[...] In Deutschland ist die Geschichte dieses Genres weitestgehend unbekannt. Trotz
der andauernden Beliebtheit dieser Programmsparte - nicht nur in den USA -
haben sich bis heute nur wenige wissenschaftlich damit beschäftigt, es existieren
lediglich einige wenige Untersuchungen zu speziellen (meist linguistischen)
Fragestellungen, eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Genres gibt es bisher
nicht. Die Gründe liegen sicherlich auch in der Heterogenität des amerikanischen
Fernsehmarktes, der eine historische Gesamtdarstellung des Phänomens
erschwert.
Vor allem die TONIGHT SHOW unterhält seit mehr als 50 Jahren die
amerikanischen Fernsehzuschauer und gilt als Urform aller Late Night Shows. Sie
repräsentiert durch Anpassung an den jeweiligen Zeitgeschmack, wie sich ein
Sendeformat über viele Jahre gegen den Konkurrenzdruck behaupten kann. Im Mittelpunkt dieser wissenschaftlichen Arbeit stehen daher die Entstehung und
Entwicklung der TONIGHT SHOW. Diese wird im Zusammenhang mit den
Programmen der konkurrierenden Sender untersucht, so dass eine umfassende
Darstellung der Geschichte des Genres Late Night Show entsteht. In erster Linie
wird dabei die Programmentwicklung der großen amerikanischen Networks in
diesem Sektor berücksichtigt. Unabhängige Produktionen, sogenannte
„syndicated programs“ werden bei großer Einflussnahme auf das Genre allerdings
auch dargestellt. Vor allem die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen
Programmen werden näher betrachtet.
Zusätzlich wird auch die derzeitige Marktsituation in den USA geschildert; auch
die aktuelle Diskussion im Jahr 2002 um einen Einstieg des Senders ABC in den
Late Night Talk wird dabei berücksichtigt.
Da Late Night Shows mittlerweile auch auf deutschen Bildschirmen vertreten
waren (und sind), wird zusätzlich eine Darstellung des deutschen Marktes in
Bezug auf die spätabendlichen Sendungen erfolgen. Auch die Geschichte des
Genres in Deutschland soll näher betrachtet werden.
Diese Magisterarbeit soll letztendlich dazu beitragen, das „unbekannte
Fernsehgenre“ Late Night Show auf medienwissenschaftlicher Basis in seiner
historischen Dimension zu verorten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Late Night Show - Definition und äußerer Rahmen
2.1 Sendeplatz
2.2 Vorspann
2.3. Monolog
2.4. Dekoration
2.5. Live-Musik
2.6. Publikum
2.7. Ansager
2.8. Sidekick
2.9. Gäste
2.10. Comedy-Elemente
2.11. Wechsel des Aufzeichnungsortes
3. THE TONIGHT SHOW - Eine Programmgeschichte
3.1. Der Vorläufer: BROADWAY OPEN HOUSE
3.2. Die Anfänge der TONIGHT SHOW
3.3. Der erste Flop: Tonight: America after Dark
3.4. „The most imitated personality in broadcasting” - Jack Paar
3.5. Tonight - die Übergangslösung
3.6. „Here’s Johnny!“ - Legende der Late Night
3.6.1. „It’s lonely at the night!“ - (K)eine Konkurrenz für Carson
3.7. Exkurs: NIGHTLINE
4. Ausbau der Nachtschiene - Die Late Late Night
4.1. THE TOMORROW SHOW
4.2. Late Night with David Letterman
4.3. LATER und The Last Call WITH CARSON DALY
5. Der Kampf um Carsons Nachfolge
5.1. THE TONIGHT SHOW in der Krise
5.2. Big chin entertainment - Jay Leno
5.3. Krieg der Networks - Die Entwicklung hinter den Kulissen
5.4. „This is CBS!” - The Late Show
5.4.1. The Late Late Show
5.5. Neue Entwicklungen und imaginärer Ausblick
6. Late Night Shows in Deutschland
6.1. Gottschalk und DIE NACHTSHOW
6.2. DIE HARALD SCHMIDT SHOW
7. Persönliche Stellungnahme und Schlussbemerkungen
8. Quellenverzeichnis
9. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
In Deutschland gibt es momentan mit der Harald Schmidt Show (Sat.1) nur eine einzige tägliche Late Night Show. Der zynischen Humor des Moderators ist an vielen Abenden einem großen Publikum wichtiger als die eigene Nachtruhe. Ein kurzer Kommentar zum Tage, schlagfertige Gespräche mit Prominenten und Live-Musik zu später Stunde sind das Erfolgsrezept der Sendung.
Ebenso wie andere europäische Formate, hat diese spätabendliche Talkshow ihren Ursprung in den USA. Hier hat diese Sendeform eine lange Tradition: Millionen Amerikaner lassen sich jeden Abend von Jay Leno, David Letterman oder Conan O’Brien zu nächtlicher Stunde unterhalten. Diese Late Night Shows sind so erfolgreich, dass mittlerweile eine komplette Sendestrecke mit diesem Format bis in den frühen Morgen bestückt ist.
In Deutschland ist die Geschichte dieses Genres weitestgehend unbekannt. Trotz der andauernden Beliebtheit dieser Programmsparte - nicht nur in den USA - haben sich bis heute nur wenige wissenschaftlich damit beschäftigt, es existieren lediglich einige wenige Untersuchungen zu speziellen (meist linguistischen) Fragestellungen, eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Genres gibt es bisher nicht. Die Gründe liegen sicherlich auch in der Heterogenität des amerikanischen Fernsehmarktes, der eine historische Gesamtdarstellung des Phänomens erschwert.
Vor allem die Tonight Show unterhält seit mehr als 50 Jahren die amerikanischen Fernsehzuschauer und gilt als Urform aller Late Night Shows. Sie repräsentiert durch Anpassung an den jeweiligen Zeitgeschmack, wie sich ein Sendeformat über viele Jahre gegen den Konkurrenzdruck behaupten kann.
Im Mittelpunkt dieser wissenschaftlichen Arbeit stehen daher die Entstehung und Entwicklung der Tonight Show. Diese wird im Zusammenhang mit den Programmen der konkurrierenden Sender untersucht, so dass eine umfassende Darstellung der Geschichte des Genres Late Night Show entsteht. In erster Linie wird dabei die Programmentwicklung der großen amerikanischen Networks in diesem Sektor berücksichtigt. Unabhängige Produktionen, sogenannte „syndicated programs“ werden bei großer Einflussnahme auf das Genre allerdings auch dargestellt. Vor allem die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Programmen werden näher betrachtet.
Zusätzlich wird auch die derzeitige Marktsituation in den USA geschildert; auch die aktuelle Diskussion im Jahr 2002 um einen Einstieg des Senders ABC in den Late Night Talk wird dabei berücksichtigt.
Da Late Night Shows mittlerweile auch auf deutschen Bildschirmen vertreten waren (und sind), wird zusätzlich eine Darstellung des deutschen Marktes in Bezug auf die spätabendlichen Sendungen erfolgen. Auch die Geschichte des Genres in Deutschland soll näher betrachtet werden.
Diese Magisterarbeit soll letztendlich dazu beitragen, das „unbekannte Fernsehgenre“ Late Night Show auf medienwissenschaftlicher Basis in seiner historischen Dimension zu verorten.
2. Late Night Show - Definition und äußerer Rahmen
Der Begriff „Late Night“ bezeichnet den Sendeplatz im Abendprogramm ab etwa 23:00 Uhr, auch in Deutschland hat sich diese Bezeichnung eingebürgert.
Eine „show“ ist in der wörtlichen Übersetzung des Begriffs eine „Sendung“; so werden beispielsweise Krimiserien in den USA als „crime shows“ bezeichnet. Diese einfache Übersetzung der Vokabel Late Night Show kann zur Definition des Formats aber nur sehr wenig beitragen. Der Begriff hat sich vielmehr über die Programmgeschichte des Sendeplatzes definiert. Seit den 50er Jahren ist auf diesem späten Sendetermin bei vielen großen Networks der USA eine Sendeform zu sehen, die der Talkshow unterzuordnen ist.
Bereits die eindeutige Bestimmung der Talkshow (als Genre der Gattung Show) misslingt bei vielen Sendeformaten, denn bei der „Definition der Talkshow als Sendeform (...) stößt man unvermeidlich auf Schwierigkeiten, die auf die ausgeprägte Heterogenität der Talkshow als Genre zurückzuführen sind.“[1] Es gibt allerdings einige Anzeichen, die als Indikator für das Genre der Talkshow gelten, wie z.B. der „Seriencharakter der Sendung, die zentrale Rolle des Gastgebers und das personen- und nicht sachbezogene Gespräch.“[2]
Diese Charakteristika gelten im Wesentlichen auch für die Late Night Show als (Sub-) Genre innerhalb der Talkshow. Zwar ist die Late Night Show ebenfalls nur schwer zu definieren, es haben sich aber einige Elemente herausgebildet, welche dieses Subgenre begründen und es innerhalb der Talkshows separieren. Zum besseren Verständnis werden diese Elemente kurz dargestellt und erläutert. Sie sind in der Regel als Charakteristikum sowohl in den amerikanischen Vorbildern, als auch in den deutschen Sendungen zu finden.
2.1. Sendeplatz
Ein wesentliches Kriterium für die Identifikation als Late Night Show ist der Sendeplatz. In der amerikanischen Nomenklatur für die Sendeplätze im Abendprogramm unterscheidet man zwischen der Prime Time (ab 20:00 Uhr), Late Prime (ab 22:00 Uhr) und der Late Night (von 23:00 Uhr bis in die frühen Morgenstunden). Innerhalb der letztgenannten Zeitspanne findet man die Late Night Show.[3]
2.2. Vorspann
Schon die Einleitung der einzelnen Sendungen weist auf den spätabendlichen Sendeplatz der Late Night Shows hin. Im Vorspann sieht man oft nächtliche Bilder der Stadt, in welcher die Show aufgezeichnet wird. Ist Los Angeles der Aufzeichnungsort, so sieht man beispielsweise den beleuchteten Hollywood-Schriftzug oder tanzende Menschen auf dem Rodeo Drive.[4] Bei einer Show aus New York sind die Skyline der Stadt oder die Freiheitsstatue zu erkennen.[5] In jedem Fall sieht man, dass die Stadt auch nach Anbruch der Dunkelheit noch interessante Unterhaltungsmöglichkeiten bietet. Das soll Rückschlüsse auf die jeweilige Sendung zulassen. Zu den Bildern des Vorspanns intoniert eine Studioband die Erkennungsmelodie der Sendung jeden Abend live.
Charakteristisch ist, dass während des Vorspanns einige Einzelheiten zu der aktuellen Ausgabe der Sendung bekannt gegeben werden. Aus dem „off“ nennt ein Sprecher den Aufzeichnungsort und Namen der Sendung („From New York -
It’s Late Night!“)[6]. Außerdem verliest er die Gästeliste und Programmpunkte der Show. Zudem wird in der Regel die Band vorgestellt und der Auftritt des Moderators angekündigt. Die Musikuntermalung ist allerdings nicht mit dem letzten Bild des vorproduzierten Vorspanns beendet, sondern wird nahtlos als Auftrittsmusik für den Gastgeber im Studio fortgesetzt.
In den letzten Jahren wurde eine Tradition aus der Anfangszeit der Late Night Shows wieder aufgegriffen: Die Namen der Gäste werden in riesigen Buchstaben eingeblendet. Dieses Vorgehen soll an beliebte Nachtclubs (z.B. in Las Vegas) erinnern, die den Namen des jeweiligen Stargastes auch groß auf der Werbemarkise abbilden.
In den Vorspann integriert ist auch in jedem Fall das Logo der Sendung. Die einzelnen Markenzeichen unterscheiden sich dabei sehr stark, da möglichen Merchandising-Artikeln in den USA eine höhere Bedeutung zukommt als bei uns. Die Logos müssen also einen unverwechselbaren Wiedererkennungswert haben.
2.3. Monolog
Der Monolog ist ein klassisches Element der meisten Late Night Shows. Schon in den frühen Sendungen der 50er Jahre kommentierte der Moderator darin auf spöttische Weise die Ereignisse des Tages.
Zu Beginn der Sendung stellt er sich direkt vor das Publikum und lässt die Ereignisse des Tages noch einmal satirisch Revue passieren.
Neben den klassischen Nachrichten weist der Moderator auch auf Meldungen aus anderen Bereichen hin. Vor allem skurrile Meldungen, wissenschaftliche Untersuchungen oder Promiklatsch werden von ihm kommentiert. In diesen Monolog ist das Studiopublikum eingebunden. Es reagiert mit Applaus oder
Buhrufen auf die vorgegeben Meldungen, teilweise wird es vom Moderator auch dazu aufgefordert. Eventuell werden die kommentierten Meldungen für die Studiozuschauer einem großen Monitor eingeblendet.
Mittlerweile wird der Monolog nicht mehr spontan gehalten, sondern von verschiedenen Gagschreibern vorbereitet. Der Moderator liest den Monolog von großen Tafeln, den „cuecards“ ab, die von einem Assistenten während der Sendung gehalten werden. Auf einen Teleprompter wird in der Regel verzichtet.
2.4. Dekoration
Die Studiokulisse der Late Night Shows ist zweckmäßig auf den inneren Aufbau der Sendung abgestimmt. So hat die Band einen festen Platz seitlich einer freien Bühnenfläche, über welche der Moderator vor das Publikum tritt. Auf dieser Bühnenfläche hält der Moderator seinen Monolog ab, außerdem wird die Bühne auch für Darbietungen der Gäste und Comedy-Elemente genutzt.
Der Platz des Moderators ist oftmals hinter einem Schreibtisch. Einerseits wird so seine Position als „Chef“ der Sendung deutlich gemacht, er benutzt diesen Tisch aber auch, um dem Publikum bestimmte Dinge zu zeigen. So stehen häufig das aktuelle Buch (oder die aktuelle CD) des Talkgastes auf dem Schreibtisch. Außerdem benutzt der Moderator den Schreibtisch auch als Unterlage für seine Moderationskarten. Zudem ist ein Telefon darauf zu finden; eventuelle Telefonstreiche sollen den (vorgetäuschten) Live-Charakter der Sendung unterstreichen. Zur Dekoration kann man sicherlich auch die Kaffeebecher[7] mit dem aufgedruckten Sendungs- oder Senderlogo zählen, aus denen der Moderator
trinkt; innerhalb der Kulisse gibt es ansonsten keine Schriftzüge oder Logos mit dem Titel der Sendung.
Der Platz der Gäste ist neben dem Moderator. Sie sitzen also nicht frontal dem Schreibtisch zugewandt, sondern drehen sich während des Gesprächs zur Seite.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein Teil der Studiodekoration von THE TONIGHT SHOW STARRING JOHNNY CARSON
Im Hintergrund sieht man oftmals die nächtliche Silhouette der Großstadt, in der die Sendung aufgezeichnet wird. In die Kulisse integriert ist in der Regel auch ein großer Monitor[8] auf dem im Bedarfsfall Filmeinspielungen für die anwesenden Zuschauer gezeigt werden können. Dieses sind entweder Ausschnitte aus aktuellen Kinofilmen oder TV-Sendungen der Gäste, manchmal werden hier aber auch vorproduzierte Sketche mit dem Moderator eingespielt.
Die Studiokulisse der Late Night Shows lässt erkennen, dass es sich um eine spätabendliche Sendung handelt. Die Farbgebung und das Design der Dekoration haben einen Wiederer- kennungswert für das Genre; sind also bei vielen Sendungen ähnlich gestaltet. Trotzdem hat jede Show ein eigenes Profil, welches innerhalb der Kulissen erkennbar ist.
Zu den Charakteristika des amerikanischen Fernsehens gehört es, dass die Studiodekoration - ebenso wie der Vorspann - in regelmäßigen Abständen modernisiert wird. Der Zeitraum dafür kann mit etwa zwei Jahren angesetzt werden.
2.5. Live-Musik
Eine Live-Band im Studio ist ein weiteres wichtiges Element in einer Late Night Show. Die Musiker spielen alle Darbietungen in der Sendung live. Die Musikuntermalung durch die Band beginnt in der Regel schon während des Vorspanns. Die Titelmusik wird in diesem Fall nicht - wie sonst im Fernsehen üblich - als Aufzeichnung eingespielt. Zudem werden die Auftrittsmusiken für die Gäste ebenfalls live dargeboten. Dabei handelt es sich in der Regel um Musikstücke, die in einer Beziehung zu dem Gast stehen (beispielsweise die Titelmusik einer Fernsehserie, in welcher der Talkgast mitspielt).
Mit Jazz-, Pop-, Rock- und (neuerdings) Rapmusik wird der Musikgeschmack der Zielgruppe 14-49 in der Sendung angesprochen. Während der Werbepausen (für die Fernsehzuschauer) unterhält die Band das Studiopublikum mit weiteren Musikstücken. Auch bei Gesangseinlagen der Showgäste sorgen die Musiker für Unterstützung. Sie werden sogar integriert, wenn eine prominente Band auftritt.
Die Bandmitglieder werden bei Verpflichtungen außerhalb der Late Night Show durch andere Musiker ersetzt. Der Zuschauer erfährt dies in der Regel nicht.
Der Name der Band steht oftmals in Zusammenhang mit der Sendung oder dem Sender. So gibt es beispielsweise „The Tonight Show Band“ (The Tonight Show, NBC) oder „The CBS Orchestra“ (Late Show with David Letterman, CBS). In der deutschen HARALD SCHMIDT SHOW wird die Band allerdings in jeder Ausgabe der Sendung mit einem neuen Namen versehen, der zum aktuellen Tagesgeschehen passt (z.B. „Helmut Zerlett und die schwarzen Kassen“).
Der Bandleader und seine Untergebenen sind oftmals auch in Comedy-Elemente innerhalb der Sendung integriert; häufig werden sie auch vom Moderator während des Monologs direkt angesprochen.
2.6. Publikum
Sämtliche Late Night Shows der USA werden vor Studiopublikum aufgezeichnet. Dieses nimmt im Studio einerseits eine Stellvertreterrolle für den Fernsehzuschauer ein, andererseits soll es aber auch als Vorbild für ihn dienen; die positive Reaktion auf das Geschehen im Studio soll sich auch auf ihn übertragen.
Die Regulatorfunktion für das Gespräch zwischen Moderator und Gast, welche das Studiopublikum in der klassischen Talkshow hat, kann in der Late Night Show vernachlässigt werden. In Vorinterviews sind wesentlich Inhalte des Gesprächs schon festgelegt worden, außerdem haben die Gespräche eher unterhaltenden Charakter. Zudem buhlen nicht mehrere Gäste parallel um die Gunst des Publikums. Es wird im Verlauf der Sendung immer wieder integriert. Manchmal finden komische Darbietungen im Publikumsbereich statt, teilweise sind die Zuschauer aber auch die Hauptdarsteller in Comedy-Elementen. Einzelne Mitglieder des Saalpublikums dürfen dann beispielsweise kleine Rollen innerhalb der Show übernehmen.
2.7. Ansager
In den Late Night Shows gibt es des weiteren einen Ansager, den „announcer“, der als Stimme die Gäste und den Moderator ankündigt. Die Ankündigung der Gäste erfolgt zumeist schon während des Vorspanns. Die Namen der Besucher werden dort groß eingeblendet und vom Ansager verlesen. Zudem kündigt er den Moderator zu Sendebeginn an („Here’s your host...!“). Ebenso wie der Bandleader spielt auch er oft in Comedy-Elemten der Sendung eine tragende Rolle. Viele ehemalige Ansager aus einer Late Night Show wurden später sogar selbst für die Moderation einer Show verpflichtet.
2.8. Sidekick
In einigen Late Night Shows gibt es einen Co-Moderator, der neben dem eigentlichen Gastgeber Platz nimmt. Er ist allerdings nicht gleichberechtigt, sondern dem Gastgeber untergeordnet. Im ersten Teil der Sendung führen die beiden ein (scheinbar) spontanes Gespräch, beispielsweise über die vorangegangene Show oder die Themen des Tages.
Er kann auch in den Comedy-Elemten der Sendung auftauchen. Oftmals führt er Straßeninterviews für die Show oder moderiert Außenschalten. Dieser Co-Moderator wird als „sidekick“ bezeichnet. In einigen Sendungen übernehmen aber auch der Bandleader oder der Ansager seine Aufgaben.[9]
2.9. Gäste
In allen Late Night Shows bilden die Gäste ein sehr wichtiges Element der Sendung. Vor allem prominente Vertreter aus der Popkultur werden von „bookern“ in die Shows eingeladen. Die Auftritte werden oft als PR-Maßnahme genutzt, insbesondere im Vorfeld von neuen Kinofilmen, CD- oder Buchveröffentlichungen kann man eine rege Teilnahme der Beteiligten an den Late Night Shows beobachten. Die jeweiligen Produkte der Gäste werden dabei in den Mittelpunkt des Gesprächs gestellt. Oftmals bieten die Gäste zusätzlich einen inszenierten Anlass für Gesprächsstoff, welcher das Korsett der Sendung durchbricht.[10]
Der Auftritt von prominenten Gästen ist nicht nur auf das Gespräch mit dem Moderator beschränkt. Es gibt auch „cameos“ (= Gastauftritte) in der Sendung.[11] Die Gäste des Abends wirken auch oft in Einspielern mit, die in einer späteren Ausgabe der Show gezeigt werden.
Neben den Gesprächsgästen werden auch Menschen eingeladen, die eine Darbietung erbringen. Entweder sind dies Gesangsdarbietungen (von der Band im Studio live begleitet) oder auch Auftritte von Comedystars oder Variete-Künstlern. Einige Late Night Shows haben sich in diesem Zusammenhang den Ruf der Nachwuchsförderung erworben. In der Regel werden auch diese Gäste im Anschluss an ihre Darbietung zu einem kurzen Gespräch an den Schreibtisch gebeten.
Es gibt auch Gäste, die nicht zu den klassischen Prominenten gezählt werden können. So sind beispielsweise Menschen mit besonderen Talenten, seltsamen Hobbys oder skurrilen Berufen zu Gast in den späten Shows. Auch Personen, die herausragende Leistungen erbracht haben, werden von den Moderatoren begrüßt. Das Feld reicht dabei von Kindern, die Buchstabierwettbewerbe gewonnen haben, bis hin zu den Helden des 11. September 2001.
Die Gäste werden vom Moderator in Einzelgesprächen interviewt und verlassen danach in der Regel die Bühne. In einigen Sendungen ist es mittlerweile aber auch üblich, dass die vorangegangen Prominenten des Abends auf der Bühne sitzen bleiben; sie werden aber nicht mehr in das Gespräch mit dem nächsten Gast integriert. In manchen Late Night Shows gibt es auch prominente Stammgäste, die eingeladen werden, wenn ein anderer Besucher kurzfristig absagt.
Die Gäste der nächsten Sendung werden oftmals in der vorhergehenden Show vom Moderator angekündigt.
2.10. Comedy-Elemente
Zu den Comedy-Elementen gehören häufig die Gespräche mit den Gästen, bei denen es sich nur scheinbar um eine spontane Unterhaltung handelt. In Vorinterviews werden die Gesprächsthemen bereits mit den Gästen abgesprochen; es ist gängige Praxis, dass Teile der Gespräche einstudiert werden. Vor allem, wenn zu einem Einspielfilm übergeleitet werden soll, werden komplette Dialoge inszeniert.
Die Comedy-Elemente sind oftmals in Rubriken eingeordnet. So gibt es ein (manchmal wöchentlich) wiederkehrendes Thema, zu dem sich die Autoren im Vorfeld der Show verschiedene Späße ausgedacht haben. Diese Elemente leben auch von der Interaktion mit dem Publikum oder Dritten. Zu nennen sind die Straßenumfragen, die in fast jeder Show zu finden sind. Auch die Gäste der Sendung (s.o.) wirken in den Einspielfilmen mit. Die Comedy-Elemente reflektieren hierbei den Humor des Moderators.
2.11. Wechsel des Aufzeichnungsortes
Eine Besonderheit der (großen) Late Night Shows ist es, dass sie etwa zweimal im Jahr die Sendung an einem anderen Ort aufzeichnen. Die Gewinnmargen der Sendungen sind so hoch, dass dieses ohne Probleme möglich ist.[12]
Bei den Late Night Shows wird der jeweilige Standort während der Produktionswoche sogar in das Logo der Sendung integriert; der Titel wird um den Namen der jeweiligen Stadt verlängert.[13] In diesen Sendungen wird immer
der Lokalkolorit in den jeweiligen Städten berücksichtigt, während der Late Show in San Francisco gab es beispielsweise diverse Anspielungen auf das Thema „Hippies“.
Es werden während dieser Tourneen auch Stars in die Show eingeladen, denen die Anreise zu dem eigentlichen Studio der Sendung zu anstrengend ist; außerdem wird die Illusion erweckt, dass jeder als Zuschauer im Studiopublikum der Sendung teilnehmen kann - schließlich wird die Sendung „überall“ in den USA aufgezeichnet.
3. THE TONIGHT SHOW - Eine Programmgeschichte
3.1. Der Vorläufer: BROADWAY OPEN HOUSE
Ein erster Vorläufer der (wochen-) täglichen Late Night Show war BROADWAY OPEN HOUSE. Die Sendung wurde am 29. Mai 1950 zum ersten Mal von NBC ausgestrahlt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Produzent Sylvester Weaver
Im Gegensatz zu den meisten aktuellen Shows wurde die Moderation dieser Sendung zwischen zwei Gastgebern nach Wochentagen aufgeteilt. Der Sender hatte Bedenken, ob ein Moderator mit der täglichen Präsentation nicht überfordert sein könnte. Jerry Lester moderierte deshalb die Show am Dienstag, Donnerstag und Freitag. Morey Amsterdam war am Montag und Mittwoch für die Präsentation der Sendung verantwortlich.[14] Der Produzent von BROADWAY OPEN HOUSE war der spätere NBC-Programmchef Sylvester „Pat“ Weaver. Er bezeichnete die Sendung als „a zany light hearted show on every night in same time for people in the mood for staying up“.[15]
In BROADWAY OPEN HOUSE waren bereits viele Elemente zu finden, die auch heute noch fester Bestandteil der diversen Late Night Shows sind: Es gab Charaktere, die nur ihren Rollen entsprechend agierten. Außerdem wurden Prominente zu einer kurzen Plauderei gebeten und eine Band sorgte im Studio für Live-Musik. Der Bandleader war Milton Delugg, der als Akkordeonspieler und Komponist auch eigene Stücke in der Show präsentierte.
Die Sendung war im Studio 6B von NBC in New York beheimatet; dem gleichen Studio, aus dem Johnny Carson einige Jahre später die TONIGHT SHOW präsentierte. NBC wollte durch den Erfolg der Sendung aber auch außerhalb der Stadt auf den eigenen Network aufmerksam machen. Daher wurde die Show auch oft aus anderen Städten (z.B. Detroit) live ausgestrahlt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Morey Amsterdam
Moderator Morey Amsterdam verließ die Sendung bereits im November 1950 wieder und wurde durch verschiedene Gastmoderatoren ersetzt. Als auch Jerry Lester im Mai 1951 die Moderation der Sendung nicht mehr fortsetzen wollte, entschied sich NBC zu einer drastischen Verkürzung der wöchentlichen Sendezeit. BROADWAY OPEN HOUSE wurde von dem neuen Moderator Jack Leonard nur noch an drei Abenden pro Woche präsentiert.
Die Umstände unter denen dann der Moderator Jerry Lester die Sendung verließ, führten zum ersten öffentlichen Skandal in der Geschichte der amerikanischen Late Night Show:
Weil Lester glaubte, dass seine Sketchpartnerin Virginia Ruth Egnor mehr Popularität genoss als er, minimierte er ihre Auftritte in seiner Show drastisch. Die von ihm engagierte Ersatzdarstellerinnen fanden beim Publikum keine Akzeptanz - und die Reibereien zwischen Jerry und Virginia gerieten immer mehr außer Kontrolle. Als der Moderator die Sendung verließ, um sich anderen Projekten zu widmen, war das Ende von BROADWAY OPEN HOUSE bereits abzusehen.
Jerry Lester war nach dem Ende seiner Late Night Show einige Zeit im Rateteam von The Name’s the same[16] (ABC, 1951-1955), der amerikanischen Version von Ich trage einen groSSen Namen (SWR), zu sehen. Anschließend widmete er sich vor allem seiner Karriere als Schauspieler in diversen Kinofilmen.
Dieser skandalumwitterte Abschied von Jerry Lester führte jedoch keinesfalls zum Ende der Late Night Shows. Denn obwohl die Sendung nur ein Jahr lang über den Sender ging, war sie für die Programmform der (Late Night) Talkshow die Innovation: Der erste Test hatte immerhin bewiesen, dass das Fernsehpublikum am späten Abend durchaus Aufmerksamkeit für unterhaltende Gespräche aufbrachte, und „dass eine Sendung - einmal in den richtigen Händen - allein durch ausgeprägte Spontaneität, gute Stimmung und einfaches Drauflosreden, durchaus erfolgreich sein kann.“[17]
Die Sendung war aber auch noch aus einem anderen Grund ein wichtiger Abschnitt in der amerikanischen Mediengeschichte:
Bis in die 50er Jahre waren in den USA vor allem von einer Firma vollfinanzierte Programmformen üblich, bei denen der Name des Sponsors sogar oft noch im Titel der Sendung auftauchte.[18] Die erhobene Einschaltquote galt dabei nicht als absoluter Erfolgsmaßstab, sondern sollte vielmehr darüber Aufschluss geben, wer bei den einzelnen Sendungen einschaltete. Die Networks wollten mit diesen Variety Shows die ganze Familie erreichen - und nicht nur eine bestimmte Altersgruppe. BROADWAY OPEN HOUSE war eine der ersten Sendungen, in welcher die heute übliche Programmform mit Werbeunterbrechungen, konkreter Zielgruppenansprache (und deren Optimierung) ausprobiert wurde.
Pat Weavers Gegenvorschlag zur bisherigen Vollfinanzierung der Programme durch nur jeweils eine Firma lag im Angebot von „participation sponsorships“. NBC produzierte Fernsehsendungen wie BROADWAY OPEN HOUSE und deren Finanzierung wurde von verschiedenen Firmen übernommen.
So bekam das einzelne Unternehmen erstmals die Möglichkeit, während verschiedener Programme mit Sponsorenhinweisen zu werben - und somit auch die Fernsehwerbung auf mehre Programme gestreut einzusetzen, was letztendlich den Ausbau der Sendezeit bis in die frühen Morgenstunden ermöglichte.
3.2. Die Anfänge der TONIGHT SHOW
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Steve Allen
Während Jerry Lester in seinem Studio am Broadway schon den Grundstein für den ersten audio-visuellen Vorläufer einer Late Night Show gelegt hatte, moderierte Steve Allen noch eine Radioshow mit ähnlichem Konzept in Los Angeles.[19] In seiner Late Night Radioshow bei KNX-Radio interviewte er lokale Berühmtheiten, die „zufällig“ in seinem Studio erschienen. Aufgrund des großen Erfolges der Sendung wurde er 1950 von CBS nach New York City eingeladen, um gemeinsam mit den Produzenten des Senders eine Version seiner Show für das Fernsehprogramm von CBS zu entwickeln.
The Steve Allen Show wurde am 25. Dezember 1950 um 19:00 Uhr zum ersten Mal ausgestrahlt. Für die Sendung hatte CBS 30 Minuten Sendezeit eingeplant. Während dieser halben Stunde führte Steve Allen zwei Interviews mit
prominenten Gästen, spielte einige Stücke am Klavier und befragte zufällig ausgewählte Mitglieder des Studiopublikums.
Im März 1951 wurde die Sendung auf einen früheren Sendeplatz verlegt. The Steve Allen Show wurde um 30 Minuten auf eine volle Stunde verlängert und war bis zum September 1952 täglich von 11:30 Uhr bis 12:30 Uhr auf CBS zu sehen.[20] In diesem Daytime-Slot war der Niedergang der Sendung allerdings relativ schnell abzusehen.
Auf dem lokalen Sender WNBC-TV in New York City, dem „Flagschiff“ des NBC-Networks im Staat New York, moderierte Steve Allen ein Jahr später erstmals eine Show, die auf dem alten Sendeplatz von BROADWAY OPEN HOUSE ausgestrahlt wurde. Die Sendung TONIGHT! war - ähnlich seinem Radioprogramm bei KNX-Radio - als „Plauderstündchen“ mit lokalen Berühmtheiten positioniert, die erste war der Schriftsteller Carl Sandburg. NBC erhoffte sich von der Sendung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der konkurrierenden Show Talk of the Town mit Louis Nye.
Nachdem Steve Allen über 15 Monate beachtliche Einschaltquoten vorweisen konnte, wollte NBC im gesamten Programm des Networks von der Show profitieren.[21]
Für Steve Alen gab es keine großen Unterschiede zu seiner Radiosendung: „For the first time since coming to New York I felt completely in my element in television, partly because the new program was much like my old Hollywood radio show, only instead of a table I now sat at a desk.”[22]
Am 27. September 1957 präsentierte Steve Allen die erste Ausgabe TONIGHT!, die über die NBC-Tochtergesellschaften in den gesamten Vereinigten Staaten zu sehen war.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Erkennungszeichen von TONIGHT
Allen eröffnete jede Show am Piano sitzend mit einigen seiner Kompositionen, sehr oft mit dem Stück „This could be the start of something“.[23] Nach dieser Eröffnungsnummer ging er durch das Studio zu seinem Schreibtisch, um mit dem Publikum und prominenten Gästen zu plaudern. Neben diesen Gästen, die jeden Abend wechselten, gab es auch in TONIGHT! ein festes Ensemble von Künstler, die Steve Allen während der Show unterstützten.
Gene Rayburn kündigte die Gäste des Abends an. Außerdem gab er gegen 0:30 Uhr in einem Segment der Show eine Zusammenfassung der Tagesnachrichten. Orchesterchef Skitch Henderson spielte sämtliche Musik (beispielsweise die Auftrittsmusik für die Gäste) im Studio live mit seiner Band.
Allen nutzte Tonight! auch für Improvisationsnummern mit dem Publikum oder Aktionen außerhalb (!) des Studios. Dazu öffnete er zwei große Flügeltüren an einer Seitenwand des Studios, welche direkt auf die Straße führten. Einige Passanten wurden von Allen so direkt in die Show integriert.
Ein Zwischenfall ereignete sich, als einige Ausgaben der Show aus Miami gesendet wurden: „Allen somehow talked to the U.S. Marines into staging a nighttime landing on Miami Beach, for the benefit of his cameras - panicking tourists in nearby hotels, who thought an invasion was underway.“[24]
NBC erkannte schnell, dass Steve Allen die „Wunderwaffe“ sein könnte, die man schon lange gegen die The Ed Sullivan Show (CBS)[25] einsetzten wollte.
Ed Sullivan hatte mit seiner Show, die zunächst unter dem Titel Toast of the Town am 20. Juni 1948 gestartet war, einen unglaublichen Erfolg bei den Zuschauern.
Am Sonntag, dem 24. Juni 1956 trat Steve Allen mit der neuen THE STEVE ALLEN SHOW zum ersten Mal zeitgleich gegen Ed Sullivan an. Die neue Show war TONIGHT! verblüffend ähnlich: Zwar gab es - wie in The Ed Sullivan Show - auch ernste Momente, aber die Komik von Steve Allen beherrschte im Wesentlichen die 60 Minuten der Show.
Steve Allen zog sich zugunsten seiner neuen The Steve Allen Show immer mehr aus TONIGHT! zurück; er moderierte nur noch von Mittwoch bis Freitag. Er sagte dazu: „I came to realize that, although hosting a (daily) show is so easy a job that it’s almost like stealing money, by no means could the same be said for our weekly prime-time sketch-comedy presentation. Putting together a solid hour of comedy and music in only six days is a remarkable feat.”[26]
Am Montag und Dienstag wurde Allen zunächst durch verschiedene Gastmoderationen vertreten, bis Ernie Kovacs am 1. Oktober 1956 als Gastgeber für den Wochenanfang verpflichtet wurde. Brooks und Marsh stellen dazu fest: „Kovac had his own complete cast (...). Ernie’s format was very similar to that of his varios primetime shows, with most of the same characters, as well as blackouts, satires, and slapstik humor.”[27]
Am 25. Januar 1957 wurde die letzte Ausgabe von TONIGHT! ausgestrahlt; Steve Allen musste sich endgültig auf den Quotenwettstreit von The Steve Allen Show gegen The Ed Sullivan Show konzentrieren.
3.3. Der erste Flop: Tonight: America after dark
Mit der Zuschauerresonanz auf TONIGHT! und BROADWAY OPEN HOUSE konnte NBC sehr zufrieden sein. Daher war der Network entschlossen, den Erfolg der Late Night Shows fortzusetzen. Mit dem senderinternen Aufgabenwechsel von Steve Allen wollte der Network auf seinem alten Sendeplatz ein Konzept ausprobieren, das journalistischer sein sollte.
Dave Garroway (Mitte) mit seinen Moderationskollegen von TODAY!
Abgesehen von den nächtlichen Unterhaltungssendungen waren die Erfolge von NBC vor allem im frühen Vormittagsprogramm zu lokalisieren. Auch hierfür zeigte sich Late Night-Pionier Pat Weaver verantwortlich, der eine neue Morgensendung beim Network etabliert hatte. Die Sendung Today! mit Dave Garroway startete am 14. Januar 1952. Der Moderator begrüßte die Zuschauer mit den Worten: „The very first good morning of what I hope and suspect will be a great many good mornings between you and me. (...) I really believe this begins a new kind of television.“[28]
Die Produzenten der Show wollten den Zuschauern eine elektronische Tageszeitung bieten: Korrespondentenberichte, die Titelgeschichte des Tages und auch Beiträge aus der Rubrik „Vermischtes“ wurden (und werden) jeden Werktag in dieser Sendung präsentiert. Die aktuelle Mischung - und vor allem der Moderator Dave Garroway - waren so erfolgreich, dass Today! im Jahr 1954 als „the most profitable show in television“[29] ausgezeichnet wurde. Die konkurrierenden Networks versuchten mit ähnlichen Programmen auf Zuschauerfang zu gehen. CBS startete The Morning Show mit Walter Cronkite am 15. März 1954. Die Zuschauer blieben aber NBC zu der morgendlichen Stunde treu. Dies war auch noch über zwanzig Jahre später der Fall, als ABC mit A.M. America (und später GMA - Good Morning America) in den Quotenkampf bei Sonnenaufgang eintrat.
NBC wollte dieses profitable Morgenkonzept auch auf dem Sendeplatz von TONIGHT! ausprobieren. Schließlich sollte auch nach Steve Allens Verabschiedung von dieser Show der nächtliche Quotenerfolg bestehen bleiben. Am 28. Januar 1957 startete daher Tonight: America after dark mit dem Moderator Jack Lescoulie.
Lescoulie war bei Today! als Moderator sehr erfolgreich gewesen; er galt daher als die ideale Besetzung für den nächtlichen Spin-off. Wenn Today! als audio-visuelle Morgenzeitung der Amerikaner durchgehen konnte, so lieferte America after dark die ergänzende Themenpalette einer Abendzeitung. Eine bunte Mischung aus informativen und unterhaltsamen Themen sollte die Vereinigten Staaten begeistern. Zudem gab es Live-Musik vom „Lou Stein Trio“.
Die Korrespondenten der Show waren Hy Gardner, Bob Considine und Earl Wilson in New York, außerdem Irv Kupcinet in Chicago und Paul Coates mit
Vernon Scott in Los Angeles.[30] Sie berichteten über aktuelle Ereignisse in den jeweiligen Städten und führten Interviews mit passenden Gästen.
Die Sendung blieb jedoch weit hinter dem Erfolg von Steve Allens Version von Tonight! zurück. Immer mehr NBC-Tochtergesellschaften ersetzten Tonight: America after dark durch ihre eigenen Produktionen.[31]
Auch leichte Veränderungen am Konzept - wie der Austausch des Moderators durch Al „Jazzbeaux“ Collins - konnten die Sendung nicht vor schlechten Kritiken und miserablen Einschaltquoten retten. Bereits am 26. Juli 1957 wurde das „revolutionäre“ Konzept von NBC wieder aus dem Programm genommen.
3.4. „The most imitated personality in broadcasting” - Jack Paar
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Jack Paar in THE JACK PAAR SHOW
Das kostengünstige Prinzip der Late Night (Talk-) Shows hatte sich bei NBC inzwischen soweit durchgesetzt, dass man trotz des Flops mit America after dark einen weiteren Versuch in diesem Genre wagen wollte. Die neue Sendung sollte von Jack Paar moderiert werden, der zu diesem Zweck von der CBS zu NBC wechselte.
Paar hatte neben seiner Karriere als Moderator der Gameshows Bank of the Stars und Up to Paar[32] (beide CBS) auch Erfahrungen als Talkmaster gesammelt. Seine Sendung The Jack Paar Show bescherte CBS unerwartete Einschaltquoten; eigentlich war die Sendung nur als „seatfiller“ ins Programm genommen worden, weil die Serie My Favourite Husband während der Sommermonate pausierte.
Die erste Ausgabe der neuen Fassung von TONIGHT! strahlte NBC am 29. Juli 1957 aus. Jack Paar saß - wie schon vorher Steve Allen - hinter einem Schreibtisch und interviewte seine Gäste. Neben dem Moderator gab es mit Schauspieler Franklin Pangborn einen „sidekick“ für Paar. Für die musikalische Unterstützung in der Show sorgte Jose Melis mit seiner Band. Melis hatte schon in der CBS-Version von The Jack Paar Show an der Seite des Moderators musiziert.
Der Start der Sendung war wenig vielversprechend: Paar schien sich nicht für seine extravaganten Gäste zu interessieren - und Franklin Pangborn wirkte in der Show äußerst unsicher. Pangborn wurde durch den Ansager Hugh Downs ersetzt; und auf Jacks Couch durften - wie bei Vorgänger Steve Allen - vermehrt die bekannten Hollywoodstars Platz nehmen.
Während die Stärke von Steve Allen vorher in der spontanen Darbietung von Sketchen und einem witzigen Schlagabtausch mit den Studiogästen lag, sah sich Jack Paar nicht als Interviewer: „I don’t think of myself as an interviewer. (...) That’s something I did just to fill time. I was just as happy if I were alone.”[33]
Dieser sehr eigene Interviewstil wurde von der US-Presse als „conversation and controversy“[34] beschrieben. Er setzte sich relativ schnell bei Kritik und Publikum durch.
Im Jahr 1959 wurde die Sendung endgültig in The Jack Paar Show umbenannt; die früheren Sendungen mit Paar wurden offiziell in The Jack Paar Tonight Show umgetauft.
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Paar im Gespräch mit Gästen
Verschiedene Gäste traten regelmäßig in The Jack Paar Show auf, um ihre Meinung zu den unterschiedlichsten Themen mit Paar zu diskutieren. Darunter waren beispielsweise Schauspielerin Zsa Zsa Garbor, Broadway-Star Peggy Cass und Cliff Arquette in seiner Rolle als „Charlie Weaver“. Aber auch Gäste aus der Politik waren mit Robert Kennedy oder Richard Nixon in der Show vertreten.
Neben den Interviews gab es in den 105 Minuten von Paars Sendung auch Comedy-Elemente. Er führte beispielsweise die amüsanten Plaudereien mit dem Publikum fort, die Steve Allen so erfolgreich in seiner Show begonnen hatte. Außerdem präsentierte Paar einige Sketche und diverse Elemente, die man eher dem Sektor der Gameshow zuordnen würde. So tauchte z.B. in der Rubrik „It’s all Relative“ der Verwandte eines Prominenten in der Sendung auf. Das Publikum sollte erraten, mit wem der Gast durch ein verwandtschaftliches Verhältnis verbunden war.
Die Inhalte der Sendung waren oft politisch motiviert: So stimmte der Moderator in einer Ausgabe der Show ein wahres Loblied auf Fidel Castros Revolution in Kuba an, während er den Diktator Batista vor der amerikanischen Öffentlichkeit kritisierte.[35]
In der The Jack Paar Show endete auch die Ära der ausschließlichen Live-Produktion in der amerikanischen Late Night. Ab Juli 1959 wurde die Freitagsausgabe unter dem Titel The Best of Paar aus den vorangegangenen Ausgaben der Woche zusammengeschnitten.
Ein besonderes Markenzeichen Jack Paars in der Sendung wurden seine Gefühlsausbrüche. So weinte er, wenn er von den Schicksalen seiner Gäste emotional berührt war; oder lachte herzhaft über deren Geschichten. Allerdings war er auch einer der größten Choleriker in der Geschichte des amerikanischen Fernsehens: Paar erzählte in der Sendung die Geschichte über eine Frau, die in den Urlaub fahren will und sich vorher in einem Brief bei dem Hotel erkundigt, ob ein WC vorhanden sei. Der Hotelmanager erkennt hinter der Abkürzung allerdings kein Wasserklosett, sondern vermutet, dass die Abkürzung für „wayside chapel“ stehen würde. Er schreibt ihr daraufhin zurück, dass es ein(e) WC gibt, diese(s) aber oftmals überfüllt sei.[36]
Heutzutage würde diese harmlose Geschichte sicherlich keine Aufregung mehr verursachen, wahrscheinlich würden die Zuschauer sie sogar als langweilig abtun. Die NBC-Zensoren waren aber nicht damit einverstanden, dass eine Verbindung zwischen einer Kirche und einer Toilette in der Sendung hergestellt wird. Am Schneidtisch wurde Paars Geschichte aus der Sendung entfernt. Der Moderator raste daraufhin vor Wut. Am nächsten Abend betrat Paar das Set von THE JACK PAAR SHOW nur, um dem überraschten Publikum mitzuteilen, dass er die Show unter diesen Umständen auf keinen Fall fortsetzen könne. Seine Ansprache beendete er mit den Worten: „I am leaving the (...) show. There must be a better way of making a living than this.”[37] Sein (ebenfalls überraschter) „sidekick“ Hugh Downs, musste nach diesem tränenreichen Auszug die Show des 11. Februar 1960 alleine weiterführen. Jack Paar verweigerte seine Moderationstätigkeit für vier Wochen, bevor er zu seiner Show zurückkehrte.
Nicht nur die NBC-Zensoren zählte Jack Paar zu seinen Feinden; auch mit einigen berühmten Persönlichkeiten war er zerstritten. Seine Moderationskollegen Steve Allen und Ed Sullivan gehörten ebenso dazu, wie die Kolumnistin Dorothy Kilgallen vom New York Journal American (Jack Paar: „She must use Novocain
lipstick.“[38]). Da die Produzenten von The Jack Paar Show diese Prominenten aber weiterhin einluden, kam es auf Sendung oft zu heftigen Wortgefechten zwischen Paar und seinen Gästen.
[...]
[1] Mühlen, Ulrike: Talk als Show. Frankfurt am Main: Lang 1985, S. 2
[2] siehe Someria, Stefano: Talk als Show - Show als Talk. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999, S. 29
[3] siehe Bachem, Christian: Fernsehen in den USA. Neuere Entwicklungen von Fernsehmarkt und Fernsehwerbung. Opladen: Westdeutscher Verlag 1995, S. 68f.
[4] z.B. in THE TONIGHT SHOW WITH JAY LENO (NBC)
[5] z.B. in THE LATE SHOW WITH DAVID LETTERMAN (CBS)
[6] in LATE NIGHT WITH CONAN O’BRIEN (NBC)
[7] Der Kaffeebecher wird in THE LATE SHOW WITH DAVID LETTERMAN während der Werbepause mit heißem Wasser (!) gefüllt, damit die Fernsehzuschauer kurz darauf den aufsteigenden Dampf wahrnehmen können. Der Moderator trinkt während der Aufzeichnung vor allem Wasser aus einem Glas. In diesem Fall hat der Becher also nur eine dekorative Funktion.
[8] Der große Bildschirm wir auch als Vidi-Wall bezeichnet.
[9] In der deutschen HARALD SCHMIDT SHOW (Sat.1) ist es mit Manuel Andrack der Redaktionsleiter der Sendung.
[10] So tanzte beispielsweise die Schauspielerin Drew Barrymore in der Sendung von David Letterman auf dessen Schreibtisch, der Komiker Bobcat Goldthwait zündete mit Feuerzeugbenzin die Sessel in der TONIGHT SHOW an.
[11] Ein Klassiker in diesem Zusammenhang ist der Auftritt von Paul Newman in der ersten Ausgabe der LATE SHOW vom 30. August 1993. Die Kamera zeigte ihn als Publikumsgast, dann stand er auf und rief (als Anmerkung auf das Musical Cats im Nachbartheater): „Where are the singing cats?!“
[12] Außerhalb der Late Night sind diese Tourneen fast unmöglich. Eine Ausnahme bildet Oprah Winfrey mit ihrer Daytime-Talkshow Oprah, die ebenfalls das Heimatstudio in Chicago zeitweise verlässt. (zuletzt: Oprah in Texas)
[13] z.B. The Tonight Show in Las Vegas
[14] Als Moderator war ursprünglich der Komiker Don Hornsby vorgesehen, er starb aber zwei Wochen vor der ersten Live-Sendung an Kinderlähmung.
[15] Steinbrecher, Michael und Weiske, Martin: Die Talkshow - 20 Jahre zwischen Klatsch und News. Tips und Hintergründe. München: Ölschläger 1992, S. 110
[16] vgl. Holmes, John P. und Wood, Ernest: The TV Game Show Almanac. 50 Years of Facts and Fun. Radnor: Chilton 1995, S. 70
[17] Steinbrecher/Weiske, a.a.O., S. 111
[18] z.B. The Colgate Comedy Hour oder Texaco Star Theater (beide NBC)
[19] siehe http://talkshows.about.com/library/weekly/aa041999.htm
[20] vgl. Brooks, Tim und Marsh, Earle: The Complete Directory to Prime Time Network and Cable TV Shows 1946-Present. New York: Ballantine 1999, S. 969
[21] ebd., S. 1037
[22] www.steveallen.com
[23] Brooks/Marsh, a.a.O., S. 1037
[24] ebd., S. 1037
[25] Die Unterhaltungssendung mit Ed Sullivan wurde über 23 Jahre sonntäglich von CBS ausgestrahlt. Insbesondere der Auftritt der Beatles und einige Gastspiele von Elvis Presley machten die Sendung weltweit bekannt.
[26] Allen, Steve: Hi-Ho, Steverino. My Adventures in the Wonderful Wacky World of TV. Fort Lee: Barricade 1992, S. 147
[27] Brooks/Marsh, a.a.O., S. 1037
[28] Hack, Richard: Madness in the Morning.Life and Death in TV’s Early Morning Rating War. Beverly Hills: New Millenium Press 1999, S. 9
[29] Steinbrecher/Weiske, a.a.O., S. 111
[30] siehe Brooks/Marsh, a.a.O., S. 1037
[31] vgl. www.talkshows.about.com/library/weekly/aa042699.html
[32] vgl. Holmes, John P. und Wood, Ernest: The TV Game Show Almanac. 50 Years of Facts and Fun. Radnor: Chilton 1995, S. 199 und S. 204
[33] Cox, Stephen: Here’s Johnny. Twenty Years of America’s favorite Late Night Entertainment. New York: Harmony 1992, S. 34
[34] www.talkshows.about.com/library/weekly/aa042699.html
[35] siehe Brooks/Marsh, a.a.O., S. 1037
[36] siehe McNeil, Alex: Total Television. A Comprehensive Guide to Programming from 1948 to 1980. New York: Penguin 1980, S. 727
[37] http://www.pbs.org/wnet/americanmasters/database/paar_j.html
[38] http://www.corsinet.com/braincandy/ins-fwm.html
- Arbeit zitieren
- Mag. Klaus Storm (Autor:in), 2002, AMERICA AFTER DARK! - Die Geschichte der TONIGHT SHOW und ihrer nächtlichen Konkurrenz, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/23329