Die nationalsozialistische Bevölkerungs- und Vernichtungspolitik während des Zweiten
Weltkrieges kann mit einem einzigen Begriff treffend charakterisiert werden. Er lautet:
Selektion. Die Bevölkerung Osteuropas wurde in drei Gruppen selektiert, in jene, die zu
Deutschen erklärt wurden und später in ökonomischer Hinsicht als Siedler privilegiert werden
sollten, in jene, die unter sklavenartigen Bedingungen für deutsche Interessen arbeiten sollten
und in jene, die durch mangelnde Versorgung oder in Vernichtungslagern ermordet wurden. Es
entstanden gigantische Pläne, die die Besiedlung weiter Teile Osteuropas mit Deutschen oder
angeblich Deutschstämmigen vorsahen. Diese wurden allerdings während des Krieges
weitgehend nicht in die Tat umgesetzt. Millionen Menschen wurden schon während des
Krieges größtenteils mit physischer Gewalt gezwungen, unter sklavenartigen Bedingungen als
sog. Fremdarbeiter im Altreich zu arbeiten. Hunderttausende Menschen wurden in Ghettos
oder Kriegsgefangenenlagern durch bewußt unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und
Brennstoffen umgebracht. Millionen Menschen wurden in Todesfabriken vergast, deren
einziger Zweck es war, möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit zu ermorden.
Entsprechend hoch war die Zahl der Todesopfer. Mehr als 3 Millionen christliche Polen und
etwa ebensoviel jüdische Polen verloren ihr Leben. Nur ein ganz geringer Teil von ihnen kam
in den erbitterten Verteidigungskämpfen um; die meisten starben durch die Politik, die die NSBesatzungsbehörden
betrieben. Noch höher war die Zahl der Toten in der besetzten
Sowjetunion. Der sowjetische Historiker Alexandr Kvasa geht von insgesamt 26 bis 27
Millionen Menschen aus, die durch Kriegseinwirkungen getötet wurden.1 Hervorzuheben ist,
daß diese Menschen keineswegs aufgrund einer Notsituation, die durch den Krieg entstand,
umkamen, sondern daß es sich um eine bewußte Politik oder besser gesagt um Massenmord
handelte.
Die Nationalsozialisten sprachen also ganz offensichtlich – aus welchen Gründen auch immer –
ganzen Bevölkerungsgruppen – Juden und großen Teilen der Russen und Polen – ein Recht
auf Leben ab. Es ist deshalb gerechtfertigt von einer „Vernichtungspolitik“ zu sprechen. Diese
Vernichtungspolitik stand im fundamentalen Gegensatz zu dem bereits gegen Ende des 18.
Jahrhunderts in zahlreichen Bürger- und Menschenrechtserklärungen verkündeten Recht auf
Leben. [...]
1 Vgl. Hass, Weltkrieg – Okkupation – Genozid, S. 245
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung.
- 1.1. Die Thematik
- 1.2. Forschungsstand
- 1.3. Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit..
- 2. Bevölkerungspolitik und Bevölkerungstheorien.........
- 3. Die ideologischen Grundlagen.........
- 4. Die Ziele der NS-Vernichtungs- und Bevölkerungspolitik in Osteuropa .……………………………………..
- 4.1. Die geplante Nachkriegsordnung ..
- 4.2. Die angestrebte Veränderung der Bevölkerungsstruktur in Polen..
- 4.3. Die nationalsozialistischen Hungerpläne für die UdSSR..
- 4.4. Die kriegswirtschaftliche Funktion Osteuropas
- 5. Die räumliche Aufteilung des besetzten Osteuropas: „Mustergaue“, Abschiebegebiete, Vernichtungszonen...
- 5.1. Polen.
- 5.1.1. Angeschlossene Gebiete
- 5.1.2. Das Generalgouvernement
- 5.2. Die Sowjetunion........
- 6. Selektion..
- 6.1. Das Nationalitätenprinzip..
- 6.2. Siedler.
- 6.2.1. Ansiedlung von Reichsdeutschen...
- 6.2.2.,,Regermanisierung“.
- 6.3. Versklavung...
- 6.4. Vertreibungen ...
- 6.5. Vernichtungspolitik.
- 6.5.1. Vernichtung der Nicht-Arbeitenden....
- 6.5.2. Vernichtung der Führungs- und Intelligenzschicht
- 6.5.3. Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung / Sinti und Roma..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit der nationalsozialistischen Vernichtungs- und Bevölkerungspolitik in Osteuropa während des Zweiten Weltkriegs. Sie untersucht die Rolle der NS-Ideologie und rationaler politischer bzw. ökonomischer Ziele in diesem Kontext.
- Die Selektion der Bevölkerung Osteuropas in drei Gruppen: privilegierte Siedler, Sklavenarbeiter und Opfer der Vernichtung.
- Die NS-Pläne zur Besiedlung Osteuropas mit Deutschen.
- Die Rolle der Zwangsarbeit und die systematische Unterversorgung in Ghettos und Kriegsgefangenenlagern.
- Die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten, insbesondere die systematische Ermordung der Juden.
- Die Einordnung der NS-Vernichtungspolitik im Kontext der historischen Entwicklung des Rechts auf Leben.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik der Diplomarbeit vor, erläutert den Forschungsstand und skizziert das methodische Vorgehen. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Bevölkerungspolitik und den zugrundeliegenden Theorien. Das dritte Kapitel analysiert die ideologischen Grundlagen der NS-Politik.
Kapitel 4 widmet sich den Zielen der NS-Vernichtungs- und Bevölkerungspolitik in Osteuropa. Dabei werden die geplante Nachkriegsordnung, die angestrebte Veränderung der Bevölkerungsstruktur in Polen, die nationalsozialistischen Hungerpläne für die UdSSR und die kriegswirtschaftliche Funktion Osteuropas beleuchtet. Kapitel 5 behandelt die räumliche Aufteilung des besetzten Osteuropas in "Mustergaue", Abschiebegebiete und Vernichtungszonen.
Kapitel 6 schließlich beleuchtet die Selektion der Bevölkerung Osteuropas, die Ansiedlung von Reichsdeutschen, die Versklavung, die Vertreibungen und die Vernichtungspolitik.
Schlüsselwörter
Nationalsozialismus, Vernichtungspolitik, Bevölkerungspolitik, Osteuropa, Holocaust, Zwangsarbeit, Selektion, Siedlung, Vertreibung, Massenmord, NS-Ideologie, Recht auf Leben, Hungerplan, Generalgouvernement, Sowjetunion, Polen.
- Arbeit zitieren
- Jörg Venderbosch (Autor:in), 2001, Die nationalsozialistische Vernichtungs- und Bevölkerungspolitik während des Zweiten Weltkrieges am Beispiel der besetzten osteuropäischen Länder, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/24499