„a²+b²=c²“, der „Satz des Pythagoras“: An Mathematik denken die meisten wohl sofort, wenn man von Pythagoras spricht. Dies ist aber nur ein kleiner Teil von dem, was er der Nachwelt bis hin zur heutigen Zeit hinterlassen hat. Er gilt als Begründer der theoretischen Mathematik, Erforscher der musikalischen Grundlagen, bedeutender Philosoph, aber auch als religiöser Führer. Aus diesem Grund ist er eine der umstrittensten und am meisten angezweifelten Größen der Antike. Bis heute streiten sich die Wissenschaftler darüber, ob er nun ein seriöser Gelehrter oder lediglich ein Hochstapler gewesen ist. Im folgenden will ich nun auf die Frage eingehen, ob Pythagoras Philosophieprofessor oder doch nur „Guru“ war.
Inhalt
I. Pythagoras’ Bedeutung heute
II. Das Leben des Pythagoras
1. Einordnung der Quellen
2. Die frühen Jahre
3. Die Orientreisen
4. Auswanderung nach Süditalien
III. Die Naturwissenschaften
1. Mathematik
2. Harmonik
3. Astronomie
IV. Die Philosophische Lehre
1. Zahlenphilosophie
2. Seelenlehre
3. Akusmata
V. „Guru“ oder Professor?
1. Definitionen „Guru", Sekte und Professor
2. Merkmale einer Sekte bei den Pythagoreern
3. Andere Lehrgemeinschaften in der Antike
4. Fazit
VI. Anhang
1. Literaturverzeichnis
2. Internetquellen
3. Bildnachweis
I. Pythagoras’ Bedeutung heute
„a2+b2=c2“, der „Satz des Pythagoras“: An Mathematik denken die meisten wohl sofort, wenn man von Pythagoras spricht.
Dies ist aber nur ein kleiner Teil von dem, was er der Nachwelt bis hin zur heutigen Zeit hinterlassen hat. Er gilt als Begründer der theoretischen Mathematik, Erforscher der musikalischen Grundlagen, bedeutender Philosoph, aber auch als religiöser Führer. Aus diesem Grund ist er eine der umstrittensten und am meisten angezweifelten Größen der Antike.
Bis heute streiten sich die Wissenschaftler darüber, ob er nun ein seriöser Gelehrter oder lediglich ein Hochstapler gewesen ist. Im folgenden will ich nun auf die Frage eingehen, ob Pythagoras Philosophieprofessor oder doch nur „Guru“ war.
II. Das Leben des Pythagoras
1. Einordnung der Quellen
Aufgrund seiner Berühmtheit existiert eine Vielzahl von Berichten, Legenden und Mythen über Pythagoras, die seit seinen Lebzeiten immer mehr und mehr geworden sind. Dies ist auf der einen Seite ein großer Vorteil, da man so viel Material zur Verfügung hat, welches uns Aufschluss über sein Leben, sein Schaffen und sein Zeitalter gibt. Ohne die Legenden wäre wohl somit auch das Wissen über ihn in Vergessenheit geraten.[1] Leider vergrößerte sich mit der Quantität der Darstellungen auch ihre Unglaubwürdigkeit.
Von ihm selbst ist bedauerlicherweise nichts aufgeschriebenes direkt erhalten oder überliefert. Deswegen besteht die Schwierigkeit bei der Behandlung der Quellen darin, die historischen Fakten aus der Menge der Schriften herauszufinden. Am gravierendsten wirkt sich dies auf seine Biographie aus. Als Beispiel möchte ich auf die Festlegung seines Geburtsjahres eingehen. Schon hier gibt es verschiedene Ansätze:
Die meisten Historiker nennen die Jahre um 570 v. Chr. als sein Geburtsjahr. Sie berufen sich dabei auf den Musiktheoretiker und Biographen Aristoxenos.[2] Dieser gibt nämlich an:
„Als Pythagoras vierzig Jahre alt war [...] und sah, dass die Tyrannis des Polykra- tes so stark war, dass es einem freien Mann nicht anstand, die Diktatur und den Despotismus zu ertragen, wanderte er deswegen nach Italien aus" (Aristoxenos Frgm. 16).[3]
Der Herrscher Polykrates hatte um 540 v. Chr. auf Samos die Macht übernommen. Aristoxenos datiert Pythagoras’ Auswanderung nach Italien um 530. Geht man nun vierzig Jahre zurück, errechnet man sein Geburtsjahr 570.
Ein anderer Ansatz bezieht sich auf den alexandrinischen Gelehrten Eratosthen- ses, welcher die Geschichte aufgreift, in der Pythagoras als zwölfjähriger Junge bei den Olympischen Spielen teilnehmen will, für den Wettkampf der Knaben aber noch zu jung ist, dann aber im Faustkampf der Erwachsenen als Sieger hervorgeht.[4] Im Jahre 588 ist tatsächlich ein Mann mit dem Namen Pythagoras in der Siegerliste eingetragen. 600 v. Chr., zwölf Jahre vorher muss somit sein Geburtsjahr sein.[5]
Auf diese Weise könnte man wohl die gesamte Biographie behandeln. Da dies aber viel zu weit führen würde, werde ich nur die fundierteste Version behandeln.
2. Die frühen Jahre
Als Sohn des wohlhabenden Kaufmannes Mnesarchos[6] wird Pythagoras auf der griechischen Insel Samos geboren. Die meisten Quellen betiteln den Theologen Pherekydes von Syros als seinen Lehrer, dies ist aber eher unwahrscheinlich, da die beiden zwar einen ähnlichen Lebensstil hatten, in ihren Lehren jedoch kaum Gemeinsamkeiten zu finden sind. Iamblichos dokumentiert in seiner Vita Pythagoras, dass Pythagoras auch bei den berühmten Naturphilosophen Thales und Anaximandros in Milet studiert haben soll.[7] Iamblichos schreibt auch über dessen Reisen in den Nahen Osten, wenn auch die Art der Erzählung mehr einer verherrlichenden Legende gleichkommt, als einer objektiven Dokumentation.[8]
3. Die Orientreisen
In allen antiken Quellen wird beschrieben, dass Pythagoras während der Zeit vor der Auswanderung unter anderem folgende Länder bereist haben soll: Ägypten, Phönizien, Persien, Babylonien. Er soll dort die Kunst der Mathematik, Geometrie, Astronomie und auch seine religiösen Ansichten erlernt haben.[9] Auf die Details der Reisen möchte ich jedoch nicht eingehen, da die Zeugnisse dafür nur auf Legenden und Erfindungen und deren Ausschmückungen von Autoren wie zum Beispiel Iamblichos oder Isokrates beruhen, welche sich gegenseitig in Widersprüche verstricken.
Außerdem gefiel es den Griechen, ihre eigene Kultur, auf eine so alte und ehrwürdige wie die der Ägypter zu beziehen. Ob Pythagoras nun tatsächlich in den Orient gereist ist, lässt sich heute wohl kaum feststellen. Zhumd zitiert hier Eduard Zeller, die Reisen des Pythagoras seien „nicht unmöglich, sondern unbeweisbar".[10]
4. Auswanderung nach Süditalien
Als der mittlerweile vierzigjährige Pythagoras von seinen Reisen nach Samos zurück kommt, ist dort der Gewaltherrscher Polykrates an der Macht.[11] Unter dieser „Tyrannei" kann Pythagoras nicht leben, da er zum einen seine politischen Meinungen nicht frei äußern kann und zum anderen seine Lehren auf Samos wenig Zuspruch finden. Ganz anders in Großgriechenland, dem heutigen Süditalien: Hierhin wandert er nämlich aus, genauer gesagt in die Koloniestadt Kroton[12] (siehe Abbildung 1). Dort finden seine Ansichten frischen Boden: Zunächst folgt ihm ein kleiner Kreis junger Männer und Frauen, mit welchen er die Pythagoreische Gemeinschaft bildet.[13] Nach und nach erlangen Pythagoras und seine Anhänger zunehmend Einfluss auf die Bevölkerung. Im Konflikt mit der Nachbarstadt Sybaris[14] können sie sich erstmals politisch behaupten. Aufgrund einer Entscheidung Pythagoras’ kommt es zum Krieg. Den Krotoniaten gelingt es, die Sybariten zu besiegen; sie zerstören Sybaris vollkommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Städte in Süditalien zur Zeit des Pythagoras. Im Zentrum liegt die Kolonie Kroton, in der er den Höhepunkt seines Einflusses erlangte.
Da die aristokratische „Partei" um Pythagoras dadurch sehr viel Macht erlangt, kommt es zum Aufstand gegen die Pythagoreer. Infolgedessen siedelt Pythagoras nach Matapont[15] um, wo er laut Aristoxenos um das Jahr 495 v. Chr.[16] in hohem Alter stirbt.
Pythagoras lebte in der Zeit der Anfänge europäischer Philosophie[17], die geprägt war „von einem Übergang des Mythos zum Logos"[18]. Das verstehen der Welt und der Naturkräfte wurde entwickelt, die „Liebe zur Weisheit". Dies wirkte sich natürlich auf sein Schaffen aus. Aus dem, was wir über Pythagoras' Leben wissen, lässt sich schließen, dass er durch seine Reisen und seine Wissbegierde die Erkenntnisse der damaligen Welt zusammengetragen hat und dass er bei den ersten Philosophen gelernt hat. Er war politisch aktiv und wohl auch an Einfluss und Macht interessiert.
[...]
[1] Zhmud L. Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus,
Akademie Verlag, Berlin, 1997, S. 45ff.
[2] Waerden, B.L. van der. Die Pythagoreer. Religiöse Bruderschaft und Schule der Wissenschaft. Artemis Verlag Zürich und München, 1979, S.14
[3] Porphyrios Vita Pythagorae 9 entnommen aus Zhmud, S. 51
[4] Diogenes Laertios, Leben und Meinungen berühmter Philosophen, übersetzt von Otto Apelt, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1990, VIII 47, S. 132 f.
[5] Waerden, S. 14
[6] Zhmud, S. 50
[7] Waerden S. 20 f.
[8] Ebd. S. 44 ff.
[9] Zhmud, S. 57
[10] Vgl. Zhmud, S. 64 Anm. 29
[11] Siehe Punkt II. 1, Seite 5
[12] Heutiges Crotone
[13] Siehe Punkt V. 2, Seite 16
[14] Stadt am Golf von Tarent (heute nicht mehr vorhanden)
[15] Heutiges Metaponto
[16] Vgl. Zhumd, S. 55
[17] Wuchterl K., Grundkurs: Geschichte der Philosophie,Haupt, Bern/ Stuttgart, 1986 , S. 19
[18] Ebd. S. 26