter in einer besonderen Lebenssituation stehen, die auch eines besonderen Schutzes bedarf. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (Art. 25) benennt die Sicherheit im Alter als Menschenrecht.
Art. 22 der Allgemeinen Erklärung und Art. 9 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erkennen darüber hinaus ein allgemeines Recht auf soziale Sicherheit an. Obwohl auch Artikel 3 des Grundgesetzes die Diskriminierung von Frauen verbietet und zudem einen Auftrag zur Förderung von Frauen enthält (vgl. Schubert 1993:20), sind immer noch Frauen unterproportional an Beiträgen und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beteiligt.
Die in den vergangenen Jahren zahlreich durchgeführten Reformen zur Anpassung der gesetzlichen Rentenversicherung an die veränderten demographischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen haben nicht zu einer Gleichstellung der Frauen (vgl. Buhlman 2003:29) und dem Abbau von Diskriminierung geführt.
Die Sozialpolitik der BRD lässt sich als eine Kombination aus dem konservativen und dem sozialdemokratischen Typ beschreiben. Kennzeichnend sind die umfangreichen staatlichen Sozialleistungen und verbandsförmige, betriebliche und private Sozialpolitik. Der aus knapp zwei Dritteln aus Beiträgen und zu mehr als einem Drittel aus Steuern finanzierte Sozialstaat mit dem Kernelement Sozialversicherung basiert auf der Basis von Versorgungs- und Fürsorgeprinzipien und wird durch Einrichtungen der Sozialen Hilfe ergänzt. Leistungen der Sozialhilfe sind das bedürftigkeitsgeprüfte Grundeinkommen und beitragsabhängige Sozialleistungen wie z. B. Altersrenten und Arbeitslosengeld. Die Sozialpolitik der BRD basiert parteipolitisch auf zwei Sozialstaatsparteien: der CDU und der SPD. Neben der Sozialhilfe als Basissicherung für alle Staatsbürger stellt sie auch Sozialhilfe (mit Abstrichen) für in der BRD wohnhafte Nicht-Staatsangehörige bereit. Die Sozialpolitik der BRD nimmt im internationalen Vergleich einen Rang in der Oberschicht der Wohlfahrtsstaaten ein. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, welche in Armut leben bzw. von Armut bedroht sind; hierzu zählen besonders alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern und alleinstehende alte Frauen.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zwischen der DDR und der BRD im Jahr 1990 wurde die Sozialpolitik der DDR fast vollständig von der der alten Bundesrepublik ersetzt, woraus sich weitreichende Folgen für die Sozialpolitik der BRD ergaben.
Einen beträchtlichen Teil der sozialen und ökonomischen Kosten der Umwandlung der ostdeutschen Wirtschaft und Gesellschaft haben das westdeutsche Sozialpolitiksystem, insbesondere die Altersrenten und die Arbeitslosenversicherung, abgefangen, während sich parallel der Faktor Arbeit verteuerte. Die meisten ostdeutschen Altersrentner profitierten, da das niedrige Niveau der DDR-Altersrenten durch mehrfache Erhöhungen dem westdeutschen Rentenniveau angepasst wurde. Die Folgen sind eine erhebliche Belastung der Beitrags- und Steuerzahler im Westen, eine drastische Erhöhung der Staatsverschuldung sowie schwere Verteilungskonflikte (vgl. Andersen 2003:16).
Im September 2010 hat die Europäische Kommission ihre neue "Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015" veröffentlicht. Ziel der Strategie ist die Gleichstellung der Geschlechter in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen (z. B. gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit) und der Abbau der geschlechtsspezifischen Gewalt und Diskriminierung gegenüber Frauen (vgl. Bundesministerium 2013).
52 Millionen Versicherte und über 20 Millionen Rentner werden derzeit von der deutschen Rentenversicherung betreut. Im Jahr 2011 waren es insgesamt 20.534.397, davon 8.691.707 Männer und mit größerem Anteil 11.842.690 Frauen (vgl. Statistik der deutschen Rentenversicherung 2012).
Die demographische Entwicklung Deutschlands, das heißt die überproportionale Zunahme alter Menschen im Verhältnis zu jungen Menschen, ist ein bedeutender Faktor mit erheblichen (und kostenintensiven) Auswirkungen auf das Rentensystem. „Deutschland ist das Altenheim Europas, das Durchschnittsalter beträgt derzeit 44,2 Jahre, jeder 5. Deutsche ist über 65“ (Hüther 2012:132).
Der Altenquotient steigt von aktuell 33,8 % bis zum Jahr 2030 auf 63,1% (vgl. Kistler 2012:168).
Bei den GRV (Gesetzliche Rentenversicherungs)- Renten bestehen sowohl erhebliche geschlechtsspezifische Differenzen in der Höhe der eigenständig erworbenen Ansprüche als auch beträchtliche Unterschiede zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern. In den westdeutschen Bundesländern erzielten Frauen Ende 2010 nach durchschnittlich 26 Jahren angerechneter Versicherungszeit eine (Alters-)Rentenhöhe von 515 €/ Monat, Männer nach 40 Jahren rund 1051 €, also fast doppelt so hohe Ansprüche (vgl. Butterwegge Ca 2012:113).In den ostdeutschen Ländern hatten Frauen mit durchschnittlich 38 Anrechnungsjahren einen Rentenanspruch von durchschnittlich 699 € erworben (Männer mit 44 Jahren, also geringfügig längerer Anrechnungszeit 1009 €).
Besonders alleinlebende Frauen verfügen im Alter nicht über eigenständiges, vor Armut schützendem Einkommen. Die Gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche und private Rentenversicherung besitzen für Frauen anderen Stellenwert als für Männer: Frauen nehmen an betrieblicher Altersvorsorge seltener teil (vgl. Butterwegge Ca 2012:113-115)
Die 65-jährigen und älteren Frauen hatten Ende 2011 ein durchschnittliches Bruttoalterseinkommen von 1.026 Euro, während Männer dagegen über 1.659 Euro verfügten (Deutscher Bundestag 2012).
Die im Jahr 2001 eingeführte Grundsicherung im Alter soll bei Bedürftigkeit ein existenzsicherndes Einkommen sichern. Hilfebedürftige alte Menschen haben demnach einen Anspruch auf Unterstützung, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bewältigen können. Der Anspruch auf Grundsicherung ist auch vom Einkommen und Vermögen des Partners abhängig (vgl. Börsch- Supan 2013:23,24), der Bruttobedarf liegt durchschnittlich bei 698 € monatlich. Ende 2011 waren 2,58 % der über 65- jährigen (etwa 436 000 Personen) auf Grundsicherung im Alter angewiesen, das entspricht einer Zunahme, im Vergleich zum Vorjahr, von 5,9 % (vgl. Stat. Bundesamt 3: 2012).
Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug die Erwerbstätigenquote im Jahr 2011 64,5 %, zum Stichtag am 9.5.2011 waren rund 40 Millionen der in Deutschland lebenden 80,2 Millionen Menschen erwerbstätig. Mit 53,2 % war der größere Anteil männlich; der Frauenanteil betrug 46,8 %. In der Altersgruppe der Personen ab 65 Jahren gingen noch 10,9 % der Männer sowie 6,2 % der Frauen einer Erwerbstätigkeit nach. 2012 arbeiteten 762.000 RentnerInnen in Minijobs, 118.000 von ihnen waren 75 Jahre und älter. Das Gutachten zum 1. Bundesgleichstellungsbericht belegt, dass Altersarmut und Renten unter 600 EURO mit 54 Prozent überproportional Frauen betreffen. Die OECD stellte 2012 in Deutschland ein Rentengefälle zwischen den Geschlechtern von 50 % fest (vgl. Bezirksamt Tempelhof- Schöneberg: 2013). 2010 waren nur 31,5 % der Mütter von unter 3- jährigen erwerbstätig, über 2/3 davon in Teilzeit (vgl. Butterwegge Ca 2012:120)
Im Jahr 2009 betrugen die Ausgaben der Rentenversicherung 250232 Millionen € (Leistung nach Institution). Leistungen nach Funktionen betrugen in diesem Jahr für Alter und Hinterbliebene 287 538 Millionen € (vgl. Statistisches Bundesamt 1: 2013).
Deutsche Rentner sind zu 70 % vom Staat abhängig, betriebliche und private Vorsorge machen nur einen geringen Teil ihres Einkommens aus. Nur 9 Prozent der Einkommen ergeben sich aus Betriebspensionen, 12 Prozent aus privater Vorsorge und 9 Prozent aus Erwerbsarbeit. Dem Staat gelingt es schon jetzt nicht mehr, das reale Renten-Niveau zu halten. Angesichts des demographischen Wandels gewinnt die private Altersvorsorge an Bedeutung (vgl. DWS 2: 2013), welche jedoch aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht jeder Bürgerin/ jedem Bürger möglich ist.
Im März 2007 haben Bundestag und Bundesrat mit dem „Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz“ das Renteneintrittsalter (schrittweise) auf 67 Jahre angehoben. Ziel soll es dabei sein, den Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung stabil zu halten. Er soll bis zum Jahr 2009 19,9 Prozent nicht überschreiten und langfristig bis 2020 nicht über 20 Prozent steigen. Gleichzeitig soll ein Sinken des Rentenniveaus verhindert werden. Ein Absinken des Rentenniveaus bis zum Jahr 2020 nicht unter 46 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns, bis 2030 nicht unter 43 Prozent soll verhindert werden (vgl. Deutsche Wirtschaftsnachrichten 3).
Das Niveau in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde seit 2000 permanent abgesenkt. Es erwies sich als ein Trugschluss, dass die private Vorsorge und die betriebliche Alterssicherung diese Absenkung kompensieren würden. Eine Sicherung des Lebensstandards im Alter ist somit immer weniger gewährleistet. Aufgrund ungünstiger Erwerbsbiographien muss zudem damit gerechnet werden, dass die Altersarmut steigt (vgl. König 2011:3). Die Rentenniveauabsenkung in der GRV 2001 bewirkte, dass die Bedeutung der individuellen Erwerbs- und Einkommensposition wuchs, während jene der sozialen Ausgleichselemente für die Alterssicherung, von denen Frauen überproportional profitierten
(z. B. Anrechnung Kindererziehungszeiten), abnahmen (vgl. Butterwegge Ca 2012:122)
2010 machten ein Viertel der 1,24 Millionen Rentenzugänge in der GRV die Hinterbliebenenrenten nach § 33 Abs. 4 SGB VI aus, genannt „Witwenrente“. Diese Renten bilden zwar keinen Ersatz für eigenständige Ansprüche, verbessern jedoch die Einkommenssituation von Frauen mit niedrigen Altersrenten erheblich (vgl. Butterwegge Ca 2012: 114). Verheiratete Frauen erfahren hier eine deutliche Aufwertung; kritisch anzumerken ist hier, dass die Benachteiligung nichtverheirateter bzw. in eheähnlicher Gemeinschaft lebender Frauen auch als Diskriminierung betrachtet werden kann.
Die höchsten Armutsrisikoquoten haben im Alter mit deutlich steigender Tendenz im Jahr 2011 alleinstehende Frauen (21,5%), alleinstehende Männer (18,4%) und Paare (9,4%) (vgl. Butterwegge Ca 2012: 113). Naegele schreibt, dass sich das Risiko- und Problempotenzial von 15-20% besonders auf spezifische Untergruppen über 65- jähriger abzeichne: alleinlebende ältere Frauen, ältere Menschen aus den unteren Sozialschichten sowie Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. Naegele 2013:18).
Zwischen dem wirtschaftlichen Status von Männern und Frauen klafft noch immer eine immense Lücke: 70 Prozent der Niedriglöhner sind Frauen. 97 Prozent der Vorstandschefs von Unternehmen sind Männer. 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen, jede Dritte ist arm, hat also weniger als 1015 Euro im Monat zur Verfügung, um sich und ein Kind zu versorgen. Das verfügbare Durchschnittseinkommen von Vätern dagegen steigt nach einer Trennung (vgl. Friedrichs 2012).
Bemerkenswert ist, dass 2007 von gut einer Million anspruchsberechtigter Personen ab 65 Jahren haben nur 340.000 Leistungen bezogen, die Quote der Nichtinanspruchnahme lag somit bei beachtlichen 68 % (vgl. Schmitz 2012:363). Seit den 1990er Jahren weisen verschiedene Studien darauf hin, dass verdeckte, „verschämte“ Armut gerade im Alter ein gravierendes Problem ist (vgl. Butterwegge Ca 2012:114). Die Quote der Nichtanspruchnahme von Leistungen liegt bei rund 57% (vgl. Becker 2012: 139). Aufgrund der längeren Lebenserwartung von Frauen kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil von Frauen, welche in verschämter Armut leben, überproportional hoch ist (vgl. Butterwegge Ca 2012:114).
Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank stellt die kleinen und mittleren Unternehmen vor ein betriebswirtschaftliches Problem: Entweder gehen sie bei der betrieblichen Altersvorsorge ein höheres Risiko ein oder sie müssen deutlich mehr an Rückstellungen bilden und auf Investitionen verzichten . „ Der ständige Hinweis auf die Notwendigkeit selber für eine Altersvorsorge zu sorgen, zeigt sich als Ablenkungsmanöver von der Tatsache, dass der Staat seit 1957 über 700 Milliarden Euro von den Beiträgen der Arbeitnehmer für versicherungsfremde Leistungen abgezwackt hat. Kein Beamter, kein Politiker und kein Selbständiger hat zu dieser Art Leistung beigetragen. Wir leben in einer Zweiklassengesellschaft mit einem Zweiklassenrecht“ ( Deutsche Wirtschaftsnachrichten 6: 2013). Tatsächlich existieren
neben der GRV verschiedene berufsständische Versorgungswerke (z. B. für Ärzte, Apotheker, Anwälte) und die eigene Beamtenversorgung. Beamte zahlen während ihres Arbeitslebens keine Beiträge und erhalten nach 35 Arbeitsjahren 75% ihres letzten Bruttoeinkommens (vgl. Gather 1993:137). Hier zeigt sich eine weitere Ungerechtigkeit, da dem Prinzip der Gleichbehandlung widersprochen wird (vgl. Strengmann-Kuhn 2012:325).
Es ist nicht zu leugnen, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland weiterhin gewachsen ist: trotz insgesamt guter Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt ist das Gefälle zwischen Vermögenden und Mittellosen in Deutschland weiter gewachsen (vgl. Spiegel online 2013). Bundesregierung und Politiker geben diese Entwicklung jedoch nicht gerne zu.
Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der den Zeitraum von 2007 bis 2011 abdeckt, wurde heftig kritisiert, da er mehrfach verschoben wurde, Passagen herausgenommen, hinzugefügt und Formulierungen geschönt wurden. Im Ursprungstext des Armutsberichts wurde dargestellt, dass die unteren Löhne in den letzten 10 Jahren preisbereinigt gesunken, während die oberen Löhne gestiegen sind. So gefiel den Regierungsparteien auch nicht, dass die Bevölkerung zunehmend einen Zusammenhang zwischen der sozialen Ungerechtigkeit und der Einführung von Niedriglöhnen sieht (vgl. Maus 2013). Am Beispiel der „Schönfärberei“ des Armuts- und Reichtumsbericht zeigt sich, dass die Politik nicht die Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen möchte, die Bevölkerung gezielt „hinters Licht geführt“ und ruhig gehalten werden soll.
Siehe auch Grafiken und Tabelle 1-4 im Anhang
In den vorherigen Erörterungen wurden bereits Gründe für die Rentenkrise beschrieben.
In Literatur und Medienberichten wird dargestellt, dass Deutschland im EU- Vergleich kein besonderes Armutsproblem habe (vgl. Börsch- Supan 2013:24) und SeniorInnen in Deutschland - laut Politik und (Fach-)Wissenschaft- ein unterdurchschnittliches Armutsrisiko haben (vgl. Butterwegge Ca 2012:112); unter den 15 westeuropäischen EU- Ländern liegt Deutschland an 4. Stelle (vgl. Börsch- Supan 2013:24). Dennoch: Deutschland steht mit seiner Sozialpolitik im Zentrum der Kritik; zahlreiche Studien stellen die Zukunftsfähigkeit dieses Systems in Frage. Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft spricht in seinem 1998 erstellten Gutachten zur Reform der Rentenversicherung von einer „sich stetig verschärfenden Finanzierungskrise", „drohenden Gefahren" und sogar vom „Konkurs" der gesetzlichen Alterssicherung in ihrer bisherigen Form. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sagte in seinem Jahresgutachten 1996/1997 der gesetzlichen Rentenversicherung eine „schwere, seinen Bestand bedrohende Krise" hervor (vgl. Bofinger 1999: 260). Zudem wird laut eines Spiegel- Artikels die Rentengarantie der Bundesregierung die Beitragszahler bis 2015 gut zehn Milliarden Euro kosten (vgl. Spiegel Online 2010).
Die durchschnittliche Lebenserwartung der westdeutschen Bevölkerung ist auf 76,2 Jahre angestiegen, während sie vor 25 Jahren bei 70,5 Jahren lag. Neben den demographisch bedingten Schwierigkeiten des Rentensystems gibt es noch vielzählige weitere Ursachen zu benennen, hier seien nur die hohe Abgabenlast, die Arbeitslosigkeit, das übermäßig progressive Steuersystem, die entwicklungsbedürftige Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Unterentwicklung der Risikokapitalmärkte zu nennen (vgl. Wissenschaftliche Beirat 1998:3).
Eine erhebliche wenn nicht sogar maßgebliche Belastung der Rentenversicherung ist, wie bereits erwähnt, auf die deutsche Vereinigung zurückzuführen, daSozialleistungen über Transfers in der Renten- und Arbeitslosenversicherung finanziert wurden.
Als eine weitere Ursache ist die hohe Arbeitslosigkeit in den alten und insbesondere in den neuen Bundesländern zu benennen. Sie führt zu einer Verminderung der Beitragszahlungen und zur ihrer Verlagerung auf die Bundesanstalt für Arbeit. Sie übernimmt bis zu 80 Prozent der Beiträge, die bei Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit angefallen wären. Tritt die Sozialhilfe an die Stelle der Arbeitslosenunterstützung, entfallen die Beiträge komplett. Die Bemühungen, durch Frühverrentung einen Teil der Arbeitslosigkeit aufzufangen, haben eher zu einer Verschärfung des Problems als zu einer Entlastung beigetragen: einerseits der Ausfall von Beiträgen und andererseits die Entstehung zusätzlicher Rentenansprüche.
Eine weitere Ursache besteht in der Tendenz zur Auflösung der Normalarbeitsverhältnisse. Die Zunahme von Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse mit einem Monatseinkommen von nicht mehr als 620 DM sind nicht versicherungspflichtig.
Zudem hat die großzügige Behandlung neuer Mitglieder, die Rentenanwartschaften für vergleichsweise geringe Beiträge erwerben konnten, zur Verschärfung der Problemlage beigetragen. Dazu zählen insbesondere Selbständige, die rückwirkend freiwillig Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Bis zu dreimal so hohe Ansprüche als andere aus der Zahlung von Pflichtbeiträgen erhielten z. B. Bürger, welche von der Anfang der siebziger Jahre eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten (vgl. Wissenschaftlicher Beirat 1998: 1,2).
Auf der Homepage der Bundesregierung ist zu lesen, dass „die Bundesregierung sich diesem fortschreitenden demografischen Wandel verantwortlich gestellt und gehandelt habe. Die Rente mit 67 sei die richtige Antwort, um sowohl den Beitragssatz zur Rentenversicherung auch zukünftig stabil zu halten und das Rentenniveau nachhaltig zu sichern“ (Bundesregierung o. J.). Er erscheint äußerst fragwürdig, dass die Erhöhung des Renteneintrittsalters die alleinige und effektive Lösung des Problems sein soll.
Verfolgt man die Wirtschaftsnachrichten, so stellt man fest, dass Rentnern aufgrund der Inflation Verluste drohen. Die scheinbare Erhöhung der Renten um 0,25 % führt in Wahrheit zu einer Renten- Minderung für die Rentner in den alten Bundesländern, da aufgrund der höheren Inflation die Rentenerhöhung nicht einmal zum Ausgleich der gestiegenen Preise ausreicht. In den neuen Bundesländern hingegen erhalten die Rentner ab dem1. Juli 3,29 Prozent mehr Rente (vgl. Deutsche Wirtschaftsnachrichten 3) .
Die prekäre Situation des deutschen Rentensystems wird dadurch verschärft, dass die EU Sparer per Gesetz, d. h. durch Zwang, an den Banken-Rettungen beteiligen will. Verluste für Anleger werden ebenso bewusst in Kauf genommen wie eine mögliche Enteignung der Sparer. Die Risiken der südeuropäischen Banken sind so hoch, dass eine Garantie der Einlagen nur möglich ist, wenn auch die deutschen Sparer und Steuerzahler im Ernstfall mit herangezogen werden. Bisher hat sich Deutschland gegen eine gemeinsame Einlagensicherung gesperrt. Nimmt man jedoch die Aussage von Bundeskanzlerin Frau Merkel ernst, dass es „zu einer Harmonisierung der nationalen Sicherungssysteme kommen müsse “, ist fraglich, welche Methode sich dazu eignen würde, wenn nicht die der aktiven deutsche Mitwirkung bei der Rettung. Würde die EU die gemeinsame Haftung aller Euro-Staaten für die Banken beschließen, hätten andere europäischen Länder Zugriff auf deutsche Sparvermögen. Währenddessen wächst die Not der Banken in Südeuropa weiter, was unter anderem an der Zinssenkung durch die EZB festzustellen ist. Bereits hier wird den deutschen Sparern bereits real Geld weggenommen, da die Banken nun die Sparzinsen weiter senken werden (vgl. Deutsche Wirtschaftsnachrichten 4). Durch die Senkung des Leitzzinses wird den Banken ermöglicht, „billiges Geld“ zu erhalten, welches dann wiederum für den Kauf von Staatsanleihen genutzt wird. So konnten z. B. in Spanien und Italien bisher die Kreditkosten niedriger gehalten werden, als es die wirtschaftliche Situation der beiden Länder zulässt. Die Leidtragenden bzw. Geschädigten sind beispielsweise deutsche Sparer, die Geld für ihre Altersvorsorge zurücklegen. Sie haben im vergangenen Jahr aufgrund der Niedrig-Zins-Politik über vier Milliarden Euro verloren (vgl. Deutsche Wirtschaftsnachrichten 4).
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