Pressemitteilungen der Bundesregierung auf 140 Zeichen gekürzt, kurze Berichte und
Statusmeldungen aus dem beruflichen Alltag des Regierungssprechers und Fragerunden
mit Nutzern in der digitalen Welt. Die Aktivitäten von Regierungssprecher Steffen
Seibert auf der Internetseite Twitter waren ein Novum in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Unter dem Synonym „@regsprecher“ ist Seibert seit Ende Februar
2011 auf den Seiten des Mikroblogging-Dienstes aktiv. Trotz Kritik und Skepsis setzte er sein Vorhaben durch und etablierte Twitter als einen weiteren Kommunikationskanal des Bundespresseamtes. Nach gegenwärtigem Stand haben über 70.000 Twitter-Nutzer die Nachrichten des Regierungssprechers abonniert (vgl. @Regsprecher). Die Online-Aktivitäten machten den Regierungssprecher nicht zuletzt deswegen auch für die Internet- und Social Media-Konferenz „re:publica“ interessant.
Als erster Vertreter der Bundesregierung überhaupt folgte er der Einladung der Veranstalter zur sechsten Auflage der Konferenz im Jahr 2012. Das mediale Echo auf seinen Besuch in der Station Berlin fiel im Anschluss positiv aus: „Ein ganz bisschen wie Obama“ (vgl.Haberschmidt 2012) „Die Regsprecher Show“ (vgl. Schünemann 2012) oder „Seibert umschmeichelt die Netzgemeinde“ (vgl. Jacobsen 2012).
Politik und Unterhaltung – spätestens seit dem Ende der 90er Jahre, seit eine Welle der Entertainisierung die deutsche Politik erreicht hat, ist die Kluft zwischen diesen beiden Begriffen nicht mehr groß. Der Medienwissenschaftler Andreas Dörner beschreibt dieses Phänomen unter dem Begriff „Politainment“. Als Konsequenz aus der
Beobachtung des Interviews mit Steffen Seibert untersucht die vorliegende
Arbeit folgende Forschungsfrage: „Inwiefern agiert der Regierungssprecher Steffen Seibert bei seinem Interview auf der re:publica 2012 im Sinne des Politainments?“
Im Rahmen einer Inhaltsanalyse wird festgestellt, welche bekannten Stilmittel und
Techniken des Politainments von Steffen Seibert aufgegriffen werden, um die
Aufmerksamkeit und Fürsprache des Publikums zu erlangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlage und Methodik
2.1 Der Politainment-Begriff als wissenschaftlicher Bezugspunkt
2.1.1 Politainment und Wirkungsabsichten
2.1.2 Methoden des Politainments
2.2 Gegenstand der Analyse
2.3 Methodisches Vorgehen
3. „@Regsprecher“ und Politainment: Ergebnisse der Inhaltsanalyse
3.1 Analysekategorie 1
3.2 Analysekategorie 2
3.3 Analysekategorie 3
4. Fazit
4.1 Bewertung und Ausblick
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Pressemitteilungen der Bundesregierung auf 140 Zeichen gekürzt, kurze Berichte und Statusmeldungen aus dem beruflichen Alltag des Regierungssprechers und Fragerunden mit Nutzern in der digitalen Welt. Die Aktivitäten von Regierungssprecher Steffen Seibert auf der Internetseite Twitter waren ein Novum in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Unter dem Synonym „@regsprecher“ ist Seibert seit Ende Februar 2011 auf den Seiten des Mikroblogging-Dienstes aktiv. Trotz Kritik und Skepsis, speziell von Seiten Berliner Printjournalisten (vgl. König 2011), setzte er sein Vorhaben durch und etablierte Twitter als einen weiteren Kommunikationskanal des Bundespresseamtes. Nach gegenwärtigem Stand haben über 70.000 Twitter-Nutzer die Nachrichten des Regierungssprechers abonniert (vgl. @Regsprecher). Die Online- Aktivitäten machten den Regierungssprecher nicht zuletzt deswegen auch für die Internet- und Social Media-Konferenz „re:publica“ interessant. Als erster Vertreter der Bundesregierung überhaupt folgte er der Einladung der Veranstalter zur sechsten Auflage der Konferenz im Jahr 2012. Das mediale Echo auf seinen Besuch in der Station Berlin fiel im Anschluss positiv aus: „Ein ganz bisschen wie Obama“ (vgl. Haberschmidt 2012) „Die Regsprecher Show“ (vgl. Schünemann 2012) oder „Seibert umschmeichelt die Netzgemeinde“ (vgl. Jacobsen 2012). Spürbar war die Begeisterung auch anhand der Reaktionen aus dem Publikum: Wohlwollendes Lachen und mehrmaliger Szenenapplaus waren das Zeugnis für die positive Resonanz auf das Interview. Nur wer ein ermüdendes Gespräch mit eintönigen Antworten erwartet hatte, wurde enttäuscht. Mit ‚Politische Vertreter können doch unterhaltsam sein.‘ lässt sich mein subjektiver Eindruck des Interviews wohl prägnant beschreiben.
Politik und Unterhaltung - spätestens seit dem Ende der 90er Jahre, seit eine Welle der Entertainisierung die deutsche Politik erreicht hat, ist die Kluft zwischen diesen beiden Begriffen nicht mehr groß. Der Medienwissenschaftler Andreas Dörner beschreibt dieses Phänomen unter dem Begriff „Politainment“. Als Konsequenz aus der Beobachtung des Interviews mit Steffen Seibert stelle ich mir in der vorliegenden Arbeit folgende Forschungsfrage:
„Inwiefern agiert der Regierungssprecher Steffen Seibert bei seinem Interview auf derre:publica 2012 im Sinne des Politainments?“
Im Rahmen einer Inhaltsanalyse wird festgestellt, welche bekannten Stilmittel und Techniken des Politainments von Steffen Seibert aufgegriffen werden, um die Aufmerksamkeit und Fürsprache des Publikums zu erlangen. Den möglichen Einwand, dass es sich bei Steffen Seibert nicht um einen Politiker handelt und sein Verhalten somit nicht auf Basis des Politainment-Ansatzes analysiert werden kann, möchte ich an dieser Stelle entkräften. Zwar ist Steffen Seibert in der Tat kein Politiker, aber ein repräsentatives Mitglied der Bundesregierung und als Regierungssprecher somit maßgeblich für die Außendarstellung der Regierung verantwortlich. Somit ist es auch in seinem politischen Berufsalltag explizit notwendig öffentlichkeitswirksam aufzutreten. Ein weiterer Aspekt macht die Analyse dieses Interviewauftritts außerdem interessant: Vor seiner Tätigkeit als Regierungssprecher arbeitete Steffen Seibert 21 Jahre lang als Journalist, dabei zuletzt als ZDF-Moderator und Nachrichtensprecher. Er erfüllt somit ein maßgebliches Kriterium, welches Dörner als Grundlage für das Politainment politischer Akteure erachtet:
„[Die] Entertainisierung des Wahlkampfs geht mit einer Fiktionalisierung desPolitischen einher, in deren Rahmen die realen Politiker zu hyperrealenMedienfiguren transformiert werden.“ (Dörner 2001: 117) Bereits vor seines Amtsantritts ist Steffen Seibert eine Medienfigur - eine Tatsache, die sich, wie die Analyse zeigen wird, auf seinen Auftritt und sein Handeln auswirkt.
Anhand des zweiten Kapitels stelle ich das essentielle theoretische Grundverständnis meiner Ausarbeitung her. Dabei gilt es speziell den Terminus „Politainment“ nach Andreas Dörner vorzustellen. Der Fokus liegt dabei auf dem Politainment-Begriff, der sich explizit mit dem Auftreten politischer Akteure in der (Medien-)Öffentlichkeit beschäftigt. Ich fasse in diesem Zusammenhang Wirkungsabsichten, die die politischen Akteure verfolgen und Methoden, die sie anwenden, zusammen. Nach einer Einordnung und Erläuterung des Analysegegenstands und meines methodischen Konzepts, erfolgt auf dieser Basis die analytische Herleitung der Erkenntnisse, die der Beantwortung der Forschungsfrage dienen. Abschließend fasse ich die Ergebnisse meiner Arbeit zusammen und nehme persönlich Bezug auf die Beantwortung der Forschungsfrage.
2. Theoretische Grundlage und Methodik
2.1 Der Politainment-Begriff als wissenschaftlicher Bezugspunkt
Bei der Bearbeitung des Themas der vorliegenden Arbeit ist der Begriff des Politainments der zentrale wissenschaftliche Bezugspunkt. In Deutschland hat der Medienwissenschaftler Andreas Dörner den Begriff, eine Kombination aus den Wörtern Politik und Entertainment, eingeführt und etabliert (vgl. Dörner 2001). Als wichtigsten Ansatzpunkt für die folgende Analyse meiner Thematik und theoretische Grundlage wird in diesem Kapitel die Definition von Politainment nach Dörner pointiert dargestellt.
Gemäß Dörner ist Politainment „[…] eine bestimmte Form der öffentlichen, massenmedial vermitteltenKommunikation, in der politische Themen, Akteure, Prozesse, Deutungsmuster,Identitäten und Sinnentwürfe im Modus der Unterhaltung zu einer neuenRealität des Politischen montiert werden.“ (Dörner 2001: 31)
Das Phänomen „Politainment“ ist in Deutschland speziell seit dem Wahlkampf zur Bundestagswahl im Jahr 1998 spürbar angekommen. Nach dem Vorbild amerikanischer Präsidentschaftskampagnen nutzten die Werber, Kommunikations- und PR-Berater der Politiker in ihren Wahlkampfstrategien die Techniken und Stilmittel der Unterhaltungsindustrie (vgl. ebd.: 114). Seitdem ist das Politainment in Deutschland eine signifikante Methode der politischen Kommunikation. Die Bewertung von Politainment ist dabei ambivalent: Aus kulturkritischer Perspektive wird bemängelt, dass relevante Inhalte zu Gunsten des Entertainments weichen müssen und das politische Bewusstsein dadurch entscheidend beeinträchtigt werden würde (vgl. ebd.: 73-80). Im Gegensatz dazu bestehe jedoch das Potenzial von Politainment darin politikferne Bevölkerungsschichten an politische Themen zu gewöhnen und der allgemeinen Politikverdrossenheit in der gesamten Bevölkerung entgegenzuwirken, denn:
„Die Erreichbarkeit der Kommunikationsteilnehmer, das ist die entscheidende Pointe, ist im unterhaltungskulturellen Interdiskurs besonders groß.“ (ebd.: 99)
Politainment entsteht auf zwei Ebenen. Einerseits auf der Ebene der unterhaltenden Politik und andererseits auf der Ebene der politischen Unterhaltung. Greifen politische Akteure bei Auftritten in der Öffentlichkeit auf die Instrumente und Stilmittel der Unterhaltungskultur zurück, ist das der Ebene der unterhaltenden Politik zuzuordnen. Nimmt hingegen die Unterhaltungsindustrie bei der Darstellung ihrer fiktionalen Inhalte Bezug auf politische Akteure, politische Themen oder Geschehnisse, dann entspricht das der Ebene der politischen Unterhaltung. Die zugehörigen Akteure der zwei Ebenen haben unterschiedliche Zielsetzungen: Während politische Akteure auf die Methoden des Politainment zurückgreifen, um ihren Status und ihre Macht zu stärken bzw. zu sichern, verfolgt die Unterhaltungsindustrie das Ziel ein größtmögliches Publikum zu erreichen und die Attraktivität sowie Authentizität des Produktes zu steigern. Es ist ebenfalls möglich, dass beide Ebenen in einer wechselseitigen Beziehung in Erscheinung treten. Dörner nennt als Beispiel den Auftritt eines Politikers in einer TV- Show im Fernsehen, bei dem folglich beide Seiten gleichermaßen profitieren können - der Politiker erhält Zugang zur medialen Bühne und die Produzenten der TV-Show bekommen einen prominenten Gast, im besten Fall mit Garantie für eine hohe Einschaltquote (vgl. ebd.: 31f).
Der Fokus der Analyse liegt in der vorliegenden Arbeit auf der Ebene der unterhaltenden Politik, weil mit Steffen Seibert bzw. seinen Bemerkungen und Reaktionen, ein politischer Akteur im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Aus diesem Grund ist es an dieser Stelle wichtig die Funktionsweisen des Politainments, explizit vor dem Hintergrund der Wirkungsabsichten von politischen Akteuren auf die politische Kommunikation zu skizzieren. Die Wirkungsabsichten und Methoden von Politainment sollen demnach speziell aus der Perspektive politischer Akteure vorgestellt werden. Weiterführende und ergänzende Aspekte von Dörners Ansatz sind im Rahmen dieser Arbeit redundant und werden ausgegliedert.
2.1.1 Politainment und Wirkungsabsichten
Politainment ist ein Werkzeug, das der Inszenierung von Politik dient. Die grundlegende und allgemeine Zielsetzung ist dabei die Lenkung der Aufmerksamkeit auf politische Themen sowie die Vermittlung von politischen Werten und Deutungsmustern.
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