Mit Verspätung gegenüber der Globalisierung, zeichnet sich im sekundären Sektor seit Beginn der 1990er Jahre eine zunehmende Internationalisierung des Einzelhandels aus (FRANZ 2011: 4). Dabei haben Lebensmitteleinzelhändler wie Metro oder Wal-Mart in den vergangenen 20 Jahren ihre Filialen ausgebaut und in neue Märkte investiert. Solche Unternehmen haben durch ihre Auslandsinvestitionen den Status eines Transnationalen Unternehmens. Ebenso wie im Lebensmitteleinzelhandel haben zahlreiche Bekleidungsgeschäfte wie H&M und ZARA in ausländische Märkte investiert. Die Prozesse der Globalisierung und Internationalisierung des Einzelhandels verändern dabei die Zielmärkte. So werden zunehmend lokale Unternehmen verdrängt und moderne Zuliefernetzwerke aufgebaut. Des Weiteren ändert sich durch das vielfältige Angebot das Konsumverhalten der jeweiligen Zielmärkte (FRANZ 2011: 4). Zu den Akteuren in der Globalisierung des Einzelhandels zählen dabei nicht nur die transnationalen Einzelhändler, sondern auch Zulieferer, Konsumenten sowie einheimische Einzelhändler (FRANZ 2011: 4).
Die Internationalisierung des Einzelhandels ist besonders ab den 1990er Jahren bemerkbar. „Zum einen eröffnete die Liberalisierung des Einzelhandels in vielen Staaten Märkte, die bis dahin geschlossen oder nur schwer zugänglich waren“ (FRANZ 2011: 5). Insbesondere nach dem Kalten Krieg wurden in Mittelost- und Osteuropa neue Märkte für die Transnationalen Einzelhändler erschlossen. Aber auch Entwicklungsländer wie die Türkei öffneten durch eine zunehmende Liberalisierung ab den 1980er Jahren den transnationalen Einzelhändlern ihre Märkte. Die zunehmende Liberalisierung der Märkte wird hierbei als Pull-Faktor für transnationale Einzelhändler angesehen, in diese Märkte zu investieren. Zum anderen sind die Push-Faktoren, die „weitgehende Konsolidierung und zunehmende Regulierung in den Heimatmärkten sowie günstig verfügbare Finanzmittel, die in den Heimatmärkten nur noch schwerlich für eine weitere Expansion genutzt werden konnten“ (FRANZ 2011: 5). Infolge der schnellen Entwicklung der Weltwirtschaft, ändern sich auch die diversen Sektoren der Wirtschaft. So auch unterliegt der Einzelhandel einer starken Veränderung. Auf das veränderte Konsumentenverhalten sowie der gestiegenen Nachfrage entwickelten sich neue und moderne Betriebsformen des Einzelhandels, die starke Abweichungen von den traditionellen Strukturen aufweisen (DURAK 2004: 7).
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Traditioneller Einzelhandel in der Türkei
3. Moderner Einzelhandel in der Türkei
3.1. Ursachen für die Expansion des modernen Einzelhandel
3.2. Ausbreitung der Supermärkte
3.3. Dualismus in der Türkei
4. Fazit
5. Quellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Betriebsformen in der Türkei
Tabelle 2: Marktanteile der verschiedenen Betriebsformen
Tabelle 3: Anzahl der Geschäfte nach Jahren
1. Einleitung
Infolge der schnellen Entwicklung der Weltwirtschaft, ändern sich auch die diversen Sektoren der Wirtschaft. So auch unterliegt der Einzelhandel einer starken Veränderung. Auf das veränderte Konsumentenverhalten sowie der gestiegenen Nachfrage, entwickelten sich neue und moderne Betriebsformen des Einzelhandels, die starke Abweichung von den traditionellen Strukturen aufweisen können (DURAK 2004: 7). Die Veränderungen im Einzelhandel sind zunächst ab den 1930er Jahren in Industriestaaten wie den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Deutschland und Frankreich zu verzeichnen. Aufgrund der zunehmenden Globalisierung sowie der Internationalisierung ist diese Veränderung der Einzelhandelslandschaft weltweit zu verzeichnen (DURAK 2004: 7).
Die Veränderung erfasste die Türkei relativ spät in den 1980er Jahren. Fortan sind aber auch in der Türkei die Konsequenzen der Globalisierung und der Internationalisierung bemerkbar. Große Einzelhandelsketten breiten sich jeher auf dem türkischen Markt aus, wobei die traditionellen Einzelhandelsstrukturen zunehmend verdrängt werden (DURAK 2004: 7). Vor diesem Hintergrund, befasst sich die vorliegende Arbeit zunächst mit einer Definition des Einzelhandels. Darauffolgend wird der traditionelle Einzelhandel in der Türkei näher dargestellt. Im Anschluss wird der moderne Einzelhandel in der Türkei vorgestellt, wobei die Rahmenbedingungen vorgestellt werden, die es ermöglichten den modernen Einzelhandel in der Türkei zu etablieren. Des Weiteren wird auf die Ausbreitung der modernen Struktur eingegangen und auf den Dualismus der beiden Einzelhandelsformen. Zuletzt wird ein kurzes Fazit vorgestellt.
„Zum Einzelhandel zählen alle Betriebe, deren wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend darin besteht, Handelswaren an Endverbraucher (Privathaushalte) zu verkaufen. Handelswaren werden in der Regel nicht selbst be- oder verarbeitet, sondern von anderen Marktteilnehmern beschafft“ (SCHULZ et al 2009: 9).
2. Traditioneller Einzelhandel in der Türkei
Für die islamisch-orientalischen Städte ist als wirtschaftlicher Mittelpunkt der Bazar charakteristisch (HEINEBERG 2006: 288f.). Merkmale des traditionellen Bazars sind neben einer breiten Palette des Warensortiments, eine fein differenzierte Gliederung des Angebots und eine räumliche Kumulierung in bestimmten Straßen und Gassen (Palencsar & Kreis 2001: 25). Im weiteren Verlauf der Arbeit, wird auf den Lebensmitteleinzelhandel eingegangen, zum einen weil die Literatur sich hauptsächlich damit beschäftigt, und zum anderen weil dieser den größten Veränderungen unterworfen ist.
Der türkische Einzelhandel ist geprägt von kleinen Lebensmittelgeschäften, welche im türkischen Bakkals genannt werden (TOKATLI & BOYACI 1998: 346). Der Begriff „Bakkal“ stammt ursprünglich aus dem arabischen und bedeutet soviel wie Obst und Gemüsehändler, Viktualienhändler, Höker oder Krämer (DURAK 2004: 9). Bakkals sind kleine Geschäfte und weisen eine Verkaufsfläche bis zu 50 m² auf. Diese kleinen Geschäfte sind vornehmlich Familienbetriebe und haben meist einen Geschäftsinhaber der gleichzeitig das Geschäft verwaltet. In wenigen Fällen arbeiten mehrere Leute in einem Bakkal. Typisch für diese Geschäftsform ist jedoch, dass oftmals jugendliche Helfer (çırak) beschäftig sind, welche die Kundschaft beliefern (DURAK 2004: 77). Bakkals verfügen über ein begrenztes Angebot an Gütern, häufig setzen sich die Produkte aus Gütern des täglichen Bedarfs zusammen. Die Kapitalakkumulation der bakkals ist aufgrund des kleinen Einzugsgebietes, relativ niedrig. Die Geschäfte sind zumeist schlicht aufgebaut und setzen sich aus einer Kühltruhe für die Lebensmittel, einer Kasse und einem Telefon für die Bestellungen zusammen (DURAK 2004: 77).
3. Moderner Einzelhandel in der Türkei
Die türkische Wirtschaft basierte bis in die 1980er Jahre auf Importsubstitutionen und die Wirtschaft des Landes war größtenteils vom Staat kontrolliert. Die türkische Wirtschaft kam einer Plan Wirtschaft nach. Die Verteilung der Waren und Güter wurde den kleinen traditionellen Händlern überlassen (KOMPIL & CELIK 2006: 2).
Bereits in den 1950er Jahren versuchte die türkische Regierung jedoch, den Einzelhandel zu modernisieren. Ziel war es, eine effektive Verteilung und niedrige Preise insbesondere für die „arme städtische Bevölkerung“ zu ermöglichen (FRANZ & HASSLER 2011: 29). Ein Meilenstein zu Erlangung dieses Zieles war die Kooperation mit dem Schweizer Migros-Genossenschaftsbund. Dieser wurde von der türkischen Regierung eingeladen, um den Aufbau eines modernen Einzelhandels voranzutreiben (FRANZ & HASSLER 2011: 29). Migros brachte dabei internationale Erfahrung im Lebensmittelsektor mit (DURAK 2004: 69). Bereits 1954 wurden die ersten Supermärkte in einem Joint Venture eröffnet. Der Schweizer Genossenschaftsbund hatte dabei einen Anteil von 51 Prozent. 1975 jedoch verkaufte die Schweizer Migros ihre Anteile an die Koç-Holding (FRANZ & HASSLER 2011: 29). Diese durfte den Namen Migros weiterführen. 1956 wurde eine weitere staatliche Supermarktkette gegründet, Gima A.S., wobei hier nicht nur Lebensmittel sondern auch Textilien sowie Elektrogeräte verkauft wurden. Des Weiteren wurden 1973 Tansas-Supermärkte gegründet, die bis in die 1990er Jahre, die zweitgrößte Kette hinter Migros Türk blieb (FRANZ & HASSLER 2011: 29).
Migros war bis 1975 das einzige ausländische Unternehmen, das in der Türkei eine Supermarktkette in Betrieb nahm. Denn zwischen 1945 und 1980 wurde die türkische Wirtschaft durch Schutzzölle von ausländischen Konkurrenten isoliert. Importe wurden durch hohe Zölle enorm gehindert und ausländische Direktinvestitionen wurden durch strenge Regularien unattraktiv gemacht (FRANZ & HASSLER 2011: 30). Des Weiteren wurden Exporte durch staatliche Bürokratie bedeutend gehemmt (MOSER-WEITHMANN 2008: 85).
Supermärkte nach westlichem Vorbild gibt es in der Türkei demnach bereits seit den 1950er Jahren. Zum Durchbruch der Supermarktketten kam es aber erst nach 1980. Im Folgenden wird nun erklärt wie es dazu kam.
3.1 Expansion des modernen Einzelhandels in der Türkei
Die Expansion des modernen Einzelhandels ist geprägt von mehreren Faktoren. Zum einen hat die Türkei eine schnell wachsende urbane Bevölkerung. Lebten 1960 noch 70 Prozent der Türken auf dem Land, so leben heute 70 Prozent der Türken in Städten (HERMANN 2010: 1). Die Urbanisierung bringt sozio-ökonomische und kulturelle Veränderung mit sich. So gibt es zunehmend mehr Frauen die wirtschaftlich aktiv sind und mehr Kleinfamilien als vor einigen Jahrzenten. Die Distanz zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte vergrößern sich zunehmend aufgrund des erhöhten Individualverkehrs (KOC 2009: 4). Solche Veränderungen beeinflussen die Nachfrage nach Autos, Kühl- und Gefrierschränken, Mikrowellen und Fertiggerichten. Damit steigt die Nachfrage nach Gütern, die „typischerweise“ in Supermärkten angeboten werden (FRANZ & HASSLER 2011: 31). Des Weiteren ist das Pro Kopf Einkommen 4,7 mal höher als noch vor 30 Jahren. Zudem erreicht die junge türkische Bevölkerung einen zunehmend höheren Bildungsstand als vor 30 Jahren.
Wie bereits erläutert, war Migros bis 1975 das einzige ausländische Unternehmen, das in der Türkei eine Supermarktkette in Betrieb nahm. Die türkische Wirtschaft war von Schutzzöllen geprägt um ausländische Konkurrenten den Markteintritt zu erschweren und unattraktiv zu gestalten. Dabei wurden Importe durch hohe Zölle enorm gehindert und ausländische Direktinvestitionen wurden durch strenge Regularien unattraktiv gemacht (FRANZ & HASSLER 2011: 30). Des Weiteren wurden Exporte durch staatliche Bürokratie bedeutend gehemmt (MOSER-WEITHMANN 2008: 85).
In der Ära des türkischen Ministerpräsidenten Turgut Özal ab 1983, änderte sich die Wirtschaftspolitik der Türkei. Der Ministerpräsident „setzte einen zunehmend marktorientierten Reformschub in Gang, der binnen- und außenwirtschaftlich auf Liberalisierung setzte“ (MOSER-WEITHMANN 2008: 85). Importbeschränkungen wurden abgeschafft, Exporte gefördert und staatliche Unternehmen zunehmend privatisiert. Dies hatte zum Ziel die türkische Wirtschaft konkurrenzfähiger zu machen (MOSER- WEITHMANN 2008: 85). Ferner wurde der moderne Einzelhandel ab 1985 zunehmend von der türkischen Regierung gefördert, auch um das Steueraufkommen zu erhöhen (FRANZ & HASSLER 2011: 30).
Infolge der Liberalisierung des türkischen Marktes, wurde dieser überwiegend von türkischen Holdings (Mischkonzerne) geprägt. Ein Beispiel dafür ist die Koç-Holding, welche 1975 die Supermarktkette Migros komplett erwarb. Ab 1990 investierten zunehmend transnationale Einzelhändler in den türkischen Markt. So traten 1990 die deutsche Metro, sowie die französische Firma Prisunic in den türkischen Markt ein.
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